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Paddeltour 900km durch das Pantanal, Brasilien 2019 -
Paddling on the beaten path
Vorgeplänkel
Es war im April 2016, als ich zufällig auf einen Reisebericht über eine Kanutour durchs Pantanal stieß. Zwei Kanadier, die im Falt-Canadier bevorzugt "Paddling off the beaten path" unterwegs sind, hatten 2013 das Pantanal von Rondonópolis bis Corumbá befahren (Link). Es ging ihnen überwiegend gut dabei, sie zelteten auf ausgedehnten Sandbänken und sahen viele wilde Tiere.
Dieser Bericht hat mich sofort gepackt. Sollte ja easy sein, das nachzupaddeln, "auf ausgetretenem Pfade".
Ich träume nämlich seit Jahren schon von tropischen Flüssen, die ich befahren könnte, und die mich der prallen Tierwelt dort näherbringen. Ich dachte dabei immer an Afrika, schaute nach Flüssen in Botswana, Sambia und Kamerun, das Okawango-Delta zB oder den Sambesi. Aber letztlich konnte ich mich auf keinen der Flüsse dort festlegen. Bootsverleiher hatten in Sambia aufgegeben, weil die Hippos ihnen die Alu-Canadier kaputt gemacht haben. Viele der Touren in den Nationalparken waren nur mit Guide möglich - für mich keine Option. Ich mag es einfach nicht, wie blöde hinter jemandem herzuteckeln, der alles für mich organisiert. Insgesamt halte ich die Sicherheitslage in diesen Ländern für zu gefährlich, um da mit hoher Wahrscheinlichkeit alleine heil durchzukommen. Hippos, Nil-Krokodile und bösartige Parasiten im Wasser, Löwen, Leoparden, Hyänen, Warzenschweine, Schlangen, Elefanten und wieder die Hippos an Land, die nachts die besten Zeltplätze überrennen, dazu eine allgemein hohe Spontan-Kriminalität, darauf wollte ich mich nicht einlassen.
Angetestet hatte ich individuelles Reisen in Afrika mal 3 Wochen lang im Jahre 1991, Nairobi, Amboseli, Lake Manyara, Ngorongoro, Kilimandscharo, Mombasa und Tauchen am Diani Beach. War interessant, aber die ständigen Anmachen und Auseinandersetzungen mit den Möchtegern-Dienstleistern, das ständige Feilschen müssen, die mehrfachen Betrugsversuche, oder der aufgeschnittene Rucksack im Bus nervten. Die Kamera hat der Dieb zum Glück nicht rausbekommen. Ich konnte es erst gar nicht fassen, wie dreist, denn er agierte direkt vor meinen Augen, hat dabei die Jeansjacke über den Händen gehabt zur Tarnung. Nachdem ich endlich verstand, ihn mein Blick erfasst hatte und ich wütend aufsprang, bekamen auch die anderen Fahrgäste mit, was da vorging und verjagten ihn lautstark aus dem Bus.
Kam ein Bus noch im Dunkeln an sein Ziel, verließ ihn ein großer Teil der Fahrgäste nicht, aus Angst vor Räubern. Erst mit Tagesanbruch trauten sie sich raus.
Südamerika hatte ich in diese Überlegungen bezüglich Paddelgewässern nie mit einbezogen, ich weiß auch nicht warum. Wahrscheinlich, weil ich im Amazonas-Dschungel nicht so mit der prallen Tierwelt rechne. Und gefährlich ist es auch da. Mehrfach sind Paddler beraubt und ermordet worden (zB 2004, 2011, und 2017, 3 Tage zuvor schrieb sie’s schon auf Twitter).
Vom Pantanal hatte ich vorher schon gewisse Vorstellungen. Es sei ein riesiges Sumpfgebiet irgendwo in Südamerika, großflächig überschwemmt, wegelos, örtlich sehr klares Wasser, fischreich, bissige Piranhas, 9m-Anakondas, Millionen Kaimane, Riesenotter, Jaguare und viele Wasserschweine. Cowboys reiten auf Pferden durchs Wasser. Im Rahmen von aufwendigen Expeditionen wird dort geforscht oder es werden prächtige Naturfilme gedreht. Für Otto-Normalbürger auf eigene Faust aber letztlich unzugänglich. Kann sein, dass ich meine letzte Pantanal-Dokumentation bereits in den 70er Jahren gesehen habe.
Aber der neu entdeckte Bericht klang anders, das schien für mich einfach machbar. Ich habe mich also gleich hingesetzt, das Pantanal auf der Landkarte gefunden, den Bericht in allen Details studiert, die wahrscheinliche Fahrtstrecke ermittelt und deren Länge ausgemessen. Rund 900km mussten die beiden gepaddelt sein. Puhhh, eine ganze Menge, und das in 25 Tagen, also durchschnittlich 36km täglich. Das bei der Hitze und den kurzen Tagen dort in den Tropen. Auf meinen Touren komme ich normalerweise auf 15 bis 25km am Tag, aber wir lassen uns besonders morgens regelmäßig viel Zeit. Ich empfand die 36km erst mal als Hetze, da wollte ich gleich mehr Zeit einplanen.
Das Pantanal liegt im Herzen Südamerikas und gilt als das größte kontinentale Sumpfgebiet der Welt. Der größte Teil der Fläche gehört zu Brasilien, kleinere Teile zu Bolivien und Paraguay. Um ein Gefühl für die Größenverhältnisse zu bekommen, habe ich mal die Staatsfläche der BRD auf das Pantanal gepackt. Berlin liegt etwa da, wo Rondonópolis eingezeichnet ist, Frankfurt/Main etwa da, wo Corumbá eingezeichnet ist (klick auf die Vorschau zum Original in Vollgröße):
TheTrueSize.com
Die Gesamtfläche des Pantanals entspricht nach manchen Angaben in etwa der Gesamtfläche der BRD vor 1990. Ich halte das für übertrieben. Es sind wahrscheinlich so um die 170000km², also etwa 2/3 der Gesamtfläche der BRD vor 1990 oder etwa die Hälfte der BRD heute. Die regelmäßig überflutete Fläche beträgt 122677km².
Hier jetzt mal eine Überblickskarte, die bereits den Streckenverlauf grob erkennen lässt. Es geht los im Nordosten in Rondonópolis, folgt dem hier nicht bezeichneten Rio Vermelho, weiter über den Rio São Lourenço und den Rio Cuiabá auf den Rio Paraguai bis zum Ziel Corumbá:
https://www.pantanalescapes.com/loca...antanalmap.png
↑ Ungefähre Grenzen des Pantanals in einer schematischen Karte. Grün die regelmäßig überschwemmten Niederungsflächen.
Genauere Karte mit den Überschwemmungsgebieten (diesmal in blau) und der Grenze und dem Relief des Einzugsgebietes auf brasilianischer Seite: ↓
riosvivos.org.br
Erstaunlich finde ich, wie klein das übrige, höhergelegene Einzugsgebiet im Verhältnis zum Überschwemmungsgebiet ist.
Und die folgende Karte zeigt, dass die Natur auf großen Flächen des Überschwemmungsgebietes noch weitgehend erhalten ist. Die übrigen, höhergelegenen Teile des Einzugsgebietes sind jedoch überwiegend intensiv landwirtschaftlich genutzt:
oeco.org.br
Die roten Flächen zeigen, wo im Zeitraum 2002 bis 2008 Veränderungen der Landnutzung eingetreten sind, also Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Nutzfläche. 86.6% des Überschwemmungsgebietes bewahrten bis 2008 noch natürliche Vegetation, 11.1% sind Viehweiden, 0.3% Ackerland.
"Die Flüsse des Pantanal entspringen in den Plateaus im Norden und Osten und münden in den nach Süden fließenden Rio Paraguay. Im Gefälleübergang Plateau - Ebene verändert sich ihre Fließgeschwindigkeit so stark, daß ihre Sedimente fächerförmig, in Form großer Schwemmkegel abgelagert werden. Das Pantanal wird aus 9 solcher alluvialer Fächer gebildet, die nach den Namen ihrer sie dominierenden Flüsse benannt sind. Von besonderer Bedeutung ist der 55.000 km² große Mega - Schwemmkegel des Taquari - Flusses, der zu den größten alluvialen Fächern der Welt zählt" (Quelle, Karte).
Gleich zu Beginn meiner Recherchen habe ich wie schon zu anderen geplanten Paddelgewässern eine Pantanal-Seite im Faltboot-Wiki eingerichtet und viele für mich wichtige Informationen dort zusammengetragen. Gernot hat dann noch sehr viele meteorologische und historische Informationen dazugepackt.
Dann habe ich mir einen Job gesucht, mit viel Bewegung, um meine Fitness zu erhöhen, etwas Zusatzknete für die zu erwartenden Sonderausgaben zu haben und den Rechtfertigungsdruck diesbezüglich zu mindern. Seitdem schwitze ich jeden Abend und kann mich 2 bis 4 Stunden lang schön auspowern. Kein schlechter Rhythmus, ich habe ja sonst nicht groß was zu tun.
Außerdem hatte ich mir vorgenommen, etwas in die Sprache reinzuschnuppern. So ganz ohne Sprachkenntnisse, das ist doch auch nicht so schön, und mit meinem Rest-Rumänisch (ein paar Worte von Ende der 70er Jahre) würde ich wohl kaum was anfangen können. Wenigstens die Zahlen wollte ich lernen, damit ich beim Feilschen mithalten kann.
Dazu habe ich einige Smartphone-Lernapps und digital herunterladbare Lehrbücher und CDs ausprobiert. Dazu ein paar nette Youtube-Filmchen, zB hier. Ein bisschen Zeit habe ich dann mit Bravolol und Duolingo verbracht. Aber was soll ich sagen? Ich war nicht besonders motiviert. Zeit genug hatte ich eigentlich dafür, bin aber meist mitten in der Lektion eingeschlafen. So hielt sich der Lernerfolg in sehr sehr engen Grenzen.
Bezüglich des Materials habe ich ziemlich aufgerüstet, aber auch etliche Anläufe in bestimmte Richtungen im Laufe der Zeit wieder fallengelassen. Zum Beispiel habe ich einen neuen Ally gekauft, einen kleinen, leichten, schlanken Kahn, den Ally Scout (Pathfinder) 15.5’, der für Solotouren mit viel Gepäck und für Flugreisen zu zweit mit wenig Gepäck gut geeignet ist.
Zeitweise dachte ich, ich könnte die Strecke alleine nur bewältigen, wenn ich mir ein Sonnendach aus Solarzellen auf diesen Ally baue und mich mit Elektromotor vorwärtstreiben lasse. Eine gute Idee, habe sie aber nicht weiter verfolgt, seitdem ich wusste, ich bekomme einen schlagkräftigen Mitpaddler. Auch den schlanken Ally habe ich zugunsten von mehr Zuladung wieder zurückgestellt und stattdessen meinen alten Ally Tour 16.5’ für das Pantanal ausgewählt.
Eine richtig fette Sonderausgabe war auch meine neue Kamera, von der ich seit 10 Jahren träume. Eine Kamera mit richtig viel Zoom, guter Optik, größerem Chip als in den gewöhnlichen Superzoomknipsen, dennoch relativ kompakt. Dieses Ideal ist seit der Sony RX10M3 tatsächlich zu haben. The Minivan of Cameras! (DPReview). Ich habe mir für den Erwerb viel Zeit gelassen, denn ich wollte nicht unbedingt viel eher kaufen, als bis ich solch eine Reise tatsächlich machen würde in so tierreiche Gegenden wie das Pantanal (oder das Donaudelta). Das war auch gut so, denn zwischenzeitlich kam die in einigen Punkten erheblich verbesserte Version RX10M4 heraus, die gerade für Sport- und Tierfotografie Vorteile bietet. Bessere Scharfeinstellung, erheblich höheres Tempo, aber leider auch unverschämte 1999€ UVP. Als dann der Preis der Kamera bei Amazon für einen einzigen Tag mal von 1800€ auf 1500€ fiel, habe ich am 21. September 2018 zugeschlagen. Dem Idealo-Preiswecker sei dank.
Andere große Ausgaben waren der Wasserfilter, ein MSR Guardian, das Leichtzelt für tropische Nächte, ein MSR CarbonReflex 2, und ein großes Smartphone für die Navigation, ein Xiaomi MiMax2, dass ich bei der Rückfahrt vom Snow in Kiew gekauft habe. In Deutschland war es zu der Zeit noch nicht erhältlich. Es gefällt mir als Navi wegen dem großen Bildschirm und der langen Akku-Laufzeit. Die Garantieabwicklung wäre hier ähnlich aufwändig geworden wie beim Direktkauf in China, aber der Fall ist zum Glück nicht eingetreten.
Was noch? Einen superleichten Daunenschlafsack Mountain Hardwear Phantom 45, es gibt ja im Pantanal im Winter auch ab und zu Nächte knapp über Null Grad, echt ein Schnäppchen für ~100€; sowie als Ersatz für den schweren Künzi einen MSP Core Stove, Titan natürlich; ein 15W-Solarlader, und ein zweites teilbares Stechpaddel für meinen Mitpaddler.
Ganz zum Schluss kam noch eine Hängematte dazu, eine Warbonnet Ridgerunner - Double Layer mit Moskitonetz. Eine Schnapsidee, getrieben von dem Gedanken, mich von Schlangen, die unbemerkt unters Zelt kriechen, fernhalten zu wollen. Dazu ein leichtes Tarp aus China, dass ich nach dem Kauf wegen ein paar Zentimetern Untermaßigkeit auf 23€ reduzieren konnte.
Überhaupt habe ich alles, was nicht von ausgesuchter Qualität sein musste, versucht, direkt in China zu kaufen. Überwiegend elektronische und andere Kleinteile, einen 1.8L-Titan-Kochtopf, -Löffel, -Windschutz, -Spirituskocher, eine ausdauernde Kopflampe, und und und.
Mein schönstes China-Teil ist jedoch dieser preiswerte Schirmhut - eine geniale Erfindung, die sich aber bisher bei uns im Gegensatz zu China nicht durchsetzen konnte. Ich versprach mir im Vergleich zu einem brasilianischen Strohhut vor allem eine bessere Unterlüftung. Zudem ist er erheblich leichter und hat ein entschieden geringeres Packmaß. Bereits 1880 wurde der Umbrella hat von Robert W. Patten erfunden.
Patten "was seen as eccentric because of his lifestyle and outrageous claims. He lived on a houseboat, walked around town with an umbrella on his head and spent most of his time outdoors." Also einer von uns.
Ein erster Test in Deutschland ergab eine erstaunliche Wirkung auf Beobachter jeden Alters. Die Reaktionen gingen von sprachlosen Blicken über heimliches Tuscheln bis zu offener Bekundung von Freude und Zustimmung. Einigen unbeherrschten Beobachtern musste ich jedoch prophylaktisch das Lachen verbieten, insbesondere in Anwesenheit von Kindern.
Gut, das Teil war so billig, dass es nach dem ersten Test-Wochenende in Deutschland bereits drohte auseinanderzufallen. Also musste ich mich mal ein Stündchen auf die Terasse setzen und die Befestigungen des Kopfbandes mit Hand nachnähen. Seitdem hält es problemlos.
Ihr merkt schon, da verging einige Zeit, bis ich die Tour dann tatsächlich in Angriff nahm. Immer wieder kam was dazwischen, was mich am Pantanal hinderte. 2 Jahre sind wir dann noch den Sommer in die NO-Ukraine gefahren (2016, 2017), und 2018 auf den Bargusin und den Baikal in Sibirien. Das war mein finaler Test Flugzeugreise mit Faltboot-Gepäck. Danach hatte ich so viel Vertrauen in meine Flugtauglichkeit gewonnen, dass der großen Tour nichts mehr im Wege stand.
Paddeltour 900km durch das Pantanal, Brasilien 2019 -
Paddling on the beaten path
Vorgeplänkel
Es war im April 2016, als ich zufällig auf einen Reisebericht über eine Kanutour durchs Pantanal stieß. Zwei Kanadier, die im Falt-Canadier bevorzugt "Paddling off the beaten path" unterwegs sind, hatten 2013 das Pantanal von Rondonópolis bis Corumbá befahren (Link). Es ging ihnen überwiegend gut dabei, sie zelteten auf ausgedehnten Sandbänken und sahen viele wilde Tiere.
Dieser Bericht hat mich sofort gepackt. Sollte ja easy sein, das nachzupaddeln, "auf ausgetretenem Pfade".
Ich träume nämlich seit Jahren schon von tropischen Flüssen, die ich befahren könnte, und die mich der prallen Tierwelt dort näherbringen. Ich dachte dabei immer an Afrika, schaute nach Flüssen in Botswana, Sambia und Kamerun, das Okawango-Delta zB oder den Sambesi. Aber letztlich konnte ich mich auf keinen der Flüsse dort festlegen. Bootsverleiher hatten in Sambia aufgegeben, weil die Hippos ihnen die Alu-Canadier kaputt gemacht haben. Viele der Touren in den Nationalparken waren nur mit Guide möglich - für mich keine Option. Ich mag es einfach nicht, wie blöde hinter jemandem herzuteckeln, der alles für mich organisiert. Insgesamt halte ich die Sicherheitslage in diesen Ländern für zu gefährlich, um da mit hoher Wahrscheinlichkeit alleine heil durchzukommen. Hippos, Nil-Krokodile und bösartige Parasiten im Wasser, Löwen, Leoparden, Hyänen, Warzenschweine, Schlangen, Elefanten und wieder die Hippos an Land, die nachts die besten Zeltplätze überrennen, dazu eine allgemein hohe Spontan-Kriminalität, darauf wollte ich mich nicht einlassen.
Angetestet hatte ich individuelles Reisen in Afrika mal 3 Wochen lang im Jahre 1991, Nairobi, Amboseli, Lake Manyara, Ngorongoro, Kilimandscharo, Mombasa und Tauchen am Diani Beach. War interessant, aber die ständigen Anmachen und Auseinandersetzungen mit den Möchtegern-Dienstleistern, das ständige Feilschen müssen, die mehrfachen Betrugsversuche, oder der aufgeschnittene Rucksack im Bus nervten. Die Kamera hat der Dieb zum Glück nicht rausbekommen. Ich konnte es erst gar nicht fassen, wie dreist, denn er agierte direkt vor meinen Augen, hat dabei die Jeansjacke über den Händen gehabt zur Tarnung. Nachdem ich endlich verstand, ihn mein Blick erfasst hatte und ich wütend aufsprang, bekamen auch die anderen Fahrgäste mit, was da vorging und verjagten ihn lautstark aus dem Bus.
Kam ein Bus noch im Dunkeln an sein Ziel, verließ ihn ein großer Teil der Fahrgäste nicht, aus Angst vor Räubern. Erst mit Tagesanbruch trauten sie sich raus.
Südamerika hatte ich in diese Überlegungen bezüglich Paddelgewässern nie mit einbezogen, ich weiß auch nicht warum. Wahrscheinlich, weil ich im Amazonas-Dschungel nicht so mit der prallen Tierwelt rechne. Und gefährlich ist es auch da. Mehrfach sind Paddler beraubt und ermordet worden (zB 2004, 2011, und 2017, 3 Tage zuvor schrieb sie’s schon auf Twitter).
Vom Pantanal hatte ich vorher schon gewisse Vorstellungen. Es sei ein riesiges Sumpfgebiet irgendwo in Südamerika, großflächig überschwemmt, wegelos, örtlich sehr klares Wasser, fischreich, bissige Piranhas, 9m-Anakondas, Millionen Kaimane, Riesenotter, Jaguare und viele Wasserschweine. Cowboys reiten auf Pferden durchs Wasser. Im Rahmen von aufwendigen Expeditionen wird dort geforscht oder es werden prächtige Naturfilme gedreht. Für Otto-Normalbürger auf eigene Faust aber letztlich unzugänglich. Kann sein, dass ich meine letzte Pantanal-Dokumentation bereits in den 70er Jahren gesehen habe.
Aber der neu entdeckte Bericht klang anders, das schien für mich einfach machbar. Ich habe mich also gleich hingesetzt, das Pantanal auf der Landkarte gefunden, den Bericht in allen Details studiert, die wahrscheinliche Fahrtstrecke ermittelt und deren Länge ausgemessen. Rund 900km mussten die beiden gepaddelt sein. Puhhh, eine ganze Menge, und das in 25 Tagen, also durchschnittlich 36km täglich. Das bei der Hitze und den kurzen Tagen dort in den Tropen. Auf meinen Touren komme ich normalerweise auf 15 bis 25km am Tag, aber wir lassen uns besonders morgens regelmäßig viel Zeit. Ich empfand die 36km erst mal als Hetze, da wollte ich gleich mehr Zeit einplanen.
Das Pantanal liegt im Herzen Südamerikas und gilt als das größte kontinentale Sumpfgebiet der Welt. Der größte Teil der Fläche gehört zu Brasilien, kleinere Teile zu Bolivien und Paraguay. Um ein Gefühl für die Größenverhältnisse zu bekommen, habe ich mal die Staatsfläche der BRD auf das Pantanal gepackt. Berlin liegt etwa da, wo Rondonópolis eingezeichnet ist, Frankfurt/Main etwa da, wo Corumbá eingezeichnet ist (klick auf die Vorschau zum Original in Vollgröße):

Die Gesamtfläche des Pantanals entspricht nach manchen Angaben in etwa der Gesamtfläche der BRD vor 1990. Ich halte das für übertrieben. Es sind wahrscheinlich so um die 170000km², also etwa 2/3 der Gesamtfläche der BRD vor 1990 oder etwa die Hälfte der BRD heute. Die regelmäßig überflutete Fläche beträgt 122677km².
Hier jetzt mal eine Überblickskarte, die bereits den Streckenverlauf grob erkennen lässt. Es geht los im Nordosten in Rondonópolis, folgt dem hier nicht bezeichneten Rio Vermelho, weiter über den Rio São Lourenço und den Rio Cuiabá auf den Rio Paraguai bis zum Ziel Corumbá:
https://www.pantanalescapes.com/loca...antanalmap.png
↑ Ungefähre Grenzen des Pantanals in einer schematischen Karte. Grün die regelmäßig überschwemmten Niederungsflächen.
Genauere Karte mit den Überschwemmungsgebieten (diesmal in blau) und der Grenze und dem Relief des Einzugsgebietes auf brasilianischer Seite: ↓

Erstaunlich finde ich, wie klein das übrige, höhergelegene Einzugsgebiet im Verhältnis zum Überschwemmungsgebiet ist.
Und die folgende Karte zeigt, dass die Natur auf großen Flächen des Überschwemmungsgebietes noch weitgehend erhalten ist. Die übrigen, höhergelegenen Teile des Einzugsgebietes sind jedoch überwiegend intensiv landwirtschaftlich genutzt:

Die roten Flächen zeigen, wo im Zeitraum 2002 bis 2008 Veränderungen der Landnutzung eingetreten sind, also Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Nutzfläche. 86.6% des Überschwemmungsgebietes bewahrten bis 2008 noch natürliche Vegetation, 11.1% sind Viehweiden, 0.3% Ackerland.
"Die Flüsse des Pantanal entspringen in den Plateaus im Norden und Osten und münden in den nach Süden fließenden Rio Paraguay. Im Gefälleübergang Plateau - Ebene verändert sich ihre Fließgeschwindigkeit so stark, daß ihre Sedimente fächerförmig, in Form großer Schwemmkegel abgelagert werden. Das Pantanal wird aus 9 solcher alluvialer Fächer gebildet, die nach den Namen ihrer sie dominierenden Flüsse benannt sind. Von besonderer Bedeutung ist der 55.000 km² große Mega - Schwemmkegel des Taquari - Flusses, der zu den größten alluvialen Fächern der Welt zählt" (Quelle, Karte).
Gleich zu Beginn meiner Recherchen habe ich wie schon zu anderen geplanten Paddelgewässern eine Pantanal-Seite im Faltboot-Wiki eingerichtet und viele für mich wichtige Informationen dort zusammengetragen. Gernot hat dann noch sehr viele meteorologische und historische Informationen dazugepackt.
Dann habe ich mir einen Job gesucht, mit viel Bewegung, um meine Fitness zu erhöhen, etwas Zusatzknete für die zu erwartenden Sonderausgaben zu haben und den Rechtfertigungsdruck diesbezüglich zu mindern. Seitdem schwitze ich jeden Abend und kann mich 2 bis 4 Stunden lang schön auspowern. Kein schlechter Rhythmus, ich habe ja sonst nicht groß was zu tun.
Außerdem hatte ich mir vorgenommen, etwas in die Sprache reinzuschnuppern. So ganz ohne Sprachkenntnisse, das ist doch auch nicht so schön, und mit meinem Rest-Rumänisch (ein paar Worte von Ende der 70er Jahre) würde ich wohl kaum was anfangen können. Wenigstens die Zahlen wollte ich lernen, damit ich beim Feilschen mithalten kann.
Dazu habe ich einige Smartphone-Lernapps und digital herunterladbare Lehrbücher und CDs ausprobiert. Dazu ein paar nette Youtube-Filmchen, zB hier. Ein bisschen Zeit habe ich dann mit Bravolol und Duolingo verbracht. Aber was soll ich sagen? Ich war nicht besonders motiviert. Zeit genug hatte ich eigentlich dafür, bin aber meist mitten in der Lektion eingeschlafen. So hielt sich der Lernerfolg in sehr sehr engen Grenzen.

Bezüglich des Materials habe ich ziemlich aufgerüstet, aber auch etliche Anläufe in bestimmte Richtungen im Laufe der Zeit wieder fallengelassen. Zum Beispiel habe ich einen neuen Ally gekauft, einen kleinen, leichten, schlanken Kahn, den Ally Scout (Pathfinder) 15.5’, der für Solotouren mit viel Gepäck und für Flugreisen zu zweit mit wenig Gepäck gut geeignet ist.
Zeitweise dachte ich, ich könnte die Strecke alleine nur bewältigen, wenn ich mir ein Sonnendach aus Solarzellen auf diesen Ally baue und mich mit Elektromotor vorwärtstreiben lasse. Eine gute Idee, habe sie aber nicht weiter verfolgt, seitdem ich wusste, ich bekomme einen schlagkräftigen Mitpaddler. Auch den schlanken Ally habe ich zugunsten von mehr Zuladung wieder zurückgestellt und stattdessen meinen alten Ally Tour 16.5’ für das Pantanal ausgewählt.
Eine richtig fette Sonderausgabe war auch meine neue Kamera, von der ich seit 10 Jahren träume. Eine Kamera mit richtig viel Zoom, guter Optik, größerem Chip als in den gewöhnlichen Superzoomknipsen, dennoch relativ kompakt. Dieses Ideal ist seit der Sony RX10M3 tatsächlich zu haben. The Minivan of Cameras! (DPReview). Ich habe mir für den Erwerb viel Zeit gelassen, denn ich wollte nicht unbedingt viel eher kaufen, als bis ich solch eine Reise tatsächlich machen würde in so tierreiche Gegenden wie das Pantanal (oder das Donaudelta). Das war auch gut so, denn zwischenzeitlich kam die in einigen Punkten erheblich verbesserte Version RX10M4 heraus, die gerade für Sport- und Tierfotografie Vorteile bietet. Bessere Scharfeinstellung, erheblich höheres Tempo, aber leider auch unverschämte 1999€ UVP. Als dann der Preis der Kamera bei Amazon für einen einzigen Tag mal von 1800€ auf 1500€ fiel, habe ich am 21. September 2018 zugeschlagen. Dem Idealo-Preiswecker sei dank.
Andere große Ausgaben waren der Wasserfilter, ein MSR Guardian, das Leichtzelt für tropische Nächte, ein MSR CarbonReflex 2, und ein großes Smartphone für die Navigation, ein Xiaomi MiMax2, dass ich bei der Rückfahrt vom Snow in Kiew gekauft habe. In Deutschland war es zu der Zeit noch nicht erhältlich. Es gefällt mir als Navi wegen dem großen Bildschirm und der langen Akku-Laufzeit. Die Garantieabwicklung wäre hier ähnlich aufwändig geworden wie beim Direktkauf in China, aber der Fall ist zum Glück nicht eingetreten.
Was noch? Einen superleichten Daunenschlafsack Mountain Hardwear Phantom 45, es gibt ja im Pantanal im Winter auch ab und zu Nächte knapp über Null Grad, echt ein Schnäppchen für ~100€; sowie als Ersatz für den schweren Künzi einen MSP Core Stove, Titan natürlich; ein 15W-Solarlader, und ein zweites teilbares Stechpaddel für meinen Mitpaddler.
Ganz zum Schluss kam noch eine Hängematte dazu, eine Warbonnet Ridgerunner - Double Layer mit Moskitonetz. Eine Schnapsidee, getrieben von dem Gedanken, mich von Schlangen, die unbemerkt unters Zelt kriechen, fernhalten zu wollen. Dazu ein leichtes Tarp aus China, dass ich nach dem Kauf wegen ein paar Zentimetern Untermaßigkeit auf 23€ reduzieren konnte.
Überhaupt habe ich alles, was nicht von ausgesuchter Qualität sein musste, versucht, direkt in China zu kaufen. Überwiegend elektronische und andere Kleinteile, einen 1.8L-Titan-Kochtopf, -Löffel, -Windschutz, -Spirituskocher, eine ausdauernde Kopflampe, und und und.
Mein schönstes China-Teil ist jedoch dieser preiswerte Schirmhut - eine geniale Erfindung, die sich aber bisher bei uns im Gegensatz zu China nicht durchsetzen konnte. Ich versprach mir im Vergleich zu einem brasilianischen Strohhut vor allem eine bessere Unterlüftung. Zudem ist er erheblich leichter und hat ein entschieden geringeres Packmaß. Bereits 1880 wurde der Umbrella hat von Robert W. Patten erfunden.
Patten "was seen as eccentric because of his lifestyle and outrageous claims. He lived on a houseboat, walked around town with an umbrella on his head and spent most of his time outdoors." Also einer von uns.

Ein erster Test in Deutschland ergab eine erstaunliche Wirkung auf Beobachter jeden Alters. Die Reaktionen gingen von sprachlosen Blicken über heimliches Tuscheln bis zu offener Bekundung von Freude und Zustimmung. Einigen unbeherrschten Beobachtern musste ich jedoch prophylaktisch das Lachen verbieten, insbesondere in Anwesenheit von Kindern.
Gut, das Teil war so billig, dass es nach dem ersten Test-Wochenende in Deutschland bereits drohte auseinanderzufallen. Also musste ich mich mal ein Stündchen auf die Terasse setzen und die Befestigungen des Kopfbandes mit Hand nachnähen. Seitdem hält es problemlos.
Ihr merkt schon, da verging einige Zeit, bis ich die Tour dann tatsächlich in Angriff nahm. Immer wieder kam was dazwischen, was mich am Pantanal hinderte. 2 Jahre sind wir dann noch den Sommer in die NO-Ukraine gefahren (2016, 2017), und 2018 auf den Bargusin und den Baikal in Sibirien. Das war mein finaler Test Flugzeugreise mit Faltboot-Gepäck. Danach hatte ich so viel Vertrauen in meine Flugtauglichkeit gewonnen, dass der großen Tour nichts mehr im Wege stand.
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