AW: [DE] Faszination Nordsee - Die North Sea Cycle Route und Inseltouren
North Sea Cycle Route
Burhave – Dangast, 72,6 km
12.07.2014
Um 6 Uhr weckt mich meine innere Uhr. Mein Kopf dröhnt immer noch, und ich packe sehr langsam. Einen Moment denke ich an Abbruch, aber vielleicht gibt sich das ja noch. Da hier kein Brötchendienst zu erwarten ist, koche ich Nudeln zum Frühstück. Lecker. Zarte Wolken legen sich über die Sonne. Es könnte ein heißer Tag werden.

Halb acht begebe ich mich langsam zur Anmeldung. Mein Kopf ist besser geworden. Am liebsten würde ich jetzt fahren. Vielleicht finde ich einen Briefkasten oder jemanden, der das Geld für mich nimmt.
Vor der Anmeldung steht ein Fahrrad. Sollte ich Glück haben? Tatsächlich ist der Mitarbeiter auf dem Platz und bringt die Gießkanne weg. Ich erhalte einen Sonderpreis und bin kurz darauf wieder auf dem Nordseeküstenradweg. Es ist windstill. Sehr ungewöhnlich.
Ich radele Richtung Fedderwardersiel. Eine große Ruhezone mit Bänken. Ferienlandschaft. Ein Reiterhof verbreitet Idylle. Ich denke an die deutsche Fußballmannschaft und freue mich auf das Endspiel. Sie werden gewinnen. Ich freue mich darauf. Ich tippe 8:0. Das würde Brasilien freuen. Lachend trete ich in die Pedale. Tippen konnte ich noch nie, aber man darf ja mal träumen.

Am Fedderwardersiel wird es gleich links abgehen und dann gleich wieder rechts. Die Straßen sind menschenleer. Ein Urlauber schaut halbnackt vom Balkon aus auf das Meer.

Ich fahre einen kurzen Abstecher zum Siel.

Der kleine Lebensmittelladen hat bereits geöffnet und zwei oder drei Menschen eilen, Brötchen zu holen. Man grüßt. Ferien. Aber ich mag nicht absteigen und fahre weiter.
Ich biege rechts in den Fedderwarderdeich ein. Ein Melkhus lockt. Hier vermarkten Bauern ihre frischen Milchprodukte. Ich fahre den kleinen Umweg und gönne mir ein Glas köstlicher Buttermilch. Kein Vergleich mit den Produkten aus dem Supermarkt. Die Bäuerin empfiehlt mir Butjardinger Creme, bestehend aus Quark, Griess, Sahne, Zucker und Kirschen. Sie wird köstlich schmecken.

Eine Katze sitzt mitten auf der Straße und schaut mich unentwegt an. Nur widerwillig weicht sie, obwohl das gar nicht nötig wäre. Schön ist es hier.

Eine Bank steht am Wegesrand. Das Schild daneben erklärt, dass hier der Schulstrich ist. Er bezeichnet einen mittelalterlichen Deich, der im 14. JH. zur Eindeichung des Langwarder Grodens gebaut wurde. Als er aufgrund des Küstendeiches im 16. JH. nicht mehr benötigt wurde, wurden die Häuser der Landarbeiter und Landstellenbesitzer auf ihm errichtet, da er aufgrund der erhöhten Lage Schutz bot. Es entstand eine der typischen Deichreihendörfer. Gut zu erkennen ist er aber nicht, da Bäume und Büsche den Blick verstellen.


Die Kirche von Langwarden. Die Orgel soll sehenswert sein.

Ein kurzer Blick über den Deich zeigt einen Leuchtturm. Ich befinde mich an der Spitze dieses ein wenig wie eine Halbinsel wirkenden Landstriches, der von Weser und Jade umgeben ist. Die Sandbank vor der Küste nennt sich hier „Der Hohe Weg“ und der Leuchtturm auch. Der Leuchtturm „Hohe Weg“ ist das älteste feste Leuchtfeuer der Außenweser und hat eine große Bedeutung als Navigationshilfe. Er bietet Schutzräume für in Not geratene Wattwanderer. Klick.

In der Ferne sieht man bereits Wilhelmshaven.

Ein wunderschöner Küstenabschnitt, den ich sehr genossen habe.
Der Nordseeküstenradweg biegt nun Richtung Binnenland ab. Ein fröhlicher Trupp Radler mit T-Shirts „Tour 2014“ kommt mir mit einem fröhlichen „Moin“ entgegen.

Die Beschilderung ist weiterhin perfekt und wird es bis auf Wilhelmshaven bleiben, so dass ich die Radwegschilder nur noch selten fotografiere. Hier, zum Beispiel.

Es folgt ein Anblick, der mich die nächsten Tage begleiten wird. Die Vegetation bietet hier nur wenig Abwechslung. Eine der wenigen Farbtupfer in der Landschaft.

Die Sonne versteckt sich ab und zu hinter Wolken, aber regnen wird es nicht.

Immer wieder sind auch baumreiche Streckenabschnitte dabei, die der Seele gut tun.

Ein Schild weist auf die Deutschen Sielroute hin, einen 180 km langen, familienfreundlichen Radweg durch die Wesermarsch. Sicherlich eine schöne Wochenendtour für später. Klick.
Richtung Tossens geht es nun wenig befahrene Landstraße entlang,

um dann rechts ab wieder Richtung Deich geführt zu werden. Eine Kunstinstallation thront auf dem Deich, doch ich finde nicht heraus, wer sie geschaffen hat und was sie darstellt. Neben dem Radwegschild ist ein Messbaum, der die Höhe der Sturmfluten anzeigt. Rechts hinter dem Deich ist wieder ein Campingplatz der schon erwähnten Organisation und es reizt mich nicht, ihn anzuschauen.

Nun geht es wieder schnurgeradeaus. Radeln, Radeln, Radeln.

Ich überhole eine schwer keuchende, unrund fahrende Frau mit Fahrradanhänger. Sie tut mir fast ein wenig leid, aber sie hält durch. Als ich die Fotos mache, überholt sie mich wieder, dann bin ich wieder vorne. Ein paar Reiseradler kommen mir entgegen und grüßen. Ein Jogger hat diese Strecke für sein Training ausgesucht. Schließlich kommt ich in Eckwardenhörne an.

Und ich gebe ehrlich zu: Wäre ich nicht hier, um den Nordseeküstenradweg abzufahren, wäre ich nun auf dieses Boot gestiegen und nach Wilhelmshaven gefahren. Mehrere Radler und eine Jugendgruppe kommen mir vom Steg aus entgegen und ich beneide sie. Ich weiß nicht, ob es an meinem Kopf liegt oder einfach an der Tatsache, dass mich mit dieser Gegend hier keine Kindheitserinnerungen verbinden: Mir schwant langsam, dass mich die Landschaft hier doch ein wenig langweilt. Klar weiß ich, worauf ich mich eingelassen habe. Aber irgendwie sieht es hier auch nicht anders aus als bei uns. Rechts der Deich, in der Mitte der Weg und links Felder. 2 Tage werde ich für die Strecke brauchen, welche die Radler in geschätzt 10 oder 20 Minuten hinter sich gebracht haben (wobei ich dazu sagen muss, dass der Nordseeküstenradweg nicht den direkten Weg nimmt, denn dann würde man nur einen Tag brauchen). Ich ringe mit meinem inneren Schweinehund. Aber aufgeben gilt nicht. Es wird auch hier noch schöne Ecken geben. Urteilen kann man erst, wenn man es gesehen hat.

Das Denkmal für Kapitän Anton Hullmann, der von 1947 bis 61 Vorsitzender des Oldenburgischen Deichverbandes war.

Die Strandhalle neben dem Leuchtfeuer, das seit 2 Jahren nicht mehr in Betrieb ist, ist noch geschlossen. Es ist kurz vor 9.00 Uhr. Immer noch keine Brötchen.
An der Innenkante befindet sich ein kleiner Campingplatz, der nett aussieht. So weit hätte ich es gestern allerdings nicht mehr geschafft.
Ich kurve etwas orientierungslos herum, bis ich wieder richtig bin. Es geht weiter am Deich entlang, welch eine Überraschung. Ich hänge die Radlergruppe ab, was keine Kunst ist, denn einige Radler sind doch schon recht betagt. Vor mir taucht ein Reh auf, und ich greife vorsichtig nach meiner Kamera. Es eilt davon, und ich habe keine Möglichkeit, das Objektiv zu wechseln. Langsam radele ich weiter und merke, dass es das Gefühl hat, in der Falle zu sitzen. Mit einem riesigen Satz springt es über einen Zaun, eilt den Deich hoch. Schaut noch einmal zu mir und rast dann den Deich hinunter auf die andere Seite des Weges ins sichere Gebüsch. Ich verfluche das Gegenlicht. Und warum hat man immer das falsche Objektiv drauf?


Bald darauf komme ich an einen Schilderbaum und bin verwirrt. Es scheint zwei Strecken zu geben. Einmal am Deich entlang und einmal „binnendeichs“. Da die Strecken im Binnenland immer recht interessant sind, entscheide ich mich, abzubiegen. Ein Fehler.

Zwar fängt die Sache nett an und auch der sich anschließende, schlecht zu fahrende Holperweg ist ziemlich idyllisch, aber es ist einfach ein völlig unnötiger Umweg. Im Grunde ist es die Strecke für Radler, die den Weg nach Nordenham abkürzen wollen, denn Nordenham ist gerade mal 18 km entfernt. Das übliche Radwegzeichen fehlt ebenfalls. So biege ich gleich die nächste wieder rechts ab, um auf meine Strecke zurückzukommen. Obstbäume säumen die Straße und Kühe dürfen auch nicht fehlen.

An einer Radlerschutzhütte, wie man sie hier freundlicherweise öfter findet, stoße ich wieder auf den Nordseeküstenradweg. Ich mache erst einmal Rast und esse meine Cremespeise. Köstlich. Der Umweg hat eine halbe Stunde gedauert, die Originalstrecke vermutlich 10 Minuten.

Es ist heiß geworden, aber es ist nicht mehr die klare Hitze von gestern.

Ich komme an eine Skulptur, Die Arche von Bildhauer Thorsten Schütt. Auf einem Schild wird auf Bibelstellen Bezug genommen. Schade, dass ein Auto den Anblick ruiniert. Sie steht an einem Rastplatz.

Der Rastplatz und die nächsten paar Meter des Weges gefallen mir sehr und ich bin enttäuscht, als es dann wieder auf eine Straße geht. Nordenham ist nun nur noch 12 km entfernt. Abkürzen wäre hier also leicht, wenn man aus der anderen Richtung kommt. Ausgeschildert ist nur die Tour de Fries, aber ich bin dennoch richtig.
Zunächst fahre ich auf der Straße und genieße den Grip von vernünftigem Asphalt. Dann nimmt der Verkehr zu und ein Radwegbenutzungspflichtschild zwingt mich auf einen nicht so guten Radweg. Immerhin entdecke ich den seltenen Landstraßenchampignon.


Die Küstenschutzhalle kommt in mein Blickfeld und mit ihr kommt ein leichter Wind auf. Der Radweg ist von Querflicken durchzogen und ich taufe ihn „Handgelenkskiller“. Anscheinend gibt es hier durchaus einen Deichradweg, aber dieser gehört nicht zum Nordseeküstenradweg. Man versucht den Weg anscheinend etwas abwechslungsreicher zu gestalten, indem man ihn über das Binnenland führt.

Irgendwo hier in der Nähe muss ein erklärendes Schild zum „Schwimmende Moor“ gestanden habe, dem ich leider keine gebührende Beachtung geschenkt habe. Das Schwimmende Moor war eine Moorlandschaft, die bei Hochwasser aufquoll und die Häuser, die Menschen und das Vieh hochschwemmte. In der Gegend um Sehestedt sind noch stark geschrumpfte Reste erhalten. Klick.
Ein kleiner Campingplatz vor Diekmannshausen, der hübsch aussieht. Dann führt der Radweg wieder von der Küste weg. Schön ist es hier.

Bald darauf komme ich an einen Rastplatz, an dem ich Pause mache. Ganz still ist es hier. Noch nicht einmal Vögel hört man für einen längeren Moment. Was für ein Genuss für meine Ohren nach dem Lärm der Landstraße.


Eine tiefe Zufriedenheit erfasst mich. Eine Familie mit Kindern kommt vorbei, mühsam rollen sie mit Klapperfahrrädern den Weg entlang.
Nach einer Pause fahre ich weiter.

Eine Brücke. Für motorisierte Fahrzeuge ist sie gesperrt.

Schwalben fliegen wild herum und es ist eine Freude, ihnen zu zu schauen. Hier könnte ich bleiben.

Überhaupt ist der Weg von Vögeln übersäht. Wenn sie mich sehen, fliegen sie weg, um sich gleich darauf wieder niederzulassen.

Romantisch schlängelt sich die Straße durch die Bäume hindurch, um später in einen Schotterweg überzugehen.

Dann hat mich die Zivilisation wieder. Schade.

Bei leichtem Gegenwind geht es erst an einer Bahn entlang und dann folgt wieder Landstraße. Kurz darauf bin ich Varel.

Dass die Kirche am Synagogenweg liegt, macht mich stutzig und tatsächlich wurde hier eine Synagoge zerstört. Gebaut 1848, zerstört am 10.11.1938. „Darüber wein ich, mein Auge, mein Auge fließt in Tränen.“ Thr 1,16 steht auf der Gedenktafel.

Kurz darauf brauche ich etwas Scharfsinn, um das Radschild zu entdecken.

Über die Eisenbahnbrücke geht es weiter,

und da der Kiosk geschlossen ist, fahre ich zum nächsten Supermarkt. Brötchen und Wasser sind mein Ziel. Auch eine Gurke wird mitgenommen. Hastig verschlinge ich die Brötchen. Ich bin völlig ausgehungert.
Das Fabrikgelände eines Keksherstellers aus Hannover taucht auf, dessen berühmtestes Produkt nach dem Universalgelehrten und Philosophen Leibniz benannt ist. Bald bin ich an einem kleinen Hafen. Es ist gerade internationales Trike-Treffen und als Motorradfahrer kann mich eines kleines Grinsens nicht erwehren. Hochglänzend funkeln die kreativ umgebauten Maschinen im Sonnenlicht. Die Ente gefällt mir besser.



Die Fahrt durch Varel war eine angenehme Abwechslung. Nun geht es wieder am Deich entlang. Mittlerweile ist es halb zwei und die Sonne brennt erbarmungslos auf meinen mit einem Tuch und dem Helm geschützten Kopf. Ein Paar steht auf dem Deich und tankt Wasser.

Wie in Trance radele ich die lange Gerade entlang und merke, dass ich nicht mehr kann. Meine Beine sind in Bestform, aber mein Kopf ist kurz davor, zu platzen. Er glüht, als hätte ich Fieber. Finito.
Eine Kurve kommt und hinter der Kurve ist ein Campingplatz. Viele Wohnmobile, Zelte sehe ich keine. Immerhin kein K. Ferienpark. Ein kurzer Blick auf die Karte. Der nächste Platz ist in Hooksiel. Das sind geschätzte 35 km. Wenn ich mich ranhalte, ca. 3 Stunden Fahrt. Das macht mein Kopf nicht mehr mit. Ich brauche Ruhe.
Kurzerhand biege ich Richtung Campingplatz ab und rolle den Hügel hinab. Ein großes, fettes Schild, auf dem steht: Hunde verboten. Oha. Spießer? Oder Naturschutz? Egal. Hauptsache, es ist noch ein Stellplatz frei.
Es ist buntes Treiben auf dem Platz. Zwei Leute stehen bereits an. Die Rezeption wirkt professionell. Hier ist richtig etwas los. Der Mann an der Rezeption strahlt routiniert und ist schnell. Ich stelle mein Fahrrad irgendwo hin, man macht mir Platz. Abschließen tue ich nicht, das wird mir zuviel. Ich bin kurz vor dem Zusammenbruch. Ich muss aus der Sonne raus.
Der Mann hinter dem Tresen ist wirklich nett. Apathisch reiche ich ihm den Pass und sage meinen Spruch auf: Eine Nacht, eine Person, ein Zelt, ein Fahrrad. 10.00 Euro. Das ist ein Wort. Er fragt mich, ob ich das Schwimmbad besuchen will, anderthalb Stunden sind inklusive, da könnte ich entspannen. Es wirkt, als wäre er stolz, dass sie ein Schwimmbad haben Nein. Ich brauche Ruhe. Ich habe auch gar nichts mit. Er nickt verständnisvoll und empfiehlt mir, die Zeltwiese zu meiden. Er wird mich bei den Wohmobilen unterbringen, wenn es mir recht ist. Ich nicke. Er winkt einen Mitarbeiter mit Fahrrad herbei. Fast werfe ich mein Fahrrad um, als ich wende, um ihm zu folgen. Er lenkt mich zu einem geschützten Platz zwischen den Wohnwagen. Nicht schön, der Platz. Aber hier ist es ruhig und windgeschützt. Ich bin ihm dankbar.

Der Boden ist pieksig, daher liegt nun die Evazote unter dem Zelt. Der Wind rüttelt am Zelt und der Eingang nervt mich. Keine echte Privatsphäre. Außerdem ist das Zelt innen viel zu hell, nichts für meinen Kopf. So nehme ich mein Kikeriki Universalfootprint und verlängere meine Apsis.

Ich rolle die Isomatte aus, lehne mich kurz an meine rechte Packtasche und schlafe sofort ein. An die Ameisen, die das ausnutzen und durch die offene Tür krabbeln werden, denke ich nicht. Es sind nicht viele und sie werden eine Stunde später unsanft herausbefördert. Mir geht es schon viel besser und es ist erst einmal Duschen angesagt.

Das Wasser der Dusche ist wunderbar, und die Anstrengung fällt von mir ab. Immer noch ist das Wetter ein Traum und entspannt wandere am Ufer des Jadebusens entlang. Der Jadebusen. Wie haben wir als Kinder über dieses „unanständige“ Wort gekichert. Wie peinlich uns das war, dass der Jadebusen „Busen“ heißt. Ich muss schmunzeln.
Langsam wird mir klar, warum Hunde hier nicht erwünscht sind. Das ist ein Kindercampingplatz. Höllisch muss man aufpassen, denn ganz unvermittelt brechen kleine Kinder einzeln oder in Gruppen auf Fahrrädern mit Tunnelblick zwischen den Wohnwagen hervor und walzen alles nieder, was ihnen im Weg steht. Ein schöner Platz. Eine gute Atmosphäre. Ich finde den Kiosk und bekomme dort Brötchen und Käse. Der Mann hinter dem Tresen ist ebenfalls sehr nett, bestellen muss ich nicht, wenn ich morgen nicht gerade 20 Brötchen will. Will ich nicht. Hungrig vertilge ich meine Erwerbung.
Wieder einmal packe ich das Tele aus und fotografiere ein wenig. Ein Zeichen, dass ich mich wohlfühle. Es ist Ebbe.

In der Ferne liegt Wilhelmshaven.

Ein weißes Partyboot mit Technofans an Bord schippert vor der Küste herum. Die Bässe hört man meilenweit.

Ich lasse mein Ladegerät mit Kameraakku in den Sanis. Einmal kontrolliere ich, und alles ist in Ordnung. Später wird wohl ein Kind am Akku herumspielt haben, denn er ist nicht mehr richtig eingesteckt und wird folglich nicht mehr aufgeladen. Ärgerlich, denn über Nacht will ich ihn nicht da lassen. Erst am nächsten Abend werde ich ihn fertig laden können. Als ich von meinem Kontrollbesuch zurückkomme, entdecke ich hinter den Sanis einen Vogelbaum. Ist das Hirse? Sie sind ganz verrückt danach.

Und das? Ist das Strandflieder?

Drei Leuchttürme liegen vor mir.

Wieder horche ich in mich hinein. Wird Deutschland Weltmeister. Ja. Immer noch bin ich mir sicher.

Eine Skulptur.

Hier geht es auf einen Pfad zum Wasser. Daneben steht noch ein zweiter Pfahl, aber er gefällt mir nicht so gut.

Ich koche meine Nudeln und anschließend Gurkensuppe.

Zwei Zelter bauen zwei Reihen weiter ihr Zelt auf, auch sie sind Reiseradler. Wir schauen gegenseitig hinüber, aber ins Gespräch kommen wir nicht.
Rot geht die Sonne unter.

Grillduft zieht über den Platz. Die Kinder werden ruhiger, es ist kurz vor 21.00 Uhr. Ein Junge fährt Fahrrad und bittet mehrfach seinen Vater, zu zugucken. Der räumt die Chipstüte des Sohnes weg und versucht freundlich, einen interessierten Eindruck zu machen, während sein Sohn halbsbrecherisch Richtung Wasser fährt. Ja, ich gucke. Ja ich gucke wirklich. Toll machst Du das. Wie sich die Szenen ähneln. Dann ruft er seinen Sohne zurück. Gleich spielt Brasilien gegen die Niederlande. Ein gespanntes Flirren liegt über dem Platz. Fußballzeit. Ich hoffe für Brasilien.

Wieviel es wohl steht? Man hört nichts.

Dann hört man Stöhnen. Enttäuschtes Gemurmel. Die Holländer gewinnen. Um mich herum ist man für Brasilien.

Noch einen Tag, dann entscheidet sich das Schicksal der deutschen Fußballmannschaft. Das heute ist nur ein Vorspiel. Morgen gilt es. Man spürt es in der Luft. Der Tag aller Tage. Wo ich wohl morgen sein werde?
North Sea Cycle Route
Burhave – Dangast, 72,6 km
12.07.2014
Um 6 Uhr weckt mich meine innere Uhr. Mein Kopf dröhnt immer noch, und ich packe sehr langsam. Einen Moment denke ich an Abbruch, aber vielleicht gibt sich das ja noch. Da hier kein Brötchendienst zu erwarten ist, koche ich Nudeln zum Frühstück. Lecker. Zarte Wolken legen sich über die Sonne. Es könnte ein heißer Tag werden.

Halb acht begebe ich mich langsam zur Anmeldung. Mein Kopf ist besser geworden. Am liebsten würde ich jetzt fahren. Vielleicht finde ich einen Briefkasten oder jemanden, der das Geld für mich nimmt.
Vor der Anmeldung steht ein Fahrrad. Sollte ich Glück haben? Tatsächlich ist der Mitarbeiter auf dem Platz und bringt die Gießkanne weg. Ich erhalte einen Sonderpreis und bin kurz darauf wieder auf dem Nordseeküstenradweg. Es ist windstill. Sehr ungewöhnlich.
Ich radele Richtung Fedderwardersiel. Eine große Ruhezone mit Bänken. Ferienlandschaft. Ein Reiterhof verbreitet Idylle. Ich denke an die deutsche Fußballmannschaft und freue mich auf das Endspiel. Sie werden gewinnen. Ich freue mich darauf. Ich tippe 8:0. Das würde Brasilien freuen. Lachend trete ich in die Pedale. Tippen konnte ich noch nie, aber man darf ja mal träumen.

Am Fedderwardersiel wird es gleich links abgehen und dann gleich wieder rechts. Die Straßen sind menschenleer. Ein Urlauber schaut halbnackt vom Balkon aus auf das Meer.

Ich fahre einen kurzen Abstecher zum Siel.

Der kleine Lebensmittelladen hat bereits geöffnet und zwei oder drei Menschen eilen, Brötchen zu holen. Man grüßt. Ferien. Aber ich mag nicht absteigen und fahre weiter.
Ich biege rechts in den Fedderwarderdeich ein. Ein Melkhus lockt. Hier vermarkten Bauern ihre frischen Milchprodukte. Ich fahre den kleinen Umweg und gönne mir ein Glas köstlicher Buttermilch. Kein Vergleich mit den Produkten aus dem Supermarkt. Die Bäuerin empfiehlt mir Butjardinger Creme, bestehend aus Quark, Griess, Sahne, Zucker und Kirschen. Sie wird köstlich schmecken.

Eine Katze sitzt mitten auf der Straße und schaut mich unentwegt an. Nur widerwillig weicht sie, obwohl das gar nicht nötig wäre. Schön ist es hier.

Eine Bank steht am Wegesrand. Das Schild daneben erklärt, dass hier der Schulstrich ist. Er bezeichnet einen mittelalterlichen Deich, der im 14. JH. zur Eindeichung des Langwarder Grodens gebaut wurde. Als er aufgrund des Küstendeiches im 16. JH. nicht mehr benötigt wurde, wurden die Häuser der Landarbeiter und Landstellenbesitzer auf ihm errichtet, da er aufgrund der erhöhten Lage Schutz bot. Es entstand eine der typischen Deichreihendörfer. Gut zu erkennen ist er aber nicht, da Bäume und Büsche den Blick verstellen.


Die Kirche von Langwarden. Die Orgel soll sehenswert sein.

Ein kurzer Blick über den Deich zeigt einen Leuchtturm. Ich befinde mich an der Spitze dieses ein wenig wie eine Halbinsel wirkenden Landstriches, der von Weser und Jade umgeben ist. Die Sandbank vor der Küste nennt sich hier „Der Hohe Weg“ und der Leuchtturm auch. Der Leuchtturm „Hohe Weg“ ist das älteste feste Leuchtfeuer der Außenweser und hat eine große Bedeutung als Navigationshilfe. Er bietet Schutzräume für in Not geratene Wattwanderer. Klick.

In der Ferne sieht man bereits Wilhelmshaven.

Ein wunderschöner Küstenabschnitt, den ich sehr genossen habe.
Der Nordseeküstenradweg biegt nun Richtung Binnenland ab. Ein fröhlicher Trupp Radler mit T-Shirts „Tour 2014“ kommt mir mit einem fröhlichen „Moin“ entgegen.

Die Beschilderung ist weiterhin perfekt und wird es bis auf Wilhelmshaven bleiben, so dass ich die Radwegschilder nur noch selten fotografiere. Hier, zum Beispiel.

Es folgt ein Anblick, der mich die nächsten Tage begleiten wird. Die Vegetation bietet hier nur wenig Abwechslung. Eine der wenigen Farbtupfer in der Landschaft.

Die Sonne versteckt sich ab und zu hinter Wolken, aber regnen wird es nicht.

Immer wieder sind auch baumreiche Streckenabschnitte dabei, die der Seele gut tun.

Ein Schild weist auf die Deutschen Sielroute hin, einen 180 km langen, familienfreundlichen Radweg durch die Wesermarsch. Sicherlich eine schöne Wochenendtour für später. Klick.
Richtung Tossens geht es nun wenig befahrene Landstraße entlang,

um dann rechts ab wieder Richtung Deich geführt zu werden. Eine Kunstinstallation thront auf dem Deich, doch ich finde nicht heraus, wer sie geschaffen hat und was sie darstellt. Neben dem Radwegschild ist ein Messbaum, der die Höhe der Sturmfluten anzeigt. Rechts hinter dem Deich ist wieder ein Campingplatz der schon erwähnten Organisation und es reizt mich nicht, ihn anzuschauen.

Nun geht es wieder schnurgeradeaus. Radeln, Radeln, Radeln.

Ich überhole eine schwer keuchende, unrund fahrende Frau mit Fahrradanhänger. Sie tut mir fast ein wenig leid, aber sie hält durch. Als ich die Fotos mache, überholt sie mich wieder, dann bin ich wieder vorne. Ein paar Reiseradler kommen mir entgegen und grüßen. Ein Jogger hat diese Strecke für sein Training ausgesucht. Schließlich kommt ich in Eckwardenhörne an.

Und ich gebe ehrlich zu: Wäre ich nicht hier, um den Nordseeküstenradweg abzufahren, wäre ich nun auf dieses Boot gestiegen und nach Wilhelmshaven gefahren. Mehrere Radler und eine Jugendgruppe kommen mir vom Steg aus entgegen und ich beneide sie. Ich weiß nicht, ob es an meinem Kopf liegt oder einfach an der Tatsache, dass mich mit dieser Gegend hier keine Kindheitserinnerungen verbinden: Mir schwant langsam, dass mich die Landschaft hier doch ein wenig langweilt. Klar weiß ich, worauf ich mich eingelassen habe. Aber irgendwie sieht es hier auch nicht anders aus als bei uns. Rechts der Deich, in der Mitte der Weg und links Felder. 2 Tage werde ich für die Strecke brauchen, welche die Radler in geschätzt 10 oder 20 Minuten hinter sich gebracht haben (wobei ich dazu sagen muss, dass der Nordseeküstenradweg nicht den direkten Weg nimmt, denn dann würde man nur einen Tag brauchen). Ich ringe mit meinem inneren Schweinehund. Aber aufgeben gilt nicht. Es wird auch hier noch schöne Ecken geben. Urteilen kann man erst, wenn man es gesehen hat.

Das Denkmal für Kapitän Anton Hullmann, der von 1947 bis 61 Vorsitzender des Oldenburgischen Deichverbandes war.

Die Strandhalle neben dem Leuchtfeuer, das seit 2 Jahren nicht mehr in Betrieb ist, ist noch geschlossen. Es ist kurz vor 9.00 Uhr. Immer noch keine Brötchen.
An der Innenkante befindet sich ein kleiner Campingplatz, der nett aussieht. So weit hätte ich es gestern allerdings nicht mehr geschafft.
Ich kurve etwas orientierungslos herum, bis ich wieder richtig bin. Es geht weiter am Deich entlang, welch eine Überraschung. Ich hänge die Radlergruppe ab, was keine Kunst ist, denn einige Radler sind doch schon recht betagt. Vor mir taucht ein Reh auf, und ich greife vorsichtig nach meiner Kamera. Es eilt davon, und ich habe keine Möglichkeit, das Objektiv zu wechseln. Langsam radele ich weiter und merke, dass es das Gefühl hat, in der Falle zu sitzen. Mit einem riesigen Satz springt es über einen Zaun, eilt den Deich hoch. Schaut noch einmal zu mir und rast dann den Deich hinunter auf die andere Seite des Weges ins sichere Gebüsch. Ich verfluche das Gegenlicht. Und warum hat man immer das falsche Objektiv drauf?


Bald darauf komme ich an einen Schilderbaum und bin verwirrt. Es scheint zwei Strecken zu geben. Einmal am Deich entlang und einmal „binnendeichs“. Da die Strecken im Binnenland immer recht interessant sind, entscheide ich mich, abzubiegen. Ein Fehler.

Zwar fängt die Sache nett an und auch der sich anschließende, schlecht zu fahrende Holperweg ist ziemlich idyllisch, aber es ist einfach ein völlig unnötiger Umweg. Im Grunde ist es die Strecke für Radler, die den Weg nach Nordenham abkürzen wollen, denn Nordenham ist gerade mal 18 km entfernt. Das übliche Radwegzeichen fehlt ebenfalls. So biege ich gleich die nächste wieder rechts ab, um auf meine Strecke zurückzukommen. Obstbäume säumen die Straße und Kühe dürfen auch nicht fehlen.

An einer Radlerschutzhütte, wie man sie hier freundlicherweise öfter findet, stoße ich wieder auf den Nordseeküstenradweg. Ich mache erst einmal Rast und esse meine Cremespeise. Köstlich. Der Umweg hat eine halbe Stunde gedauert, die Originalstrecke vermutlich 10 Minuten.

Es ist heiß geworden, aber es ist nicht mehr die klare Hitze von gestern.

Ich komme an eine Skulptur, Die Arche von Bildhauer Thorsten Schütt. Auf einem Schild wird auf Bibelstellen Bezug genommen. Schade, dass ein Auto den Anblick ruiniert. Sie steht an einem Rastplatz.

Der Rastplatz und die nächsten paar Meter des Weges gefallen mir sehr und ich bin enttäuscht, als es dann wieder auf eine Straße geht. Nordenham ist nun nur noch 12 km entfernt. Abkürzen wäre hier also leicht, wenn man aus der anderen Richtung kommt. Ausgeschildert ist nur die Tour de Fries, aber ich bin dennoch richtig.
Zunächst fahre ich auf der Straße und genieße den Grip von vernünftigem Asphalt. Dann nimmt der Verkehr zu und ein Radwegbenutzungspflichtschild zwingt mich auf einen nicht so guten Radweg. Immerhin entdecke ich den seltenen Landstraßenchampignon.


Die Küstenschutzhalle kommt in mein Blickfeld und mit ihr kommt ein leichter Wind auf. Der Radweg ist von Querflicken durchzogen und ich taufe ihn „Handgelenkskiller“. Anscheinend gibt es hier durchaus einen Deichradweg, aber dieser gehört nicht zum Nordseeküstenradweg. Man versucht den Weg anscheinend etwas abwechslungsreicher zu gestalten, indem man ihn über das Binnenland führt.

Irgendwo hier in der Nähe muss ein erklärendes Schild zum „Schwimmende Moor“ gestanden habe, dem ich leider keine gebührende Beachtung geschenkt habe. Das Schwimmende Moor war eine Moorlandschaft, die bei Hochwasser aufquoll und die Häuser, die Menschen und das Vieh hochschwemmte. In der Gegend um Sehestedt sind noch stark geschrumpfte Reste erhalten. Klick.
Ein kleiner Campingplatz vor Diekmannshausen, der hübsch aussieht. Dann führt der Radweg wieder von der Küste weg. Schön ist es hier.

Bald darauf komme ich an einen Rastplatz, an dem ich Pause mache. Ganz still ist es hier. Noch nicht einmal Vögel hört man für einen längeren Moment. Was für ein Genuss für meine Ohren nach dem Lärm der Landstraße.


Eine tiefe Zufriedenheit erfasst mich. Eine Familie mit Kindern kommt vorbei, mühsam rollen sie mit Klapperfahrrädern den Weg entlang.
Nach einer Pause fahre ich weiter.

Eine Brücke. Für motorisierte Fahrzeuge ist sie gesperrt.

Schwalben fliegen wild herum und es ist eine Freude, ihnen zu zu schauen. Hier könnte ich bleiben.

Überhaupt ist der Weg von Vögeln übersäht. Wenn sie mich sehen, fliegen sie weg, um sich gleich darauf wieder niederzulassen.

Romantisch schlängelt sich die Straße durch die Bäume hindurch, um später in einen Schotterweg überzugehen.

Dann hat mich die Zivilisation wieder. Schade.

Bei leichtem Gegenwind geht es erst an einer Bahn entlang und dann folgt wieder Landstraße. Kurz darauf bin ich Varel.

Dass die Kirche am Synagogenweg liegt, macht mich stutzig und tatsächlich wurde hier eine Synagoge zerstört. Gebaut 1848, zerstört am 10.11.1938. „Darüber wein ich, mein Auge, mein Auge fließt in Tränen.“ Thr 1,16 steht auf der Gedenktafel.

Kurz darauf brauche ich etwas Scharfsinn, um das Radschild zu entdecken.

Über die Eisenbahnbrücke geht es weiter,

und da der Kiosk geschlossen ist, fahre ich zum nächsten Supermarkt. Brötchen und Wasser sind mein Ziel. Auch eine Gurke wird mitgenommen. Hastig verschlinge ich die Brötchen. Ich bin völlig ausgehungert.
Das Fabrikgelände eines Keksherstellers aus Hannover taucht auf, dessen berühmtestes Produkt nach dem Universalgelehrten und Philosophen Leibniz benannt ist. Bald bin ich an einem kleinen Hafen. Es ist gerade internationales Trike-Treffen und als Motorradfahrer kann mich eines kleines Grinsens nicht erwehren. Hochglänzend funkeln die kreativ umgebauten Maschinen im Sonnenlicht. Die Ente gefällt mir besser.



Die Fahrt durch Varel war eine angenehme Abwechslung. Nun geht es wieder am Deich entlang. Mittlerweile ist es halb zwei und die Sonne brennt erbarmungslos auf meinen mit einem Tuch und dem Helm geschützten Kopf. Ein Paar steht auf dem Deich und tankt Wasser.

Wie in Trance radele ich die lange Gerade entlang und merke, dass ich nicht mehr kann. Meine Beine sind in Bestform, aber mein Kopf ist kurz davor, zu platzen. Er glüht, als hätte ich Fieber. Finito.
Eine Kurve kommt und hinter der Kurve ist ein Campingplatz. Viele Wohnmobile, Zelte sehe ich keine. Immerhin kein K. Ferienpark. Ein kurzer Blick auf die Karte. Der nächste Platz ist in Hooksiel. Das sind geschätzte 35 km. Wenn ich mich ranhalte, ca. 3 Stunden Fahrt. Das macht mein Kopf nicht mehr mit. Ich brauche Ruhe.
Kurzerhand biege ich Richtung Campingplatz ab und rolle den Hügel hinab. Ein großes, fettes Schild, auf dem steht: Hunde verboten. Oha. Spießer? Oder Naturschutz? Egal. Hauptsache, es ist noch ein Stellplatz frei.
Es ist buntes Treiben auf dem Platz. Zwei Leute stehen bereits an. Die Rezeption wirkt professionell. Hier ist richtig etwas los. Der Mann an der Rezeption strahlt routiniert und ist schnell. Ich stelle mein Fahrrad irgendwo hin, man macht mir Platz. Abschließen tue ich nicht, das wird mir zuviel. Ich bin kurz vor dem Zusammenbruch. Ich muss aus der Sonne raus.
Der Mann hinter dem Tresen ist wirklich nett. Apathisch reiche ich ihm den Pass und sage meinen Spruch auf: Eine Nacht, eine Person, ein Zelt, ein Fahrrad. 10.00 Euro. Das ist ein Wort. Er fragt mich, ob ich das Schwimmbad besuchen will, anderthalb Stunden sind inklusive, da könnte ich entspannen. Es wirkt, als wäre er stolz, dass sie ein Schwimmbad haben Nein. Ich brauche Ruhe. Ich habe auch gar nichts mit. Er nickt verständnisvoll und empfiehlt mir, die Zeltwiese zu meiden. Er wird mich bei den Wohmobilen unterbringen, wenn es mir recht ist. Ich nicke. Er winkt einen Mitarbeiter mit Fahrrad herbei. Fast werfe ich mein Fahrrad um, als ich wende, um ihm zu folgen. Er lenkt mich zu einem geschützten Platz zwischen den Wohnwagen. Nicht schön, der Platz. Aber hier ist es ruhig und windgeschützt. Ich bin ihm dankbar.

Der Boden ist pieksig, daher liegt nun die Evazote unter dem Zelt. Der Wind rüttelt am Zelt und der Eingang nervt mich. Keine echte Privatsphäre. Außerdem ist das Zelt innen viel zu hell, nichts für meinen Kopf. So nehme ich mein Kikeriki Universalfootprint und verlängere meine Apsis.

Ich rolle die Isomatte aus, lehne mich kurz an meine rechte Packtasche und schlafe sofort ein. An die Ameisen, die das ausnutzen und durch die offene Tür krabbeln werden, denke ich nicht. Es sind nicht viele und sie werden eine Stunde später unsanft herausbefördert. Mir geht es schon viel besser und es ist erst einmal Duschen angesagt.

Das Wasser der Dusche ist wunderbar, und die Anstrengung fällt von mir ab. Immer noch ist das Wetter ein Traum und entspannt wandere am Ufer des Jadebusens entlang. Der Jadebusen. Wie haben wir als Kinder über dieses „unanständige“ Wort gekichert. Wie peinlich uns das war, dass der Jadebusen „Busen“ heißt. Ich muss schmunzeln.
Langsam wird mir klar, warum Hunde hier nicht erwünscht sind. Das ist ein Kindercampingplatz. Höllisch muss man aufpassen, denn ganz unvermittelt brechen kleine Kinder einzeln oder in Gruppen auf Fahrrädern mit Tunnelblick zwischen den Wohnwagen hervor und walzen alles nieder, was ihnen im Weg steht. Ein schöner Platz. Eine gute Atmosphäre. Ich finde den Kiosk und bekomme dort Brötchen und Käse. Der Mann hinter dem Tresen ist ebenfalls sehr nett, bestellen muss ich nicht, wenn ich morgen nicht gerade 20 Brötchen will. Will ich nicht. Hungrig vertilge ich meine Erwerbung.
Wieder einmal packe ich das Tele aus und fotografiere ein wenig. Ein Zeichen, dass ich mich wohlfühle. Es ist Ebbe.

In der Ferne liegt Wilhelmshaven.

Ein weißes Partyboot mit Technofans an Bord schippert vor der Küste herum. Die Bässe hört man meilenweit.

Ich lasse mein Ladegerät mit Kameraakku in den Sanis. Einmal kontrolliere ich, und alles ist in Ordnung. Später wird wohl ein Kind am Akku herumspielt haben, denn er ist nicht mehr richtig eingesteckt und wird folglich nicht mehr aufgeladen. Ärgerlich, denn über Nacht will ich ihn nicht da lassen. Erst am nächsten Abend werde ich ihn fertig laden können. Als ich von meinem Kontrollbesuch zurückkomme, entdecke ich hinter den Sanis einen Vogelbaum. Ist das Hirse? Sie sind ganz verrückt danach.

Und das? Ist das Strandflieder?

Drei Leuchttürme liegen vor mir.

Wieder horche ich in mich hinein. Wird Deutschland Weltmeister. Ja. Immer noch bin ich mir sicher.

Eine Skulptur.

Hier geht es auf einen Pfad zum Wasser. Daneben steht noch ein zweiter Pfahl, aber er gefällt mir nicht so gut.

Ich koche meine Nudeln und anschließend Gurkensuppe.

Zwei Zelter bauen zwei Reihen weiter ihr Zelt auf, auch sie sind Reiseradler. Wir schauen gegenseitig hinüber, aber ins Gespräch kommen wir nicht.
Rot geht die Sonne unter.

Grillduft zieht über den Platz. Die Kinder werden ruhiger, es ist kurz vor 21.00 Uhr. Ein Junge fährt Fahrrad und bittet mehrfach seinen Vater, zu zugucken. Der räumt die Chipstüte des Sohnes weg und versucht freundlich, einen interessierten Eindruck zu machen, während sein Sohn halbsbrecherisch Richtung Wasser fährt. Ja, ich gucke. Ja ich gucke wirklich. Toll machst Du das. Wie sich die Szenen ähneln. Dann ruft er seinen Sohne zurück. Gleich spielt Brasilien gegen die Niederlande. Ein gespanntes Flirren liegt über dem Platz. Fußballzeit. Ich hoffe für Brasilien.

Wieviel es wohl steht? Man hört nichts.

Dann hört man Stöhnen. Enttäuschtes Gemurmel. Die Holländer gewinnen. Um mich herum ist man für Brasilien.

Noch einen Tag, dann entscheidet sich das Schicksal der deutschen Fußballmannschaft. Das heute ist nur ein Vorspiel. Morgen gilt es. Man spürt es in der Luft. Der Tag aller Tage. Wo ich wohl morgen sein werde?

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