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4 Tage Weserradweg
Nachdem wir schon mal den Emsradweg gefahren sind (im August 2015) bot sich der Weserradweg als nächster Fluss an, wenn nun auch mit einer zeitlichen Lücke (2021). Von Hannoversch Münden bis Cuxhaven, 522 km: Es war klar, dass die gesamte Länge für mich in den zur Verfügung stehenden 4 Tagen nicht zu schaffen war.
Um nach Hannoversch Münden zu kommen musste ich allein vier Züge nehmen, alles Nahverkehr, 3,5 Stunden Fahrzeit, und das Wunder passierte: Alle Züge waren mehr oder weniger pünktlich, alle Bahnsteigaufzüge funktionierten. Im Internet konnte ich allerdings kein Ticket für das Rad kaufen und löste es nach mit der freundlichen Hilfe des Schaffners („Nehmen Sie das Tagesticket DB, das passt“).
Hannoversch Münden dann erstaunlich viele Berge (für den Norden), enge Täler, viel Fachwerk. Und kein Schild für das Foto, um den Beginn des Weserradwegs zu knipsen. Vielleicht gibt es irgendwo dieses Schild, aber nicht am Bahnhof. Irgendwie holperte ich über Brücken und an vierspurigen Straßen entlang, verfuhr mich, es begann heftigst zu regnen. Kein toller Start. Irgendwann dann neben mir ein Fluss, offenbar die Weser, immerhin schon so breit, dass Paddelboote auf ihr treiben konnten.
Die ersten 20 Kilometer eher durchwachsen, es geht immer an einer Landstraße entlang, zwar auf einem Radweg, aber wenig erhebend. Am Horizont bauen sich immer neue Wolken auf, es ist kalt, der Wind in den engen Biegungen des Flusses böig. Und es geht nicht schön bergab, wie gehofft, sondern immer 20 Höhenmeter hinauf, dann wieder hinab. Der Weg ist irgendwie wellig, führt zur Straße hinauf, dann wieder hinab zu einem Feld. Das strengt an.

Ich hatte zwar das E-Bike, den Schalter jedoch auf kleinste Stellung, denn ich wollte nun doch 100 km schaffen pro Tag. Interessant, dass diese kleinen Steigungen den Akku weitaus schneller leer saugen als Gegenwind. Bei Gegenwind (den ich am dritten Tag zur Genüge hatte), fährt man einfach langsamer, aber die Steigung muss man mit Kraft hinauf treten (oder absteigen, was ich auch tat. Eine Steigung hatte 25%).
Es war absolut nichts los auf dem Weg. Ein paar Tagesradler, aber insgesamt sah ich bis zur Nordsee exakt 5 Personen mit Packtaschen. Teilweise ging es kilometerweit geradeaus und niemand vor mir oder hinter mir.
Die ersten 50 km in den gewundenen Tälern sind für viele Radler sicher schön, mir gefiel es ab Beverungen besser (km 55). Das Tal weitet sich etwas, die Berge werden flacher, man kann etwas den Blick schweifen lassen. Überall Rapsfelder in vollem Gelb und intensivem Duft. Und immer wieder dicke Regenschauern.
Überraschend für mich, dass es zwar immer mal Unterstände gibt (in denen teilweise das Gras kniehoch stand, und das in der Zeckensaison), aber wenig überraschend, dass die Unterstände immer zum falschen Zeitpunkt kamen. Und keine öffentlichen Toiletten. Deutschland ist das Land ohne öffentliche Toiletten. Reichlich gibt es Ausflugslokale, alle Corona-geschlossen. Auch Supermärkte, Bäckereien und so weiter eher rar gesät. Die Suche nach Proviant und einem Kaffee war nicht wirklich schwierig, aber die kleinen Ortschaften haben kaum noch Infrastruktur.

Ab 18:00 Uhr habe ich immer Ausschau gehalten nach einem Campingplatz. Da zeigte der Akku auch nur noch den letzten Balken. Nach 110 km auf dem Weserradweg kam ein Camping bei Rühle (Camping Rühler Schweiz). Ich konnte nachweisen, dass ich in Niedersachsen wohnte, hatte einen Corona-Testbericht und mein Akku wurde in der Rezeption über Nacht geladen. Im strömenden Regen baute ich das Zelt auf, beobachtet von den Nachbarn in den Vorzelten sitzend, legte mich hinein und wusste nicht recht, ob der erste Tag nun ein Erfolg ist oder nicht. Ich entschied mich, dass alles gut gelaufen sei. Duschen, in den Schlafsack, lesen und gute Nacht.

Am nächsten Morgen dichter Nebel. Die Nacht war kalt gewesen (ich hatte Pullover und Jogginghose gegen 1 Uhr nachrüsten müssen. 4 Grad Außentemperatur und ich im Mountain Equipment Classic 500, Komforttemperatur angeblich 0 Grad) und nun war alles richtig nass, nicht nur die Packtaschen im Zelt, sondern wirklich alles. Schneller Aufbruch mit Handschuhen und Mütze.
Und der Wind frischte auf, blöderweise aus West. Auf der Karte ist zu sehen, dass die Weser bis Porta Westfalica einen ziemlich Bogen nach Westen macht. Gegenwind ist nicht nur quälend, sondern auch laut. Immerhin blieb es weitgehend trocken, nur wenige Schauern diesmal. Die Landschaft weitete sich, Holzminden, Hameln, Hessisch Oldendorf, alles Orte, die ich zuvor überhaupt nicht einordnen konnte. Ein Atomkraftwerk am anderen Ufer (mir fiel erstmals auf, dass alle Atomkraftwerke in Deutschland entlang der Flüsse platziert waren: Ems, Rhein, Weser, Elbe, Donau), aber keine E-Bike Ladestation. In das Welterbe Corvey darf man nicht mit dem Rad hinein fahren, verboten. Okay, auch diese Kirche nicht besuchen.
Treten, treten, treten. Mehr war nicht. Freihändig fahren ging nicht (der Lenker schlug sofort), Handy immer mal in der rechten Hand für die Navigation (der Weg ist gut ausgeschildert, aber nicht sehr gut). Die Wege eher öde, fand ich. Rund 90% Asphalt, was gut ist, aber eben schnurgerade Wirtschaftswege durch Rapsfelder. Die Weser konnte man immer mal sehen, aber meist ging es kreuz und quer im rech-ten Winkel durch Felder, der Wind penetrant von vorne.
Porta Westfalica kannte ich schon von oben und sah nun den Kaiser auch mal von unten von der Weser-brücke.
Wenige Kilometer bis Minden und bis zur Küste bleibt es nun flach. Zu meiner Überraschung in Minden ein Schiffshebewerk. Schiffe aus dem Norden kommend (auf der Weser) werden in den Mittellandkanal gehoben (natürlich in einer Schleuse, nicht mit einem Kran). Foto im Regen, viel Stahl und schönes Klonk-klonk-klonk der Schiffsdiesel. Die Weser schien mir auch hinter Minden nicht wirklich breit, aber ab nun kurbelten richtige Frachtschiffe durch die Bögen, wenn auch nicht viele.

In Petershagen dann die Mutter aller Regengüsse, den ich erfreulich unter dem Vordach einer Bäckerei verbringen konnte. Die Apfeltaschen waren DLG-prämiert, wie ein Schild sagte und der Kaffee sehr gut. Auf meinen Hinweis „wenig Steckdosen für E-Bikes hier in der Gegend“ ging die Verkäuferin leider nicht näher ein.
Das tat dann aber ein Landwirt, den ich beim nächsten Schauer fragte, ob ich mich in seiner Scheune unterstellen dürfte. Er bot mir sofort seine Steckdose an, vor uns kam ein Unwetter runter mit Blitz und Donner (er schickte die drei Kinder lieber ins Haus, nachdem wir zuvor in der Scheune auf die Torwand geschossen hatten). Wir unterhielten uns über die Dürre 2018-2019, den Rapsanbau (er holte eine Tüte mit Rapskugeln, sehr guter Ertrag dieses Jahr), die Baustoffknappheit (keine Festpreise mehr für Dach-stühle, außerdem Wartezeit), Schule (sein Kleinster war in der ersten Klasse) und Internet (er hat 1MBit/Sek. Leistung). Nach einer Stunde fuhr ich weiter, ich vermute, der Bauer wollte auch bald zum Abendessen.
Ich wurde dann richtig nass. Es schüttete weiter aus Kübeln, dazu Wind. Ich kam an diesem zweiten Tag bis zum Camping in Stolzenau (244 km ab dem Start), wo der Regen auch aufhörte. Der Campingwart war nur über Telefon zu erreichen, ich legte Coronatestbericht und Geld in der Rezeption ab und stieg in mein Zelt. Irgendwann kam der Campingwart noch, aber da war ich schon im Schlafsack. Übrigens ein toller Platz, sehr zu empfehlen.

Nachts schrie erst ein Käuzchen über Stunden hinweg, dann läuteten die Kirchenglocken alle Viertel-stunde und es kreiste irgendwo ein Hubschrauber. Aber am nächsten Morgen schien die Sonne. Zwar nicht auf mein Zelt, aber die Weiterfahrt war schon angenehmer ohne Regen. Die Landschaft nun flach, viele Kieswerke, Hecken neben dem Weg, weiter viel Raps, keine Fachwerkhäuser mehr, sondern roter Backstein, riesige Trecker. Einige Dörfer sehr hübsch und wie aus der Zeit gefallen, andere erschreckend herunter gewirtschaftet.
Sehr nett ist Nienburg an der Weser. Ich musste einen neuen Corona-Test machen lassen (problemlos im Testcenter), brauchte Kettenfett, da mein Kette nach dem Regen quietschte (super freundlicher Rad-laden am Rathaus, wo mir der Mann mit etwas Fett aushalf. Er betrachtete mein Rad nachdenklich, schaute eine Spur zu lange auf meine Leinentaschenkonstruktion für zwei Wasserflaschen am Lenker und war überrascht, dass ich Campingausstattung dabei hatte). Und Bäckereien mit Kaffee gab es auch. Nienburg war der Ort, der mir wohl am besten auf der gesamten Route gefallen hat.
Hinter dem Ort dann aber mal wieder eine kleine Fähre, bei der keine Fährfrau oder Fährmann weit und breit zu sehen war. Eine Stunde Mittagspause, sagte das Schild. Das hieß Umweg fahren zur nächsten Autobrücke. Ich habe keine einzige Fähre benutzt, schade, aber im Sommer sind sie eventuell regelhafter in Betrieb.
In Hoya dann ein Supermarkt direkt an der Route, und davor der Hähnchenprinz (heißt wirklich so), der aus seiner Bude heraus Pommes verkaufte. Meine erste und letzte warme Mahlzeit auf der Route.
Die Weser wendet sich wieder nach Westen, und am dritten Tag frischte der Wind merklich auf. Schade. Das war teilweise wirklich anstrengend gegen den Wind zu treten. In einer Pause kalkulierte ich durch, dass ich an dem Abend noch bis Bremen kommen würde, den nächsten (meinen letzten verfügbaren) Tag dann allerdings zwischen Bremen und Bremerhaven radeln würde, was wir teilweise schon kannten und mir weniger interessant schien als die letzten Kilometer am Meer entlang nach Cuxhaven.
Also nahm ich am Stadtrand von Bremen eine S-Bahn (das Rad drei Treppen hinauf schleppen mit Gepäck, Danke, liebe Bundesbahn) nach Bremerhaven, wo ich mir schnell ein Hotel buchte über booking. Einen Camping gab es dort nicht in der Stadt. Ich landete im B&B Hotel, direkt am Auswanderermuseum, sogar mit einem Radkäfig, ein sehr freundliches Hotel. Im Zimmer baute ich das Zelt zum Trocknen auf, etwas hohe Luftfeuchtigkeit, zum Glück sprang der Rauchmelder nicht an. Und abends Licht! Ich las, bis mir die Augen zufielen.
Der letzte Tag startete mit Sturm und Regen. Es ging durch den Hafen von Bremerhaven, da ist viel Luxus gebaut worden, todschick alles, dann der Industriehafen, wo offenbar Millionen von Autos ver-schifft werden. Unglaublich. Auch dutzende Airstream-Wohnwagen, alte Bundeswehrfahrzeuge, Mähdrescher, alles kommt aufs Schiff (oder vom Schiff), dazu natürlich irre Mengen von Neuwagen. Neben Nienburg der interessanteste Teil des Weserradweges!

An der Küste sieht man nicht viel vom Wasser, meist geht der offizielle Weg innen am Deich entlang. Und der Wind hatte für den letzten Tag sehr schön perfekt auf Südwest gedreht und nochmals erfreulich aufgefrischt. Die letzten 60 km waren so einfach zu fahren, dass ich mittags schon in Cuxhaven war.
Was für ein Wechsel der Landschaften, von Fachwerk und Bergen hin zu Kite-Surfern und Wattenmeer. Cuxhaven sicher eine nette Stadt (auch Hochhausblocks mit Meerblick), aber der Witz ist, dass die letzten Meter des Weserradwegs für Räder gesperrt sind. Zu der Kugelbarke auf der Landspitze darf man nicht, um das Abschlussbild zu machen. Konsequenterweise gibt es auch kein Schild, dass der Weserradweg dort endet (der Elberadweg endet dort wohl auch, was mich irgendwie verwirrte).
Insgesamt bin ich die ersten 370 km des Weserradweges gefahren, dann die Lücke der S-Bahnfahrt nach Bremerhaven (Kilometer 470, also 100 km übersprungen), und am Ende nochmals die 50 Kilometer bis Cuxhaven. Wenn man es ganz genau nehmen will, bin ich noch weiter zum Bahnhof in Cuxhaven gera-delt (10 km) und daheim zum und vom Bahnhof. Rund 440 km in vier Tagen. Und insgesamt acht Züge. Mir tat der Hintern semi weh, etwas gespürt habe ich die Knie.
Fazit:
Nachdem wir schon mal den Emsradweg gefahren sind (im August 2015) bot sich der Weserradweg als nächster Fluss an, wenn nun auch mit einer zeitlichen Lücke (2021). Von Hannoversch Münden bis Cuxhaven, 522 km: Es war klar, dass die gesamte Länge für mich in den zur Verfügung stehenden 4 Tagen nicht zu schaffen war.
Um nach Hannoversch Münden zu kommen musste ich allein vier Züge nehmen, alles Nahverkehr, 3,5 Stunden Fahrzeit, und das Wunder passierte: Alle Züge waren mehr oder weniger pünktlich, alle Bahnsteigaufzüge funktionierten. Im Internet konnte ich allerdings kein Ticket für das Rad kaufen und löste es nach mit der freundlichen Hilfe des Schaffners („Nehmen Sie das Tagesticket DB, das passt“).
Hannoversch Münden dann erstaunlich viele Berge (für den Norden), enge Täler, viel Fachwerk. Und kein Schild für das Foto, um den Beginn des Weserradwegs zu knipsen. Vielleicht gibt es irgendwo dieses Schild, aber nicht am Bahnhof. Irgendwie holperte ich über Brücken und an vierspurigen Straßen entlang, verfuhr mich, es begann heftigst zu regnen. Kein toller Start. Irgendwann dann neben mir ein Fluss, offenbar die Weser, immerhin schon so breit, dass Paddelboote auf ihr treiben konnten.
Die ersten 20 Kilometer eher durchwachsen, es geht immer an einer Landstraße entlang, zwar auf einem Radweg, aber wenig erhebend. Am Horizont bauen sich immer neue Wolken auf, es ist kalt, der Wind in den engen Biegungen des Flusses böig. Und es geht nicht schön bergab, wie gehofft, sondern immer 20 Höhenmeter hinauf, dann wieder hinab. Der Weg ist irgendwie wellig, führt zur Straße hinauf, dann wieder hinab zu einem Feld. Das strengt an.
Ich hatte zwar das E-Bike, den Schalter jedoch auf kleinste Stellung, denn ich wollte nun doch 100 km schaffen pro Tag. Interessant, dass diese kleinen Steigungen den Akku weitaus schneller leer saugen als Gegenwind. Bei Gegenwind (den ich am dritten Tag zur Genüge hatte), fährt man einfach langsamer, aber die Steigung muss man mit Kraft hinauf treten (oder absteigen, was ich auch tat. Eine Steigung hatte 25%).
Es war absolut nichts los auf dem Weg. Ein paar Tagesradler, aber insgesamt sah ich bis zur Nordsee exakt 5 Personen mit Packtaschen. Teilweise ging es kilometerweit geradeaus und niemand vor mir oder hinter mir.
Die ersten 50 km in den gewundenen Tälern sind für viele Radler sicher schön, mir gefiel es ab Beverungen besser (km 55). Das Tal weitet sich etwas, die Berge werden flacher, man kann etwas den Blick schweifen lassen. Überall Rapsfelder in vollem Gelb und intensivem Duft. Und immer wieder dicke Regenschauern.
Überraschend für mich, dass es zwar immer mal Unterstände gibt (in denen teilweise das Gras kniehoch stand, und das in der Zeckensaison), aber wenig überraschend, dass die Unterstände immer zum falschen Zeitpunkt kamen. Und keine öffentlichen Toiletten. Deutschland ist das Land ohne öffentliche Toiletten. Reichlich gibt es Ausflugslokale, alle Corona-geschlossen. Auch Supermärkte, Bäckereien und so weiter eher rar gesät. Die Suche nach Proviant und einem Kaffee war nicht wirklich schwierig, aber die kleinen Ortschaften haben kaum noch Infrastruktur.
Ab 18:00 Uhr habe ich immer Ausschau gehalten nach einem Campingplatz. Da zeigte der Akku auch nur noch den letzten Balken. Nach 110 km auf dem Weserradweg kam ein Camping bei Rühle (Camping Rühler Schweiz). Ich konnte nachweisen, dass ich in Niedersachsen wohnte, hatte einen Corona-Testbericht und mein Akku wurde in der Rezeption über Nacht geladen. Im strömenden Regen baute ich das Zelt auf, beobachtet von den Nachbarn in den Vorzelten sitzend, legte mich hinein und wusste nicht recht, ob der erste Tag nun ein Erfolg ist oder nicht. Ich entschied mich, dass alles gut gelaufen sei. Duschen, in den Schlafsack, lesen und gute Nacht.
Am nächsten Morgen dichter Nebel. Die Nacht war kalt gewesen (ich hatte Pullover und Jogginghose gegen 1 Uhr nachrüsten müssen. 4 Grad Außentemperatur und ich im Mountain Equipment Classic 500, Komforttemperatur angeblich 0 Grad) und nun war alles richtig nass, nicht nur die Packtaschen im Zelt, sondern wirklich alles. Schneller Aufbruch mit Handschuhen und Mütze.
Und der Wind frischte auf, blöderweise aus West. Auf der Karte ist zu sehen, dass die Weser bis Porta Westfalica einen ziemlich Bogen nach Westen macht. Gegenwind ist nicht nur quälend, sondern auch laut. Immerhin blieb es weitgehend trocken, nur wenige Schauern diesmal. Die Landschaft weitete sich, Holzminden, Hameln, Hessisch Oldendorf, alles Orte, die ich zuvor überhaupt nicht einordnen konnte. Ein Atomkraftwerk am anderen Ufer (mir fiel erstmals auf, dass alle Atomkraftwerke in Deutschland entlang der Flüsse platziert waren: Ems, Rhein, Weser, Elbe, Donau), aber keine E-Bike Ladestation. In das Welterbe Corvey darf man nicht mit dem Rad hinein fahren, verboten. Okay, auch diese Kirche nicht besuchen.
Treten, treten, treten. Mehr war nicht. Freihändig fahren ging nicht (der Lenker schlug sofort), Handy immer mal in der rechten Hand für die Navigation (der Weg ist gut ausgeschildert, aber nicht sehr gut). Die Wege eher öde, fand ich. Rund 90% Asphalt, was gut ist, aber eben schnurgerade Wirtschaftswege durch Rapsfelder. Die Weser konnte man immer mal sehen, aber meist ging es kreuz und quer im rech-ten Winkel durch Felder, der Wind penetrant von vorne.
Porta Westfalica kannte ich schon von oben und sah nun den Kaiser auch mal von unten von der Weser-brücke.
Wenige Kilometer bis Minden und bis zur Küste bleibt es nun flach. Zu meiner Überraschung in Minden ein Schiffshebewerk. Schiffe aus dem Norden kommend (auf der Weser) werden in den Mittellandkanal gehoben (natürlich in einer Schleuse, nicht mit einem Kran). Foto im Regen, viel Stahl und schönes Klonk-klonk-klonk der Schiffsdiesel. Die Weser schien mir auch hinter Minden nicht wirklich breit, aber ab nun kurbelten richtige Frachtschiffe durch die Bögen, wenn auch nicht viele.
In Petershagen dann die Mutter aller Regengüsse, den ich erfreulich unter dem Vordach einer Bäckerei verbringen konnte. Die Apfeltaschen waren DLG-prämiert, wie ein Schild sagte und der Kaffee sehr gut. Auf meinen Hinweis „wenig Steckdosen für E-Bikes hier in der Gegend“ ging die Verkäuferin leider nicht näher ein.
Das tat dann aber ein Landwirt, den ich beim nächsten Schauer fragte, ob ich mich in seiner Scheune unterstellen dürfte. Er bot mir sofort seine Steckdose an, vor uns kam ein Unwetter runter mit Blitz und Donner (er schickte die drei Kinder lieber ins Haus, nachdem wir zuvor in der Scheune auf die Torwand geschossen hatten). Wir unterhielten uns über die Dürre 2018-2019, den Rapsanbau (er holte eine Tüte mit Rapskugeln, sehr guter Ertrag dieses Jahr), die Baustoffknappheit (keine Festpreise mehr für Dach-stühle, außerdem Wartezeit), Schule (sein Kleinster war in der ersten Klasse) und Internet (er hat 1MBit/Sek. Leistung). Nach einer Stunde fuhr ich weiter, ich vermute, der Bauer wollte auch bald zum Abendessen.
Ich wurde dann richtig nass. Es schüttete weiter aus Kübeln, dazu Wind. Ich kam an diesem zweiten Tag bis zum Camping in Stolzenau (244 km ab dem Start), wo der Regen auch aufhörte. Der Campingwart war nur über Telefon zu erreichen, ich legte Coronatestbericht und Geld in der Rezeption ab und stieg in mein Zelt. Irgendwann kam der Campingwart noch, aber da war ich schon im Schlafsack. Übrigens ein toller Platz, sehr zu empfehlen.
Nachts schrie erst ein Käuzchen über Stunden hinweg, dann läuteten die Kirchenglocken alle Viertel-stunde und es kreiste irgendwo ein Hubschrauber. Aber am nächsten Morgen schien die Sonne. Zwar nicht auf mein Zelt, aber die Weiterfahrt war schon angenehmer ohne Regen. Die Landschaft nun flach, viele Kieswerke, Hecken neben dem Weg, weiter viel Raps, keine Fachwerkhäuser mehr, sondern roter Backstein, riesige Trecker. Einige Dörfer sehr hübsch und wie aus der Zeit gefallen, andere erschreckend herunter gewirtschaftet.
Sehr nett ist Nienburg an der Weser. Ich musste einen neuen Corona-Test machen lassen (problemlos im Testcenter), brauchte Kettenfett, da mein Kette nach dem Regen quietschte (super freundlicher Rad-laden am Rathaus, wo mir der Mann mit etwas Fett aushalf. Er betrachtete mein Rad nachdenklich, schaute eine Spur zu lange auf meine Leinentaschenkonstruktion für zwei Wasserflaschen am Lenker und war überrascht, dass ich Campingausstattung dabei hatte). Und Bäckereien mit Kaffee gab es auch. Nienburg war der Ort, der mir wohl am besten auf der gesamten Route gefallen hat.
Hinter dem Ort dann aber mal wieder eine kleine Fähre, bei der keine Fährfrau oder Fährmann weit und breit zu sehen war. Eine Stunde Mittagspause, sagte das Schild. Das hieß Umweg fahren zur nächsten Autobrücke. Ich habe keine einzige Fähre benutzt, schade, aber im Sommer sind sie eventuell regelhafter in Betrieb.
In Hoya dann ein Supermarkt direkt an der Route, und davor der Hähnchenprinz (heißt wirklich so), der aus seiner Bude heraus Pommes verkaufte. Meine erste und letzte warme Mahlzeit auf der Route.
Die Weser wendet sich wieder nach Westen, und am dritten Tag frischte der Wind merklich auf. Schade. Das war teilweise wirklich anstrengend gegen den Wind zu treten. In einer Pause kalkulierte ich durch, dass ich an dem Abend noch bis Bremen kommen würde, den nächsten (meinen letzten verfügbaren) Tag dann allerdings zwischen Bremen und Bremerhaven radeln würde, was wir teilweise schon kannten und mir weniger interessant schien als die letzten Kilometer am Meer entlang nach Cuxhaven.
Also nahm ich am Stadtrand von Bremen eine S-Bahn (das Rad drei Treppen hinauf schleppen mit Gepäck, Danke, liebe Bundesbahn) nach Bremerhaven, wo ich mir schnell ein Hotel buchte über booking. Einen Camping gab es dort nicht in der Stadt. Ich landete im B&B Hotel, direkt am Auswanderermuseum, sogar mit einem Radkäfig, ein sehr freundliches Hotel. Im Zimmer baute ich das Zelt zum Trocknen auf, etwas hohe Luftfeuchtigkeit, zum Glück sprang der Rauchmelder nicht an. Und abends Licht! Ich las, bis mir die Augen zufielen.
Der letzte Tag startete mit Sturm und Regen. Es ging durch den Hafen von Bremerhaven, da ist viel Luxus gebaut worden, todschick alles, dann der Industriehafen, wo offenbar Millionen von Autos ver-schifft werden. Unglaublich. Auch dutzende Airstream-Wohnwagen, alte Bundeswehrfahrzeuge, Mähdrescher, alles kommt aufs Schiff (oder vom Schiff), dazu natürlich irre Mengen von Neuwagen. Neben Nienburg der interessanteste Teil des Weserradweges!
An der Küste sieht man nicht viel vom Wasser, meist geht der offizielle Weg innen am Deich entlang. Und der Wind hatte für den letzten Tag sehr schön perfekt auf Südwest gedreht und nochmals erfreulich aufgefrischt. Die letzten 60 km waren so einfach zu fahren, dass ich mittags schon in Cuxhaven war.
Was für ein Wechsel der Landschaften, von Fachwerk und Bergen hin zu Kite-Surfern und Wattenmeer. Cuxhaven sicher eine nette Stadt (auch Hochhausblocks mit Meerblick), aber der Witz ist, dass die letzten Meter des Weserradwegs für Räder gesperrt sind. Zu der Kugelbarke auf der Landspitze darf man nicht, um das Abschlussbild zu machen. Konsequenterweise gibt es auch kein Schild, dass der Weserradweg dort endet (der Elberadweg endet dort wohl auch, was mich irgendwie verwirrte).
Insgesamt bin ich die ersten 370 km des Weserradweges gefahren, dann die Lücke der S-Bahnfahrt nach Bremerhaven (Kilometer 470, also 100 km übersprungen), und am Ende nochmals die 50 Kilometer bis Cuxhaven. Wenn man es ganz genau nehmen will, bin ich noch weiter zum Bahnhof in Cuxhaven gera-delt (10 km) und daheim zum und vom Bahnhof. Rund 440 km in vier Tagen. Und insgesamt acht Züge. Mir tat der Hintern semi weh, etwas gespürt habe ich die Knie.
Fazit:
- Kleines Gepäck ist gut für 4 Tage. Ich hatte das Zelt in einer kleinen Rolle auf dem Gepäckträ-ger, den Schlafsack in einer Packtasche und einen Ersatzpullover und Jogginghose in der ande-ren Packtasche. Regensachen und Kleinkram im Rucksack. Kein Werkzeug, keine Luftpumpe. Im Notfall hätte ich zuhause anrufen müssen.
- Und E-Bike ist okay. Der Akku (400er Bosch) hielt immer bis abends, war dann aber auch leer. Sehr steile (kurze) Steigungen habe ich geschoben, da sie irre viel Strom kosten. Meist habe ich so getreten, dass ein Balken Strom benötigt wird. Bei Gegenwind etwas mehr. Am letzten Tag mit gigantischem Rückenwind war der Akku selbst nach 60 Kilometern natürlich noch voll. Ge-stört hat mich, dass man mit E-Bike schon etwas die Etappenlänge planen muss und nicht so fährt, wie es passt. Auch dass es kaum Ladestellen gibt auf einem bekannten Radweg, fand ich blöd (ich habe zwei gesehen, dazu eine Steckdose in einer Toilette eines Schlosshofes, die ei-gentlich für den Heizlüfter im Winter gedacht war). Aber unterwegs nachzuladen ist eigentlich auch zu zeitintensiv. Eine Stunde Laden bringt nahezu nichts. Immerhin: Ohne E-Bike hätte ich die Etappen wohl nicht geschafft, zumindest nicht auf diesem Rad.
- Camping war überraschend gut. Ich hatte mir bei Amazon eine Billig-Ausrüstung gekauft (Zelt 110 Euro von Naturehike, 2 Kilo; aufblasbare Iso-Matte 40 Euro, 450 Gramm). Das war völlig okay. Das Fahren selbst war besser als befürchtet (ohne Füßlinge, die Socken haben derbe gerochen am Ende der Tour).
- Der Emsradweg hatte mir damals aber insgesamt besser gefallen als der Weserradweg (mehr Blicke auf den Fluss, mehr Abwechslung), aber das kann auch verklärt sein, da damals die Kinder dabei waren (und das Wetter besser). Insgesamt scheint der Weserradweg eine Möglichkeit, mal vier Tage die Gedanken kreisen zu lassen.
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