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Prolog:
Dass diese Tour nicht dem typischen Norwegen entsprach, war mir vorher klag. Aber da ich nur begrenzt Zeit und ein beschränktes Budget zur Verfügung hatte, entschied ich mich für diese Strecke. Ich Nachhinein war ich mit der gewählten Strecke sehr zufrieden, weil sie einige Herausforderungen für mich bereit hielt.
Tag 1 - Montag, 9. Mai
30,7 km
Wie immer verließ ich viel zu früh das Haus. Im Gedanken war ich schon längst in Norwegen. Die Hektik des Alltags legte ich bereits am Freitag nach Feierabend ab. Klare Bergseen und Flüsse - die einmalige Landschaft Norwegens - warteten auf mich.
Plötzlich riss mich eine fremde Stimme aus meinen Tagträumen: „Kommst du klar?“ Geht das nicht schneller?“ Ich stand am Ticketautomaten und löste meine Fahrkarte nach Bremen. „Ja, geht schon. Danke.“ antwortete ich und ignorierte die zweite Frage der jungen Frau. Ich bin Autofahrer und machte, wann immer möglich, einen großen Bogen um die Bahn. Der Ticketautomat war irgendwie etwas Neues für mich. Außerdem hatte ich Urlaub und war eh viel zu früh dran. Ich gab mir bewusst Mühe, mich nicht wieder von der Hektik infizieren zu lassen. Das war gar nicht so einfach, wenn man sich auf die Bahn verlassen muss und der Zug plötzlich das Gleis wechselt oder von der Anzeigetafel verschwindet.
Endlich tauchte Norwegens Küste unter mir auf. Wir flogen den Oslofjord bis nach Sandefjord hinauf. Es war unerwartet warm. Mindestens 18 Grad. Ich zog meine Fleecejacke aus und schulterte meinen Rucksack. Die Etappe, die vor mir lag, war nicht angenehm. Ich musste ca. 27 km bis nach Kvelde der Straße folgen. Um so mehr begrüßte ich es, als neben mir ein Auto hielt. Jonas bot mir an, mich ein Stück mitzunehmen. Er fuhr mich die 2 km bis zum nächsten Supermarkt. Hier konnte ich erstmal Gas zum Kochen besorgen.
Langsam schrumpfte mein Wasservorat auf ein bedenkliches Minimum. Ich hatte die Temperatur unterschätzt. Die Sonne wich scheinbar geschickt den Wolken aus und brachte meine Füße auf dem Asphalt zum Glühen. Ich beschloss eine „Abkürzung“ zu nehmen und streckte den Daumen raus. Nach kurzer Zeit hielt Erik mit seinem Van an und nahm mich die letzten 7 km bis nach Kvelde mit.
Ich füllte mein Wasser an einer Tankstelle auf und folgte der Straße bis zum Wanderpfad. Es ging steil hinauf und ich merkte sofort, dass ich in den letzten Jahren nur in Norddeutschland unterwegs gewesen bin. Mein Ziel war ein kleiner See. Ich musste für das letzte Stück den Pfad verlassen und einem Bachbett hinauf folgen. Die 20 kg Gepäck machten mir zu schaffen und ich musste aufpassen, dass ich nicht auf den Felsen ausrutschte. Am See angekommen, suchte ich nach einer geeigneten Stelle für mein Zelt und filterte mein erstes norwegisches Wasser. Zum Abendessen gab es noch eine Portion Mais und Knäckebrot.
Tag 2 - Dienstag, 10. Mai
20,2 km
Ich wachte gegen 5 Uhr auf und blieb noch eine knappe Stunde liegen. Zum Frühstück gab es Haferschleim und heiße Schokolade. Nebenbei filterte ich wieder etwas Wasser und machte mir daran, mein Lager abzubauen. Es ging weiter Richtung Norden.
Plötzlich steckte ich bis zur Hüfte im Sumpf. Panik kam in mir auf. Mein schwerer Rucksack drückte mich weiter nach unten. Ich musste meinen Oberkörper flach ins Wasser legen um mein Gewicht zu verlagern. Mit ganzer Kraft konnte ich meine Beine aus dem Schlaff befreien. Noch zwei Züge, dann war ich an der rettenden Felswand.
Der Weg war an dieser Stelle überflutet. Ich stellte mich darauf ein, durch knöcheltiefes Brackwasser zu waten. Barfuß kam nicht in Frage, da ich den Grund nicht einsehen konnte und nicht auf scharfe Steine treten wollte. Ungefähr 20 Meter musste ich so überwinden. Und dann der Fehler. Ich hatte es zu eilig und war unvorsichtig geworden. Der Preis dafür waren durchnässte Stiefel und Hose. Ich hangelte mich an der Felswand entlang, bis ich wieder festen Boden unter mir hatte.
Nach einiger Zeit erreichte ich zum Glück eine Lichtung mit ausreichend Sonne. Meine Stiefel waren nach einer guten Stunde zwar immer noch nass, aber ich musste weiter. Außerdem begannen die Ameisen hier mich zu umzingeln und als ihr Mittagessen zu betrachten.
Hier im Wald war es gar nicht so einfach, einen geeigneten Zeltplatz mit Wasserversorgung zu finden. Also lief ich weiter, bis ich an eine Hauptstraße kam, die an einem See vorbeiführte. Auf der anderen Seite des Sees lag ein Campingplatz und eine Herberge, auf deren Gelände scheinbar gerade ein großes Treffen von Motorradfahrern stattfand. Dort war mir eindeutig zu viel los und so machte ich es mir direkt an der Hauptstraße gemütlich.
Tag 3 - Mittwoch, 11. Mai
19,5 km
Trotz der Hauptstraße direkt neben meinem Zelt, konnte ich erstaunlich gut schlafen. Es war kurz nach 10, als ich aufbrach. Ich hatte mir für diesen Tag noch kein festes Etappenziel gesetzt, was auch gut war, wie sich später herausstellte. Zuvor erteilte mir dieses wundervolle Land aber noch eine Lektion in Sachen Naturgewalten. Die komplette Straße vor mir war einfach weggerissen. Übrig gebleiben waren nur zersplitterte Bäume und zertrümmerte Felsen. Vor mir ging es etwa 20 Meter bergab und nach 100 Metern wieder 50 steil berauf. Der Aufstieg war allerdings schwieriger als erwartet. Die Wand vor mir bestand aus Schlamm und Geröll. Ich musste meine Hände zu Hilfe nehmen, um nicht nach hinten überzukippen.
Dieser Tag zeigte mir mehrmals, dass der Winter in Norwegen erst kurz vorüber war. Die Wegen waren durch den kurz zuvor geschmolzenen Schnee sumpfig und kaum begehbar. Ich steckte mehrmals bis zu den Knöcheln im Schlamm.
Nach der kurzen Klettereinlage traf ich einen Jäger und kam mit ihm ins Gespräch. Er reit mir zu einer anderen Route: mehr Straße, aber dafür schönere Landschaft. Hier in Norwegen gab es scheinbar zwei verschiedene Arten von Straßen: die, die befahrbar waren und die, die einfach weggerissen oder von umgestürzten Bäumen verpserrt waren. Diese Straße entlang der Seen sollte aber von erster Sorte sein, versprach er mir. Für den nächsten Tag hatte er mir noch einen Platz zum Zelten empfohlen.
Ich konnte nicht aufhören zu laufen und wollte immer einen noch besseren Zeltplatz finden. Und ich hatte Glück: ein großes Badeufer an einem schönen See tauchte neben der Straße auf. Hier war es problemlos möglich, mein Zelt aufzuschlagen. Leider fing es gegen Abend an zu regnen, so dass ich mich ins Zelt zurückziehen musste.
Tag 4 - Donnerstag, 12. Mai
17,2 km
Heute hatte ich einen derben Dämpfer erlitten. Meine Sonnenbrille ging mir unterwegs verloren. Ich war über mich selbst erstaunt, wie viele Emotionen man mit einem Gegenstand verbinden kann. Aber ich musste mich mit dem Verlust abfinden, denn ich war zuvor eine knappe Stunde durch Moorlandschaft gestapft und eine Suche in dieser Gegend war aussichtslos.
Der Tag fing eigentlich so gut an. Ich wurde von der Morgensonne geweckt, die schon fleißig dabei war, mein Zelt zu trocknen. Auch konnte ich endlich einen Teil meiner Kleidung waschen und direkt trocknen. Nebenbei reinigte ich meine Ausrüstung und packte zusammen.
Die nächsten 10 km bis zu dem Zeltplatz, den mir der Jäger vorgeschlagen hatte, würde ich schnell zurücklegen, da die ganze Strecke aus Schotterpiste bestand. Zu schnell, stelle ich dann gegen Mittag fest. Ich war motiviert noch weitere 5 bis 10 km zurückzulegen. Oder sollte ich einen halben Ruhetag einlegen und mich auf den Aufstieg ins Skrimfjella vorzubereiten? Ich beschloss bis zu einer Selbstversorgerhütte weiterzugehen. Da würde ich schon irgendwo mein Zelt aufschlagen können.
Leider fing es direkt nach dem Entschluss an zu regnen und es hörte, bis auf ein paar kurze Unterbrechungen, nicht mehr auf. Ich war komplett durchnässt, als ich die Hütte erreichte und ich war nicht wirklich motiviert, jetzt noch mein Zelt aufzuschlagen. Zum Glück fand ich neben der Hütte einen Holzlagerschuppen, in dem ich perfekt Platz hatte. Der Nachteil war allerdings, dass er von unten und vorne nicht wirklich dicht war. Ich stelle mich also auf eine kalte Nacht ein. Dafür hatte ich direkt neben an fließend Trinkwasser.
Tag 5 - Freitag, 13. Mai
26 km
Mein kleines Thermometer zeigte mir knapp unter 0 Grad an. Meine Stiefel waren immer noch durchnässt vom Vortag und würden auch nicht mehr rechtzeitig trocknen. Ich packte meine Ausrüstung zusammen und wärmte meine Stiefel über dem Gaskocher noch einmal auf.
Den ersten Berg meiner heutigen Etappe konnte ich von der Hütte aus schon sehen. Er lag südlich des Styggmanns. Von ihm aus ging es in ein Tal hinab und dann hoch auf den höchsten Berg dieser Region. Der Aufstieg würde mich Hanseaten ganz schön fordern. Und so war es auch. Aber für diesen Ausblick hatte sich alle Anstrengung gelohnt. Auch wenn ich teilweise frei klettern und dann meinen Rucksack an einem Seil hinauf ziehen musste. Die Landschaft hier oberhalb der Baumgrenze war wunderschön. Ich konnte bis nach Kongsbergs, dem Ziel meiner Reise, blicken. Eigentlich wollte ich hier oben die Nacht verbringen, aber die Wiesen waren alle feucht und sumpfig. Außerdem wollten meine Beine in Bewegung bleiben und so entschied ich mich, heute schon nach Kongsberg aufzubrechen. Der Abstieg erwies sich allerdings als einer der schwierigsten Abschnitte meiner Reise, da ich nicht dem markierten Pfad folgte, sondern eine Abkürzung nahm. Ich musste ich teilweise abseilen und steckte immer wieder knöcheltief im Schlamm.
Dann versperrte mir auch noch ein großes Schneefeld den Weg. Ich wollte nicht hindurch, da mir das Risiko zu groß war, dass sich unter dem Schnee eine Felsspalte befinden könnte. Wieder aufzusteigen und den anderen Pfad zu nehmen, kam für mich nicht in Frage. Also hangelte ich mich an einer Felswand entlang.
Endlich unten angekommen, war ich froh, den Berg hinter mir zulassen. Bis nach Kongsberg hatte ich nur noch Straße vor mir. Und ich hatte wieder einmal Glück: eine Frau, die hier oben eine Hütte besaß, nahm mich die letzten 15 km bis nach Kongsberg mit. Sie zeigte mir sogar die Altstadt und erzählte mir viel über die historischen Bauwerke. Norwegen gefiel mir immer besser. Gegen Nachmittag setzte sie mich am Bahnhof ab und da heute noch ein Flug nach Deutschlang ging, nahm ich direkt den Zug nach Torp und hoffte, mein Ticket tauschen zu können. Sehr naiv gedacht, wie sich am Flughafen heraustellte. Die einzige Möglichkeit wäre ein neues Ticket für 400 Euro. Das kam definitiv nicht in Frage und so ging ich in den nächsten Wald, um mein Lager aufzuschlagen. Da ich Dienstag schon wieder arbeiten musste, hätte ich die drei Tage in Deutschland gut gebrauchen können um mich zu erholen. Aber das konnte ich auch hier im Wald.
Tag 6 - Samstag, 14. Mai
0 km
Als ich am Morgen meine Haare wusch, entdeckte ich ein anderes Zelt. Ich zog mich an und ging hinüber um „Hallo“ zu sagen. Es war ein polnisches Pärchen, das auch die Nacht hier verbracht hatte. Sie waren gerade beim Frühstück und luden mich auf Kaffee und Brötchen ein. In Sachen Verpflegung waren die Beiden wesentlich besser ausgestattet als ich. Also nahm ich die Einladung gerne an. Da ihr Flug heute schon ging und ich wohl etwas unterernährt aussah, überließen sie mir einen Teil ihrer Verpflegung. Besonders über die Heringe in Tomatensauce freute ich mich sehr. Wir tauschten noch einige Geschichten aus und verabschiedeten uns anschließend.
Den restlichen Tag verbrachte ich mit Schnitzarbeiten und damit, mein Reisetagebuch zu vervollständigen.
Tag 7 - Sonntag, 15. Mai
0 km
Es hatte die ganze Nacht geregnet und ich konnte nur schwer einschlafen. Als ich morgens aufwachte, sah es so aus, als würde das Wetter aufklaren. Also ging ich zum Flughafen um Wasser zu holen. Doch schon auf dem Rückweg fing es wieder an zu regnen. Das könnte ein langer Tag werden, wenn sich das Wetter nicht ändern würde.
Aber ein Positives hatte der Morgen: in 24 Stunden würde ich ein letztes mal zum Flughafen gehen, um einzuchecken.
Dass diese Tour nicht dem typischen Norwegen entsprach, war mir vorher klag. Aber da ich nur begrenzt Zeit und ein beschränktes Budget zur Verfügung hatte, entschied ich mich für diese Strecke. Ich Nachhinein war ich mit der gewählten Strecke sehr zufrieden, weil sie einige Herausforderungen für mich bereit hielt.
Tag 1 - Montag, 9. Mai
30,7 km
Wie immer verließ ich viel zu früh das Haus. Im Gedanken war ich schon längst in Norwegen. Die Hektik des Alltags legte ich bereits am Freitag nach Feierabend ab. Klare Bergseen und Flüsse - die einmalige Landschaft Norwegens - warteten auf mich.
Plötzlich riss mich eine fremde Stimme aus meinen Tagträumen: „Kommst du klar?“ Geht das nicht schneller?“ Ich stand am Ticketautomaten und löste meine Fahrkarte nach Bremen. „Ja, geht schon. Danke.“ antwortete ich und ignorierte die zweite Frage der jungen Frau. Ich bin Autofahrer und machte, wann immer möglich, einen großen Bogen um die Bahn. Der Ticketautomat war irgendwie etwas Neues für mich. Außerdem hatte ich Urlaub und war eh viel zu früh dran. Ich gab mir bewusst Mühe, mich nicht wieder von der Hektik infizieren zu lassen. Das war gar nicht so einfach, wenn man sich auf die Bahn verlassen muss und der Zug plötzlich das Gleis wechselt oder von der Anzeigetafel verschwindet.
Endlich tauchte Norwegens Küste unter mir auf. Wir flogen den Oslofjord bis nach Sandefjord hinauf. Es war unerwartet warm. Mindestens 18 Grad. Ich zog meine Fleecejacke aus und schulterte meinen Rucksack. Die Etappe, die vor mir lag, war nicht angenehm. Ich musste ca. 27 km bis nach Kvelde der Straße folgen. Um so mehr begrüßte ich es, als neben mir ein Auto hielt. Jonas bot mir an, mich ein Stück mitzunehmen. Er fuhr mich die 2 km bis zum nächsten Supermarkt. Hier konnte ich erstmal Gas zum Kochen besorgen.
Langsam schrumpfte mein Wasservorat auf ein bedenkliches Minimum. Ich hatte die Temperatur unterschätzt. Die Sonne wich scheinbar geschickt den Wolken aus und brachte meine Füße auf dem Asphalt zum Glühen. Ich beschloss eine „Abkürzung“ zu nehmen und streckte den Daumen raus. Nach kurzer Zeit hielt Erik mit seinem Van an und nahm mich die letzten 7 km bis nach Kvelde mit.
Ich füllte mein Wasser an einer Tankstelle auf und folgte der Straße bis zum Wanderpfad. Es ging steil hinauf und ich merkte sofort, dass ich in den letzten Jahren nur in Norddeutschland unterwegs gewesen bin. Mein Ziel war ein kleiner See. Ich musste für das letzte Stück den Pfad verlassen und einem Bachbett hinauf folgen. Die 20 kg Gepäck machten mir zu schaffen und ich musste aufpassen, dass ich nicht auf den Felsen ausrutschte. Am See angekommen, suchte ich nach einer geeigneten Stelle für mein Zelt und filterte mein erstes norwegisches Wasser. Zum Abendessen gab es noch eine Portion Mais und Knäckebrot.
Tag 2 - Dienstag, 10. Mai
20,2 km
Ich wachte gegen 5 Uhr auf und blieb noch eine knappe Stunde liegen. Zum Frühstück gab es Haferschleim und heiße Schokolade. Nebenbei filterte ich wieder etwas Wasser und machte mir daran, mein Lager abzubauen. Es ging weiter Richtung Norden.
Plötzlich steckte ich bis zur Hüfte im Sumpf. Panik kam in mir auf. Mein schwerer Rucksack drückte mich weiter nach unten. Ich musste meinen Oberkörper flach ins Wasser legen um mein Gewicht zu verlagern. Mit ganzer Kraft konnte ich meine Beine aus dem Schlaff befreien. Noch zwei Züge, dann war ich an der rettenden Felswand.
Der Weg war an dieser Stelle überflutet. Ich stellte mich darauf ein, durch knöcheltiefes Brackwasser zu waten. Barfuß kam nicht in Frage, da ich den Grund nicht einsehen konnte und nicht auf scharfe Steine treten wollte. Ungefähr 20 Meter musste ich so überwinden. Und dann der Fehler. Ich hatte es zu eilig und war unvorsichtig geworden. Der Preis dafür waren durchnässte Stiefel und Hose. Ich hangelte mich an der Felswand entlang, bis ich wieder festen Boden unter mir hatte.
Nach einiger Zeit erreichte ich zum Glück eine Lichtung mit ausreichend Sonne. Meine Stiefel waren nach einer guten Stunde zwar immer noch nass, aber ich musste weiter. Außerdem begannen die Ameisen hier mich zu umzingeln und als ihr Mittagessen zu betrachten.
Hier im Wald war es gar nicht so einfach, einen geeigneten Zeltplatz mit Wasserversorgung zu finden. Also lief ich weiter, bis ich an eine Hauptstraße kam, die an einem See vorbeiführte. Auf der anderen Seite des Sees lag ein Campingplatz und eine Herberge, auf deren Gelände scheinbar gerade ein großes Treffen von Motorradfahrern stattfand. Dort war mir eindeutig zu viel los und so machte ich es mir direkt an der Hauptstraße gemütlich.
Tag 3 - Mittwoch, 11. Mai
19,5 km
Trotz der Hauptstraße direkt neben meinem Zelt, konnte ich erstaunlich gut schlafen. Es war kurz nach 10, als ich aufbrach. Ich hatte mir für diesen Tag noch kein festes Etappenziel gesetzt, was auch gut war, wie sich später herausstellte. Zuvor erteilte mir dieses wundervolle Land aber noch eine Lektion in Sachen Naturgewalten. Die komplette Straße vor mir war einfach weggerissen. Übrig gebleiben waren nur zersplitterte Bäume und zertrümmerte Felsen. Vor mir ging es etwa 20 Meter bergab und nach 100 Metern wieder 50 steil berauf. Der Aufstieg war allerdings schwieriger als erwartet. Die Wand vor mir bestand aus Schlamm und Geröll. Ich musste meine Hände zu Hilfe nehmen, um nicht nach hinten überzukippen.
Dieser Tag zeigte mir mehrmals, dass der Winter in Norwegen erst kurz vorüber war. Die Wegen waren durch den kurz zuvor geschmolzenen Schnee sumpfig und kaum begehbar. Ich steckte mehrmals bis zu den Knöcheln im Schlamm.
Nach der kurzen Klettereinlage traf ich einen Jäger und kam mit ihm ins Gespräch. Er reit mir zu einer anderen Route: mehr Straße, aber dafür schönere Landschaft. Hier in Norwegen gab es scheinbar zwei verschiedene Arten von Straßen: die, die befahrbar waren und die, die einfach weggerissen oder von umgestürzten Bäumen verpserrt waren. Diese Straße entlang der Seen sollte aber von erster Sorte sein, versprach er mir. Für den nächsten Tag hatte er mir noch einen Platz zum Zelten empfohlen.
Ich konnte nicht aufhören zu laufen und wollte immer einen noch besseren Zeltplatz finden. Und ich hatte Glück: ein großes Badeufer an einem schönen See tauchte neben der Straße auf. Hier war es problemlos möglich, mein Zelt aufzuschlagen. Leider fing es gegen Abend an zu regnen, so dass ich mich ins Zelt zurückziehen musste.
Tag 4 - Donnerstag, 12. Mai
17,2 km
Heute hatte ich einen derben Dämpfer erlitten. Meine Sonnenbrille ging mir unterwegs verloren. Ich war über mich selbst erstaunt, wie viele Emotionen man mit einem Gegenstand verbinden kann. Aber ich musste mich mit dem Verlust abfinden, denn ich war zuvor eine knappe Stunde durch Moorlandschaft gestapft und eine Suche in dieser Gegend war aussichtslos.
Der Tag fing eigentlich so gut an. Ich wurde von der Morgensonne geweckt, die schon fleißig dabei war, mein Zelt zu trocknen. Auch konnte ich endlich einen Teil meiner Kleidung waschen und direkt trocknen. Nebenbei reinigte ich meine Ausrüstung und packte zusammen.
Die nächsten 10 km bis zu dem Zeltplatz, den mir der Jäger vorgeschlagen hatte, würde ich schnell zurücklegen, da die ganze Strecke aus Schotterpiste bestand. Zu schnell, stelle ich dann gegen Mittag fest. Ich war motiviert noch weitere 5 bis 10 km zurückzulegen. Oder sollte ich einen halben Ruhetag einlegen und mich auf den Aufstieg ins Skrimfjella vorzubereiten? Ich beschloss bis zu einer Selbstversorgerhütte weiterzugehen. Da würde ich schon irgendwo mein Zelt aufschlagen können.
Leider fing es direkt nach dem Entschluss an zu regnen und es hörte, bis auf ein paar kurze Unterbrechungen, nicht mehr auf. Ich war komplett durchnässt, als ich die Hütte erreichte und ich war nicht wirklich motiviert, jetzt noch mein Zelt aufzuschlagen. Zum Glück fand ich neben der Hütte einen Holzlagerschuppen, in dem ich perfekt Platz hatte. Der Nachteil war allerdings, dass er von unten und vorne nicht wirklich dicht war. Ich stelle mich also auf eine kalte Nacht ein. Dafür hatte ich direkt neben an fließend Trinkwasser.
Tag 5 - Freitag, 13. Mai
26 km
Mein kleines Thermometer zeigte mir knapp unter 0 Grad an. Meine Stiefel waren immer noch durchnässt vom Vortag und würden auch nicht mehr rechtzeitig trocknen. Ich packte meine Ausrüstung zusammen und wärmte meine Stiefel über dem Gaskocher noch einmal auf.
Den ersten Berg meiner heutigen Etappe konnte ich von der Hütte aus schon sehen. Er lag südlich des Styggmanns. Von ihm aus ging es in ein Tal hinab und dann hoch auf den höchsten Berg dieser Region. Der Aufstieg würde mich Hanseaten ganz schön fordern. Und so war es auch. Aber für diesen Ausblick hatte sich alle Anstrengung gelohnt. Auch wenn ich teilweise frei klettern und dann meinen Rucksack an einem Seil hinauf ziehen musste. Die Landschaft hier oberhalb der Baumgrenze war wunderschön. Ich konnte bis nach Kongsbergs, dem Ziel meiner Reise, blicken. Eigentlich wollte ich hier oben die Nacht verbringen, aber die Wiesen waren alle feucht und sumpfig. Außerdem wollten meine Beine in Bewegung bleiben und so entschied ich mich, heute schon nach Kongsberg aufzubrechen. Der Abstieg erwies sich allerdings als einer der schwierigsten Abschnitte meiner Reise, da ich nicht dem markierten Pfad folgte, sondern eine Abkürzung nahm. Ich musste ich teilweise abseilen und steckte immer wieder knöcheltief im Schlamm.
Dann versperrte mir auch noch ein großes Schneefeld den Weg. Ich wollte nicht hindurch, da mir das Risiko zu groß war, dass sich unter dem Schnee eine Felsspalte befinden könnte. Wieder aufzusteigen und den anderen Pfad zu nehmen, kam für mich nicht in Frage. Also hangelte ich mich an einer Felswand entlang.
Endlich unten angekommen, war ich froh, den Berg hinter mir zulassen. Bis nach Kongsberg hatte ich nur noch Straße vor mir. Und ich hatte wieder einmal Glück: eine Frau, die hier oben eine Hütte besaß, nahm mich die letzten 15 km bis nach Kongsberg mit. Sie zeigte mir sogar die Altstadt und erzählte mir viel über die historischen Bauwerke. Norwegen gefiel mir immer besser. Gegen Nachmittag setzte sie mich am Bahnhof ab und da heute noch ein Flug nach Deutschlang ging, nahm ich direkt den Zug nach Torp und hoffte, mein Ticket tauschen zu können. Sehr naiv gedacht, wie sich am Flughafen heraustellte. Die einzige Möglichkeit wäre ein neues Ticket für 400 Euro. Das kam definitiv nicht in Frage und so ging ich in den nächsten Wald, um mein Lager aufzuschlagen. Da ich Dienstag schon wieder arbeiten musste, hätte ich die drei Tage in Deutschland gut gebrauchen können um mich zu erholen. Aber das konnte ich auch hier im Wald.
Tag 6 - Samstag, 14. Mai
0 km
Als ich am Morgen meine Haare wusch, entdeckte ich ein anderes Zelt. Ich zog mich an und ging hinüber um „Hallo“ zu sagen. Es war ein polnisches Pärchen, das auch die Nacht hier verbracht hatte. Sie waren gerade beim Frühstück und luden mich auf Kaffee und Brötchen ein. In Sachen Verpflegung waren die Beiden wesentlich besser ausgestattet als ich. Also nahm ich die Einladung gerne an. Da ihr Flug heute schon ging und ich wohl etwas unterernährt aussah, überließen sie mir einen Teil ihrer Verpflegung. Besonders über die Heringe in Tomatensauce freute ich mich sehr. Wir tauschten noch einige Geschichten aus und verabschiedeten uns anschließend.
Den restlichen Tag verbrachte ich mit Schnitzarbeiten und damit, mein Reisetagebuch zu vervollständigen.
Tag 7 - Sonntag, 15. Mai
0 km
Es hatte die ganze Nacht geregnet und ich konnte nur schwer einschlafen. Als ich morgens aufwachte, sah es so aus, als würde das Wetter aufklaren. Also ging ich zum Flughafen um Wasser zu holen. Doch schon auf dem Rückweg fing es wieder an zu regnen. Das könnte ein langer Tag werden, wenn sich das Wetter nicht ändern würde.
Aber ein Positives hatte der Morgen: in 24 Stunden würde ich ein letztes mal zum Flughafen gehen, um einzuchecken.
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