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Land: Portugal, Spanien
Reisezeit: April, Mai, Juni 2008
Region/Kontinent: Südeuropa
Das Erstellen dieses Reiseberichts wird sich wieder über Wochen hinziehen. Den Versuch einen langen Bericht an einem Stück zu schreiben, um den dann fertig in einem Rutsch hier reinzustellen, habe ich schon lange aufgegeben. Das wird nie was. Dafür bin ich zu faul. Ich brauche die tägliche Mahnung eines Fragments, den Tritt in den Hintern. Etwas Geduld bitte, es wird schon werden.
Für alle Berichte gilt: Die Namen sind geändert.
Sandkastenspiele I
Irgendwann im Herbst 2007 bis Dienstag, 15. April 2008
Rot: Camino francés und der "Strandspaziergang"
Blau: Camino fisterra
Gelb: Caminho Português
*Die Karte der Iberischen Halbinsel stammt aus der spanischen Wikipedia, der Wegeverlauf von mir.
Portugal - Das bequeme Strandleben
Mittwoch, 16. April 2008 Sonne, Sand und Wind
Donnerstag, 17. April 2008 Strandurlaub
Freitag, 18. April 2008 Erlebnisurlaub
Mein Zelt lebt! Wenn ich mich vom Rücken auf die Seite drehe, folgt es mir. Nur sieht es dabei merkwürdig schief aus. Drehe ich mich wieder zurück, steht auch das Zelt wieder gerade. Dass es mir dabei am rechten Arm klebt ist ebenfalls neu. Draußen schüttet es immer noch. Und der Wind hat noch ein Beaufort zugelegt, nach dem Knattern des Außenzelts zu urteilen sogar zwei. Jetzt leuchtet mein gelbes Innenzelt hell auf und mein rechter Arm ist nass. Oh Gott, mein Zelt macht Flugversuche.
Schnell, schnell! Rein in die Hose, Regenjacke drüber und raus. Tatsächlich: Innen- und Außenzelt werden nur noch von einem Hering gehalten. Wo sind die verdammten Heringe? Jetzt bin ich dankbar für die helle Beleuchtung auf dem Platz. Die Heringe sind nicht weit geflogen. Ich brauche einen Stein, nur woher? Lag unterm Olivenbaum nicht einer? Tatsächlich, da liegt er. Erstaunlich, woran man sich in der Not erinnert.
Scheiße! Als ich mich bücke, gerät der Wind unter die Regenjacke und schiebt das Stück Plastik über Kopf, so dass ich nichts mehr sehe. Verdammtes Ultralight-Gedöns. Nicht bücken, hinhocken!
Innerhalb weniger Minuten ist das Zelt sturmsicher vernagelt. Die Heringe stecken nun tief im steinhartem Boden. Die zusätzlichen Abspannleinen werden erstmals nicht als Wäscheleinen missbraucht, sondern strecken sich dem Sturm entgegen.
Beruhigend und auch schön, so ein Zelt in stürmischer Nacht. Warum nicht direkt so? Faulheit und ein gewisser Hang zum "Et hätt noch immer jot jejange." Warum die leichten Alunägel im harten Boden verbiegen? Es reicht doch, wenn die 2 cm tief im Boden stecken. Abspannleinen? Noch nie gebraucht. Und überhaupt. Der Zeltplatz ist von drei Seiten abgeschirmt. Mauer, Wohnwagen und ein Sanitärgebäude halten den Wind schon ab. Ja und dann fällt in China der berühmte Sack Reis um und in Portugal macht der Sturm eine Drehung. Nennt man, glaube ich Trog.
Warum habe ich mich überhaupt angezogen? In noch nicht mal einer Minute war ich vollkommen durchnässt. Es ist 2 Uhr nachts. Ich hätte splitternackt rausstürmen sollen. Wer soll mich um diese Uhrzeit beobachten? Und so unansehnlich bin ich nun auch wieder nicht - hoffe ich. Zudem ist bei dem Sauwetter niemand draußen, denn die Camper in ihren Mobilheimen schlafen sicher wie in einer Burg.
Am Morgen scheint die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Vom Sturm ist nicht mehr als eine steife Brise geblieben. Bestes Wanderwetter. Trotzdem, es steht es nun endgültig fest: Ich habe keine Lust mehr am Wandern. Genauer am Weitwandern und dessen Besonderheiten. Es bleibt dabei. Ich werde nie mehr eine längere Rucksackwanderung machen. Das Rumlatschen mit Last auf dem Rücken, das Suchen und Hoffen auf einen Schlafplatz, die Ungewissheit wie der nächste Tag aussieht, der bange Blick zum Himmel ob sich das Wetter noch hält, das Unterwegssein, kurz alles was mich am Weitwandern so fasziniert hat, ich brauch's nicht mehr. Mit dem Wetter letzte Nacht hat das nichts zu tun, im Nachhinein hat der nächtliche Einsatz sogar Spaß gemacht. Es ist einfach so. Ich hör auf. Fertig, aus, vorbei!
Als ich meiner Frau ankündige, dass ich nach Hause komme und ihr die Gründe dafür nenne, ist die so überrascht, dass sie mir vorschlägt, ich soll bis Ende Mai Campingurlaub machen. Dann kommt sie ja eh nach Porto. Jetzt bin ich der Überraschte. Nein, kommt nicht in Frage. Innerhalb einer Stunde hat sie mir einen relativ preiswerten Rückflug für den nächsten Tag gebucht. Immerhin.
Ich brauche jetzt jemand der mich mit Kaffee versorgt. Die Holländer sind weg. Deren Rolle übernimmt Mary. Mary ist Ende 50, kommt aus England und hat sich im letzten Herbst auf den Weg gemacht, um, wie sie es nennt, "das größte Abenteuer meines Lebens" zu bestehen. Ihre erste Reise ohne Mann, dafür aber mit umgebautem Kombi, der als Camper herhalten muss. Ihr Reiseziel: Europa, also das Festland, der Kontinent.
Mit einem Pott Kaffee in der Hand sitze ich auf der Mauer, die meinem Zelt letzte Nacht den Schutz verweigert hat und höre Mary zu. Mary ist eine Frau, die, wenn sie warm geworden ist, einem ihre ganze Lebensgeschichte erzählt.
Mehr als 30 Jahre Ehefrau, Hausfrau, Mutter, dann Oma, Mädchen für alle und alles, dann Witwe. Drei Wochen später war sie weg. Der umgebaute Kombi stand beim Gebrauchtwagenhändler zwei Straßen weiter. Die englische Post hat ihren vier Kindern vier identische Postkarten mit identischem Text zugestellt. Inhalt: Bin mit dem Auto nach Europa unterwegs. Bleibe länger weg. Habe kein Telefon mit. Löst eure Probleme allein. Mary, Mutter und Ex-Mädchen für alle und alles.
Seitdem erlebt und lebt Mary ihr Abenteuer, denn Mary war nie weg. Sie fällt von einem Schock in den nächsten, von einem Staunen zum anderen. So habe sie nie einen Gedanken daran verschwendet, dass "die" in Europa auf der falschen Seite fahren. Jetzt im April, sie ist schon Monate unterwegs, hat sie sich immer noch nicht daran gewöhnt. Zwei kleine Unfälle hat es deshalb schon gegeben. Oder die Sprache. Englisch, Mann, Englisch wird doch auf der ganzen Welt gesprochen. In Belgien, über das sie in Europa eingefallen ist, ging es ja noch. In Frankreich war Schluss mit dem Sprachverständnis. Spanien war auch nicht besser. Was für ein Theater als Mary vergisst, wo sie ihr Auto abgestellt hat. In einem kleinen spanischen Städtchen hat sie nur einkaufen wollen; danach hat Mary ihr Auto nicht mehr gefunden. Die Polizei in Villafranca de los Barros hat sie schließlich in eines ihrer Autos verfrachtet und ist solange durch die Straßen gefahren, bis sie ihre Karre entdeckte.
Ich staune, nicht nur über die Schusseligkeit und das Beharrungsvermögen dieser Frau, nein, ich kenne das spanische Nest. In Villafranca de los Barros war ich im März 2007, die Vía de la Plata läuft da durch.
Nun ist Mary an der Reihe mit dem Staunen. Ich bin der Erste, der dieses Nest kennt. Als ich ihr sage, dass ich vermutliche einer der Wenigen bin, der einschätzen kann, wie schusselig man sein muss, um in diesem Nest sein Auto nicht wiederzufinden, muss sie schallend lachen.
Mary will noch bis zum Sommer an der Algarve bleiben, hier kommt sie mit ihrer Muttersprache ganz schön weit, und dann spontan entscheiden wohin es geht. Genaue Vorstellungen hat sie nicht, bis auf eine: England wird nicht das nächste Ziel. Wenn sie sparsam mit der Witwenrente und den Ersparnissen umgeht, kann die Reise noch sehr lange dauern.
Um mir die Zeit zu vertreiben, mache ich einen Spaziergang am Strand entlang bis kurz vor Albufeira. Für die fast 20 Kilometer brauche ich nicht mehr an Ausrüstung als eine kleine Wasserflasche und mein Portemonnaie. Es gibt genügend Bars am Strand. So macht das Wandern Spaß. Sonne, Wind und leichtes Gepäck. Hier eine Tasse Kaffee, in der übernächsten Strandbar ein Fruchtsaft oder ein Eis. Mit dem Bus geht es stressfrei wieder zurück.
Das abendliche Resümee fällt positiv aus: Ein gelungener Urlaubstag.
Samstag, 19. April 2008 Zurück auf Los
Sandkastenspiele II
Sonntag, 20. April 2008 bis Sonntag, 27. April 2008
Sonntag: Wieder Einleben muss ich mich diesmal nicht. Kaum weg, schon wieder da. Meine Nachbarn haben überhaupt nicht gemerkt, dass ich weg war. Und das soll was heißen! Da ist aber noch der Flug, der meine Frau Ende Mai nach Porto bringen soll. Jetzt treibt mich zwar nichts mehr nach Porto, aber meiner Frau fehlt noch ein Jakobsweg in ihrer Sammlung. Tuifly hat noch einen preiswerten Platz für den selben Flug frei, den ich dann sofort buche.
Montag: Bis auf das Auspacken des Rucksacks ist wieder Alltag eingekehrt. Nur aus Neugierde und weil es so einfach ist, schaue ich im Netz nach dem Wetter in Portugal. Angenehme 20 bis 23 Grad und Wind aus Westen in Stärke 3 bis 4. Ich hätte direkt an die Westküste fahren sollen. Na ja, nun ist es zu spät.
Dienstag: Die Westküste ist immer noch im Kopf. Wenn ich die Algarve streiche und in Lagos anfange, dazu für ein paar Tage aufs Tempo drücke ... Mal sehen ob Tuifly, denn an die bin ich nun wegen der dann fälligen Umbuchung gebunden, einen preiswerten Flug nach Faro hat. Am besten innerhalb der nächsten Woche. Tuifly hat: 169 Euro.
So bescheuert kann man doch nicht sein, beschließe ich, und verscheuche den Gedanken wieder. Wenn ich meiner Frau damit komme ...
Mittwoch: Der Gedanke ist wieder da. Eigentlich war der die ganze Nacht da. Tuifly lockt immer noch mit 169 Euro. Ich glaub ich mach's. Seit gestern ist der Frust übers Wandern wie weggeblasen. Kann man so blöd sein? Man kann!
Bevor ich den Flug buche, muss ich aber mit meiner Frau sprechen. Ein Anruf auf der Arbeit wäre in dem Fall wahrscheinlich äußerst kontraproduktiv. Besser ist es auf den Nachmittag zu warten. Von Angesicht zu Angesicht lassen sich solche Dinge besser erklären. Das war leider ein Irrtum. Ungläubiges Staunen, gepaart mit dem Finger der zur Stirn wandert, gefolgt von einem kategorischen "Nein", sind die Folgen meiner Bemühungen. Zehn Minuten später kommt das Okay.
So schnell kann das gehen: Vom Vormittag auf den Nachmittag sind alle Flüge nach Faro ausgebucht. Der nächste bezahlbare Flug geht erst am 5. Juni. Das ist viel zu spät. Und nun?
Der einzig bezahlbare und vom Zeitrahmen passende Flug den Tuifly im Augenblick anbietet führt nach Bilbao. Bilbao? Camino del Norte? Einfach umplanen? Warum nicht? Der Camino del Norte kommt nicht in Frage, wenn dann auf den "richtigen" Camino auf den Jakobsweg. Jubel, Trubel, Heiterkeit auf dem Trampelpfad der Welt. Angeblich, wenn man den Berichten glaubt, ist das da so. Ich war noch nicht da, ich wollte da auch nie hin. Von einer Sekunde auf die andere freue ich mich drauf. Dass viele Pilger angeblich Probleme damit haben ein Bett zu ergattern, stört mich nicht. Immerhin bin ich so gut zu Fuß, dass ich den meisten weglaufen werde. Und vor dem Pennen unterm freien Himmel habe ich keine Angst.
Donnerstag: Eine Wegbeschreibung für den Camino Francés ist seit heute in meinem Besitz. Vor ein paar Jahren hätte das Büchlein extra bestellt werden müssen, heute fehlen diese Bücher in keinem Buchladen.
Freitag: Rucksack packen und vor der Katze verstecken. Die wird immer fürchterlich nervös, wenn sie gepackte Rucksäcke sieht. Alleinsein mag Lissy überhaupt nicht. Bei 7,5 Kilo bleibt die Waage stehen. Der 40-Liter Rucksack ist mal grade zu Hälfte gefüllt, der Kram könnte auch ins Daypack passen. Da packe ich doch lieber meine auf 1,40 Meter abgeschnittene und mit Rundecken versehene 5 Millimeter Notfallmatte dazu. Die lässt sich schön falten und wird ganz unten verstaut.
Samstag: Die endgültige Planung steht nun auch. Am 29. April werde ich in Pamplona starten und alleine bis Santiago gehen. Geschlafen wird nach Möglichkeit nur in Herbergen. Von Santiago werde ich mit dem Bus nach Porto fahren und dort am 28. Mai meine Frau treffen. Am nächsten Tag werden wir gemeinsam über den Caminho Portugûes nach Norden, bis Santiago, gehen. Von da weiter über den Camino Fisterra das Ende der Welt erreichen. Macht zusammen etwas mehr als 1.000 Kilometer. Soweit die Planung.
Sonntag: Nix besonderes. Ich freu mich mal wieder wie ein Schneekönig.
Reisezeit: April, Mai, Juni 2008
Region/Kontinent: Südeuropa
Das Erstellen dieses Reiseberichts wird sich wieder über Wochen hinziehen. Den Versuch einen langen Bericht an einem Stück zu schreiben, um den dann fertig in einem Rutsch hier reinzustellen, habe ich schon lange aufgegeben. Das wird nie was. Dafür bin ich zu faul. Ich brauche die tägliche Mahnung eines Fragments, den Tritt in den Hintern. Etwas Geduld bitte, es wird schon werden.
Für alle Berichte gilt: Die Namen sind geändert.
Drei Caminos und ein Vorspiel im Sand
Camino Francès - Camino a Fisterra - Caminho Português
Camino Francès - Camino a Fisterra - Caminho Português
Sandkastenspiele I
Irgendwann im Herbst 2007 bis Dienstag, 15. April 2008
Fotos tragen oft das Saatgut für eine Reise mit sich. Reiseberichte auch. Hin und wieder sogar Bücher. Bei mir sind es jedoch meist Fotos. Natürlich, denn dafür werden sie schließlich gemacht. Reiseträume, Sehnsüchte, Verlangen, Unruhe sind meist die Folge. Es müssen nicht immer professionelle Bilder sein. Gelegentlich sind es die eigenen Bilder, sogar wenn die grottenschlecht sind.
Meine Portugalbilder waren 1997 entstanden. Als die Abzüge nach dem Urlaub aus dem Labor kamen, stand sofort fest, da müssen wir noch mal hin. Die Bilder vom Cabo de São Vicente waren extrem unscharf, so war die Küste nur mit viel Phantasie zu erkennen. Der Rest war auch nicht viel besser. Kamerafehler.
Mit der Qualität der Fotos konnte das Wetter im Mai '97 an der Atlantikküste locker mithalten. Kälte, Wind und Regen vertrieben uns nach wenigen Tagen an die warme spanische Küste. Wiederkommen wollten wir auf alle Fälle. Sicher. Ganz sicher! Portugal hatte uns gefallen. Die unscharfen Fotos verschwanden im Karton, damit ebenfalls der Gedanke ans Wiederkommen. Er lebte zwar immer wieder auf. Irgendwann, bestätigten wir uns oft, fahren wir wieder nach Portugal. Ja, irgendwann! Irgendwann ist nahe dran am nie.
Ein Franzose hat Portugal wieder Leben eingehaucht. Im März 2007 lief mir auf der Vía de la Plata Bernard über den Weg. Der erzählte von seiner Wanderung, nein, bei ihm war's eine Pilgerung, von Sagres im Süden Portugals nach Santiago de Compostela. Mehr als 1.000 Kilometer Einsamkeit. Sofort waren die unscharfen Fotos wieder da.
Bei der Planung wurde schnell klar, es wird ein kleines Abenteuer werden - jedenfalls die Strecke im Süden des Landes. Wandern ist in Portugal so populär wie bei uns Synchronschwimmen. Markierte Wanderwege gibt es nicht. Wanderkarten, Wegbeschreibungen, ein Netz preiswerter Unterkünfte? Alles Fehlanzeige. Dafür ist das Netz der portugiesischen Campingplätze dicht gewebt. Bis Lissabon sollte es keine Probleme mit der Unterkunft geben. Von der Hauptstadt weiter über Fatimá und Coimbra nach Porto. In der Hafenstadt am Douro beginnt der markierte Caminho Português, der in Santiago de Compostela in Galicien endet. Ab Porto wollte meine Frau dabei sein. Die Wochen davor sollten mir alleine gehören.
Meist über kleine Landstraßen, manchmal über Küstenpfade, vielleicht mal quer durch die Pampa, meinetwegen, wenn nicht anders möglich, auch über den Seitenstreifen einer Nationalstraße wollte ich ohne festen Plan nach Norden gehen. Mit den Militärkarten sowie den Satellitenbildern von Google sollte das möglich sein.
Wie ein Schneekönig habe ich mich gefreut. Endlich mal wieder auf eigene Faust wandern. Kein vorgegebener Weg, keine Markierung, die mich führt, keine Unterkunft, die erreicht werden muss. Jeden Morgen neu entscheiden wie es weitergeht. Treiben lassen und übers Land streichen. Sich nach niemanden richten müssen. Seit langer Zeit auch mal wieder mit Zelt und Kocher. Freiheit also.
Am 16. April würde ich nachmittags in Faro an der sonnigen Algarveküste landen und dann zu Fuß nach Westen bis zum Cabo de São Vicente gehen und mich dort nach Norden wenden. Soweit die Planung.
Meine Portugalbilder waren 1997 entstanden. Als die Abzüge nach dem Urlaub aus dem Labor kamen, stand sofort fest, da müssen wir noch mal hin. Die Bilder vom Cabo de São Vicente waren extrem unscharf, so war die Küste nur mit viel Phantasie zu erkennen. Der Rest war auch nicht viel besser. Kamerafehler.

Ein Franzose hat Portugal wieder Leben eingehaucht. Im März 2007 lief mir auf der Vía de la Plata Bernard über den Weg. Der erzählte von seiner Wanderung, nein, bei ihm war's eine Pilgerung, von Sagres im Süden Portugals nach Santiago de Compostela. Mehr als 1.000 Kilometer Einsamkeit. Sofort waren die unscharfen Fotos wieder da.
Bei der Planung wurde schnell klar, es wird ein kleines Abenteuer werden - jedenfalls die Strecke im Süden des Landes. Wandern ist in Portugal so populär wie bei uns Synchronschwimmen. Markierte Wanderwege gibt es nicht. Wanderkarten, Wegbeschreibungen, ein Netz preiswerter Unterkünfte? Alles Fehlanzeige. Dafür ist das Netz der portugiesischen Campingplätze dicht gewebt. Bis Lissabon sollte es keine Probleme mit der Unterkunft geben. Von der Hauptstadt weiter über Fatimá und Coimbra nach Porto. In der Hafenstadt am Douro beginnt der markierte Caminho Português, der in Santiago de Compostela in Galicien endet. Ab Porto wollte meine Frau dabei sein. Die Wochen davor sollten mir alleine gehören.
Meist über kleine Landstraßen, manchmal über Küstenpfade, vielleicht mal quer durch die Pampa, meinetwegen, wenn nicht anders möglich, auch über den Seitenstreifen einer Nationalstraße wollte ich ohne festen Plan nach Norden gehen. Mit den Militärkarten sowie den Satellitenbildern von Google sollte das möglich sein.
Wie ein Schneekönig habe ich mich gefreut. Endlich mal wieder auf eigene Faust wandern. Kein vorgegebener Weg, keine Markierung, die mich führt, keine Unterkunft, die erreicht werden muss. Jeden Morgen neu entscheiden wie es weitergeht. Treiben lassen und übers Land streichen. Sich nach niemanden richten müssen. Seit langer Zeit auch mal wieder mit Zelt und Kocher. Freiheit also.
Am 16. April würde ich nachmittags in Faro an der sonnigen Algarveküste landen und dann zu Fuß nach Westen bis zum Cabo de São Vicente gehen und mich dort nach Norden wenden. Soweit die Planung.
Rot: Camino francés und der "Strandspaziergang"
Blau: Camino fisterra
Gelb: Caminho Português
*Die Karte der Iberischen Halbinsel stammt aus der spanischen Wikipedia, der Wegeverlauf von mir.
Portugal - Das bequeme Strandleben
Mittwoch, 16. April 2008 Sonne, Sand und Wind
Seeluft, der Geruch von Seeluft dringt nach dem Öffnen der Flugzeugtüren in die Kabine. Draußen empfängt mich Sonne, Wind und eben der Geruch frischer Seeluft. Wer in Faro landet, landet fast am Strand. Morgens mal eben einfliegen, nur mit der Badehose unterm Arm, und mit dem letzten Flug am Abend wieder in die Heimat zurück - hier wäre das möglich, schießt es mit durch den Kopf.
Ich will jedenfalls an den Strand. Allerdings habe ich mehr Gepäck dabei als eine Badehose. Beim Einchecken ist die Waage bei 12 Kilo stehengeblieben. Dazu kommen noch 2 Liter Wasser und etwas zu essen. Die Tankstelle, hinter der ich zum Strand abbiege, hat alles damit ich nicht verhungere..
Zeit für ein Sonnenbad habe ich keine. Ich will zum Campingplatz bei Quarteira, der um 19 Uhr die Pforten dicht macht. Mir bleiben ziemlich genau 3 Stunden für gut 14 Kilometer, 11 davon leider über den Strand. Es sieht nach Arbeit aus.
Ding-Ding-Ding-Ding. Schon von weitem ist das ununterbrochene Schlagen der Flaggenleinen an den Alumasten zu hören; ebenso das laute Knattern ausgefranster Werbefahnen im Wind. Starkwindgeräusche! Als ich am Strand der Illha de Faro nach Westen abbiegen will, bleibt mir die Luft weg. Mehr Wind und fliegender Sand als mir lieb ist. Hier komme ich auf keinen Fall schnell genug voran. Es bleibt nur der Weg durch die Feriensiedlung und als dieser endet, weiter über einen schmalen Betonpfad durch die Fischersiedlung.
Dicht an dicht drängen sich kleine ärmliche Häuschen aneinander als wollten sie sich gegenseitig Halt geben vor dem hier meist wehenden Wind. Zwischen flatternder Wäsche stehen neben rostenden Fahrrädern, verfaulenden Möbeln und allerlei Fischerutensilien meist alte Fischerkähne im Schlick der landwärts gerichteten Lagune.
Ärmlich gekleidet Frauen, ein Schwarm Kinder und jede Menge streunender Hunde, es sieht aus wie in der Dritten Welt. Nur die in schreienden Farben daherkommenden Motorroller - Autos passen hier nicht hin, was aber eher an der fehlenden Zufahrstraße liegen dürfte - mildern den Eindruck.
Später muss ich doch runter an den Strand. Der Wind hat sich zum Glück abgeschwächt. Zwar reißt er immer noch Schaumfetzen von den brechenden Wellenkämmen, donnern immer noch die Wellen an den Strand, der Sand bleibt jedoch liegen. Innerhalb kurzer Zeit bin ich von oben bis unten mit einer feinen Salzschicht bedeckt. Besonders schmerzhaft werde ich daran erinnert, wenn ich mir den Schweiß aus den Augen reiben will. Das brennt wie Feuer. Später ist auch der Rücken dran. Irgendwie ist das Salz zwischen Kleidung und Haut gekommen.
Trotzdem ist der Abend schön, denn der Strand gehört mir. Niemand ist zu sehen. Kilometer um Kilometer sauberer Sandstrand. Nur Muscheln, Steine und Sand, gelegentlich ein Auftriebskörper, der sich von einem Fischernetz losgerissen hat oder ein sonnengebleichtes Stück Holz. Links die donnernde Atlantikdünung, rechts Dünen, die später von einer piniengekrönten Steilküste abgelöst werden. Die untergehende Sonne treibt zur Eile, denn auf dem Campingplatz wird niemand extra für einen späten Wanderer länger bleiben.
Bevor ich den Campingplatz erreiche, versperrt mir ein mehr als 5 Meter breiter Bach den Weg. Der mündet hier ins Meer. Auf den Satellitenbildern ist der nicht zu sehen (stammen wohl vom Sommer) und in der Wegbeschreibung im Wanderbuch fehlt der auch. Etwas ratlos bleibe ich stehen. Schuhe aus und waten, oder, tief ist der Bach ja nicht, einfach so durch? Rechts reicht ein Golfplatz bis an den Strand. Die werden doch bestimmt eine Brücke über den Bach haben. Ein Sicherheitsmann, wahrscheinlich hat der mich schon länger beobachtet und mit meiner Reaktion gerechnet, verweigert mir mit einer ummissverständlichen Handbewegung den Zutritt. Dann doch einfach durch. Schuhe aus? Schuhe an? Egal, fällt aus, dauert zu lange. Tief ist der Bach wirklich nicht, doch der Sand ist so weich, dass das Wasser bis weit über die Knöchel steigt. Hoffentlich versteht der Sicherheitsmann kein Deutsch.
Schon an der Rezeption ist die Hose wieder trocken. Kurz vor Feierabend trudel ich auf einem der besseren Campingplätze Portugals ein. Zelt aufbauen, die Dusche kalt laufen lassen, eine Runde übern Platz, danach ein fulminantes Abendessen mit den Tankstellenvorräten und ab in den Schlafsack.
Morgen geht es weiter. Eigentlich geht es morgen Früh erst richtig los. Vier oder fünf Tage immer nach Westen, fast immer am Strand der Algarve entlang. Ich weiß nur nicht, ob ich mich drüber freuen soll.
Ich will jedenfalls an den Strand. Allerdings habe ich mehr Gepäck dabei als eine Badehose. Beim Einchecken ist die Waage bei 12 Kilo stehengeblieben. Dazu kommen noch 2 Liter Wasser und etwas zu essen. Die Tankstelle, hinter der ich zum Strand abbiege, hat alles damit ich nicht verhungere..
Zeit für ein Sonnenbad habe ich keine. Ich will zum Campingplatz bei Quarteira, der um 19 Uhr die Pforten dicht macht. Mir bleiben ziemlich genau 3 Stunden für gut 14 Kilometer, 11 davon leider über den Strand. Es sieht nach Arbeit aus.

Dicht an dicht drängen sich kleine ärmliche Häuschen aneinander als wollten sie sich gegenseitig Halt geben vor dem hier meist wehenden Wind. Zwischen flatternder Wäsche stehen neben rostenden Fahrrädern, verfaulenden Möbeln und allerlei Fischerutensilien meist alte Fischerkähne im Schlick der landwärts gerichteten Lagune.
Ärmlich gekleidet Frauen, ein Schwarm Kinder und jede Menge streunender Hunde, es sieht aus wie in der Dritten Welt. Nur die in schreienden Farben daherkommenden Motorroller - Autos passen hier nicht hin, was aber eher an der fehlenden Zufahrstraße liegen dürfte - mildern den Eindruck.
Später muss ich doch runter an den Strand. Der Wind hat sich zum Glück abgeschwächt. Zwar reißt er immer noch Schaumfetzen von den brechenden Wellenkämmen, donnern immer noch die Wellen an den Strand, der Sand bleibt jedoch liegen. Innerhalb kurzer Zeit bin ich von oben bis unten mit einer feinen Salzschicht bedeckt. Besonders schmerzhaft werde ich daran erinnert, wenn ich mir den Schweiß aus den Augen reiben will. Das brennt wie Feuer. Später ist auch der Rücken dran. Irgendwie ist das Salz zwischen Kleidung und Haut gekommen.
Trotzdem ist der Abend schön, denn der Strand gehört mir. Niemand ist zu sehen. Kilometer um Kilometer sauberer Sandstrand. Nur Muscheln, Steine und Sand, gelegentlich ein Auftriebskörper, der sich von einem Fischernetz losgerissen hat oder ein sonnengebleichtes Stück Holz. Links die donnernde Atlantikdünung, rechts Dünen, die später von einer piniengekrönten Steilküste abgelöst werden. Die untergehende Sonne treibt zur Eile, denn auf dem Campingplatz wird niemand extra für einen späten Wanderer länger bleiben.
Bevor ich den Campingplatz erreiche, versperrt mir ein mehr als 5 Meter breiter Bach den Weg. Der mündet hier ins Meer. Auf den Satellitenbildern ist der nicht zu sehen (stammen wohl vom Sommer) und in der Wegbeschreibung im Wanderbuch fehlt der auch. Etwas ratlos bleibe ich stehen. Schuhe aus und waten, oder, tief ist der Bach ja nicht, einfach so durch? Rechts reicht ein Golfplatz bis an den Strand. Die werden doch bestimmt eine Brücke über den Bach haben. Ein Sicherheitsmann, wahrscheinlich hat der mich schon länger beobachtet und mit meiner Reaktion gerechnet, verweigert mir mit einer ummissverständlichen Handbewegung den Zutritt. Dann doch einfach durch. Schuhe aus? Schuhe an? Egal, fällt aus, dauert zu lange. Tief ist der Bach wirklich nicht, doch der Sand ist so weich, dass das Wasser bis weit über die Knöchel steigt. Hoffentlich versteht der Sicherheitsmann kein Deutsch.
Schon an der Rezeption ist die Hose wieder trocken. Kurz vor Feierabend trudel ich auf einem der besseren Campingplätze Portugals ein. Zelt aufbauen, die Dusche kalt laufen lassen, eine Runde übern Platz, danach ein fulminantes Abendessen mit den Tankstellenvorräten und ab in den Schlafsack.
Morgen geht es weiter. Eigentlich geht es morgen Früh erst richtig los. Vier oder fünf Tage immer nach Westen, fast immer am Strand der Algarve entlang. Ich weiß nur nicht, ob ich mich drüber freuen soll.
Donnerstag, 17. April 2008 Strandurlaub
Beim Einschlafen gestern Abend hat es sich schon angedeutet. Zum ersten Mal fange ich eine lange Wanderung mit einem Pausentag an. Das ist wirklich eine Premiere. Bisher war das immer anders. Dem ersten Wandertag wurde entgegengefiebert. Langes Ausschlafen war immer mit dem Makel des Faulenzens behaftet und somit tabu.
Und heute? Ich will nicht! Nicht aufstehen! Nicht den Kram packen und im Rucksack verstauen! Den will ich überhaupt nicht mehr tragen! Da bin ich mir sicher. Von einem Tag auf den anderen, nur getrennt durch eine Nacht, hängt mir das Wandern zum Hals raus. Oder? Das kann doch nicht sein! Einfach so von jetzt auf direkt? Umgekehrt hat man von solchem Verhalten ja schon mal gehört. Das oft bemühte Beispiel vom Mann, der nur mal Zigaretten holen wollte und erst Jahre später wieder auftauchte. Oder die Aufgabe des Arbeitsplatzes, um am nächsten Morgen mit dem Rad nach Indien aufzubrechen. Vermeintliche Aufbrüche in die Freiheit.
Das hier aber? Abbrechen und ab nach Hause? Plötzlich nagt der Zweifel. Ganz leise, kaum wahrnehmbar, aber immerhin. Weitwandern mache ich schon seit Jahren. Das soll jetzt vorbei sein? Nie mehr den Rucksack packen. Nie mehr übers Wetter fluchen. Nie mehr voller Vorfreude in die Planung stürzen, die bei mir meist kurz ausfällt. Was kommt nun? Pauschalurlaub, gar Kreuzfahrten?
Im Augenblick hilft das auch nicht weiter. Fürs Erste verordne ich mir einen Urlaubstag. Wenn mir das Wandern am nächsten Tag immer noch zum Hals raushängt, wird abgebrochen.
Eine Holländerin rettet den Tag. Vermutlich hat sie mir meine Konfusion angesehen. Vielleicht war sie aber auch nur neugierig auf den Mann, der sich mit seinem Minizelt in der Nachbarschaft ihres Wohnwagens niedergelassen hat. Drei, vier Fragen zum Woher und Wohin und schon sitze ich mit einer Tasse Kaffee in der Hand im Vorzelt ihrer mobilen Unterkunft, die eigentlich ihrem Lebenspartner gehört. Neben ihren "Alterskrankheiten" , so nennt er es, schlagen sich die Beiden hier den Winter um die Ohren. Eigentlich sind sie beim Packen. Morgen geht es wieder für einige Monate nach Holland. Der Wohnwagen steht, wie die meisten anderen hier auch, das ganze Jahr auf dem Platz. Ein alter Kleinwagen macht die Ausstattung komplett. Auch der wird seine Heimat nie wieder sehen. In Zeiten der Billigflieger fährt niemand mehr mit dem Auto. Das Teuerste an der ganzen Reiserei zwischen Holland und der Algarve sei immer das Taxi zum Flughafen.
Jan und Fred (das ist sie) füllen mich bis zu den Ohren mit Kaffee ab, stopfen noch ein paar Brote hinterher, legen als Nachtisch noch einen Haufen Tipps und Ratschläge für das Urlaubsleben an der Algarve dazu, und schon ist es Mittag. Und ich bin eigentlich wieder guter Dinge, denn heute mache ich Urlaub!
Fürs Baden, sogar fürs Bad in der Sonne ist es viel zu kalt und zu windig. Also die Strandpromenade rauf. Zwischendurch einen Kaffee, ein Eis, ein Kuchen. Die Strandpromenade wieder runter. Buh, schon eine Stunde rum. So wird das nichts. Dann mal ab durch die Hinterhöfe der potthässlichen Touristenhochburg. Hier spielt sich tatsächlich etwas Alltagsleben ab. Vorne zum Strand raus hat gähnende Leere die Oberhand. Hinten findet ganz normales Leben statt. Immerhin lässt sich so die Zeit totschlagen.
Morgen werde ich wahrscheinlich den Rückflug buchen, denn den Rucksack und das Wandern habe ich nicht vermisst. Als wolle das Wetter mir zustimmen, öffnet der Himmel abends seine Schleusen und Petrus legt noch ein oder zwei Windstärken drauf. Mich stört das nicht. Ich werde bald wieder weit weg sein, und mit solchen Wetterverhältnissen wird mein Zelt spielend fertig - wenn es richtig aufgebaut wird.

Das hier aber? Abbrechen und ab nach Hause? Plötzlich nagt der Zweifel. Ganz leise, kaum wahrnehmbar, aber immerhin. Weitwandern mache ich schon seit Jahren. Das soll jetzt vorbei sein? Nie mehr den Rucksack packen. Nie mehr übers Wetter fluchen. Nie mehr voller Vorfreude in die Planung stürzen, die bei mir meist kurz ausfällt. Was kommt nun? Pauschalurlaub, gar Kreuzfahrten?
Im Augenblick hilft das auch nicht weiter. Fürs Erste verordne ich mir einen Urlaubstag. Wenn mir das Wandern am nächsten Tag immer noch zum Hals raushängt, wird abgebrochen.
Eine Holländerin rettet den Tag. Vermutlich hat sie mir meine Konfusion angesehen. Vielleicht war sie aber auch nur neugierig auf den Mann, der sich mit seinem Minizelt in der Nachbarschaft ihres Wohnwagens niedergelassen hat. Drei, vier Fragen zum Woher und Wohin und schon sitze ich mit einer Tasse Kaffee in der Hand im Vorzelt ihrer mobilen Unterkunft, die eigentlich ihrem Lebenspartner gehört. Neben ihren "Alterskrankheiten" , so nennt er es, schlagen sich die Beiden hier den Winter um die Ohren. Eigentlich sind sie beim Packen. Morgen geht es wieder für einige Monate nach Holland. Der Wohnwagen steht, wie die meisten anderen hier auch, das ganze Jahr auf dem Platz. Ein alter Kleinwagen macht die Ausstattung komplett. Auch der wird seine Heimat nie wieder sehen. In Zeiten der Billigflieger fährt niemand mehr mit dem Auto. Das Teuerste an der ganzen Reiserei zwischen Holland und der Algarve sei immer das Taxi zum Flughafen.
Jan und Fred (das ist sie) füllen mich bis zu den Ohren mit Kaffee ab, stopfen noch ein paar Brote hinterher, legen als Nachtisch noch einen Haufen Tipps und Ratschläge für das Urlaubsleben an der Algarve dazu, und schon ist es Mittag. Und ich bin eigentlich wieder guter Dinge, denn heute mache ich Urlaub!
Fürs Baden, sogar fürs Bad in der Sonne ist es viel zu kalt und zu windig. Also die Strandpromenade rauf. Zwischendurch einen Kaffee, ein Eis, ein Kuchen. Die Strandpromenade wieder runter. Buh, schon eine Stunde rum. So wird das nichts. Dann mal ab durch die Hinterhöfe der potthässlichen Touristenhochburg. Hier spielt sich tatsächlich etwas Alltagsleben ab. Vorne zum Strand raus hat gähnende Leere die Oberhand. Hinten findet ganz normales Leben statt. Immerhin lässt sich so die Zeit totschlagen.
Morgen werde ich wahrscheinlich den Rückflug buchen, denn den Rucksack und das Wandern habe ich nicht vermisst. Als wolle das Wetter mir zustimmen, öffnet der Himmel abends seine Schleusen und Petrus legt noch ein oder zwei Windstärken drauf. Mich stört das nicht. Ich werde bald wieder weit weg sein, und mit solchen Wetterverhältnissen wird mein Zelt spielend fertig - wenn es richtig aufgebaut wird.
Freitag, 18. April 2008 Erlebnisurlaub

Schnell, schnell! Rein in die Hose, Regenjacke drüber und raus. Tatsächlich: Innen- und Außenzelt werden nur noch von einem Hering gehalten. Wo sind die verdammten Heringe? Jetzt bin ich dankbar für die helle Beleuchtung auf dem Platz. Die Heringe sind nicht weit geflogen. Ich brauche einen Stein, nur woher? Lag unterm Olivenbaum nicht einer? Tatsächlich, da liegt er. Erstaunlich, woran man sich in der Not erinnert.
Scheiße! Als ich mich bücke, gerät der Wind unter die Regenjacke und schiebt das Stück Plastik über Kopf, so dass ich nichts mehr sehe. Verdammtes Ultralight-Gedöns. Nicht bücken, hinhocken!
Innerhalb weniger Minuten ist das Zelt sturmsicher vernagelt. Die Heringe stecken nun tief im steinhartem Boden. Die zusätzlichen Abspannleinen werden erstmals nicht als Wäscheleinen missbraucht, sondern strecken sich dem Sturm entgegen.
Beruhigend und auch schön, so ein Zelt in stürmischer Nacht. Warum nicht direkt so? Faulheit und ein gewisser Hang zum "Et hätt noch immer jot jejange." Warum die leichten Alunägel im harten Boden verbiegen? Es reicht doch, wenn die 2 cm tief im Boden stecken. Abspannleinen? Noch nie gebraucht. Und überhaupt. Der Zeltplatz ist von drei Seiten abgeschirmt. Mauer, Wohnwagen und ein Sanitärgebäude halten den Wind schon ab. Ja und dann fällt in China der berühmte Sack Reis um und in Portugal macht der Sturm eine Drehung. Nennt man, glaube ich Trog.
Warum habe ich mich überhaupt angezogen? In noch nicht mal einer Minute war ich vollkommen durchnässt. Es ist 2 Uhr nachts. Ich hätte splitternackt rausstürmen sollen. Wer soll mich um diese Uhrzeit beobachten? Und so unansehnlich bin ich nun auch wieder nicht - hoffe ich. Zudem ist bei dem Sauwetter niemand draußen, denn die Camper in ihren Mobilheimen schlafen sicher wie in einer Burg.
Am Morgen scheint die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Vom Sturm ist nicht mehr als eine steife Brise geblieben. Bestes Wanderwetter. Trotzdem, es steht es nun endgültig fest: Ich habe keine Lust mehr am Wandern. Genauer am Weitwandern und dessen Besonderheiten. Es bleibt dabei. Ich werde nie mehr eine längere Rucksackwanderung machen. Das Rumlatschen mit Last auf dem Rücken, das Suchen und Hoffen auf einen Schlafplatz, die Ungewissheit wie der nächste Tag aussieht, der bange Blick zum Himmel ob sich das Wetter noch hält, das Unterwegssein, kurz alles was mich am Weitwandern so fasziniert hat, ich brauch's nicht mehr. Mit dem Wetter letzte Nacht hat das nichts zu tun, im Nachhinein hat der nächtliche Einsatz sogar Spaß gemacht. Es ist einfach so. Ich hör auf. Fertig, aus, vorbei!
Als ich meiner Frau ankündige, dass ich nach Hause komme und ihr die Gründe dafür nenne, ist die so überrascht, dass sie mir vorschlägt, ich soll bis Ende Mai Campingurlaub machen. Dann kommt sie ja eh nach Porto. Jetzt bin ich der Überraschte. Nein, kommt nicht in Frage. Innerhalb einer Stunde hat sie mir einen relativ preiswerten Rückflug für den nächsten Tag gebucht. Immerhin.
Ich brauche jetzt jemand der mich mit Kaffee versorgt. Die Holländer sind weg. Deren Rolle übernimmt Mary. Mary ist Ende 50, kommt aus England und hat sich im letzten Herbst auf den Weg gemacht, um, wie sie es nennt, "das größte Abenteuer meines Lebens" zu bestehen. Ihre erste Reise ohne Mann, dafür aber mit umgebautem Kombi, der als Camper herhalten muss. Ihr Reiseziel: Europa, also das Festland, der Kontinent.
Mit einem Pott Kaffee in der Hand sitze ich auf der Mauer, die meinem Zelt letzte Nacht den Schutz verweigert hat und höre Mary zu. Mary ist eine Frau, die, wenn sie warm geworden ist, einem ihre ganze Lebensgeschichte erzählt.
Mehr als 30 Jahre Ehefrau, Hausfrau, Mutter, dann Oma, Mädchen für alle und alles, dann Witwe. Drei Wochen später war sie weg. Der umgebaute Kombi stand beim Gebrauchtwagenhändler zwei Straßen weiter. Die englische Post hat ihren vier Kindern vier identische Postkarten mit identischem Text zugestellt. Inhalt: Bin mit dem Auto nach Europa unterwegs. Bleibe länger weg. Habe kein Telefon mit. Löst eure Probleme allein. Mary, Mutter und Ex-Mädchen für alle und alles.
Seitdem erlebt und lebt Mary ihr Abenteuer, denn Mary war nie weg. Sie fällt von einem Schock in den nächsten, von einem Staunen zum anderen. So habe sie nie einen Gedanken daran verschwendet, dass "die" in Europa auf der falschen Seite fahren. Jetzt im April, sie ist schon Monate unterwegs, hat sie sich immer noch nicht daran gewöhnt. Zwei kleine Unfälle hat es deshalb schon gegeben. Oder die Sprache. Englisch, Mann, Englisch wird doch auf der ganzen Welt gesprochen. In Belgien, über das sie in Europa eingefallen ist, ging es ja noch. In Frankreich war Schluss mit dem Sprachverständnis. Spanien war auch nicht besser. Was für ein Theater als Mary vergisst, wo sie ihr Auto abgestellt hat. In einem kleinen spanischen Städtchen hat sie nur einkaufen wollen; danach hat Mary ihr Auto nicht mehr gefunden. Die Polizei in Villafranca de los Barros hat sie schließlich in eines ihrer Autos verfrachtet und ist solange durch die Straßen gefahren, bis sie ihre Karre entdeckte.
Ich staune, nicht nur über die Schusseligkeit und das Beharrungsvermögen dieser Frau, nein, ich kenne das spanische Nest. In Villafranca de los Barros war ich im März 2007, die Vía de la Plata läuft da durch.
Nun ist Mary an der Reihe mit dem Staunen. Ich bin der Erste, der dieses Nest kennt. Als ich ihr sage, dass ich vermutliche einer der Wenigen bin, der einschätzen kann, wie schusselig man sein muss, um in diesem Nest sein Auto nicht wiederzufinden, muss sie schallend lachen.
Mary will noch bis zum Sommer an der Algarve bleiben, hier kommt sie mit ihrer Muttersprache ganz schön weit, und dann spontan entscheiden wohin es geht. Genaue Vorstellungen hat sie nicht, bis auf eine: England wird nicht das nächste Ziel. Wenn sie sparsam mit der Witwenrente und den Ersparnissen umgeht, kann die Reise noch sehr lange dauern.
Um mir die Zeit zu vertreiben, mache ich einen Spaziergang am Strand entlang bis kurz vor Albufeira. Für die fast 20 Kilometer brauche ich nicht mehr an Ausrüstung als eine kleine Wasserflasche und mein Portemonnaie. Es gibt genügend Bars am Strand. So macht das Wandern Spaß. Sonne, Wind und leichtes Gepäck. Hier eine Tasse Kaffee, in der übernächsten Strandbar ein Fruchtsaft oder ein Eis. Mit dem Bus geht es stressfrei wieder zurück.
Das abendliche Resümee fällt positiv aus: Ein gelungener Urlaubstag.
Samstag, 19. April 2008 Zurück auf Los
Heute geht es endlich heim. Vor Tagen hätte ich mich darüber geärgert, jetzt freue ich mich unbändig. Natürlich könnte ich mit Bus oder Taxi zum Flughafen fahren. Jedoch, ich bin zu Fuß hier angekommen, also gehe ich auch zu Fuß wieder zurück. Was soll ich auch sonst mit dem Tag anfangen?
Mein Flug geht zwar erst nach 16 Uhr, trotzdem will ich früh los. Um halb acht stehe ich vor der verschlossenen Rezeption. Nur ein Wachmann ist da, der gegen die Müdigkeit ankämpft. Noch keine Saison, meint er, und tippt das Schild mit den Winteröffnungzeiten an. Oha, vor 9 Uhr wird das nichts. Gelegenheit für eine ausgiebige Betrachtung des Himmels über Portugal. Sieht aus wie zu Hause: blau mit weißen und hellgrauen Wolken. Vermutlich wird es ein schöner, wenn auch windiger Tag werden.
Die Frau, die mir den Pass aushändigt, ist gegenteiliger Meinung. Nach ihrer Erfahrung wird der Tag kalt - na ja, für Südländer bestimmt - und regnerisch werden.
Sie sollte Recht behalten. Am Strand bläst der Wind schon wieder kräftig und reißt Schaumfetzen von den Wellenkämmen. Vom Meer drängen schwarze Regenwolken so schnell an Land, dass ich es nicht schaffe rechtzeitig unter den Poncho zu kommen. Scheiß Wind. Einmal bläst der den Poncho zu einem Ballon auf, um ihn dann wieder zu einem unförmigen Stück Kunststoff zu knüllen. Ich bin mal wieder von Kopf bis Fuß nass. Nicht ganz. Die Füße sind noch trocken, und damit das so bleibt, ziehe ich diesmal beim Furten die Schuhe aus. Geht doch!
Als ich wieder die Fischersiedlung erreiche, hat die Sonne schon lange die Wolken vertrieben. Es könnt ein perfekter Tag werden. Ich könnte ja noch bleiben, überlege ich bei einem Kaffee, und mache mich dann doch recht zügig an die letzten Kilometer zum Flughafen. Bloß nicht schwach werden.
Mein Flug geht zwar erst nach 16 Uhr, trotzdem will ich früh los. Um halb acht stehe ich vor der verschlossenen Rezeption. Nur ein Wachmann ist da, der gegen die Müdigkeit ankämpft. Noch keine Saison, meint er, und tippt das Schild mit den Winteröffnungzeiten an. Oha, vor 9 Uhr wird das nichts. Gelegenheit für eine ausgiebige Betrachtung des Himmels über Portugal. Sieht aus wie zu Hause: blau mit weißen und hellgrauen Wolken. Vermutlich wird es ein schöner, wenn auch windiger Tag werden.
Die Frau, die mir den Pass aushändigt, ist gegenteiliger Meinung. Nach ihrer Erfahrung wird der Tag kalt - na ja, für Südländer bestimmt - und regnerisch werden.
Sie sollte Recht behalten. Am Strand bläst der Wind schon wieder kräftig und reißt Schaumfetzen von den Wellenkämmen. Vom Meer drängen schwarze Regenwolken so schnell an Land, dass ich es nicht schaffe rechtzeitig unter den Poncho zu kommen. Scheiß Wind. Einmal bläst der den Poncho zu einem Ballon auf, um ihn dann wieder zu einem unförmigen Stück Kunststoff zu knüllen. Ich bin mal wieder von Kopf bis Fuß nass. Nicht ganz. Die Füße sind noch trocken, und damit das so bleibt, ziehe ich diesmal beim Furten die Schuhe aus. Geht doch!
Als ich wieder die Fischersiedlung erreiche, hat die Sonne schon lange die Wolken vertrieben. Es könnt ein perfekter Tag werden. Ich könnte ja noch bleiben, überlege ich bei einem Kaffee, und mache mich dann doch recht zügig an die letzten Kilometer zum Flughafen. Bloß nicht schwach werden.
Sandkastenspiele II
Sonntag, 20. April 2008 bis Sonntag, 27. April 2008

Montag: Bis auf das Auspacken des Rucksacks ist wieder Alltag eingekehrt. Nur aus Neugierde und weil es so einfach ist, schaue ich im Netz nach dem Wetter in Portugal. Angenehme 20 bis 23 Grad und Wind aus Westen in Stärke 3 bis 4. Ich hätte direkt an die Westküste fahren sollen. Na ja, nun ist es zu spät.
Dienstag: Die Westküste ist immer noch im Kopf. Wenn ich die Algarve streiche und in Lagos anfange, dazu für ein paar Tage aufs Tempo drücke ... Mal sehen ob Tuifly, denn an die bin ich nun wegen der dann fälligen Umbuchung gebunden, einen preiswerten Flug nach Faro hat. Am besten innerhalb der nächsten Woche. Tuifly hat: 169 Euro.
So bescheuert kann man doch nicht sein, beschließe ich, und verscheuche den Gedanken wieder. Wenn ich meiner Frau damit komme ...
Mittwoch: Der Gedanke ist wieder da. Eigentlich war der die ganze Nacht da. Tuifly lockt immer noch mit 169 Euro. Ich glaub ich mach's. Seit gestern ist der Frust übers Wandern wie weggeblasen. Kann man so blöd sein? Man kann!
Bevor ich den Flug buche, muss ich aber mit meiner Frau sprechen. Ein Anruf auf der Arbeit wäre in dem Fall wahrscheinlich äußerst kontraproduktiv. Besser ist es auf den Nachmittag zu warten. Von Angesicht zu Angesicht lassen sich solche Dinge besser erklären. Das war leider ein Irrtum. Ungläubiges Staunen, gepaart mit dem Finger der zur Stirn wandert, gefolgt von einem kategorischen "Nein", sind die Folgen meiner Bemühungen. Zehn Minuten später kommt das Okay.
So schnell kann das gehen: Vom Vormittag auf den Nachmittag sind alle Flüge nach Faro ausgebucht. Der nächste bezahlbare Flug geht erst am 5. Juni. Das ist viel zu spät. Und nun?
Der einzig bezahlbare und vom Zeitrahmen passende Flug den Tuifly im Augenblick anbietet führt nach Bilbao. Bilbao? Camino del Norte? Einfach umplanen? Warum nicht? Der Camino del Norte kommt nicht in Frage, wenn dann auf den "richtigen" Camino auf den Jakobsweg. Jubel, Trubel, Heiterkeit auf dem Trampelpfad der Welt. Angeblich, wenn man den Berichten glaubt, ist das da so. Ich war noch nicht da, ich wollte da auch nie hin. Von einer Sekunde auf die andere freue ich mich drauf. Dass viele Pilger angeblich Probleme damit haben ein Bett zu ergattern, stört mich nicht. Immerhin bin ich so gut zu Fuß, dass ich den meisten weglaufen werde. Und vor dem Pennen unterm freien Himmel habe ich keine Angst.
Donnerstag: Eine Wegbeschreibung für den Camino Francés ist seit heute in meinem Besitz. Vor ein paar Jahren hätte das Büchlein extra bestellt werden müssen, heute fehlen diese Bücher in keinem Buchladen.
Freitag: Rucksack packen und vor der Katze verstecken. Die wird immer fürchterlich nervös, wenn sie gepackte Rucksäcke sieht. Alleinsein mag Lissy überhaupt nicht. Bei 7,5 Kilo bleibt die Waage stehen. Der 40-Liter Rucksack ist mal grade zu Hälfte gefüllt, der Kram könnte auch ins Daypack passen. Da packe ich doch lieber meine auf 1,40 Meter abgeschnittene und mit Rundecken versehene 5 Millimeter Notfallmatte dazu. Die lässt sich schön falten und wird ganz unten verstaut.
Samstag: Die endgültige Planung steht nun auch. Am 29. April werde ich in Pamplona starten und alleine bis Santiago gehen. Geschlafen wird nach Möglichkeit nur in Herbergen. Von Santiago werde ich mit dem Bus nach Porto fahren und dort am 28. Mai meine Frau treffen. Am nächsten Tag werden wir gemeinsam über den Caminho Portugûes nach Norden, bis Santiago, gehen. Von da weiter über den Camino Fisterra das Ende der Welt erreichen. Macht zusammen etwas mehr als 1.000 Kilometer. Soweit die Planung.
Sonntag: Nix besonderes. Ich freu mich mal wieder wie ein Schneekönig.
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