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Vom 22.-31.Januar hielt ich mich im italienischen Nationalpark Val Grande auf. Angedacht war eine Durchquerung von West nach Ost, auf der Linie Bèura - Pozzolo - Ragozzale - Borgo delle Valli - In la Piana - Arca - Orfalecchio - Velina - Cicogna - Pian di Boit - Passo Crocette - Gurro in 5-6 Tagen. Doch es sollte anders kommen:
Am 22. erreiche ich planmässig mit dem 13:50-Uhr-Zug Domodossola unter strahlend blauem Himmel und sehr milden Temperaturen. Der zweistündliche Kleinbus bringt mich an meinem Ausgangspunkt Bèura. Wie erwartet ist der Aufstieg weitgehend schneefrei, erst ab 1400m liegt etwas Schnee, der aber kein besonderes Hindernis darstellt. Um 18:30 Uhr erreiche ich planmässig das für italienische Verhältnisse gut ausgestattete Rifugio Pozzolo, wo ich nächtige.
Rifugio Pozzolo, 23.Januar 2006
Am 23. geht's bei wolkenlosem Wetter durch eine zweifelhafte Triebschneemulde, die mich (zu)viel Zeit kostet bis unter die Punta Pozzolo und in einer Querung auf den Grat der Colma Piana, wo der Blick ins Val Grande möglich wird, das unter einem Nebelmeer liegt:
Nebelmeer über dem Val Grande - mit Cima Pedum
Am Grat der Colma Piana sind einige Zacken zu umgehen, was mich wiederum viel Zeit kostet und so stehe ich erst um 14 Uhr auf P.1952, wo der Abstieg ins Val Grande beginnen soll. Der letzte Punkt mit Handy-Netz, das gesamte Val Grande ist handyfrei... Zwischenzeitlich hat sich das Nebelmeer aufgelöst und ich erreiche über den schneefreien Ostrücken von P.1952 die Ruinen der Alpe Oro delle Giavine. Die Kapelle oder Kirche, die noch auf der Karte von 1963 verzeichnet ist, ist nicht mehr zu finden.
Ruinen der Alpe Oro delle Giavine
Blick ins schattige Becken der Alpe Quagiui
Über den Sporn, der in der Karte von 1963 noch einen Pfad aufweist, steige ich weglos gegen den Talgrund hinab. Etwa hundert Meter über dem Grund gelange ich zuweit nach links, und damit in das Vallone Loc, wo sich das Weiterkommen als schwierig und zeitraubend erweist. Erst um 18 Uhr erreiche ich die Hütten der Alpe Borgo delle Valli, wo ich auf eine vorzeitige Nächtigung entscheide. Die Nacht im zugigen Gebäude wird eher kalt, doch der aus der Globetrotter-Aktion stammende Ajungilak-Schlafsack GooseBay Shelter bewährt sich auch noch bei -6 Grad sehr gut.
Die bescheidenen Hütten von Borgo delle Valli
Das Massiv der Cima Pedum - von Borgo delle Valli
Auf dem mit eher wenig Schnee bedeckten Talweg geht es zügig hinaus nach Alpe Val Gabbio, wo ich auf tiefen Pulverschnee stosse. Die Spurarbeit, sowie die vereisten folgenden Wegpassagen fordern wiederum viel Zeit. Gegen 13:30 Uhr erreiche ich In la Piana. Ein Weitergehen um diese Tageszeit erscheint mir wenig sinnvoll, und ich richte mich in der Hütte ein. Vorsichtige Blicke vom Pfad des Val Gabbio ergaben bereits die Erkenntnis, dass der projektierte Weiterweg durch die mir von den schneefreien Jahreszeiten bereits bekannte 11km lange Schlucht nach Arca - Orfalecchio - Pte Casletto ein heikles Unterfangen geben würde und die Planung nochmal überdacht werden sollte...
In la Piana
Cima Pedum
Am nächsten Tag, dem 25.Januar, unternehme ich - wie geplant - eine Rekognoszierungsrunde in die Umgebung, Richtung Basciot, Valle Rossa und Biordo. Die Verhältnisse im Talgrund sind jeweils eher bescheiden. Eis und Schnee erschweren das Vorwärtskommen, nur die Südflanken sind vollständig aper.
Corni di Nibbio und Pizzo del Lesino
Alpe Biordo (in Ruinen, rechts)
Am Morgen des 26. Januar fallen erste einzelne Schneeflocken. Ich beschliesse auf die Schlucht zu verzichten und drehe mich im Schlafsack nochmal herum. Der Schluchtverzicht bedeutet einen zwigenden Gegenanstieg von 850m um das Val Grande verlassen zu können. Ich entscheide mich für die mir noch nicht bekannte Bocchetta di Vald, 1822m. Am späten Vormittag breche ich auf. Vor der Überquerung des Rio Valrossa muss - wie auch schon am Tag zuvor - ein völlig vereistes Wegstück in sehr zeitraubender Umgehung durch heikles Gelände umgangen werden. Ab der Überquerung des Rio Biordo gilt es dann einen Hang mit tiefem Pulverschnee hinaufzuspuren. Als ich oben anlange, fällt Nebel ein und der Schneefall wird etwas stärker. Es ist fast 14:30 als ich in der Alpe Vald di sopra anlange. Bis Malesco wären es noch mindestens 5 Stunden. Ich entscheide mich für die meiner Meinung nach sichere Variante, und bleibe in Vald di sopra - eine Fehlentscheidung mit dramatischen Auswirkungen wie die nächsten Tagen zeigen werden:
Situation am Morgen des 27.Januar, 90cm Neuschnee
Alpe Vald di sopra - während der starken Schneefälle - bis zum Abend fallen weitere 60cm Schnee
Ich befürchte das Schlimmste - was auch eintritt. Situation vor der Hüttentüre am Morgen des 28.Januar - wohlgemerkt: Ich hatte die Terrasse am Vorabend geräumt!!
...und es schneit weiter...
Gegen Mittag ist erstmalig das dumpfe Grollen von grossen Lawinenniedergängen in der Nähe zu vernehmen. Es wird den ganzen Nachmittag und die ganze folgende Nacht anhalten, nur gelegentlich unterbrochen vom Krachen umstürzender Bäume. Der Versuch am Nachmittag, das nur 20m entfernte WC zu erreichen endet kläglich als ich im über brusthohen Tiefschnee hängenbleibe. Der Ernst der Lage wird immer deutlicher. Es gibt kein Handy-Empfang, und vorbeikommen wird hier in den nächsten Monaten auch niemand. Ich prüfe meine Lebensmittelvorräte (500g Spaghetti) und die der Hütte (6 kg Nudeln und 1 kg Polenta). Die Schneefälle gehen unvermindert weiter...
Am Morgen des 29.Januar mass ich nur noch 40cm Neuschneezuwachs. Ich weiss nicht, ob ich mich darüber freuen soll... Jedenfalls schneit es weiter, wenn auch nicht mehr so stark. Ich beschliesse den Notfall zu signalisieren und stapfe und schaufle in zweistündiger Arbeit den mannsgrossen Schriftzug MayDay in den Schnee. Sichtkontakt zur Zivilisation besteht nicht, wenn, dann kann die Rettung ohnehin nur aus der Luft erfolgen. Parallel entscheide ich auf aktive Arbeit an einer Flucht und bastle ein Paar provisorische Schneeschuhe:
Noch nicht serienreif ... aber nach ersten Tests im tiefen Schnee im letzten Tageslicht und einigen Verbesserungen an der Bindungstechnik, versprechen sie ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Am Abend endet der Schneefall - nach 79 Stunden. Endlich! Die aufsummierte Schneehöhe von der Hüttenterrasse beträgt 240cm, die absolute Schneehöhe etwa 160cm.
Der nächste Morgen, es ist der 30.Januar, bringt besseres Wetter und ungemein milde Temperaturen. Die Lawinen rauschen nur so...
Pizzo del Lesino und Pizzo Proman im dicken Schneekleid
Nachmittagstemperatur auf der Hüttenterrasse...
Ich terminiere meinen Fluchtversuch auf den 31.Januar. Nach den warmen Temperaturen und der klaren Nacht, hoffe ich auf eine gefrorene Schneedecke um evtl, mit Steigeisen rasch in die Bocchetta di Vald steigen zu können. Ich prüfe die Festigkeit der Schneedecke um 2 Uhr, um 4 Uhr und um 6 Uhr morgens: Nicht tragfähig! So gehe ich um 7 Uhr mit den provisorischen Schneeschuhen los. Das Provisorium bewährt sich überraschend gut - und ich komme ich in Anbetracht der Verhältnisse eher zügig vorwärts: 120 Höhenmeter/Stunde.
Lesino und Proman im ersten Sonnenlicht
Val Grande - vom Aufstieg zur Bocchetta di Vald
unten: Alpe Vald di sopra - hinten: Monte Rosa
Um 11:00 Uhr stehe ich auf der Bocchetta di Vald. Die Schneeschuhe halten gut. Ich bin guter Dinge, und gehe davon aus, das Gröbste geschafft zu haben - ein Trugschluss:
Über viele Lawinenkegel und durch teilweise zerstörte Wälder erreiche ich die schattige Ebene der Alpe Bondolo. Setzungsgeräusche bei jedem Schritt und handbreite Risse in der Schneedecke setzen deutliche Signale.
Alpe Bondolo
Nach kurzer Mittagsrast, breche ich auf, das Valle del Basso hinunter Richtung Malesco. Ich rechne mit 4-5 Stunden bis ins Tal. Doch gleich wenig unter der Alp verändert sich die Schneebeschaffenheit. Der Schnee wird immer weicher, und ich sinke weiter und weiter ein. Mehrmals stecke ich brusthoch fest und muss mich mühsam wieder ausgraben. Die Situation wird immer absurder: Unter dem Schnee liegen zwischen plattgedrückten Erlen Hohlräume, in die ich immer wieder hineinfalle. Ich brauche 70 Minuten für 100 Abstiegsmeter.
Es ist 15:30 Uhr als ich ca 200 Meter vor den Gebäuden von All'Erta auf eine ausgedehnte Bruchharschzone stosse. Darunter bodenloser Pulver. Ich breche bei fast jedem Schritt bis zum Hals ein. Die Bindung der Schneeschuhe gibt auf - durchschnitten von der Harschschicht und starker Beanspruchung. Eine Reparatur der Schneeschuhe würde wohl eine knappe Stunde kosten - mit ungewissem Erfolg. In 2 Stunden ist es dunkel. Die Situation ist fast ausweglos. Ich versuche ohne Schneeschuhe wenigstens die wenigen Meter bis zu den verlassenen Gebäuden von All'Erta zu kommen, und muss sogleich erkennen, es würde Stunden dauern.
Ich prüfe den Handyempfang: schwach, aber möglich. Der Akku fast leer. Jetzt oder nie!? Ich wähle die Nummer der Polizei in Santa Maria Maggiore. Es gibt Verständigungsprobleme bezüglich meiner genauen Position. Der Akku will nicht mehr. Ich wärme ihn auf, und wähle die Nummer eines befreundeten und ortskundigen Tessiner Alpinisten. 15 Minuten später flügelt der Heli das Val Loana herauf...
Am 22. erreiche ich planmässig mit dem 13:50-Uhr-Zug Domodossola unter strahlend blauem Himmel und sehr milden Temperaturen. Der zweistündliche Kleinbus bringt mich an meinem Ausgangspunkt Bèura. Wie erwartet ist der Aufstieg weitgehend schneefrei, erst ab 1400m liegt etwas Schnee, der aber kein besonderes Hindernis darstellt. Um 18:30 Uhr erreiche ich planmässig das für italienische Verhältnisse gut ausgestattete Rifugio Pozzolo, wo ich nächtige.
Rifugio Pozzolo, 23.Januar 2006
Am 23. geht's bei wolkenlosem Wetter durch eine zweifelhafte Triebschneemulde, die mich (zu)viel Zeit kostet bis unter die Punta Pozzolo und in einer Querung auf den Grat der Colma Piana, wo der Blick ins Val Grande möglich wird, das unter einem Nebelmeer liegt:
Nebelmeer über dem Val Grande - mit Cima Pedum
Am Grat der Colma Piana sind einige Zacken zu umgehen, was mich wiederum viel Zeit kostet und so stehe ich erst um 14 Uhr auf P.1952, wo der Abstieg ins Val Grande beginnen soll. Der letzte Punkt mit Handy-Netz, das gesamte Val Grande ist handyfrei... Zwischenzeitlich hat sich das Nebelmeer aufgelöst und ich erreiche über den schneefreien Ostrücken von P.1952 die Ruinen der Alpe Oro delle Giavine. Die Kapelle oder Kirche, die noch auf der Karte von 1963 verzeichnet ist, ist nicht mehr zu finden.
Ruinen der Alpe Oro delle Giavine
Blick ins schattige Becken der Alpe Quagiui
Über den Sporn, der in der Karte von 1963 noch einen Pfad aufweist, steige ich weglos gegen den Talgrund hinab. Etwa hundert Meter über dem Grund gelange ich zuweit nach links, und damit in das Vallone Loc, wo sich das Weiterkommen als schwierig und zeitraubend erweist. Erst um 18 Uhr erreiche ich die Hütten der Alpe Borgo delle Valli, wo ich auf eine vorzeitige Nächtigung entscheide. Die Nacht im zugigen Gebäude wird eher kalt, doch der aus der Globetrotter-Aktion stammende Ajungilak-Schlafsack GooseBay Shelter bewährt sich auch noch bei -6 Grad sehr gut.
Die bescheidenen Hütten von Borgo delle Valli
Das Massiv der Cima Pedum - von Borgo delle Valli
Auf dem mit eher wenig Schnee bedeckten Talweg geht es zügig hinaus nach Alpe Val Gabbio, wo ich auf tiefen Pulverschnee stosse. Die Spurarbeit, sowie die vereisten folgenden Wegpassagen fordern wiederum viel Zeit. Gegen 13:30 Uhr erreiche ich In la Piana. Ein Weitergehen um diese Tageszeit erscheint mir wenig sinnvoll, und ich richte mich in der Hütte ein. Vorsichtige Blicke vom Pfad des Val Gabbio ergaben bereits die Erkenntnis, dass der projektierte Weiterweg durch die mir von den schneefreien Jahreszeiten bereits bekannte 11km lange Schlucht nach Arca - Orfalecchio - Pte Casletto ein heikles Unterfangen geben würde und die Planung nochmal überdacht werden sollte...
In la Piana
Cima Pedum
Am nächsten Tag, dem 25.Januar, unternehme ich - wie geplant - eine Rekognoszierungsrunde in die Umgebung, Richtung Basciot, Valle Rossa und Biordo. Die Verhältnisse im Talgrund sind jeweils eher bescheiden. Eis und Schnee erschweren das Vorwärtskommen, nur die Südflanken sind vollständig aper.
Corni di Nibbio und Pizzo del Lesino
Alpe Biordo (in Ruinen, rechts)
Am Morgen des 26. Januar fallen erste einzelne Schneeflocken. Ich beschliesse auf die Schlucht zu verzichten und drehe mich im Schlafsack nochmal herum. Der Schluchtverzicht bedeutet einen zwigenden Gegenanstieg von 850m um das Val Grande verlassen zu können. Ich entscheide mich für die mir noch nicht bekannte Bocchetta di Vald, 1822m. Am späten Vormittag breche ich auf. Vor der Überquerung des Rio Valrossa muss - wie auch schon am Tag zuvor - ein völlig vereistes Wegstück in sehr zeitraubender Umgehung durch heikles Gelände umgangen werden. Ab der Überquerung des Rio Biordo gilt es dann einen Hang mit tiefem Pulverschnee hinaufzuspuren. Als ich oben anlange, fällt Nebel ein und der Schneefall wird etwas stärker. Es ist fast 14:30 als ich in der Alpe Vald di sopra anlange. Bis Malesco wären es noch mindestens 5 Stunden. Ich entscheide mich für die meiner Meinung nach sichere Variante, und bleibe in Vald di sopra - eine Fehlentscheidung mit dramatischen Auswirkungen wie die nächsten Tagen zeigen werden:
Situation am Morgen des 27.Januar, 90cm Neuschnee
Alpe Vald di sopra - während der starken Schneefälle - bis zum Abend fallen weitere 60cm Schnee
Ich befürchte das Schlimmste - was auch eintritt. Situation vor der Hüttentüre am Morgen des 28.Januar - wohlgemerkt: Ich hatte die Terrasse am Vorabend geräumt!!
...und es schneit weiter...
Gegen Mittag ist erstmalig das dumpfe Grollen von grossen Lawinenniedergängen in der Nähe zu vernehmen. Es wird den ganzen Nachmittag und die ganze folgende Nacht anhalten, nur gelegentlich unterbrochen vom Krachen umstürzender Bäume. Der Versuch am Nachmittag, das nur 20m entfernte WC zu erreichen endet kläglich als ich im über brusthohen Tiefschnee hängenbleibe. Der Ernst der Lage wird immer deutlicher. Es gibt kein Handy-Empfang, und vorbeikommen wird hier in den nächsten Monaten auch niemand. Ich prüfe meine Lebensmittelvorräte (500g Spaghetti) und die der Hütte (6 kg Nudeln und 1 kg Polenta). Die Schneefälle gehen unvermindert weiter...
Am Morgen des 29.Januar mass ich nur noch 40cm Neuschneezuwachs. Ich weiss nicht, ob ich mich darüber freuen soll... Jedenfalls schneit es weiter, wenn auch nicht mehr so stark. Ich beschliesse den Notfall zu signalisieren und stapfe und schaufle in zweistündiger Arbeit den mannsgrossen Schriftzug MayDay in den Schnee. Sichtkontakt zur Zivilisation besteht nicht, wenn, dann kann die Rettung ohnehin nur aus der Luft erfolgen. Parallel entscheide ich auf aktive Arbeit an einer Flucht und bastle ein Paar provisorische Schneeschuhe:
Noch nicht serienreif ... aber nach ersten Tests im tiefen Schnee im letzten Tageslicht und einigen Verbesserungen an der Bindungstechnik, versprechen sie ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Am Abend endet der Schneefall - nach 79 Stunden. Endlich! Die aufsummierte Schneehöhe von der Hüttenterrasse beträgt 240cm, die absolute Schneehöhe etwa 160cm.
Der nächste Morgen, es ist der 30.Januar, bringt besseres Wetter und ungemein milde Temperaturen. Die Lawinen rauschen nur so...
Pizzo del Lesino und Pizzo Proman im dicken Schneekleid
Nachmittagstemperatur auf der Hüttenterrasse...
Ich terminiere meinen Fluchtversuch auf den 31.Januar. Nach den warmen Temperaturen und der klaren Nacht, hoffe ich auf eine gefrorene Schneedecke um evtl, mit Steigeisen rasch in die Bocchetta di Vald steigen zu können. Ich prüfe die Festigkeit der Schneedecke um 2 Uhr, um 4 Uhr und um 6 Uhr morgens: Nicht tragfähig! So gehe ich um 7 Uhr mit den provisorischen Schneeschuhen los. Das Provisorium bewährt sich überraschend gut - und ich komme ich in Anbetracht der Verhältnisse eher zügig vorwärts: 120 Höhenmeter/Stunde.
Lesino und Proman im ersten Sonnenlicht
Val Grande - vom Aufstieg zur Bocchetta di Vald
unten: Alpe Vald di sopra - hinten: Monte Rosa
Um 11:00 Uhr stehe ich auf der Bocchetta di Vald. Die Schneeschuhe halten gut. Ich bin guter Dinge, und gehe davon aus, das Gröbste geschafft zu haben - ein Trugschluss:
Über viele Lawinenkegel und durch teilweise zerstörte Wälder erreiche ich die schattige Ebene der Alpe Bondolo. Setzungsgeräusche bei jedem Schritt und handbreite Risse in der Schneedecke setzen deutliche Signale.
Alpe Bondolo
Nach kurzer Mittagsrast, breche ich auf, das Valle del Basso hinunter Richtung Malesco. Ich rechne mit 4-5 Stunden bis ins Tal. Doch gleich wenig unter der Alp verändert sich die Schneebeschaffenheit. Der Schnee wird immer weicher, und ich sinke weiter und weiter ein. Mehrmals stecke ich brusthoch fest und muss mich mühsam wieder ausgraben. Die Situation wird immer absurder: Unter dem Schnee liegen zwischen plattgedrückten Erlen Hohlräume, in die ich immer wieder hineinfalle. Ich brauche 70 Minuten für 100 Abstiegsmeter.
Es ist 15:30 Uhr als ich ca 200 Meter vor den Gebäuden von All'Erta auf eine ausgedehnte Bruchharschzone stosse. Darunter bodenloser Pulver. Ich breche bei fast jedem Schritt bis zum Hals ein. Die Bindung der Schneeschuhe gibt auf - durchschnitten von der Harschschicht und starker Beanspruchung. Eine Reparatur der Schneeschuhe würde wohl eine knappe Stunde kosten - mit ungewissem Erfolg. In 2 Stunden ist es dunkel. Die Situation ist fast ausweglos. Ich versuche ohne Schneeschuhe wenigstens die wenigen Meter bis zu den verlassenen Gebäuden von All'Erta zu kommen, und muss sogleich erkennen, es würde Stunden dauern.
Ich prüfe den Handyempfang: schwach, aber möglich. Der Akku fast leer. Jetzt oder nie!? Ich wähle die Nummer der Polizei in Santa Maria Maggiore. Es gibt Verständigungsprobleme bezüglich meiner genauen Position. Der Akku will nicht mehr. Ich wärme ihn auf, und wähle die Nummer eines befreundeten und ortskundigen Tessiner Alpinisten. 15 Minuten später flügelt der Heli das Val Loana herauf...
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