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Reiseberichtpremiere, unspektakuläre Tour und Handyfotos - bitte um Nachsicht 

Prolog
Zufällig wirft mein Hausarzt vergangene Woche einen Blick auf meine Hand und wird stutzig. „Das sieht nach Fehlstellung aus“, sagt er nach kritischem Blick auf den kleinen Finger der linken Hand. „Lass' den lieber röntgen“, rät er. „Bringt doch nichts mehr“, sage ich. Wenn er gebrochen war, ist er längst zusammengewachsen – schief, wie es aussieht. Ist es die Kapsel, dauert es eben...Wahnsinn, drei Monate ist das her, und der Finger schmerzt noch immer. Und erinnert mich jeden Tag daran, dass man manchmal für die kleinen Fluchten gar keine großen Reisen machen muss.
Miese Anbindung an den ÖPNV, lange Pendelei zur Arbeit in die Landeshauptstadt. Ich hadere oft mit meinem kleinen Dorf am Rand vom Nordschwarzwald, so sehr ich die Landschaft auch liebe. Mit meinem Frisör (in der Stadt) streite ich jedes Mal über Vor- und Nachteile von Stadt- und Dorfleben. Aber was er halt als überzeugter Stadtmensch nicht kann: Vor die Tür gehen und draußen sein. Einfach durch Weinberge und Streuobstwiesen los und in den Schwarzwald reinlaufen. Drei Ortschaften südlich von meinem Dorf verläuft der Westweg. Klar, dass 2018 die neuen Trekking-Camps im Schwarzwald auf die Liste kamen. Endlich mal legal in Wald und Zelt übernachten – mit Hund! Die bisherigen Rückmeldungen über die Camps im Forum hier und anderswo waren durchwachsen. Es wird Herbst, bis ich mir selbst ein Bild machen kann.
Sechs Trekking-Camps gibt es jetzt. Die drei nördlichen Camps Grimbach, Seibelseckle und Erdbeerloch sollten es erstmal sein, in dieser Reihenfolge. Wer nicht erst lange lesen mag: Eine Kurzbeschreibung der Camps findet sich hier ganz am Ende.
Der Plan: Von Forbach aus, wo ich recht schnell bin, eine schöne Tagestour über den Herrenwieser See zum Camp Grimbach. Anfang Oktober dann endlich ein kurzes Zeitfenster, das Wetter gut, freie Tage möglich – aber das Camp Grimbach, in der Nähe von Baden-Baden, ist wieder einmal ausgebucht, alle drei Plätze belegt. Die Camps sind, nach dem Vorbild der Naturlager und Camps in den anderen Bundesländern – online buchbar und bieten jeweils Platz für nur drei Zelte à zwei Personen. Ein Zelt kostet pro Nacht 10 Euro, im Voraus bezahlbar, und man darf nur eine Nacht bleiben. Die Wochenenden und Brückentag-Kombinationen waren das ganze Jahr über immer dann, wenn ich geschaut habe, für alle Camps praktisch komplett ausgebucht. Die Nachfrage ist offensichtlich groß.
Das Camp Grimbach also ist in der ersten Oktoberwoche mit dem Feiertag komplett dicht, ich bekomme nur am Freitag für das Seibelseckle und am Samstag für das Erdbeerloch noch jeweils den letzten Zeltplatz. Hm, Wochenende, nicht so toll, weil immer viel los im Schwarzwald...aber gut. Also einen Tag mehr gearbeitet und umgeplant, nur zweieinhalb statt vier Tage also, das Camp Grimbach will ich später nachholen. Weil ich zuhause später loskomme als geplant, starte ich nicht, wie geplant, an der Schwarzenbachtalsperre, sondern erst gegen Mittag im Flecken Herrenwies.
5. Oktober
Herrenwies – Hornisgrinde - Camp Seibelseckle
16,7 km - 954m /\883 m

Start am Dorfplatz Herrenwies
Bis mal wieder alles im Rucksack ist...halb zwölf ist es schon, als ich das Auto auf dem Dorfplatz in Herrenwies abstelle. Rund 16 Kilometer Strecke und keine 1000 Höhenmeter sind es bis zum Camp Seibelseckle, die Route führt über ein paar Höhen und den höchsten Berg im Nordschwarzwald, die Hornisgrinde. Aber für die Strecke sollten die restlichen sechs Tageslichtstunden allemal reichen. Mein für zweieinhalb Tage gepackter Maven wiegt immerhin etwa 12 Kilo, davon trage ich gut zwei Kilo für meinen Hund (Futter + Snacks, Leine, Leinensack am Hüftgurt, Hundedecke und 1/3 Z-Lite). Noch darf Coco den Rucksack nicht tragen, aber nächstes Jahr... :-) Meine Laune ist prächtig, endlich geht’s wieder los! So lange habe ich das schon vor, endlich mal eine Übernachtungstour quasi vor der Haustür zu machen.
Auch das Wetter spielt mit – aber leider ist es eigentlich viel zu gut. Regen ist nicht angesagt. So schwant mir schon am Startpunkt in Herrenwies, was mich die nächsten Stunden begleiten wird: Motorradlärm. Ganze Rudel von Zweiradfahrern, die sich an der Schwarzenbachtalsperre sammeln, freuen sich auf ihre Art am Wetter und den perfekten Motorradstraßen hier – kurvenreich, bergig, eher wenig Autoverkehr und Ortschaften. Das penetrante Hochdrehen der Motoren, Abbremsen und Schalten ist selbst im Wald in einiger Entfernung zum Teil körperlich spürbar und trägt wenig zu meiner Entspannung bei. Die Mountainbiker sperren sie mit Rücksicht aufs Wild aus dem Nationalpark aus, die Motorräder brettern auf der Straße legal mitten durch? Manches verstehe ich nicht. Ich hätte es ja wissen können, maule ich mich selbst an. Ich wollte ja unbedingt hier entlang zum Camp.

Schöner Pfad zum Sandsee

Sandsee

Rein in den Nationalpark, raus aus dem Nationalpark...
Aber der Herbstwald leuchtet und macht mich ganz farbbesoffen. Los geht’s auf schönstem Pfad vorbei am Sandsee hinauf zum Sand. Hier oben treffe ich auf den Westweg und auf der Straße auf noch mehr Motorradfahrer. Bitter, dass der Westweg bis zum Hundseck parallel oberhalb der Schwarzwaldhochstraße/B500 verläuft und sich auch danach nicht deutlich entfernt. Wie zur Strafe zwingt mich dann eine Umleitung auch noch auf den Fahrradweg: Wegen Forstarbeiten ist der Westweg gesperrt. Und weil die Arbeiten hörbar sind und krachend Bäume fallen, halte ich mich grummelnd auch an die Sperre.

Schöner Wohnen im Schwarzwald...Für mich heißt es hier: Umweg
O.T.: Das mit den Fahrrädern ist auch so eine Sache inzwischen. Ohne Ende wird derzeit Infrastruktur in Form von MTB-Autobahnen in den Schwarzwald gesetzt. Oft werden die vorhandenen Wanderpfade dafür einfach verbreitert und begradigt, zum Teil fein geschottert. Im neuen Nationalpark-Gebiet kommt eine verschärfte Variante dazu: Das bestehende Wegenetz von rund 1600 km bislang frei begeh- oder befahrbaren Wegen wird derzeit auf knapp 400 km zurückgefahren. Täglich gibt es neue Konflikte zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern, die plötzlich zusammengepfercht werden, wo sie sich bisher aus dem Weg gehen konnten. Zunehmend sind zudem E-Mountainbiker unterwegs, die es genießen, motorisiert viel längere Touren zurücklegen zu können als bisher. Aber die sind gnadenlos, vor allem abwärts haben die ein irres Tempo drauf, viele haben weder Klingel noch Hupe und erwarten, dass Fußgänger allein beim sich nähernden Geräusch der Breitreifen oder bestensfalls einem „Achtung“ zur Seite springen, damit sie ja nicht bremsen müssen. Mit Hund gibt es oft schwierige Situationen, weshalb ich Fahrradwege meide, wo es nur geht.
Kleines Schmankerl am Rande: Vor kurzem kam mir auf einer Sonntagstour am Westweg nahe der Schweizerkopf Hütte ein älterer Mann, mindestens Ende Sechzig, auf einem E-Bike entgegen, offensichtlich ein Leihrad der ersten Generation. Hinten an der Wegbiegung tauchte kurz drauf laut rufend seine bessere Hälfte auf. Der Mann drehte nach einigem Hin und Her vor sich hin schimpfend um und fuhr zurück. Als ich näher kam, hörte ich schon die zunehmend verzweifelte Debatte. Er: „Des koa net sei'.“ Sie: „Doch, da guck' doch.“ Er: „Grad war's doch no ganz voll.“ Sie“: „Jetzt isch abr ganz leer, guck doch, koi Power, gar nix meh“. Zugegeben, das Grinsen konnte ich nicht ganz unterdrücken, als ich vorbeimarschierte. Wie die woh mit dem leeren Akku wieder in die Zivilisation gekommen sind?

Viel Gegend hier - Blick nach Nordwesten.
Aber zurück zur Tour. Der Schwarzwald kann nichts dafür und schmeißt sich mächtig in Schale, um meine Laune zu heben. Immer wieder gibt es großartige Blicke nach Westen in die Rheinebene hinaus, jenseits des Rheintals am Horizont im Dunst die Vogesen. Zu Fuß ist kaum jemand unterwegs, und auch die radikalen Radfahrer strampeln sich heute nicht an mir ab. Der Hund freut sich, der Rucksack drückt nicht, die Beine sind gut, der Kopf wird zunehmend frei. Ich bin immer wieder verblüfft, wie schnell ich so komplett in ein andere Existenz tauche, sobald ich den Rucksack auf- und eine kleine Tour vor mir habe. Das „normale“ Leben scheint dann in kürzester Zeit nicht nur ein paar Kilometer, sondern Lichtjahre entfernt.
Im Anstieg zum Hochkopf reißt mich aber eine Begegnung der verzichtbaren Art aus meinen Gedanken. Der einzelne Mann, der mir da entgegenkommt, sieht schon aus der Ferne merkwürdig aus. Er ist groß, sehr dünn, trägt schwarze Kleidung, die Arme und Waden freilässt. Die Haut der nackten Arme und Beine leuchtet aus der Entfernung schneeweiß. Auf dem Rücken trägt der Mann einen kleinen silbernen Rucksack, der an ihm irgendwie albern aussieht. Gerade in Grußweite schaue ich ihm hinüber, da wendet er rasch den Blick ab und stiert mit unbewegter Miene an mir vorbei. Diese weiße Haut graust mich, als ob sie noch nie am Licht war. Ich rufe meinen Hund bei Fuß, und im Vorbeigehen gefriert mir fast das Blut, als ich erkenne, was der Typ in den Händen hält: rechts einen kindskopfgroßen Stein, aus der linken Faust baumeln lang die zwei Enden eines daumendicken Stricks.



Ich schnappe nach Luft, kralle meine Stöcke fest, ziehe das Genick ein und schieße die nächsten Meter die Steigung hoch, so schnell ich kann, bevor ich mich traue, einen Blick über die Schulter zurück zu werfen. Der Typ ist stehengeblieben an der Bank, die ich gerade passiert habe, und schaut in meine Richtung. Oder bilde ich mir das nur ein? Da sehe ich hinten am Wege eine andere Wandergestalt mit Rucksack um die Ecke kommen. Gerettet, ich bin nicht mehr allein hier. Mir fällt ein Zentnergewicht vom Herzen und ich sehe zu, dass ich weiter den Berg hochkomme.
Die Wandergestalt stellt sich einige Zeit später als Westweg-Wanderin heraus, die mich am Hochkopf überholt und später Pause einlegt an einer Rastbank in der Grindenlandschaft, wo ich wieder auf sie stoße. Wir unterhalten uns ein wenig und gruseln uns über diesen merkwürdigen Typen, der mit Stein und Strick im Wald herumgeht. Seine „Bewaffnung“ war ihr zuerst gar nicht aufgefallen. Nichts ist passiert, aber wir beide haben uns unwohl gefühlt, ich noch deutlich mehr als sie. Eigentlich bin ich nicht von der furchtsamen Sorte, und da ist ja noch mein Hund. Trotzdem. Ich habe noch länger darüber nachgedacht, ob ich dem Mann wohl unrecht getan habe mit meinem unguten Gefühl...
Über den Murrkopf und einen Traumpfad im Wald geht’s weiter hinauf zum Ochsenstall, heute kein Stall mehr, sondern eine Ausflugs- und Skihütte. Hier gibt es für mich erst mal zwei große Apfelschorle und ein Päuschen.

Pfad durch herrlichen Wald

Ochsenstall
Schließlich wartet noch der Anstieg zur Hornisgrinde. Endlich ist es ruhig, die Schwarzwaldhochstraße nicht mehr hörbar. Die Heidelbeersträucher leuchten in ihren Herbstfarben, der Himmel ist stahlblau, die Sonne spätsommerwarm. Ein Wermutstropfen: Im ganzen Nationalparkgebiet herrscht jetzt Leinenpflicht. Aber auf den schmalen Pfaden ist kaum ein Nebeneinander möglich, mit Leine ist es einfach oft eine dumme Stolperei, das Ding verhängt sich an Büschen oder Steinen oder ich trete drauf. Hund und Mensch sind leinengenervt.

Grindenlandschaft - mühsam mit Leine

Herrlicher Heidelbeerherbst

Zwischenziel in Sicht - Sender auf der Hornisgrinde
Dann endlich die Grinde, 1163 Meter, höchster Punkt im Nordschwarzwald. Kein Berg mit Spitze, sondern weite, verbuschte Hochfläche – die Grindenlandschaft - , leider verunstaltet von einem riesigen Sender. Sendemast und den alten Turm kenne ich gut aus der Luft, mit dem Gleitschirm bin ich hier vom Merkur in Baden-Baden aus schon hergeflogen. Heute ist kein Schirm weit und breit, es ist zu spät im Jahr für brauchbare Thermik.

Alter Turm
Nach ein wenig Seele baumeln lassen und Sightseeing geht der Weg hinab zum Dreifürstenstein. Hier, am höchsten Punkt Württembergs (der praktisch mitten in Baden liegt), habe ich dann die nächste merkwürdige Begegnung: An der Lichtung und Wegkreuzung rund um den Stein steht etwa ein Dutzend Menschen mittleren oder höheren Alters stumm und unbeweglich verteilt im Wald. Eine Frau umarmt einen Baum. Die anderen stehen wie eingefroren und scheinen auf etwas zu lauschen, das ich nicht höre. Mein Hund schaut mich fragend an. Vorsorglich knurren oder nicht? ich bin ratlos. Bedrohlich sehen die Gestalten nicht aus, also nehme ich den Weg zwischendurch und frage naiv einen Bärtigen, an dem ich vorbeigehe: „Ist hier etwas Besonderes?“ Er wirft mir einen strengen Blick zu und sagt: „WIR sind hier.“ Ah ja, soso. Da habe ich wohl eine spirituelle Waldmeditation gesprengt.
Heute scheint ein Tag der speziellen Begegnungen zu sein...
Für die letzten Kilometer geht es nun nur noch bergab durch den Wald. Die Spannung auf das Camp steigt, das Ziel rückt näher. Beim Seibelsbrunnen neben dem Parkplatz am Skilift fülle ich mein Wasser auf.

Wasserfassen am Seibelseckle
Hier beginnt auch die „letzte Meile“ zum Camp, die Beschreibung und Koordinaten bekommt man mit der Buchung zugeschickt. Trotz GPS-Track nehme ich erst mal den falschen Weg, weil mich die Beschreibung verwirrt und das Wegeschild eindeutig zweideutig auf zwei mögliche Pfade zeigt. Das gibt noch einen extra-Kilometer heute.
Aber schließlich, nach 20 Minuten im Wald abwärts, taucht linker Hand eine recht neue Schutzhütte auf. An der Feuerstelle machen sich zweieinhalb Männer zu schaffen, einige Meter weiter führt ein kleiner Pfad mitten in den dichten Wald hinauf. Das Camp Seibelseckle. Dort passiere ich eine Holzplattform, auf die schon ein stattliches Tunnelzelt gequetscht wurde. Das war Millimeterarbeit. Zwei weitere Plattformen stehen im Abstand von ca. 6-8 Metern zueinander, jeweils von Bäumen und dichtem Buschwerk eingefasst und gegeneinander etwas abgeschottet. Man sieht gerade so den Zeltstoff durch die Büsche. Ich schiele nach Osten und suche mir die Plattform aus, von der ich mir ein paar Minuten eher Morgensonne erhoffe.

Camp erreicht - Plattform in Besitz genommen.
Ein paar Meter weiter den dichten Wald hinauf steht das Holz-Toilettenhäuschen, ordentlich beschildert, ein sehr sauberes, schickes Öko-Kompost-Klo mit reichlich Toilettenpapiervorrat. Sogar zwei Besen stehen parat (das müssen Schwaben gewesen sein...), es ist sauber drin und riecht angenehm nach Holz und dunkler Komposterde, die im großen Eimer bereitsteht.
Den aktuellen Code für das Zahlenschloss des Toilettenhäuschens, der auch für die Kiste mit Feuerholz und die Feuerschale an der Schutzhütte gilt, bekommt man bei Buchung zugeschickt. Der Code wird in der Saison immer wieder verändert, um unangemeldete Dauermieter zu verhindern.

Sehr stilles und schönes Örtchen, ordentlich beschildert
Es ist fast still hier, kein Fahrzeuglärm, nur Waldgeräusche. Für die Geräuschkulisse sorgen nur meine zweieinhalb Campnachbarn, die großartig an der Hütte Feuer machen und dafür sorgen, das jeder Waldbewohner im Kilometerradius von dieser Heldentat Kunde erhält. Männer halt...

Mein kleines freistehendes Chinook passt bestens auf die Plattform, mit einem größeren Tunnel wie die Nachbarn muss man hier schon etwas improvisieren. Zum Abspannen sind die Planken der Plattform außen seitlich versetzt, so dass man Leinen einhängen könnte, und der eine oder andere Hering würde wohl auch zwischen die Bohlen passen. Aber dennoch: Für größere, nicht freistehende Zelte sind die Plattformen eher ein Abspann-Gemurkse.

Camp steht.
Ich bin schnell eingerichtet, Schlafstätten für Mensch und Hund sind bereitet, der Magen knurrt. Zeit fürs Abendessen. Ich freue mich dann auch übers das schön prasselnde Feuer der Jungs, setzte mich mit meinem Essen dazu und spende reichlich Lob.
Die Temperatur kühlt schnell ab, die Tage sind kurz geworden. Stirnlampe ist Pflicht. Rundum ist stockdunkler Wald. Die drei sind aus Heidelberg hier runtergefahren und machen ein Männerwochenende in der Natur, damit der fünfjährige Sohn des Einen das auch mal erlebt. Entsprechend aufgeregt kräht der Kleine bis in die Nacht noch im Zelt über alles und jedes, bis er schlagartig quasi mitten im Satz verstummt. Da war's dem Nachtkrapp dann wohl auch zuviel...
In der Dämmerung war zuvor noch ein Rucksack-Pärchen angekommen. Ruckzuck stand ihr Zelt auf der dritten Plattform, sie verschwanden drin und waren nicht mehr gesehen.
Später im Zelt, in den Schlafsack gekuschelt, der Hund schnauft warm an meiner Seite, komme ich zur Ruhe. Endlich Stille um mich, nur Waldgeflüster, Rascheln, Knacken. Bin ich wirklich nur 40 Kilometer Luftlinie weg von zuhause? Es fühlt sich an wie ein anderer Planet. Gut, wieder draußen zu sein. Aber ich denke auch an Steine und Stricke und blasse Männer im Wald. Und schlafe schlecht, wie immer in den ersten Nächten unterwegs.
...tbc...

Prolog
Zufällig wirft mein Hausarzt vergangene Woche einen Blick auf meine Hand und wird stutzig. „Das sieht nach Fehlstellung aus“, sagt er nach kritischem Blick auf den kleinen Finger der linken Hand. „Lass' den lieber röntgen“, rät er. „Bringt doch nichts mehr“, sage ich. Wenn er gebrochen war, ist er längst zusammengewachsen – schief, wie es aussieht. Ist es die Kapsel, dauert es eben...Wahnsinn, drei Monate ist das her, und der Finger schmerzt noch immer. Und erinnert mich jeden Tag daran, dass man manchmal für die kleinen Fluchten gar keine großen Reisen machen muss.
Miese Anbindung an den ÖPNV, lange Pendelei zur Arbeit in die Landeshauptstadt. Ich hadere oft mit meinem kleinen Dorf am Rand vom Nordschwarzwald, so sehr ich die Landschaft auch liebe. Mit meinem Frisör (in der Stadt) streite ich jedes Mal über Vor- und Nachteile von Stadt- und Dorfleben. Aber was er halt als überzeugter Stadtmensch nicht kann: Vor die Tür gehen und draußen sein. Einfach durch Weinberge und Streuobstwiesen los und in den Schwarzwald reinlaufen. Drei Ortschaften südlich von meinem Dorf verläuft der Westweg. Klar, dass 2018 die neuen Trekking-Camps im Schwarzwald auf die Liste kamen. Endlich mal legal in Wald und Zelt übernachten – mit Hund! Die bisherigen Rückmeldungen über die Camps im Forum hier und anderswo waren durchwachsen. Es wird Herbst, bis ich mir selbst ein Bild machen kann.
Sechs Trekking-Camps gibt es jetzt. Die drei nördlichen Camps Grimbach, Seibelseckle und Erdbeerloch sollten es erstmal sein, in dieser Reihenfolge. Wer nicht erst lange lesen mag: Eine Kurzbeschreibung der Camps findet sich hier ganz am Ende.
Der Plan: Von Forbach aus, wo ich recht schnell bin, eine schöne Tagestour über den Herrenwieser See zum Camp Grimbach. Anfang Oktober dann endlich ein kurzes Zeitfenster, das Wetter gut, freie Tage möglich – aber das Camp Grimbach, in der Nähe von Baden-Baden, ist wieder einmal ausgebucht, alle drei Plätze belegt. Die Camps sind, nach dem Vorbild der Naturlager und Camps in den anderen Bundesländern – online buchbar und bieten jeweils Platz für nur drei Zelte à zwei Personen. Ein Zelt kostet pro Nacht 10 Euro, im Voraus bezahlbar, und man darf nur eine Nacht bleiben. Die Wochenenden und Brückentag-Kombinationen waren das ganze Jahr über immer dann, wenn ich geschaut habe, für alle Camps praktisch komplett ausgebucht. Die Nachfrage ist offensichtlich groß.
Das Camp Grimbach also ist in der ersten Oktoberwoche mit dem Feiertag komplett dicht, ich bekomme nur am Freitag für das Seibelseckle und am Samstag für das Erdbeerloch noch jeweils den letzten Zeltplatz. Hm, Wochenende, nicht so toll, weil immer viel los im Schwarzwald...aber gut. Also einen Tag mehr gearbeitet und umgeplant, nur zweieinhalb statt vier Tage also, das Camp Grimbach will ich später nachholen. Weil ich zuhause später loskomme als geplant, starte ich nicht, wie geplant, an der Schwarzenbachtalsperre, sondern erst gegen Mittag im Flecken Herrenwies.
5. Oktober
Herrenwies – Hornisgrinde - Camp Seibelseckle
16,7 km - 954m /\883 m
Start am Dorfplatz Herrenwies
Bis mal wieder alles im Rucksack ist...halb zwölf ist es schon, als ich das Auto auf dem Dorfplatz in Herrenwies abstelle. Rund 16 Kilometer Strecke und keine 1000 Höhenmeter sind es bis zum Camp Seibelseckle, die Route führt über ein paar Höhen und den höchsten Berg im Nordschwarzwald, die Hornisgrinde. Aber für die Strecke sollten die restlichen sechs Tageslichtstunden allemal reichen. Mein für zweieinhalb Tage gepackter Maven wiegt immerhin etwa 12 Kilo, davon trage ich gut zwei Kilo für meinen Hund (Futter + Snacks, Leine, Leinensack am Hüftgurt, Hundedecke und 1/3 Z-Lite). Noch darf Coco den Rucksack nicht tragen, aber nächstes Jahr... :-) Meine Laune ist prächtig, endlich geht’s wieder los! So lange habe ich das schon vor, endlich mal eine Übernachtungstour quasi vor der Haustür zu machen.
Auch das Wetter spielt mit – aber leider ist es eigentlich viel zu gut. Regen ist nicht angesagt. So schwant mir schon am Startpunkt in Herrenwies, was mich die nächsten Stunden begleiten wird: Motorradlärm. Ganze Rudel von Zweiradfahrern, die sich an der Schwarzenbachtalsperre sammeln, freuen sich auf ihre Art am Wetter und den perfekten Motorradstraßen hier – kurvenreich, bergig, eher wenig Autoverkehr und Ortschaften. Das penetrante Hochdrehen der Motoren, Abbremsen und Schalten ist selbst im Wald in einiger Entfernung zum Teil körperlich spürbar und trägt wenig zu meiner Entspannung bei. Die Mountainbiker sperren sie mit Rücksicht aufs Wild aus dem Nationalpark aus, die Motorräder brettern auf der Straße legal mitten durch? Manches verstehe ich nicht. Ich hätte es ja wissen können, maule ich mich selbst an. Ich wollte ja unbedingt hier entlang zum Camp.
Schöner Pfad zum Sandsee
Sandsee
Rein in den Nationalpark, raus aus dem Nationalpark...
Aber der Herbstwald leuchtet und macht mich ganz farbbesoffen. Los geht’s auf schönstem Pfad vorbei am Sandsee hinauf zum Sand. Hier oben treffe ich auf den Westweg und auf der Straße auf noch mehr Motorradfahrer. Bitter, dass der Westweg bis zum Hundseck parallel oberhalb der Schwarzwaldhochstraße/B500 verläuft und sich auch danach nicht deutlich entfernt. Wie zur Strafe zwingt mich dann eine Umleitung auch noch auf den Fahrradweg: Wegen Forstarbeiten ist der Westweg gesperrt. Und weil die Arbeiten hörbar sind und krachend Bäume fallen, halte ich mich grummelnd auch an die Sperre.
Schöner Wohnen im Schwarzwald...Für mich heißt es hier: Umweg
O.T.: Das mit den Fahrrädern ist auch so eine Sache inzwischen. Ohne Ende wird derzeit Infrastruktur in Form von MTB-Autobahnen in den Schwarzwald gesetzt. Oft werden die vorhandenen Wanderpfade dafür einfach verbreitert und begradigt, zum Teil fein geschottert. Im neuen Nationalpark-Gebiet kommt eine verschärfte Variante dazu: Das bestehende Wegenetz von rund 1600 km bislang frei begeh- oder befahrbaren Wegen wird derzeit auf knapp 400 km zurückgefahren. Täglich gibt es neue Konflikte zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern, die plötzlich zusammengepfercht werden, wo sie sich bisher aus dem Weg gehen konnten. Zunehmend sind zudem E-Mountainbiker unterwegs, die es genießen, motorisiert viel längere Touren zurücklegen zu können als bisher. Aber die sind gnadenlos, vor allem abwärts haben die ein irres Tempo drauf, viele haben weder Klingel noch Hupe und erwarten, dass Fußgänger allein beim sich nähernden Geräusch der Breitreifen oder bestensfalls einem „Achtung“ zur Seite springen, damit sie ja nicht bremsen müssen. Mit Hund gibt es oft schwierige Situationen, weshalb ich Fahrradwege meide, wo es nur geht.
Kleines Schmankerl am Rande: Vor kurzem kam mir auf einer Sonntagstour am Westweg nahe der Schweizerkopf Hütte ein älterer Mann, mindestens Ende Sechzig, auf einem E-Bike entgegen, offensichtlich ein Leihrad der ersten Generation. Hinten an der Wegbiegung tauchte kurz drauf laut rufend seine bessere Hälfte auf. Der Mann drehte nach einigem Hin und Her vor sich hin schimpfend um und fuhr zurück. Als ich näher kam, hörte ich schon die zunehmend verzweifelte Debatte. Er: „Des koa net sei'.“ Sie: „Doch, da guck' doch.“ Er: „Grad war's doch no ganz voll.“ Sie“: „Jetzt isch abr ganz leer, guck doch, koi Power, gar nix meh“. Zugegeben, das Grinsen konnte ich nicht ganz unterdrücken, als ich vorbeimarschierte. Wie die woh mit dem leeren Akku wieder in die Zivilisation gekommen sind?

Viel Gegend hier - Blick nach Nordwesten.
Aber zurück zur Tour. Der Schwarzwald kann nichts dafür und schmeißt sich mächtig in Schale, um meine Laune zu heben. Immer wieder gibt es großartige Blicke nach Westen in die Rheinebene hinaus, jenseits des Rheintals am Horizont im Dunst die Vogesen. Zu Fuß ist kaum jemand unterwegs, und auch die radikalen Radfahrer strampeln sich heute nicht an mir ab. Der Hund freut sich, der Rucksack drückt nicht, die Beine sind gut, der Kopf wird zunehmend frei. Ich bin immer wieder verblüfft, wie schnell ich so komplett in ein andere Existenz tauche, sobald ich den Rucksack auf- und eine kleine Tour vor mir habe. Das „normale“ Leben scheint dann in kürzester Zeit nicht nur ein paar Kilometer, sondern Lichtjahre entfernt.
Im Anstieg zum Hochkopf reißt mich aber eine Begegnung der verzichtbaren Art aus meinen Gedanken. Der einzelne Mann, der mir da entgegenkommt, sieht schon aus der Ferne merkwürdig aus. Er ist groß, sehr dünn, trägt schwarze Kleidung, die Arme und Waden freilässt. Die Haut der nackten Arme und Beine leuchtet aus der Entfernung schneeweiß. Auf dem Rücken trägt der Mann einen kleinen silbernen Rucksack, der an ihm irgendwie albern aussieht. Gerade in Grußweite schaue ich ihm hinüber, da wendet er rasch den Blick ab und stiert mit unbewegter Miene an mir vorbei. Diese weiße Haut graust mich, als ob sie noch nie am Licht war. Ich rufe meinen Hund bei Fuß, und im Vorbeigehen gefriert mir fast das Blut, als ich erkenne, was der Typ in den Händen hält: rechts einen kindskopfgroßen Stein, aus der linken Faust baumeln lang die zwei Enden eines daumendicken Stricks.



Ich schnappe nach Luft, kralle meine Stöcke fest, ziehe das Genick ein und schieße die nächsten Meter die Steigung hoch, so schnell ich kann, bevor ich mich traue, einen Blick über die Schulter zurück zu werfen. Der Typ ist stehengeblieben an der Bank, die ich gerade passiert habe, und schaut in meine Richtung. Oder bilde ich mir das nur ein? Da sehe ich hinten am Wege eine andere Wandergestalt mit Rucksack um die Ecke kommen. Gerettet, ich bin nicht mehr allein hier. Mir fällt ein Zentnergewicht vom Herzen und ich sehe zu, dass ich weiter den Berg hochkomme.
Die Wandergestalt stellt sich einige Zeit später als Westweg-Wanderin heraus, die mich am Hochkopf überholt und später Pause einlegt an einer Rastbank in der Grindenlandschaft, wo ich wieder auf sie stoße. Wir unterhalten uns ein wenig und gruseln uns über diesen merkwürdigen Typen, der mit Stein und Strick im Wald herumgeht. Seine „Bewaffnung“ war ihr zuerst gar nicht aufgefallen. Nichts ist passiert, aber wir beide haben uns unwohl gefühlt, ich noch deutlich mehr als sie. Eigentlich bin ich nicht von der furchtsamen Sorte, und da ist ja noch mein Hund. Trotzdem. Ich habe noch länger darüber nachgedacht, ob ich dem Mann wohl unrecht getan habe mit meinem unguten Gefühl...
Über den Murrkopf und einen Traumpfad im Wald geht’s weiter hinauf zum Ochsenstall, heute kein Stall mehr, sondern eine Ausflugs- und Skihütte. Hier gibt es für mich erst mal zwei große Apfelschorle und ein Päuschen.
Pfad durch herrlichen Wald
Ochsenstall
Schließlich wartet noch der Anstieg zur Hornisgrinde. Endlich ist es ruhig, die Schwarzwaldhochstraße nicht mehr hörbar. Die Heidelbeersträucher leuchten in ihren Herbstfarben, der Himmel ist stahlblau, die Sonne spätsommerwarm. Ein Wermutstropfen: Im ganzen Nationalparkgebiet herrscht jetzt Leinenpflicht. Aber auf den schmalen Pfaden ist kaum ein Nebeneinander möglich, mit Leine ist es einfach oft eine dumme Stolperei, das Ding verhängt sich an Büschen oder Steinen oder ich trete drauf. Hund und Mensch sind leinengenervt.
Grindenlandschaft - mühsam mit Leine
Herrlicher Heidelbeerherbst
Zwischenziel in Sicht - Sender auf der Hornisgrinde
Dann endlich die Grinde, 1163 Meter, höchster Punkt im Nordschwarzwald. Kein Berg mit Spitze, sondern weite, verbuschte Hochfläche – die Grindenlandschaft - , leider verunstaltet von einem riesigen Sender. Sendemast und den alten Turm kenne ich gut aus der Luft, mit dem Gleitschirm bin ich hier vom Merkur in Baden-Baden aus schon hergeflogen. Heute ist kein Schirm weit und breit, es ist zu spät im Jahr für brauchbare Thermik.
Alter Turm
Nach ein wenig Seele baumeln lassen und Sightseeing geht der Weg hinab zum Dreifürstenstein. Hier, am höchsten Punkt Württembergs (der praktisch mitten in Baden liegt), habe ich dann die nächste merkwürdige Begegnung: An der Lichtung und Wegkreuzung rund um den Stein steht etwa ein Dutzend Menschen mittleren oder höheren Alters stumm und unbeweglich verteilt im Wald. Eine Frau umarmt einen Baum. Die anderen stehen wie eingefroren und scheinen auf etwas zu lauschen, das ich nicht höre. Mein Hund schaut mich fragend an. Vorsorglich knurren oder nicht? ich bin ratlos. Bedrohlich sehen die Gestalten nicht aus, also nehme ich den Weg zwischendurch und frage naiv einen Bärtigen, an dem ich vorbeigehe: „Ist hier etwas Besonderes?“ Er wirft mir einen strengen Blick zu und sagt: „WIR sind hier.“ Ah ja, soso. Da habe ich wohl eine spirituelle Waldmeditation gesprengt.

Für die letzten Kilometer geht es nun nur noch bergab durch den Wald. Die Spannung auf das Camp steigt, das Ziel rückt näher. Beim Seibelsbrunnen neben dem Parkplatz am Skilift fülle ich mein Wasser auf.
Wasserfassen am Seibelseckle
Hier beginnt auch die „letzte Meile“ zum Camp, die Beschreibung und Koordinaten bekommt man mit der Buchung zugeschickt. Trotz GPS-Track nehme ich erst mal den falschen Weg, weil mich die Beschreibung verwirrt und das Wegeschild eindeutig zweideutig auf zwei mögliche Pfade zeigt. Das gibt noch einen extra-Kilometer heute.
Aber schließlich, nach 20 Minuten im Wald abwärts, taucht linker Hand eine recht neue Schutzhütte auf. An der Feuerstelle machen sich zweieinhalb Männer zu schaffen, einige Meter weiter führt ein kleiner Pfad mitten in den dichten Wald hinauf. Das Camp Seibelseckle. Dort passiere ich eine Holzplattform, auf die schon ein stattliches Tunnelzelt gequetscht wurde. Das war Millimeterarbeit. Zwei weitere Plattformen stehen im Abstand von ca. 6-8 Metern zueinander, jeweils von Bäumen und dichtem Buschwerk eingefasst und gegeneinander etwas abgeschottet. Man sieht gerade so den Zeltstoff durch die Büsche. Ich schiele nach Osten und suche mir die Plattform aus, von der ich mir ein paar Minuten eher Morgensonne erhoffe.
Camp erreicht - Plattform in Besitz genommen.
Ein paar Meter weiter den dichten Wald hinauf steht das Holz-Toilettenhäuschen, ordentlich beschildert, ein sehr sauberes, schickes Öko-Kompost-Klo mit reichlich Toilettenpapiervorrat. Sogar zwei Besen stehen parat (das müssen Schwaben gewesen sein...), es ist sauber drin und riecht angenehm nach Holz und dunkler Komposterde, die im großen Eimer bereitsteht.
Den aktuellen Code für das Zahlenschloss des Toilettenhäuschens, der auch für die Kiste mit Feuerholz und die Feuerschale an der Schutzhütte gilt, bekommt man bei Buchung zugeschickt. Der Code wird in der Saison immer wieder verändert, um unangemeldete Dauermieter zu verhindern.
Sehr stilles und schönes Örtchen, ordentlich beschildert
Es ist fast still hier, kein Fahrzeuglärm, nur Waldgeräusche. Für die Geräuschkulisse sorgen nur meine zweieinhalb Campnachbarn, die großartig an der Hütte Feuer machen und dafür sorgen, das jeder Waldbewohner im Kilometerradius von dieser Heldentat Kunde erhält. Männer halt...


Mein kleines freistehendes Chinook passt bestens auf die Plattform, mit einem größeren Tunnel wie die Nachbarn muss man hier schon etwas improvisieren. Zum Abspannen sind die Planken der Plattform außen seitlich versetzt, so dass man Leinen einhängen könnte, und der eine oder andere Hering würde wohl auch zwischen die Bohlen passen. Aber dennoch: Für größere, nicht freistehende Zelte sind die Plattformen eher ein Abspann-Gemurkse.
Camp steht.
Ich bin schnell eingerichtet, Schlafstätten für Mensch und Hund sind bereitet, der Magen knurrt. Zeit fürs Abendessen. Ich freue mich dann auch übers das schön prasselnde Feuer der Jungs, setzte mich mit meinem Essen dazu und spende reichlich Lob.
Die Temperatur kühlt schnell ab, die Tage sind kurz geworden. Stirnlampe ist Pflicht. Rundum ist stockdunkler Wald. Die drei sind aus Heidelberg hier runtergefahren und machen ein Männerwochenende in der Natur, damit der fünfjährige Sohn des Einen das auch mal erlebt. Entsprechend aufgeregt kräht der Kleine bis in die Nacht noch im Zelt über alles und jedes, bis er schlagartig quasi mitten im Satz verstummt. Da war's dem Nachtkrapp dann wohl auch zuviel...
In der Dämmerung war zuvor noch ein Rucksack-Pärchen angekommen. Ruckzuck stand ihr Zelt auf der dritten Plattform, sie verschwanden drin und waren nicht mehr gesehen.
Später im Zelt, in den Schlafsack gekuschelt, der Hund schnauft warm an meiner Seite, komme ich zur Ruhe. Endlich Stille um mich, nur Waldgeflüster, Rascheln, Knacken. Bin ich wirklich nur 40 Kilometer Luftlinie weg von zuhause? Es fühlt sich an wie ein anderer Planet. Gut, wieder draußen zu sein. Aber ich denke auch an Steine und Stricke und blasse Männer im Wald. Und schlafe schlecht, wie immer in den ersten Nächten unterwegs.
...tbc...
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