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Oberstdorf – Silvretta: Sechs Tage Berge in der Gruppe
August 2015
Dies ist der Bericht einer Gruppenwanderung. Gebucht bei einem Veranstalter, mit Guide und Unterkünften, aber immerhin ohne Gepäcktransport. Warum macht man so etwas? Dies zu beantworten ist mein erstes Ziel. Und jeden zu ermuntern, die Route ebenfalls zu laufen. Das ist mein zweites Ziel.
Start der Tour war am Bahnhof Oberstdorf (berüchtigt für die im Stundentakt startenden E5-Touren. Falls das jemanden interessiert, kann ich die Tour auch noch schildern, ein echter Hippietrail).
Okay, wir nehmen nicht den E5, sondern müssen unsere Rucksäcke an den Haken hängen. Grimmiger Blick des Bergführers auf das Gewicht. Der ein oder andere muss auspacken und umpacken. Ich habe 9 kg, was bereits für Stirnrunzeln beim Bergführer sorgt. Da ich aber das gesamte Gepäck meiner Tochter mit drin habe, ist er gnädig. Sie hat mit 2 kg nur eine Regenhose, Tagesration Proviant und Wasser in einem Tagesrucksack.

Zur Stuttgarter Hütte: Wir starten sofort mit einem Linienbus, und sind zack, sofort in Österreich. Etwas verdutzt stellen wir fest, dass wir in Deutschland überhaupt keinen Meter wandern. In Bödmen laufen wir ein Tal hinauf, das später recht steile Anstiege bietet. Wir machen Rast in der Widdersteinhütte, wo es zwar Suppe gibt, der Wasserhahn jedoch so eingestellt ist, dass faktisch keine Wasserflasche aufgefüllt werden kann. Gegen Entgelt kann man die Flasche an der Theke mit Wasser füllen lassen. Diese Politik sorgt für Murren bei einigen Wanderern.
Es folgt der Abstieg zum Hochtannberg Pass, dort viele Motorräder und Hotels. Mit dem Bus geht es von dort nach Lech, bereits die zweite Busfahrt des Tages, und wir schaffen die letzte Bergfahrt zum Rüffikopf. In den späten Nachmittag hinein nehmen wir einen sehr schönen Panoramaweg zur Stuttgarter Hütte. Es regnet leicht.




Von der Stuttgarter Hütte zur Kaltenberghütte: Das Wetter soll noch schlechter werden und daher entscheidet der Bergführer, dass wir nicht über den Valugagrat gehen. Später wird mir klar, weshalb einige Mitwanderer darüber traurig waren und leise murren. Denn der Weg durchs Tal ist eher unattraktiv. Wir steigen ab Richtung Zürs, was noch der attraktivere Teil des Tages sein wird.
In Zürs säumen viele leerstehende Skihotels die Straße. Noch schlimmer ist es an einer Kreuzung im Arlbergtal, wo Hunderte von Lastwagen und Motorrädern an uns vorbei fahren, wir uns zudem die grauenhafte Musik einer kleinen Gaststätte anhören müssen. Alle loben meinen bestellten Kartoffelsalat – außer ich selbst, der ihn essen muss. Noch ein mäßiger Aufstieg über einige Kuhwiesen und wir sind an der Kaltenberghütte. Nicht weit entfernt ist ein kleiner klarer See, an dem viele Haflingerpferde grasen. Es gibt auch Enten und Kaninchen, die man streicheln kann. Das ist der schönste Teil des Tages.


Von der Kaltenberghütte zur Konstanzer Hütte: Morgens regnet es und dichte Wolken ziehen vom Tal herauf. Die Sicht ist schlecht, sehr schlecht. Wie üblich gab es in der Nacht viele Schnarcher, meine Ohrenstöpsel halten nie, und ich bin gerädert. Am Frühstücksbuffet ist auch wie immer alles rationiert. Auch der Kaffee ist eher schlecht. Kopf hoch, sage ich mir.
Wir gehen los in der Regenjacke, dazu normale Hose, und wir stolpern mehr oder weniger über Steine und bewältigen den Aufstieg im Gänsemarsch nur langsam. Allein hätte ich allerdings bereits Sorge, den Weg bei dem Wetter überhaupt sicher schaffen zu können. Schließlich reißt die Sicht etwas auf, wir stehen frierend auf einem Grat. Es schneit. Ein heftiger Wind weht uns entgegen. Handschuhe sind ein Muss. Noch wenige Meter zur Krachelspitze, Foto, Handschlag und eiliger Abstieg, um noch eine Softshelljacke unterzuziehen.
Den ganzen Tag über bleibt die Strecke schwierig. In zwei Bergseen ist das Wasser vom Gletscher bonbonfarben gefärbt. Vor sechs Jahren war der Gletscher wohl noch komplett, wird uns mitgeteilt. Es geht weiter bergab in ein offenes Tal, auf der anderen Seite jedoch sofort wieder steil bergauf. Gstanzjoch. Und wieder steil bergab, diesmal über längere Bergwiesen, die allerdings äußerst rutschig sind in der Nässe. Immerhin haben wir nun hellen und blauen Himmel. Die Konstanzer Hütte liegt auf gerade mal 1.765 Metern im Wald. Sie scheint recht neu und komfortabel zu sein, die Nacht wird besser.



Von der Konstanzer Hütte zur Wiesbadener Hütte: Morgens ist der Himmel blau. Wir haben gut geschlafen, denn das Rauschen des Baches vor dem Fenster war lauter als das Schnarchen der Mitreisenden. Am Frühstücksbuffet gibt es sehr guten Kaffee, falls jemand seine Route nach diesem Kriterium planen möchte.
Um 8 Uhr ist Abmarsch, wie immer. Zunächst geht es einen Fahrweg entlang durch das Schönverwalltal. Mit drei Grad ist es kühl. Der Weg zur Heilbronner Hütte ist schön, einfach und die Gruppe zieht sich weit auseinander. An der Hütte ist es einigermaßen voll. In der Sonne ist es an dem Tag beinahe zu heiß, aber wir können die Füße in ein Tretbecken mit kaltem Wasser versenken.
Wir bestellen Germknödel. Damit haben wir nicht nur die Big-5 der Tiere gesehen, sondern auch die Big-5 des Essens probiert. Es geht hinab zum Kops-Stausee, und zwar über eine breite Fahrstraße. Es ist äußerst voll.
Der Bus fährt uns die Silvretta Hochalpenstraße hinauf bis zur Staumauer (Bieler Höhe). Zum Abschluss des Tages noch den Weg zur Wiesbadener Hütte hinauf, der breit und voll ist. Erst geht es flach voran, um dann sehr steil und mit größter Anstrengung in der Hitze aufzusteigen. Die Hitze ist weitaus anstrengender als jede Steigung (für mich war das der schwerste Teil der gesamten Tour).
An der Wiesbadener Hütte finden sich dann die üblichen coolen Bergsteiger mit ihren Seilen und Helmen, die sich über drei Tische hinweg etwas zurufen, die Stühle hoch über den Kopf erhoben auch weitere Strecken durch die Menge transportieren und irgendwie alle weiße Sonnenbrillen im Haar stecken haben. Man hört italienisch und sieht viele Schweizer. Duschen, Postkarten schreiben. Abends erfolgt die Anprobe der Steigeisen für die Gruppe. Die Helme und Seile werden ausgegeben.




Besteigung des Piz Buin: Um 6 Uhr wollen wir frühstücken. Einige Mitreisende stehen bereits weitaus früher auf und haben sie weder am Vorabend ihren Rucksack gepackt, noch etwas organisiert. Um 6.45 Uhr geht es samt Nachzüglern in 4er-Gruppen los.
Es ist zwar bereits hell, aber noch sehr frisch, als wir in das Geröll hinab steigen. Das Geröll zieht sich bis zu den ersten Gletscherspalten. Eifrige Kommentare, dass das früher alles Eis war. Unser Bergführer will mal wieder eine Erst-Begehung machen, wie er uns mitteilt (im Prinzip ist jeder Aufstieg in dem schnell schmelzenden Gletscher eine Erst-Begehung – und auch Letzt-Begehung). Allerdings sind die Herausforderungen dieser neuen Route erheblich. Wir haben Sorge, dass die Steigeisen halten und nicht alles um uns herum zusammen bricht.
Der Bergführer sieht aus wie aus einem Heimatfilm. Er lehnt Sonnenschutzcreme als modernes Zeug ab, wie er mehrfach betont, als wir fleißig mehrmals nachschmieren. Einem Mitwanderer fällt die Kamera in eine Spalte. Austausch der E-Mail Adressen, dass er wenigstens einige Fotos zugeschickt bekommt. In einigen Jahren taucht die Kamera wieder auf, so viel steht fest.
Hinter den Spalten, auf dem Schnee, geht es dann besser vorwärts und am Ende des Eisfeldes steht sogar ein Zelt, wo jemand sein Nachtlager hatte. Wir ziehen die Steigeisen aus und müssen die letzten Höhenmeter mit Seil und etwas Klettern bewältigen. „Cool“, sagt unsere Tochter, während ich mittlerweile besorgt in den Abgrund unter mir schaue. Auf dem Gipfel ist fast ein Stau. Wir schaffen es kaum, ein ordentliches Foto von uns aufzunehmen. Die Sicht ist allerdings grandios. Angeblich gibt es an nur sechs Tagen im Jahr eine so hervorragende Sicht. Es sind diese Bergführer-Sprüche, die einem im Gedächtnis bleiben. Aber natürlich sind wir froh, nicht an einem der sechs Tage mit extrem schlechter Sicht dort oben zu stehen.
Der Abstieg geht wieder über den Gletscher, diesmal über den nachmittags sehr weich gewordenen Schnee. Am Ende zieht sich der Weg wieder sehr lang über ausgedehntes Geröll, so dass wir insgesamt siebeneinhalb Stunden unterwegs sind. Die anderen Gruppen unserer Tour benötigen allerdings achteinhalb Stunden. Flottere Experten können es angeblich auch in sechs Stunden schaffen, meint der kernige Bergführer.
Wir geben das Kletterzubehör wieder ab: Pickel, Steigeisen, Klettergurt, Helm. Es ist praktisch, das Zeug wieder los zu sein und nicht ein Woche schleppen zu müssen.




Wiesbadener Hütte – Silvrettastausee. Der letzte Tag und die Luft ist raus. Nach der Besteigung des Biz Buin kann der Spannungsbogen nicht mehr gehalten werden. Lustlos und still latscht die Gruppe einen eigentlich sehr schönen Weg hinunter zum Stausee, rund vier Stunden. Noch ein Eis vom Restaurant in dem Gewühle der Fahrzeuge der Silvretta-Straße, dann hinein in einen Postbus nach Partenen und in einen Reisebus nach Oberstdorf. Es geht durch Dutzende Serpentinen. Gut, wenn einem dort nicht übel wird.
Was bleibt von der Route?
Was bleibt von Gruppenreisen?
Mein Bericht ist sicher voreingenommen, möglichweise auch zu kritisch. Um den Bogen zu schließen, könnte man neugierigen Gruppenneulingen beinahe empfehlen, als Erstling den E-5 Oberstdorf-Meran in der Gruppe zu laufen. Das war wirklich anders. Ganz anders. So anders, dass es schon wieder klasse war.
August 2015
Dies ist der Bericht einer Gruppenwanderung. Gebucht bei einem Veranstalter, mit Guide und Unterkünften, aber immerhin ohne Gepäcktransport. Warum macht man so etwas? Dies zu beantworten ist mein erstes Ziel. Und jeden zu ermuntern, die Route ebenfalls zu laufen. Das ist mein zweites Ziel.
Start der Tour war am Bahnhof Oberstdorf (berüchtigt für die im Stundentakt startenden E5-Touren. Falls das jemanden interessiert, kann ich die Tour auch noch schildern, ein echter Hippietrail).
Okay, wir nehmen nicht den E5, sondern müssen unsere Rucksäcke an den Haken hängen. Grimmiger Blick des Bergführers auf das Gewicht. Der ein oder andere muss auspacken und umpacken. Ich habe 9 kg, was bereits für Stirnrunzeln beim Bergführer sorgt. Da ich aber das gesamte Gepäck meiner Tochter mit drin habe, ist er gnädig. Sie hat mit 2 kg nur eine Regenhose, Tagesration Proviant und Wasser in einem Tagesrucksack.
Zur Stuttgarter Hütte: Wir starten sofort mit einem Linienbus, und sind zack, sofort in Österreich. Etwas verdutzt stellen wir fest, dass wir in Deutschland überhaupt keinen Meter wandern. In Bödmen laufen wir ein Tal hinauf, das später recht steile Anstiege bietet. Wir machen Rast in der Widdersteinhütte, wo es zwar Suppe gibt, der Wasserhahn jedoch so eingestellt ist, dass faktisch keine Wasserflasche aufgefüllt werden kann. Gegen Entgelt kann man die Flasche an der Theke mit Wasser füllen lassen. Diese Politik sorgt für Murren bei einigen Wanderern.
Es folgt der Abstieg zum Hochtannberg Pass, dort viele Motorräder und Hotels. Mit dem Bus geht es von dort nach Lech, bereits die zweite Busfahrt des Tages, und wir schaffen die letzte Bergfahrt zum Rüffikopf. In den späten Nachmittag hinein nehmen wir einen sehr schönen Panoramaweg zur Stuttgarter Hütte. Es regnet leicht.
Von der Stuttgarter Hütte zur Kaltenberghütte: Das Wetter soll noch schlechter werden und daher entscheidet der Bergführer, dass wir nicht über den Valugagrat gehen. Später wird mir klar, weshalb einige Mitwanderer darüber traurig waren und leise murren. Denn der Weg durchs Tal ist eher unattraktiv. Wir steigen ab Richtung Zürs, was noch der attraktivere Teil des Tages sein wird.
In Zürs säumen viele leerstehende Skihotels die Straße. Noch schlimmer ist es an einer Kreuzung im Arlbergtal, wo Hunderte von Lastwagen und Motorrädern an uns vorbei fahren, wir uns zudem die grauenhafte Musik einer kleinen Gaststätte anhören müssen. Alle loben meinen bestellten Kartoffelsalat – außer ich selbst, der ihn essen muss. Noch ein mäßiger Aufstieg über einige Kuhwiesen und wir sind an der Kaltenberghütte. Nicht weit entfernt ist ein kleiner klarer See, an dem viele Haflingerpferde grasen. Es gibt auch Enten und Kaninchen, die man streicheln kann. Das ist der schönste Teil des Tages.
Von der Kaltenberghütte zur Konstanzer Hütte: Morgens regnet es und dichte Wolken ziehen vom Tal herauf. Die Sicht ist schlecht, sehr schlecht. Wie üblich gab es in der Nacht viele Schnarcher, meine Ohrenstöpsel halten nie, und ich bin gerädert. Am Frühstücksbuffet ist auch wie immer alles rationiert. Auch der Kaffee ist eher schlecht. Kopf hoch, sage ich mir.
Wir gehen los in der Regenjacke, dazu normale Hose, und wir stolpern mehr oder weniger über Steine und bewältigen den Aufstieg im Gänsemarsch nur langsam. Allein hätte ich allerdings bereits Sorge, den Weg bei dem Wetter überhaupt sicher schaffen zu können. Schließlich reißt die Sicht etwas auf, wir stehen frierend auf einem Grat. Es schneit. Ein heftiger Wind weht uns entgegen. Handschuhe sind ein Muss. Noch wenige Meter zur Krachelspitze, Foto, Handschlag und eiliger Abstieg, um noch eine Softshelljacke unterzuziehen.
Den ganzen Tag über bleibt die Strecke schwierig. In zwei Bergseen ist das Wasser vom Gletscher bonbonfarben gefärbt. Vor sechs Jahren war der Gletscher wohl noch komplett, wird uns mitgeteilt. Es geht weiter bergab in ein offenes Tal, auf der anderen Seite jedoch sofort wieder steil bergauf. Gstanzjoch. Und wieder steil bergab, diesmal über längere Bergwiesen, die allerdings äußerst rutschig sind in der Nässe. Immerhin haben wir nun hellen und blauen Himmel. Die Konstanzer Hütte liegt auf gerade mal 1.765 Metern im Wald. Sie scheint recht neu und komfortabel zu sein, die Nacht wird besser.
Von der Konstanzer Hütte zur Wiesbadener Hütte: Morgens ist der Himmel blau. Wir haben gut geschlafen, denn das Rauschen des Baches vor dem Fenster war lauter als das Schnarchen der Mitreisenden. Am Frühstücksbuffet gibt es sehr guten Kaffee, falls jemand seine Route nach diesem Kriterium planen möchte.
Um 8 Uhr ist Abmarsch, wie immer. Zunächst geht es einen Fahrweg entlang durch das Schönverwalltal. Mit drei Grad ist es kühl. Der Weg zur Heilbronner Hütte ist schön, einfach und die Gruppe zieht sich weit auseinander. An der Hütte ist es einigermaßen voll. In der Sonne ist es an dem Tag beinahe zu heiß, aber wir können die Füße in ein Tretbecken mit kaltem Wasser versenken.
Wir bestellen Germknödel. Damit haben wir nicht nur die Big-5 der Tiere gesehen, sondern auch die Big-5 des Essens probiert. Es geht hinab zum Kops-Stausee, und zwar über eine breite Fahrstraße. Es ist äußerst voll.
Der Bus fährt uns die Silvretta Hochalpenstraße hinauf bis zur Staumauer (Bieler Höhe). Zum Abschluss des Tages noch den Weg zur Wiesbadener Hütte hinauf, der breit und voll ist. Erst geht es flach voran, um dann sehr steil und mit größter Anstrengung in der Hitze aufzusteigen. Die Hitze ist weitaus anstrengender als jede Steigung (für mich war das der schwerste Teil der gesamten Tour).
An der Wiesbadener Hütte finden sich dann die üblichen coolen Bergsteiger mit ihren Seilen und Helmen, die sich über drei Tische hinweg etwas zurufen, die Stühle hoch über den Kopf erhoben auch weitere Strecken durch die Menge transportieren und irgendwie alle weiße Sonnenbrillen im Haar stecken haben. Man hört italienisch und sieht viele Schweizer. Duschen, Postkarten schreiben. Abends erfolgt die Anprobe der Steigeisen für die Gruppe. Die Helme und Seile werden ausgegeben.
Besteigung des Piz Buin: Um 6 Uhr wollen wir frühstücken. Einige Mitreisende stehen bereits weitaus früher auf und haben sie weder am Vorabend ihren Rucksack gepackt, noch etwas organisiert. Um 6.45 Uhr geht es samt Nachzüglern in 4er-Gruppen los.
Es ist zwar bereits hell, aber noch sehr frisch, als wir in das Geröll hinab steigen. Das Geröll zieht sich bis zu den ersten Gletscherspalten. Eifrige Kommentare, dass das früher alles Eis war. Unser Bergführer will mal wieder eine Erst-Begehung machen, wie er uns mitteilt (im Prinzip ist jeder Aufstieg in dem schnell schmelzenden Gletscher eine Erst-Begehung – und auch Letzt-Begehung). Allerdings sind die Herausforderungen dieser neuen Route erheblich. Wir haben Sorge, dass die Steigeisen halten und nicht alles um uns herum zusammen bricht.
Der Bergführer sieht aus wie aus einem Heimatfilm. Er lehnt Sonnenschutzcreme als modernes Zeug ab, wie er mehrfach betont, als wir fleißig mehrmals nachschmieren. Einem Mitwanderer fällt die Kamera in eine Spalte. Austausch der E-Mail Adressen, dass er wenigstens einige Fotos zugeschickt bekommt. In einigen Jahren taucht die Kamera wieder auf, so viel steht fest.
Hinter den Spalten, auf dem Schnee, geht es dann besser vorwärts und am Ende des Eisfeldes steht sogar ein Zelt, wo jemand sein Nachtlager hatte. Wir ziehen die Steigeisen aus und müssen die letzten Höhenmeter mit Seil und etwas Klettern bewältigen. „Cool“, sagt unsere Tochter, während ich mittlerweile besorgt in den Abgrund unter mir schaue. Auf dem Gipfel ist fast ein Stau. Wir schaffen es kaum, ein ordentliches Foto von uns aufzunehmen. Die Sicht ist allerdings grandios. Angeblich gibt es an nur sechs Tagen im Jahr eine so hervorragende Sicht. Es sind diese Bergführer-Sprüche, die einem im Gedächtnis bleiben. Aber natürlich sind wir froh, nicht an einem der sechs Tage mit extrem schlechter Sicht dort oben zu stehen.
Der Abstieg geht wieder über den Gletscher, diesmal über den nachmittags sehr weich gewordenen Schnee. Am Ende zieht sich der Weg wieder sehr lang über ausgedehntes Geröll, so dass wir insgesamt siebeneinhalb Stunden unterwegs sind. Die anderen Gruppen unserer Tour benötigen allerdings achteinhalb Stunden. Flottere Experten können es angeblich auch in sechs Stunden schaffen, meint der kernige Bergführer.
Wir geben das Kletterzubehör wieder ab: Pickel, Steigeisen, Klettergurt, Helm. Es ist praktisch, das Zeug wieder los zu sein und nicht ein Woche schleppen zu müssen.
Wiesbadener Hütte – Silvrettastausee. Der letzte Tag und die Luft ist raus. Nach der Besteigung des Biz Buin kann der Spannungsbogen nicht mehr gehalten werden. Lustlos und still latscht die Gruppe einen eigentlich sehr schönen Weg hinunter zum Stausee, rund vier Stunden. Noch ein Eis vom Restaurant in dem Gewühle der Fahrzeuge der Silvretta-Straße, dann hinein in einen Postbus nach Partenen und in einen Reisebus nach Oberstdorf. Es geht durch Dutzende Serpentinen. Gut, wenn einem dort nicht übel wird.
Was bleibt von der Route?
- Die Idee war auch, mal auf einem Gletscher zu stehen, einen Gipfel zu besteigen. Das war eher ernüchternd. Gletscher und 3.000 Meter Höhe müssen für mich nicht unbedingt nochmals sein, auch keine Steigeisen oder Seil, Helm und so weiter. Dieses sportliche Element, an genau dem Tag volle Leistung mit Gipfelglück, kann man mögen, muss man aber nicht. Die weiten Wanderungen liegen mir weitaus mehr. Eine Gruppentour ist gut, um es zu probieren.
- Die eigentliche Route war gut, aber leider für meinen Geschmack mit zu vielen Straßen, Hochspannungsmasten, Tunnel, Restaurants und Lärm gesegnet. Wer sicher in den Bergen unterwegs sein möchte, ist dennoch gut dort aufgehoben. Die Tour war nie ausgesetzt oder bedenklich.
Was bleibt von Gruppenreisen?
- Dies war meine letzte Reise mit (geführten) Gruppen. Zuvor schon leicht skeptisch, habe ich es nochmals gemacht, weil unsere Tochter dabei war. Allein mit ihr bei schlechtem Wetter in der Höhe zu sein, schien mir zu riskant. Diese Entscheidung war okay. Wir konnten die Reise genießen, weil wir uns nicht um Gefahren, Abschätzungen, Gewitter etc. kümmern mussten. Wer Alpen-Profi ist, wird lächeln. Für mich war das der Hauptgrund der Buchung: Bring das Kind wieder heil nach Hause.
- Sehr gut war auch die Organisation. Diese Route selbst vorzubereiten erfordert einiges an Aufwand. Das Ineinandergreifen von Busverbindungen, Seilbahnen, Taxidiensten, Steigeisen, Bergführern und so weiter überlässt man gerne dem Experten.
- Ich habe keine (wirklich keine einzige) geführte Gruppenwanderung erlebt, bei der die Route nicht noch unterwegs geändert wurde (bis auf eine Ausnahme wurde sie leichter gemacht, teilweise viel leichter). Gründe waren meist das Wetter oder andere Hindernisse. Wenn man also eine solche Route bucht und bspw. Vorfreude auf den Valugagrat hat, dann sollte man damit leben können, dass der Bergführer die Letztentscheidung trifft, auch wenn man sich selbst die Route an dem Tag zutraut. Das hört sich logisch an, kann aber zu erheblichen Frustrationen führen.
- Okay, die Hüttenkultur. Ist es mit der Gruppe anders in der Hütte, als wenn man allein wandert? Einige lieben die Hüttenkultur der Alpen (deshalb sind ja so viele Menschen dort), ich eher nicht. Sich dem zu entziehen, fällt als Gruppenwanderer noch schwerer als wenn man allein wandert. Die Bergführer hinterlassen teilweise den Eindruck, dass sie Vergünstigungen bekommen, wenn sie mit ihrer verzehrfreudigen Gruppe einfallen. Kann sein, dass das nun mal Teil der Spielregel ist, auf jeden Fall wird wirklich jede Hütte angesteuert. Daher wird auch klar, wofür die vielen Straßen und Seilbahnen sind. Irgendwie müssen die Menüs ja dort hinauf geschafft werden.
Mein Bericht ist sicher voreingenommen, möglichweise auch zu kritisch. Um den Bogen zu schließen, könnte man neugierigen Gruppenneulingen beinahe empfehlen, als Erstling den E-5 Oberstdorf-Meran in der Gruppe zu laufen. Das war wirklich anders. Ganz anders. So anders, dass es schon wieder klasse war.
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