[DE] Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • changes

    Dauerbesucher
    • 01.08.2009
    • 981
    • Privat

    • Meine Reisen

    [DE] Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Einleitung:
    Wenn mir jemand anfang Mai 2012 gesagt hätte ich würde jemals "Wandern" gehen, ich hätte ihm nicht geglaubt.
    Ich habe am liebsten alle Wege per Rad gemacht, ein PKW ist eh nicht vorhanden. Für längere Distanzen kam auch der ÖPNV infrage ungerne legte ich noch so kleine Strecken zu Fuß zurück. Einzige Ausnahme Nordic Walking, da mir aufgrund der Stöcke dabei nicht die Schultern schmerzten.
    Dann die Verhängnisvolle ALDI Werbung mitte Mai. Städteführer(kleine Bücher) gab es und ich wollte HH und Berlin. Im Laden zeigte ich meinem Mann das Büchlein -Jakobsweg- "guck mal was hier auch bei ist". Seine Reaktion darauf, "nimm es doch mit, das möchtest du doch sowieso machen" (irgendwann hatte ich mal darüber gesprochen) war der Startschuss für die
    Vorbereitungen:
    ..denn noch im Laden fiel die Entscheidung. Kein Zeitpunkt wäre besser, Zeit war vorhanden und Geld für die nöch benötigte Ausrüstung auch. Irgendwie war für mich auch selbstverständlich das ich "Gehen" möchte und nicht Radeln.
    Nach einiger Recherche im net war für mich klar, ich fange "vor der Haustür" an. Denn Harsefeld ist nur ca 18km entfernt und dort geht die Via Baltica durch, welche im net als eine der Haupt-Jakobspilgerwege bezeichnet wird.
    Am 17. Juni hatte ich die Strecke/Tagesetappen bis Santiago de Compostela (ca 2800km) fertig ausgearbeitet und das Onlineformular Für den Pilgerausweis abgeschickt, welcher schon am 19.Juni bei mir ankam.

    Geplanter Start war der 22.Juni. Zwischendurch wurden Schuhe, Rucksack und Geeigneter Schlafsack besorgt und weiteres, was auf meiner Packliste noch fehlte. Ein kleiner Fehler beim "Einlaufen" sorgte für große Blasen an beiden Fersen, diese hatten aber den Vorteil ich konnte mich zuhause noch damit beschäftigen wie ich sie in den Griff bekomme (durch starker Neigung zu Blasen trage ich normal nur Schuhe wo die wahrscheinlichkeit gegen 0 ist welche zu bekommen). Dadurch musste ich mit fast ungetragenen Schuhen los.

    Da ich auch auf die Berichte einer Svantje soundso gestoßen bin, wußte ich daß mein Vorhaben möglich ist, die Strecke in einem zu bewältigen, als Zeitfenster hatte ich mir das Ziel Weihnachten wieder zu hause zu sein gesetzt. Im Verlauf der Internetrecherchen, bin ich auch auf das Buch von H.P. Kerkeling aufmerksam geworden und nach einer Leseprobe hatte ich mir vorgenommen, sollte ich unterwegs die Möglichkeit haben zu Lesen werde ich mir dieses Buch, so ich es günstig irgendwo bekomme kaufen.

    Daß einzige was mir Kopfzerbrechen bereitete war, meistens wurde von Tägl. ca 30€ geschrieben, ich konnte aber nur 10€ Kalkulieren. Da ich aber nicht einsah warum Pilgern nur für bessergestellte möglich sein soll, habe ich es drauf ankommen lassen. Überall war von Pilgerunterkünften, auch für D und F die Rede, daher habe ich auf ein Zelt o.ä. verzichtet.
    Im Vorfeld schon die Übernachtungen zu Planen kam nicht in Frage, da ich ja nie wirklich wusste wie weit ich am Tag schaffe und was der Tag so bringt. Pilgern heißt für mich offen zu sein für das, was passiert. Mit mir und auf dem Weg als solches.
    Je näher der Tag x auf mich zu rannte, desto unsicher wurde ich.
    "Was habe ich mir da nur eingebrockt. Ich werde längere Zeit FREIWILLIG von meinem Mann getrennt sein, auf die Hilfsbereitschaft Anderer angewiesen sein, versuchen mit dem Rauchen aufzuhören, ganz alleine in für mich fremde Regionen und Länder unterwegs sein und das ganze auch noch zu FUß!!! Soo viele meiner Grenzen die ich dazu überschreiten muss. Will ich das alles wirklich? Weiß ich nicht, werde ich unterwegs feststellen. Ich habe noch nie gekniffen also auch diesmal nicht. Ein Rückzug kam ab dem ersten, extra dafür ausgegebenen € aus Prinzip nicht mehr in Frage. Abbrechen kann ich jederzeit, wichtig ist das Losgehen."
    Alle in meiner Familie denen ich von meinem Vorhaben erzählte haben mich ermutigt. Nirgendwo habe ich negative Resonanz dazu bekommen, einige wären gerne mit gekommen.

    Am Vorabend habe ich in von einem hiesigen Pastor einen Reisesegen und meinen "Heimatstempel" bekommen und die Oberseite einer Jakobsmuschel, damit ich ab und zu an zuhause denke. Eine für mich sehr überraschende Geste.
    Wenige Tage vorher hatte ich mir eine kleine Muschelhälfte für als Kettenanhänger besorgt, neben dem Pilgerausweis das für mich zweitwichtigste Utensil.

    Mit einem Rucksackgewicht von ca 13Kg (ohne Wasser/Verpflegung etwas weniger als 8,5kg) und meinen Walking Stöcken, weil ohne geht ja nicht, bin ich dann tatsächlich los.
    Der weitere "Reisebericht" besteht hauptsächlich aus Tagebucheinträgen und dem was mir in Erinnerung geblieben ist. Fotos habe ich nur sehr wenige gemacht und diese auch nur mit dem Handy und überwiegend den Jakobsweg betreffend.

    Begleitet hat mich ein Spruch, auf den ich im Zuge meiner Vorbereitungen gestoßen bin:
    "Gehe los, als der der du bist - Komme an, als der der du sein willst."

    Zuletzt geändert von changes; 23.02.2013, 17:46.
    Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
    Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

  • changes

    Dauerbesucher
    • 01.08.2009
    • 981
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    Mein Jakobsweg 2012 - Woche 1

    Wie weit die Füsse tragen.....
    ..... das Werde ich in den nächsten Tagen, Wochen, vielleicht Monaten erleben.

    Heute, Tag 3, den 24.Juni
    habe ich endlich die Muße etwas zu schreiben.
    Es ist Sonntag, 8:00 Uhr und ich habe bis zum Gottesdienst noch Zeit (Nachtrag: Da dieser erst um 12:30 gewesen wäre, hatte ich dann doch nicht so lange gewartet)

    Aber nun, Gedanklich mal 2 Tage zurück.....

    Am Freitag dem 22.06. hat mein Schatz, (Der beste Mann den ich mir wünschen könnte) mich nach Harsefeld begleitet, wo ich mir meinen ersten "richtigen" Pilgerstempel abgeholt habe. Um 11:30 Uhr hiess es dann Abschied nehmen, für einen ungewissen Zeitraum.
    An meiner ersten Kreuzung fielen mir auch sofort die "Pilgerweg"Markierungen auf, denen ich von jetzt an folgen sollte oder genau dieses wenigstens versuchen.
    Denn nach einigen km habe ich erstmal keine mehr erspäht, weder die Gelbe Muschel auf blauem Grund noch die gelben Pfeile.
    Zum Glück habe ich (als einzige Hinweise) eine Liste mit allen Orten an denen ich vorbei komme bzw. welche ich durchquere. So hielt ich mich in die richtige Richung und fand nach einem netten Gespräch "meinen Weg" wieder.
    Der erste Tag endete dann in Heeslingen, wo ich total erschöpft nach ca 20km an kam. Von der eigentlich schönen, sommerlichen Landschaft habe ich nicht wirklich viel geniessen können.
    Ich vermisste meinen Mann, mir tat fast alles weh und ich habe mich (nicht zum ersten Mal an diesem Tag ) gefragt: "warum mache ich das?"
    Als ich im Gemeindehaus nach Wasser und wegen schlafen fragte, ging dies kaum ohne das ich anfing zu schluchtzen. Während ich auf die Pfarrleute wartete, habe ich mir Zigaretten besorgt. Zwar blöd aber ich brauchte was um mich "festzuhalten".
    Im Pfarrhaus wurde ich sehr herzlich aufgenommen und habe früh und lange im Gästezimmer geschlafen.

    23.06. Tag/Etappe 2,
    Nach einem starken Kaffee (das angebotene Frühstück lehnte ich ab) machte ich mich gegen kurz nach 9 Uhr wieder auf den Weg.
    Wieder habe ich einige Markierungen nicht gefunden, daher bin ich einen Umweg nach Zeven gelaufen. Von dort war der Weg wieder recht gut gekennzeichnet, so daß ich mich nur noch 1x zwischen Oldendorf und Winkeldorf verlaufen habe da an einer Kreuzung das links Abbiegen nicht gekennzeichnet war. Der erfragte Weg richtung Winkeldorf brachte mich allerdings schnell wieder auf den "Pilgerpfad" zurück.
    Noch ca 10km bis Otterstedt(die nächste Übernachtungsmöglichkeit)und ich war davon überzeugt, das nicht zu schaffen. Mir schmerzte schon wieder alles.
    Noch 4 km und ich schlich nur noch vor mich hin.
    In Nathauen verließ ich den Jakobsweg um die kürzeste Strecke nach Otterstedt zu nehmen ca 2-3km. Eine richtige Entscheidung wie sich zeigte, denn der Pilgerweg führt in einem Bogen um den Ort herum und nicht hindurch obwohl es eine Pilgerherberge gibt. Landschaftlich erinnere ich nur, es gab viel Wald gegenüber mehr Felder am Vortag.
    Meine Füße wollten nicht mehr, jeder Schritt war Überredung. Irgendwann zwischen 18 und 20 uhr (genau weiß ich es nicht) kam ich am Pfarrhaus an und wurde wieder sehr herzlich aufgenommen, diesmal im Gemeindehaus einquartiert, welches Schlafmöglichkeit für mehrere Pilger gleichzeitig hat(Gästeklappbett/Gästebetten Aufgeblasen). Die angebotene Schüssel + Handtuch zum Füßebaden musste ich leider ob meiner gut verpflasterten Fersen ablehnen. Ich wurde noch zum Essen eingeladen, Grillen im angrenzenden Garten und habe mir vor dem Schlafen ein heimatliches Telefonat gegönnt.
    Es wurde leider eine unruhige Nacht, denn trotz Autan nervte mich eine Mücke, jedesmal wenn ich kurz vor dem Einschlafen war.

    24.6. Tag/Etappe 3,
    Es hat sich im Laufe des Morgens eingeregnet und hörte den Rest des Tages auch nicht mehr auf. Irgenwann nach Aufschreiben der ersten beiden Tage und 2 Tassen Kaffee (Küchenbenutzung möglich) bin ich aufgebrochen.
    Leider war ich trotz Poncho irgendwann durchnässt. Ob Kondens oder der Regen welcher seitlich durch die Knopfleisten konnte weiß ich nicht, auch schlug der Wind den Poncho mehrmals über den Rucksack auf die andere Seite. Jedenfalls habe ich es nicht gewagt draußen eine Pause zu machen.
    Im vorbeigehen konnte ich einem Bagger zuschauen wie hier in der Gegend die Wassergräben von Gestrüpp befreit werden. Ich wusste vorher nicht, daß es extra dafür eine besondere Schaufel gibt.
    Bei Kampe habe ich mich wieder verlaufen, da mitten zwischen Wiesen ohne Baum, Zaun oder Steine keine Markierungen gesetzt werden konnten (wie ich Tage später erfuhr) und so waren es bis Fischerhude geschätzte 10km für die ich ca 4 Std. gebraucht habe. Bis auf eine Galerie an einem Ende des Ortes wirkte alles wie ausgestorben. Den Pastor konnte ich nach einem Taufgottesdienst abfangen, so brauchte ich mich nicht zum Pfarrhaus durchzufragen. Er lud mich dann sogar zum Kaffetrinken bei der Taufgesellschaft ein nachdem ich mich im Jugendraum des Gemeindehauses der nassen Sachen entledigt hätte.
    So konnte ich nicht nur im trockenen Rasten, wonach ich eigentlich gefragt hatte, sondern nach einem späteren Abendbrot im Pfarrhaus, sogar in besagtem Jugendraum nächtigen als erster Pilger. Ich erfuhr während des Abendessens einiges dazu, wie die "moderne Wegführung" des Jakobswegs zustande kommt.

    25.6. Tag/Etappe 4 (Montag)
    Trotz erholsamen Schlaf schmerzt mein Körper an sämmtlichen Stellen (Schultern, Hüfte, Beine). Ich habe Heimweh und obwohl ich vor dem schlafen noch telefonierte, große Sehnsucht nach meinem Mann.
    Nach wieder nur 4 Stunden und beachtlichen ca 12 km beendete ich meine heutige Etappe gegen Mittag, komplett durchgeweicht in Borgfeld. Etwas mehr Erholung könnte meinem leidenden Körper bestimmt gut tun.
    Irgendwie versuche ich momentan nur im nächsten Ort mit Schlafmöglichkeit anzukommen, so daß ich bis jetzt nicht viel Muße hatte auf die Landschaft oder sonstiges außer dem Weg zu achten. Trotzdem ist mir der sich schlängelnde Weg dieser Etappe noch gut in Erinnerung. Optisch Luftlinie nur wie 1-2km scheinend schlängelt sich der Weideweg auf 5,5km durch die Borgfelder Wümme-Wiesen. Ich empfand diese Strecke bei Regenschauer und Windboeen schon als unangenehm, stellte sie mir bei Sonne und Hitze allerdings als noch unangenehmer vor. Kein Schatten und keine Bank auf der man hätte ausruhen können und jedesmal wenn man denkt man sei gleich im Ort, macht der Weg einen Bogen in entgegengesetzte Richtung. Wer plant solche Wege?
    Beinahe hätte ich mich kurz vor dem Tagesziel noch verlaufen, da ein sehr wichtiger Wegweiser ständig mutwillig entfernt wird. In Borgfeld wurde ich als erstes gefragt wie lange ich denn bleiben wollte (also man kann dort auch einen Ruhetag einlegen) und dann in einer Art Tagungsraum über dem Kindergarten untergebracht wo in einer Ecke eine Art Bett für 2 Personen aus Couch-Elementen zusammengeschoben war. Außerdem gibt es unten die Möglichkeit zu Duschen und die Kindergartenküche zu benutzen.
    Den rest des Tages nutzte ich zum Einkaufen und trocknen meiner Kleidung. Irgendwann bekam ich das Pilgerbuch in die Hand gedrückt worin ich am nächsten Tag auch einen Eintrag machte. Das habe ich mir dann so angewöhnt unterwegs, immer erst morgens in das Gästebuch zu schreiben, kurz vor los.

    26.6. Tag /Etappe 5 14km Pilgerweg, 9km zusätzlich.
    Auf nach Bremen, an einem endlich wieder fast trockenen Tag. Entlang der Wümme auf einem Deichweg, der sogar mind. eine einladende Schutzhütte hat wo ich mir die erste Pause gönne. Ab und zu kommt ein Radfahrer vorbei, das Wetter lockt scheinbar die Leute wieder raus. Nach einigen weiteren Km erreiche ich den Bürgerpark in Bremen wo ich mir am späten Vormittag die Frühstückspause gönne nach welcher es den einzigen kurzen Regenschauer des Tages gab. Kurz danach kommt der anstrengendste Teil des Tages.
    Mein Poncho ist eindeutig Rucksackungeeignet. Lose fliegt er drüber, wenn ich ihn per Gürtelart fixieren würde wäre er mir zu kurz. Außerdem reichen die Seiten oben nicht wie gedacht bis über die Ellenbeuge. Inzwischen ist geklärt ich kann ihn zurückschicken, also muß ich mir nun einen anderen holen. Im net bin ich über einen Bremer Shop gestolpert der Kraxenponchos hat. Dort lauf ich mal eben hin ......
    Ohje, leider hat sich mein mann bei der Wegbeschreibung verguckt und der Laden ist nicht mal eben um zwei Ecken wie er erst sagte, sondern gefühlt am anderen Ende der Stadt und zwar ca 2Std. überwiegend Bergauf. Dafür ging es auf dem Rückweg bergab und ich konnte etwas anders laufen und wäre etwas weiter richtung Dom ausgekommen als, nichtmal auf halber Strecke, ein Auto neben mir hielt und mich der Shopinhaber fragte ob er mich bis in die Stadt mitnehmen kann. Da ich mich ja nun nicht auf dem Jakobsweg direkt befand, und die entsprechenden Km sowieso schon gelaufen bin habe ich eingewilligt und brauchte dann nur noch den Weg vom Bahnhof zum Dom zu finden. Dabei machte ich zum ersten, leider nicht letzten Mal die Erfahrung, daß in größeren Städten unangenehm sparsam mit Jakobsweg-Wegweisern umgegangen wird. Als ich meinen Stempel holte erfuhr ich von der Jakobusfigur im Innenhof und nahm dessen Besichtigung zum Anlass mir eine Mittagspause zu gönnen.

    Gut daß ich noch in Erinnerung hatte in welche Richtung ich danach gehen musste, denn den nächsten Wegweiser sah ich erst an der soundsovielten Kreuzung. Es ging nun ein Stück auf der Werderinsel (keine Ahnung ob sie so heißt) lang, die ich dann für diesen Tag verlassen musste, denn meine nächste Unterkunft liegt etwas abseits des Weges. Wow, ich habe bisher nur gute Erfahrungen gemacht, aber in der Jakobigemeinde wurde dieses noch übertroffen. Dort musste ich einen Tag Pause einlegen um den gerade gekauften Poncho zu modifizieren, konnte dadurch 2 Nächte auf einem richtigen Bett schlafen, habe in Zusammenhang mit der Kirchenbesichtigung eine Andacht mit anschließendem Reisesegen bekommen, und mir wurde mehr essen vor die Nase gestellt als ich bewältigen konnte. Zusätzlich hätte ich noch alles mögliche an Obst und Knabberzeug mitnehmen sollen, und ich konnte meine Gastgeber erst davon überzeugen daß es nicht geht, als ich Startklar war und sie sehen konnten, ich habe wirklich keinen Platz.

    28.6. Tag 7/Etappe 6
    Begegnungen, wenn auch nur flüchtig, hinterlassen ihren Eindruck.
    Manchmal wie im feuchten Sand, verwischt nach wenigen Wellen.
    Manchmal wie in noch feuchten Beton,verfestigen sich für lange Zeit, manchmal für immer.

    Es fällt schwer weiter zu ziehen.
    Unterschwellige Angst, mal keine Herberge zu finden. Grundlos aber ich bin nunmal Mensch. Gott wird auf seine Weise auch weiter für mich sorgen. Das zu wissen und es zu verinnerlichen sind zwei verschiedene Dinge.

    Nach einer leider kurzen Nacht (Randale auf der Straße machte mir Angst), machte ich mich wieder auf den Weg. Irgendwie fühle ich mich nicht wohl, keine Ahnung warum.
    Wieder auf der schon genannten Insel war ich auch zurück auf dem Jakobsweg.
    Der Weg war gut besucht, massig Radler, Spaziergänger, Jogger. Doch je weiter ich mich von der Innenstadt entfernte um so einsamer wurde es wieder. Ab und zu waren noch Ruderboote auf der Kleinen Weser unterwegs, doch das ließ dann auch nach.
    Irgendwann machte der Weg einen scharfen knick nach rechts und folgte der Weser richtung Süden. Hier bewiesen die Wegmarkierer Phantasie. Wo es nicht anders ging, klebten die blau-gelben Muscheln auf den reichlich den Weg säumenden Mülleimern.
    Heute ist es schwül/heiß und ich nehme endlich mehr von dem drumrum wahr. Ich freue mich, während einer Pause Rehe und einen Greifvogel beobachten zu können und ein seltener Gedanke geht mir durch den Kopf "Das Leben kann richtig schön sein. Es gibt so viel zu sehen, zu erleben, zu erreichen."
    Trotzdem plagen mich weiter zweifel an meinem tun.
    An meinem heutigen Tagesziel Barrien komme ich bei einem Ehepaar unter, wo auch die erwähnte Svantje genächtigt hat. Meine Gastgeber erzählen mir ein wenig von ihren Erfahrungen mit Pilgergästen und darüber klingt der Abend gemütlich aus. Ich erfuhr beiläufig, daß es das Buch von Kerkeling wahrscheinlich noch nirgendwo reduziert geben dürfte, es ist noch zu beliebt. Schade denn den realen Preis ist es mir nicht wert.

    29.6. Tag 8/Etappe 7
    Nach einem Gemeinsamen Frühstück mache ich mich fertig und gehe gemütlich los.
    Um 11:30 Uhr sitze ich bei 58,2 Höhenmetern auf dem "Hohen Berg" der höchste Punkt Bremens (laut Hinweistafel) und genieße die Aussicht über Bremens Skyline. Ich bin jetzt eine Woche unterwegs. Wahnsinn. Irgendwie bin ich stolz auf mich.
    Aber, heute hat auch mein Mann Geburtstag und es macht mich traurig, nicht bei ihm sein zu können. Wechselbad der Gefühle, irgendwie doof.
    Es geht weiter durch viel Wald und Felder auf einer gut gekennzeichneten Strecke und auch das Wetter spielt bis auf einen kleinen Schauer mit.
    Das hörbare Gewitter hat sich woanders ausgetobt.
    Am späten Nachmittag, nach ca 19Km erreiche ich Harpstedt, wo es mich ein wenig überredungskunst kostet in der Ev. Kirchengemeinde unterzukommen. Hier brauche ich zum ersten mal auch meine Isomatte.
    Ich stelle fest, langsam fange ich an den Weg zu genießen.
    Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
    Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

    Kommentar


    • changes

      Dauerbesucher
      • 01.08.2009
      • 981
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      Mein Jakobsweg 2012 - Woche 2

      30.6. Tag 9/Etappe 8
      Es ging wieder durch viel Wald, welcher kurz hinter Harpstedt anfängt so schien es mir. Im Nachhinein bei google Satellit, stellte ich fest der Weg muß nur irgendwie geschickt sämtliche Baumgruppen auf der Strecke mitgenommen haben.
      Ich kam durch Wildeshausen und da es mir hier nicht gefiel lief ich weiter.
      Das Tagesziel hieß nun Visbek und wird mir als schlimmstes Erlebnis dieser Tour in Erinnerung bleiben.
      Der Weg führte nun weiter am Campingplatz Auetal vorbei wo ich meinen Wasservorrat nachfüllen musste und einen ewiglangen Waldweg nhe der A1 an den Steingräbern "Braut" und "Bräutigam" vorbei. Sorry, nicht vorbei sondern direkt drüber. Man läuft wirklich über diese Gräber mitten drüber wenn man dem Wegverlauf folgt.
      Am Landgasthof Engelmannsbake mußte ich erneut mein Wasser nachfüllen. Es war inzwischen Abend und ich ziemlich fertig. Aber ich musste ja noch weiter. Ich fragte mich nur allmählich warum ich meinem Ziel nicht näher komme. >Inzwischen habe ich bei google map gesehen, daß der Jakobsweg einen Riesen Bogen macht bevor es tatsächlich Richtung Visbek geht<
      Nach 37km kam ich gegen 20:30 endlich in Visbek an. Irgendwo hatte ich in der Planung 10km unterschlagen die ich nun mehr gelaufen bin.
      Bei der Kath. Kirche wo ich eigentlich schlafen wollte war alles dunkel und niemand zu hause.
      Ich schleppte mich noch etwas weiter um einen Alternativen Schlafplatz zu finden, aber sah nichtmal ein Bushäuschen welches geeignet gewesen wäre.
      Als ich durch eine Wohnsiedlung kam, und der Weg richtung Ortsrand abbog habe ich aufgegeben.
      Meine Füße brannten als stünde ich auf glühenden Glasscherben. Ich setzte mich auf eine niedrige Grundstücksmauer, zog meine Schuhe und Socken aus und rief meinen Mann an. Reden konnte ich erstmal nicht, nur vor Schmerz und Erschöpfung heulen. Er tat mir leid, da er mir nicht Helfen konnte und mein geheule ertragen musste, aber ich brauchte diese Illusion von nicht alleine zu sein.
      Irgendwann hatte ich mich beruhigt und hab mich damit abgefunden auf dem Grünstreifen vor der Mauer schlafen zu müssen. Da ich sehen konnte, dass in dem zur Mauer gehörenden Haus jemand auf dem Balkon saß, wollte ich mir dort wenigstens noch Wasser für den nächsten Tag besorgen und dann kam alles anders.
      Während ich das Wasser nachfüllte erzählte ich meine Situation und zwei Telefonate später wurde ich per Auto zurück zum Kath. Pfarrhaus gebracht wo kurz danach auch der Pfarrer eintraf und mir nach einer kleinen Formalität einen Schlüssel in die Hand drückte. Dieser war für ein Gebäude nebenan wo oben ein Zimmer offen ist damit dort Pilger schlafen können. Wieder kam die Isomatte zum Einsatz aber ich denke, selbst auf dem nackten Boden hätte ich in der Nacht schlafen können. Ich war nur froh, endlich meine Füße entlasten zu können und dankbar für diese unerwartete Hilfsbereitschaft wildfremder Leute.

      1.7. Tag 10/Etappe 9
      Da die Unterkunft nicht grad heimelig war und keine Heißwasser möglichkeit bot, bin ich dort recht schnell wieder los.
      Leider waren die Aktuellen Markierungen teilweise falsch geklebt, so daß ich erst noch einen Umweg gemacht habe, was aber bei schöner Landschaft und gutem Wetter nicht so wild war.
      Mittags war ich in Lutten und habe dort eine etwas längere Pause gemacht. Der vorherige Tag steckte mir noch in den Knochen und ich war nicht wirklich leistungsfähig, die Kirche und den Stempel habe ich links liegen lassen.
      Dort traf ich auf 2 Damen, die für die Wegmarkierung zuständig sind und fehlende Aufkleber erneuern oder Bei zu großen Lücken auch Pfeile sprühen, wir unterhielten uns eine weile.
      Später in Vechta sind wir uns erneut über den Weg gelaufen und da sie mit ihrem Abschnitt fertig waren, schenkten sie mir ihre Wanderkarte, die noch einige km meines Weiteren Wegs zeigt.
      Ich verbrachte dort meine Nacht im Zeughaus Museum welches unter anderem schon ein Gefängnis war.
      "Nachts im Museum" Live . Ich schlief in einer Zelle wo laut Informationen auch schon eine Schauspielerin eingesperrt war. Das Krankenzimmer war mir dann doch zu skuril. Vorher bin ich jedoch noch gemütlich durch die Ausstellung gegangen, bis mir das knarren der Holzdielen dann zu unheimlich wurde. In der Zelle war Betonboden, also nicht Unheimlich und ich konnte sehr gut schlafen.

      2.7. Tag 11/Etappe 10 (Montag)
      Hier habe ich mein erstes Päckchen nach hause schicken können. Den untauglichen Poncho (er ist nicht schlecht aber war halt nicht zweckmäßig und mir dafür zu teuer. Die Retoure bei Lauche & Maas ging ganz fix), die Baumwollhose die ich leider anfangs nutzen musste,(normale BW selbst wenn sie sehr dünn ist, ist bei Regen wirklich absolut nicht zu empfehlen) und meine Warmen Schlafsocken(meine Füße waren unterwegs oft der wärmste Körperteil, das kannte ich vorher so nicht, ist aber bis zuletzt so geblieben).
      Auf dem Weg ortsauswärts konnte ich noch Einkaufen und dann ging es am späten Vormittag endlich weiter.
      Der Weg führte mich aus Vechta hinaus (schlecht Markiert) doch nach einigen Km fand ich wieder den Wegweiser mit der Muschel. Seit Wildeshausen verläuft der Pilgerweg auf dem Pickerweg, dadurch hatte ich eine weitere Orientierungsmöglichkeit. Teilweise war der Pickerweg auch als Straßennamen zu finden, verlaufen also schwer :-).
      Durch Felder und an einem Torfwerk vorbei, denn um Vechta liegen viele Moore und es gibt noch aktiven Torfabbau. An einer Wegkreuzung musste ich mich entscheiden, möchte ich bis zum Kloster Damme, noch einige km laufen oder biege ich ab auf den kürzeren Weg bis Steinfeld um dort zu übernachten.
      Da ich merkte, dass ich immer noch nicht erholt war von der Überanstrengung entschied ich mich für Steinfeld. Schützenfest, der ganze Ort ist auf den Beinen und auf der Straße. Was für ein Trubel. Nach dem Umzug konnte die "Schlüssel"inhaberin aufgetrieben werden, die mir dann erstmal die Räumlichkeiten zeigte und einiges über vorherige Pilger erzählte. Ich weiß ja nicht ob ihr von dem Rollstuhlpilger gehört habt, aber dieser nächtigte auch in Steinfeld.
      Der Pilgerraum sieht aus wie eine Mischung zwischen Wohn und Esszimmer. Schlafen werde ich auf einer Couch nachdem ich meinen schmerzenden Füßen ein Fußbad gegönnt habe.
      In den letzten Tagen habe ich immer wieder darüber nachgedacht abzubrechen, aber irgendwie Treffe ich ständig auf Leute deren Erzählungen mir wieder Mut machen.

      4.7. Tag 13/Etappe 11 (Mittwoch)
      Ich schlief so gut und bequem, daß ich einen dringend benötigten Ruhetag einlegte um noch eine Nacht dort schlafen zu können. Außer etwas einzukaufen habe ich wirklich fast den ganzen Tag geruht.
      Nun geht es durch die Dammer BERGE! Als würde ich eine Achterbahn entlang laufen.
      Steigungen und Gefälle die bei Nässe trotz Stöcke meines Erachtens kaum zu bewältigen wären. Hier habe ich zum ersten mal an das Alter vieler Pilger gedacht. Also alle die ich jenseits der 60 kenne, ich würde ihnen diesen Weg nicht zumuten wollen.
      Wie zur Belohnung tauchte nach ca 2 std der Dammer Bergsee vor mir auf und lud gegen 11:00Uhr zu einer späten Frühstückspause ein.

      Überhaupt esse ich sehr wenig. Obgleich der ständigen Anstrengung die ja eigentlich hungrig machen müsste, zwinge ich mich schon fast zu jeder Mahlzeit. Ich versuche das auszugleichen indem ich ganz gegen meine Gewohnheit Zucker, Fett und Salzhaltige Produkte kaufe, trotzdem habe ich in der ersten Woche ca 3Kg abgenommen.

      Weiter geht es durch Wald und Felder auf gut gekennzeichneten Wegen bis Vörden, wo ich im dortigen Heimatmuseum eine Ecke zum Schlafen bekommen habe. Der Heimatverein bietet Führungen durch den Ort, mit mittäglichem Grillspaß und abschließendem Kaffeetrinken an. Da letzteres grade anfing wurde ich von der besuchenden Gruppe (ein Männerchor aus dem Ruhrgebiet meine ich zu erinnern), zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Abgerundet mit einer Gesangseinlage durch eben diesen Chor.
      Dies war der erste Tag an welchem mir Abends weder Schultern/Rücken noch Füße schmerzten. *freu* es wird wohl langsam.....

      5.7. Tag 14/Etappe 12
      ..... oder auch nicht.
      Nach Kaffee und dem angebotenen Frühstück, incl. einem Brot für Unterwegs ging es weiter.
      Heute haben mir wieder meine Füße gesagt wann genug ist, irgendwann nach 24 oder 28km. Genau weiß ich es nicht, jedenfalls weit genug um ziemlich fertig gegen 16 Uhr in Rulle anzukommen. Das Wiehengebirge hatte 3 relativ steile Anstiege zu bieten und die gefräßigen Bremsen nervten schon seit dem Moor kurz hinter Vörden.
      Der Staubige Moorboden (Torf?) konnte sich bei dem heißen und Trockenen Wetter überall auf mir niederlassen und ich habe eine Dusche selten so zu schätzen gewusst wie an diesem Tag.
      Aus dem Gästebuch in Rulle:
      Die 10 "Geh" Bote
      1. Geh!
      2. Geh langsam!
      3. Geh leicht!
      4. Geh einfach!
      5. Geh alleine!
      6. Geh lange! (nicht nur einen Tag)
      7. Geh achtsam!
      8. Geh dankbar!
      9. Geh weiter! (auch bei Kriesen)
      10. Geh mit Gott!
      Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
      Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

      Kommentar


      • Werner Hohn
        Freak
        Liebt das Forum
        • 05.08.2005
        • 10872
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

        Vorwitzig wie ich bin, frage ich schon jetzt, ob du bis Spanien durchgegangen bist?

        Nachtrag: Antwort im Forum gefunden.
        .

        Kommentar


        • changes

          Dauerbesucher
          • 01.08.2009
          • 981
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          Mein Jakobsweg 2012 - Woche 3

          >>> Gestern Dammer Berge, heute Wiehengebirge, morgen Tecklenburger Land und Teutoburger Wald. Selbst zu Fuß kommt man auf diesen Wegen rasch durch sehenswerte Regionen <<<

          6.7. Tag 15/Etappe 13
          Heute führt mich der Weg von Nord-West, zögerlich an Osnabrück heran am nördlichen Ortsrand wieder gen Westen um mich dann durch den sehr lehrreichen Bürgerpark Richtung Innenstadt bis zum Dom zu bringen. In diesem Park sind viele Bäume und andere Pflanzen mit Hinweistafeln versehen, wo drauf die jeweilige Herkunft und Biologische Zuordnung zu lesen ist.

          Am Dom lege ich eine Pause ein, und schreibe ein paar Ansichtskarten an meine Family bevor ich der Innenstadt den Rücken kehre und recht fix wieder im Grünen bin.
          Da ich immer noch ein Problem mit "platt gelaufenen" Füßen habe, ist gegen 15 Uhr, nach ca 21km die ev. Kirchengemeinde Hellern mein Tagesziel. Hier ist man völlig überrascht, daß der Jakobsweg dort vorbei führt und ich bin wieder der erste Pilger welcher dort nächtigt. Mein "Bett" besteht aus zusammengeschobenen Stühlen + Isomatte in einer Art Konferenzraum, besser als mit der Matte direkt auf den Bodenfliesen. Es gibt eine Küche.
          Ich muß unbedingt versuchen mehr Pausen zwischendurch zu machen. Die erste nach 3-3,5 Std. ist einfach zu spät.

          7.7. Tag 16/Etappe 14
          Von Hellern verläuft der Weg durch Leeden nach Lengerich. Dieser Tag war wieder sehr verregnet, dadurch (schlechte Sicht) habe ich eine Markierung nicht gesehen und bin ca 1-2 Std. falsch gelaufen. Trotzdem schenkte ich den Stelen welche ich unterwegs gesehen habe die Benötigte
          Aufmerksamkeit um den Umlaufenden Text zu lesen und sie zu Fotografieren.

          1. Unsere Schritte auf dem Weg des Friedens
          2. Du hast meinen Füßen Raum gegeben
          3. Der Herr behütet dich auf all deinen Wegen

          In Lengerich habe ich in der Kirche, während einer Trauung ein Gewitter abgewartet.
          Muß komisch sein wenn`s beim Ja-Wort draußen grad heftig donnert Nach Einkaufen und einem weiteren Gottesdienst hatte der für den Schlüssel Zuständige, Zeit mich zum CVJM Haus zu bringen. Dort bietet das Pilgerzimmer mit 2 Etagenbetten und einem Einzelbett, durch zusätzliche Matratzen Platz für bis zu 7 Pilger. Im Zimmer befindet sich auch ein Waschbecken, zusätzlich zu den im Gebäude
          vorhandenen Duschen und Waschbecken bei den Toiletten. Leider gab es keinen Wasserkocher o.ä um sich etwas warmes zuzubereiten. Dafür war dies die erste Herberge mit Pflichtspende von mind 5€. Bisher waren Spenden und deren Höhe freiwillig oder wurden dankend abgelehnt.
          Gut daß ich meisstens kalte Küche hatte, heute z.B. Schafskäse, Oliven und ein halbes Fertigschnitzel, dazu Saft o.ä. Bei dem wieder nassen Wetter hätte eine heiße Brühe allerdings bestimmt gut getan.
          .......Wenn ich nach einigen Tagen mal wieder in/auf einem Bett schlafen kann oder die Möglichkeit habe zu Duschen oder Kleidung zu waschen, wird mir klar, wie verwöhnt ich eigentlich bin, daß sowas für mich normalerweise selbstverständlich ist. Oder frieren. Zu Hause mache ich dann die Heizung an oder ziehe mich warm an und kuschel mich in eine Decke. Hier, unterwegs bin ich froh wenn ich bei Sonne etwas Schatten und genug Wasser habe, bei Regen und frösteln, ein Dach und wenigstens Windschutz....... wer braucht schon eine heisse Brühe....

          8.7. Tag 17/Etappe 15
          Wegen der fehlenden Möglichkeit in der Unterkunft, wurde ich morgens zum Kaffee eingeladen, über meine Empfehlung wegen Wasserkocher würde nachgedacht. Es wurde noch ein sehr interessantes Gespräch über die Architektur der Kirche, bis ich gegen 9 Uhr aufbrach. Oha, schon wieder Sonntag. Ich erreichte pünktlich zum Gottesdienst um 10 Uhr den nächsten Ortsteil, das Thema "Aufbruch" ergänzte meine Gedanken der zurückliegenden Stunde: vergangenes vergessen können, zurücklassen/hinter mir lassen können, das verschwenden von Gedanken an: hätte, wäre.

          Ich sollte lernen, vergangenes ruhen zu lassen, ich kann es doch nicht mehr ändern.
          Statt dessen mich auf neues einlassen, zu nehmen was ich bekomme und daraus etwas machen.
          Wenn das soo einfach wäre ...........

          Nach ca. einer Std ging es dann weiter und der bald darauf einsetzende Regen wusch dann noch den Staub der Letzten Tage von meinen Schuhen was das Bild des "zurücklassens" vervollständigte.
          Auch wenn es nicht grad schön ist durch strömenden Regen zu laufen, so war er doch dringend nötig.
          Ich kam schneller als erwartet in Ladbergen an, wo einmal mehr meine Geduld geprüft wurde. Die Kirche in der ich eine Pause machen wollte hat tägliche Öffnungszeiten.
          Eigentlich kann man sich auch einen Schlüssel dafür abholen, laut Info, aber in der Realität sah das etwas anders aus. Zu früh hieß also warten, ok. Leider nahm man es auch mit den ausgehängten Zeiten nicht so genau, dadurch musste ich noch wesentlich länger im Regen rumlaufen. Unterstellen ging nicht, dann wäre mir zu kalt geworden.
          Endlich, wurde die beheizte! Kirche geöffnet und ich konnte einiges meiner nassen Sachen etwas zum trocknen ausbreiten und gemütlich im Warmen Rasten.
          Nach ca einer Std. bin ich wieder los, und freute mich an einer kurzen Regenpause nach welcher der Regen umso stärker wurde bis es förmlich aus Kübeln goss.
          Inzwischen schwammen auch meine Füße, man hätte denken können ich sei in den Dortmund-Ems Kanal gefallen, den ich kurz vor Schmedehausen überquerte.
          Erwartungsgemäß waren die Räumlichkeiten für die Pilger auch hier in der "Schutzengelkirche", wie es bisher (fast) immer der Fall war nicht geheizt. Sommer eben.
          Trotz mehrfachem Wendens wurde ein Teil meiner Kleidung und natürlich die Schuhe über Nacht nicht trocken. Ich schlief zum ersten mal auf einem Feldbett und fror von unten, logisch denn der Raum war ja auch nicht warm.

          Mir ist aufgefallen, daß das Vermissen nachlässt, solange nichts negatives passiert. Ich möchte noch versuchen die Telefonate etwas einzuschränken um mich intensiver auf mich selbst einlassen zu können.

          9.7. Tag 18/Etappe 16 (Montag)
          Bin mal gespannt, ob das "gehen" heute wieder so zügig und leicht wird wie gestern. Mein Weg führte mich heute immer wieder über den Kanal. Ich hätte auch abkürzen können und auf der rechten Seite bleiben aber das wollte ich nicht. Statt dessen merkte ich, daß ich wohl Betriebsblind wurde. Seit Tagen auf die Farben Blau und Gelb geprägt, habe ich ein riesiges Wegweisendes Graffiti in einer Unterführung sogar noch übersehen als ich direkt davor stand und einen Radfahrer nach dem Weg fragte. Na Super.
          Zwischendurch habe ich Wettlaufen mit einem Frachtschiff gespielt. Da hatte wohl jemand was dagegen, daß ich zu Fuß schneller war als das Boot. Nach ein paar Minuten wurde beschleunigt um mich zu überholen und ein paar 100 Meter weiter anzulegen wie albern *grins*. Das Wetter war wieder trocken aber kühl und auf dem Deichweg ziemlich windig, dafür war die Landschaft relativ abwechslungsreich. Es ging durch Wäldchen oder Freie Wiesen, mal ein stück einen Allee ähnlichen Weg entlang oder durch Dickicht, das man meinen könnte hier war ewig schon keiner mehr.
          Die 25km bis Münster waren jedenfalls nicht langweilig und es war auch nie vorher abzusehen über welche Brücke ich als nächstes musste.
          Am Domplatz ist ein kleines Kirchencafè/Buchhandlung? Dort konnte mir zwecks Übernachtung geholfen werden. Münster ist zwar nicht riesig, aber doch so groß daß ich alleine überfordert gewesen wäre und wohl eher ausserhalb mein Glück versucht hätte. Wenn ich es in 30 Minuten schaffe, kann ich bei den Arnsteiner Patres Übernachten.
          Kein problem, unterwegs schaffte ich sogar noch Postkarten zu besorgen und Fußcreme nachzukaufen. Wieder wurde ich mit einer selbstverständlich wirkenden Herzlichkeit aufgenommen. Leider wäre das Pilgerzimmer momentan belegt aber im Keller sei sozusagen eine Notunterkunft. hmmm.......
          Diese entpuppte sich dann als gemütliches Bett mit Nachttisch auf welcher schon eine Flasche Wasser stand, KOPFKISSEN und BETTDECKE, welche ich allerding selbst beziehen müsse( soso *grins* ) und einem riesigen Bad mit BADEWANNE
          Was für ein Luxus.
          Das Abendessen nahmen alle anwesenden Bewohner der Gemeinschaft zusammen ein und es
          fand eine rege Unterhaltung statt. An diesem Abend kam ich ungewöhnlich spät ins Bett.

          10.7. Tag 19/Etappe 17
          Nach einer Kurzen aber gemütlichen Nacht nahm ich am Morgengebet teil, danach wurde zusammen gefrühstückt.
          Gestärkt startete ich in den Tag an dem es über 32 km bis Herbern zu bewältigen galt. Zuersteinmal musste ich aus Münster herausfinden was sich als LogistischesLogikproblem für mich herausstellte.
          Der Wegweiser an der wichtigsten Kreuzung war so geklebt, daß er eigentlich nirgendwohin zeigte, außer auf die Hausecke. Die Spitze nach oben ließ vermuten weiter geradeaus, das leicht links versetzt am Laternen oder Schildermast anbringen könnte evtl auch links abbiegen bedeuten aber nur wenn man nicht aus der richtigen Richtung drauf zu geht. Nach über einer Stunde umherirrens wusste ich, daß es links abbiegen heißt, denn ich fand endlich einen Weiteren Muschelaufkleber am Ende der Linksabbiegenden Straße.
          Kurios fand ich auch die Antworten, wenn ich nach dem nächsten Ort gefragt habe. "Wo gehts richtung Hiltrup? Nein, nicht mit dem Auto." Jeder zeigte eine Andere Richtung. Na Super.
          Später gab es noch ein weiteres Mal Verwirrung da wiedereinmal die Kennzeichnungen Mangelware waren.
          Was ich unterwegs öfter bemerkenswert fand. Theoretisch geht man in Zivilisationsnähe, irgendwo "da Hinten" ist ein Haus, eine Stark befahrene Straße oder eine Ortschaft zu erkennen. Trotzdem kann man stundenlang laufen ohne auch nur auf Rufweite an solchen vorbei zu kommen. Landschaftlich gab es ab und zu eine Baumansammlung oder Reihe welche dieses Feld an Feld, Wiese an Wiese etwas
          auflockerte und kreuz und quer da durch schlängelt sich irgendwo der Jakobsweg
          Vor einem nahenden Gewitter konnte ich mich rechtzeitig in einer Remise in Sicherheit bringen und so im trockenen und fast Windgeschützt zu Mittag essen, ab und an kommt man zum Glück auch direkt an einem Haus vorbei. Leider zog später erneut ein Gewitter auf und ich wurde ca 1 Std. vor meinem Tagesziel trotzdem noch nass.

          Habe ich das schon erwähnt? Je südlicher desto Katholisch. Wusste ich vorher auch nicht ist mir unterwegs aber so gesagt worden und ich hatte auch das subjektive empfinden, daß dies stimmt. Im Norden waren es eher Ev. Gemeinden die ich ansteuern konnte, je südlicher desto mehr Kath. Gemeinden/Kirchen traf ich an.

          In Herbern ist die Unterkunftsregelung ähnlich wie in Barrien, da es keine geeigneten Kirchlichen Gebäude gibt. Der Pastor bringt mich persönlich zu meinen Gastgebern, nur wenige Ecken vom Pfarrhaus entfernt.
          Wieder habe ich ein Richtiges Bett mit Decke und Kissen zur Verfügung. Und ich kann mich auf 1,4x2m so richtig breit machen.
          Obwohl ich meine Nassen Sachen an die geöffneten Fenster/Balkontür hänge, werden sie auch in dieser Nacht nicht alle Trocken.

          11.7. Tag 20/Etappe 18

          Liebe. Liebe zeigen, Liebe beweisen. Muß man Liebe beweisen? Nein.
          Heute hing ich meinen Gedanken dazu nach und mir ist endlich (nach Jahren) ein Licht aufgegangen.
          Ideen zu haben ist gut, ab und zu eine Überraschung zu bekommen auch gut. ABER viel wichtiger, und etwas besonders wertvolles ist:
          -Jemanden zu haben, der unterstützend hinter einem steht egal wie verrückt oder kostspielig die eigenen Ideen sind.
          -Jemand der mit macht, hilft die Ideen umzusetzen oder einfach mit kommt wenn es um gemeinsame Unternehmungen geht.
          Das ist ein viel größerer Liebesbeweis(auch wenn man Liebe nicht beweisen muß), als ab und zu mal ein Strauß Blumen oder was anderes in dieser Art.

          --------------------------------------

          Wie es mir für den Tag zum Abschied gewünscht wurde, blieb es bis Mittags trocken.
          Den heftigen Mittagsregen verbrachte ich in der Klosterkirche in Werne, nachdem ich mir gerade noch auf dem Marktplatz zum Mittag eine Frikadelle aus einer angrenzenden Metzgerei gegönnt habe. Leider nicht zu empfehlen. Weiß nicht mehr was sie gekostet hat aber viel zu trocken.
          Die Klosterkirche: wenn man rechtzeitig erscheint, kann man dort als Pilger günstig oder sogar kostenlos bzw Spende zu mittag essen. Ich war schon mit dem angebotenen Kaffee und Wasser zu frieden, Tee wäre bestimmt auch möglich gewesen.
          Als ich weiter zog schien wieder die Sonne bis zum nächsten Regen gegen Abend, der dann beharrlich blieb.
          In Lünen waren alle Kirchen geschlossen, die Pfarrer nicht zu erreichen. Bei der eigentlichen Pilgerkirche traf ich auf den Hausmeister welcher mir mitteilte, in den Ferien bliebe die Kirche geschlossen und der Pastor sei in Urlaub. Einen Stempel konnte ich auch nicht bekommen. Also, in den Sommerferien hat man als Pilger in Lünen schlechte Karten.
          Naja, ich ging dann weiter den Wegweisern nach aus der Innenstadt raus und fand eine stillgelegte Tankstelle. Allzu schmutzig (Scherben, Müll) war sie nicht und wenn der Wind nicht zu sehr dreht schlägt der Regen auch nicht so unter das Dach. Bis auf eine Katze hat niemand von mir Notiz genommen, weder von der Straße her, oder dem angrenzenden Haus, noch die Gassigeher die wenige meter an mir vorbei sind.
          Mit dem Rucksack als Kopfkissen habe ich sogar schlafen können und war morgens genau so un/ausgeschlafen wie an einigen anderen Tagen zuvor auch.

          12.7. Tag 21/Etappe 19
          Heute geht es nach Dortmund. Brr wieder so eine Riesen Stadt.
          Es ist noch früh am Tag und auf den Straßen nicht viel los, außerdem regnet es immer noch. An einer Tankstelle wärme ich mich mit einem Kaffee auf und nutze die Waschgelegenheit und so. Als ich weiter gehe schüttet es wieder so richtig, zum glück ist es nicht ganz so kalt.
          Die Vororte von Dortmund sind noch recht verschlafen, nur vereinzelte Jogger und Gassigeher laufen mir über den Weg. Auch die Kirchen sind noch verschlossen, aber daß scheint ja inzwischen normal zu sein. (ich weiß auch nicht ob die Kirchen in meinem Wohnort Tagsüber geöffnet sind)
          In dem Wald zwischen Brechten und Eving stieß ich auf ein seltsames Phänomen die Wegmarkierung betreffend. Die Pfeile welche direkt auf den Muschelaufklebern kleben zeigten in BEIDE Richtungen, wie bei "normalen" Wanderwegen. Die Markierenden haben scheinbar keine Ahnung, was ein Pilgerweg ist. Jedenfalls ist dieser Zustand, den ich in den nächsten Tagen häufiger antraf, sehr verwirrend. Erst recht, wenn die Wegweiser ohnehin so wenig und falsch geklebt sind, daß diese kaum zu sehen sind oder in Falsche Richtungen Zeigen. Verlaufen ist vorprogrammiert und wenn man dann auf einen zweiwege Pfeil Trifft ..........
          Außerdem führte der Weg so durch besagten Wald, daß man diesen auf fast allen Wegen durchlaufen hat bevor man wieder heraus kommt. Da es dort aber keine Besonderheiten gibt ist das unangebracht und verzögert zusätzlich unnötig.
          (entschleunigen gut und schön aber wenn einem die Wegfindung so schwer gemacht wird hat man nicht einmal die Möglichkeit sich auf das Wesentliche einzulassen)
          Irgendwann hatte ich auch dieses Wald-Verwirrspiel hinter mir und verlief mich direkt im nächsten Ortsteil, traf glücklicherweise auf einen Passanten der mir sagen konnte wo ich die Wegweiser wieder vorfinde und war gegen 11:00Uhr bei der Ev. Kirche in Do-Eving. Von den noch anwesenden des gerade stattfindenden Frauenfrühstücks wurde ich eingeladen und die herbeigeholte Pastorin war sehr interessiert was meine Erlebnisse auf diesem Weg angeht. Spontan lud sie mich ein die Nacht bei ihr zu verbringen, und nach einem kurzen zögern nahm ich das Angebot an. Ich muß mich immer noch dran gewöhnen etwas Anzunehmen was mir der Weg bereithält. Diese Hilfsbereitschaft/Gastfreundschaft, Offenheit mir gegenüber, auf die ich unterwegs treffe waren mir vorher fremd.
          So hatte ich nur eine recht kurze Etappe, ein super Frühstück, und eine gemütliche Unterkunft für die kommende Nacht, der einige schöne Stunden informativem Gespräch's vorausgingen in deren Verlauf ich das Buch "Ich bin dann mal weg" geschenkt bekam. Sogar die Sonne kam am Nachmittag durch die Wolken und blieb bis zum Abend.

          Nachtrag: Ich habe inzwischen über 375 km hinter mir gelassen -"zurück gelegt" wäre ein falscher Ausdruck-.
          Ich möcht mir diesen gegangenen Weg ja nicht für später irgendwann "zurücklegen" sondern er ist Vergangenheit und liegt bewältigt hinter mir. :-)
          Zuletzt geändert von changes; 24.02.2013, 02:57. Grund: Nachtrag
          Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
          Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

          Kommentar


          • Fletcher

            Fuchs
            • 24.02.2012
            • 1109
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

            Also, diesen Bericht finde ich mal so richtig gut; trotz oder gerade wegen der wenigen Bilder bei einer sehr schönen Beschreibung.
            Das letzte Hemd hat keine Taschen

            Kommentar


            • Goettergatte
              Freak

              Liebt das Forum
              • 13.01.2009
              • 27939
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

              Dem kann man nur zustimmen,
              die Vorfreude auf den Rest ist gewaltig.
              "Wärme wünscht/ der vom Wege kommt----------------------
              Mit erkaltetem Knie;------------------------------
              Mit Kost und Kleidern/ erquicke den Wandrer,-----------------
              Der über Felsen fuhr."________havamal
              --------

              Kommentar


              • blauloke

                Lebt im Forum
                • 22.08.2008
                • 9083
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                Warte ebenfalls gespannt auf die Fortsetzung. Sehr gut geschrieben, mit einem ruhigen Grundtenor.
                Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

                Kommentar


                • OliverR
                  Dauerbesucher
                  • 16.02.2007
                  • 981
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                  Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen.
                  Großes Warten auf die Fortsetzung

                  Übrigens habe ich "Ich bin dann mal weg" auch gelesen, fand das Hörbuch aber noch besser (und seine anderen Hörbücher erst )
                  The earth is your grandmother and mother, and is thus sacred. Every step that is taken upon her should be as a prayer (Black Elk)

                  Kommentar


                  • gerrybeach
                    Anfänger im Forum
                    • 04.02.2013
                    • 36
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                    wo find ich denn die fortsetzung?
                    würde gerne wissen, wie es weiter geht

                    Kommentar


                    • changes

                      Dauerbesucher
                      • 01.08.2009
                      • 981
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      Mein Jakobsweg 2012 - Woche 4

                      13.7. Tag 22/Etappe 20
                      Nach einigen weiteren Verirrungen, hat mich Dortmund endlich gehen lassen, dazu gehörten schlechte Hinweise im Ortskern bei den Kirchen und später am Westfahlenpark und im angrenzenden Wald. Daß es mal gerade nicht regnet macht die Wegsuche weniger nervig aber nicht weniger anstrengend.
                      Ich freu mich schon auf die heutige Strecke zur Hohensyburg
                      Das Wetter blieb den ganzen Tag durchwachsen.
                      Aus Dortmund heraus mußte ich plötzlich eine Steigung bewältigen die mich sowohl in Länge wie Höhenmeter überraschte, und ich wusste plötzlich woher der Name Ahlenberg kam.
                      Ich bin ja sehr überrascht wie viel Grün/Wald es hier im Pott trotz dichter Besiedelung gibt. Der Weg rauf zur Burg war wieder ziemlich steil und da der Regen wieder einsetzte konnte ich leider keine Pause machen. Die erste Pause lag schon einige Stunden zurück und sollte an diesem Tag auch die letzte sein.
                      Die nächste Verwunderung ließ nicht lange auf sich warten als ich den Abwärtsweg gewahr wurde. Wie eine Kugelbahn, immer hin und her, schlängelt sich dieser Weg den Berg hinunter zur Ruhr, die hier in den Hengsteysee übergeht.
                      Die letzten ca 6 Km den Uferweg des Hengsteysees lang bringen mich wieder an den Rand meiner Leistungsfähigkeit. Die Strecke zieht sich wie Kaugummi, das Wetter nervt mit ständigen starken schauern, ich werde immer langsamer und brauche 2Std. bis Herdecke.
                      Eine Stunde später als gedacht aber meine Schwester hatte auch Verspätung. Noch während ich versuche bei den Kirchen jemanden anzutreffen um im Voraus eine Übernachtung zu klären oder einen Stempel zu erhalten fährt sie in den engen Straßen der Herdecker Altstadt an mir vorbei.
                      Sie wird mich für ein paar Tage zu meinen Eltern bringen, die ca 50Km von hier entfernt wohnen. Schon was besonderes für mich, sozusagen nach hause gelaufen zu sein.
                      Sie klärt mich über den Wetterbericht auf und ist der Meinung, eine bessere Zeit zu Pausieren hätte ich mir nicht aussuchen können, für das Wochenende sei noch schlechteres Wetter, noch mehr Regen angesagt.

                      16.7. Tag 25/Etappe 21 (Montag)
                      Nach 2 schauerhaften Ruhetagen (es hat teilweise wie aus Kübeln gegossen) wurde ich am späten Mittag wieder in Herdecke abgesetzt.
                      Übers Wochenende habe ich das Buch durchgelesen und an meine Mutter weitergegeben, (hm ich sollte sie mal erinnern daß sie es mir mal schickt) so hatte ich dieses Gewicht auch nicht mehr zu schleppen.

                      Kaum daß ich startklar zum weiterlaufen war, fing es wieder an zu regnen.
                      Bin ich ja selber schuld, ich hätte ja dran denken können daß die Sommerferien in NRW meißtens verregnet sind
                      Hinter Herdecke ging es im Wald einen kleinen Berg hoch zum Freiherr-vom-Stein Turm. Dort waren selfmade Markierungen, leider auch für beide Richtungen (von Beiden Seiten kommend jeweils zu sehen aber nicht richtungweisend)

                      Zwischen Herdecke und Hagen habe ich an einer sehr wichtigen Kreuzung im Wald wieder eine Markierung nicht gefunden und bin dadurch falsch abgebogen, nicht durch Hagen gekommen und einen sehr unschönen (Um)weg gelaufen( Leider kennen viele Leute die man nach dem Weg fragt nur die Schnellsten Wege per Auto). Nur wenig länger aber Bundesstraße und wie sollte es anders sein der Regen und Wind nahmen immer weiter zu. Von Silschede aus, am Rande der Verzweiflung zu hause angerufen nach einem alternativen Weg gefragt den es aber nicht gab, um nicht auf der unübersichtlichen, stark befahrenen Straße laufen zu müssen(Teilweise kein Fußweg).
                      Nun kam ich auch auf einem "falschen" Weg in Gevelsberg an und nicht an der Infotafel zum Jakobsweg vorbei.(Ich habe das Gegenstück beim Verlassen Gevelsbergs gesehen) Diese ist eine sehr gute Idee, denn es stehen auch mögliche Schlafplätze darauf. Auch das kleine Hotel (das einzige an dem ich seit Ortseingang vorbeikam) in dem ich nach einem freien Zimmer fragte, aber es war belegt. Die Kirchen auf dieser Ortsseite waren ausgemustert und ausgestorben, Wasser füllte ich an einer Tankstelle nach und da der Regen nicht viel Möglichkeiten ließ, verbrachte ich die Nacht an einer Bushaltestelle.
                      Wieder war ich froh einen Kufa Schlafsack zu haben, denn Daune hätte weder meine nassen Klamotten, noch die feuchte Luft vertragen können. Ich habe halb sitzend schlafen können und zwischendurch dem Bindfadenregen zugeschaut.

                      17.7. Tag 26/Etappe 22
                      Schon vor 6:00Uhr war ich wieder unterwegs. Der zunehmende Berufsverkehr an der Haltestelle vertrieb mich, so daß ich einen Passantenfreien Moment nutzte um wieder in meine nasse Jacke zu schlüpfen, das Shirt sparte ich mir. An der nächsten Kreuzung traf ich wieder auf die Muschel und folgte ihr durch die noch schlafende Fußgängerzone richtung Schwelm.

                      Mit nassen Sachen macht das Laufen weniger Spaß!
                      Auch die wiederholt ständige Suche nach den spärlichen Wegweisern lässt keinen Platz für freie Gedanken. Echt schade.
                      Wuppertal Beyenburg
                      Laut diesen Jakobswegführern (Ich hatte natürlich keinen einzigen davon) endet in Beyenburg nicht nur eine Tagesetappe sondern eine Wegetappe(Jakobswege 06. Wege der Jakobspilger in Westfalen: In 12 Etappen von Osnabrück über Münster und Dortmund nach Wuppertal-Beyenburg)
                      Wenn der Weg besser gekennzeichnet gewesen wäre, trotz Regen hätte er Spaß gemacht.
                      So allerdings musste ich unnötig durch knöcheltiefen Matsch und mich einen frisch gerodeten Hang hinunter arbeiten um nach wieder mal einigen Km falschen Weges irgendwie jemanden zum Fragen zu finden. Da ich mich immer irgendwie nach der Richtung orientiere wenn die Wege das zulassen, war ich schnell wieder auf dem Jakobsweg und kurz darauf in Bayenburg wo die Hoffnung auf eine relativ kurze Etappe schnell zerschlagen wurde.
                      In St. Maria (das Ziel der Etappe laut Buch)wurde mir wiederwillig wenigstens ein Stempel gegeben und auf Nachfrage recht unfreundlich gesagt es gäbe in Beyenburg keine Möglichkeit zur Übernachtung. Also weiter.
                      Unterwegs habe ich noch nach Wasser zum trinken fragen müssen (ein lächerlicher Gedanke während man im Regen fast absäuft), denn bei dem Regen und tropfnass wie alles war konnte ich meinen Wasserbeutel nicht so einfach nachfüllen und den aktuellen Regen sollte man nicht trinken. Also falls ich es noch nicht erwähnt habe, im Bergischen Land regnete es auch.
                      Meine Stimmung war tief im Keller während ich zur Abwechslung mal einen Höhenweg lang lief und ich wollte mal wieder nur nach hause. Die Markierungen wurden nicht besser und ich lief noch 3x falsch, dies ließ sich aber schnell wieder korrigieren und ich fand nach 10 Stunden ohne richtige Pause in Lennep eine Unterkunft mit Bett und viel Platz um meine nassen Sachen zu verteilen.
                      10 Std für 32km hört sich nach viel Zeit für wenig km an, aber wenn ich die über 300 Höhenmeter nur
                      alleine bergauf bedenke finde ich das OK. Für mich war das eine richtige Berg und Tal Strecke mit ziemlich steilen Anstiegen.
                      Abends machte der Regen eine Pause und ich konnte trocken in die Stadt und habe mir einen warmen Imbiss gegönnt.

                      18.7. Tag 27/Etappe 23 (Mittwoch)
                      Auch nach fast 10! Std. Schlaf wollte ich nicht wach werden und das Geräusch der durch Nässe fahrenden Autos machte mir nicht grad Mut. Wo bleibt das bessere Wetter von dem ständig die Rede ist?
                      Meine Jacke ist immer noch nicht trocken. Nicht gerade bester Laune mache ich mich ans zusammenpacken und der Gedanke nagt an mir, ob ich evtl. abbrechen soll.
                      Die heutige Strecke ist Landschaftlich wieder sehr schön und durch den ganzen Regen der letzten Tage fließen viele kleine Bäche die Berge runter in den Eifgenbach und die Dhünn durch deren Täler sich der Weg ebenso schlängelt wie diese Flüsse. Teilweise ist der Weg selbst ein kleiner Bach.
                      Leider sind oft die Wege auch aufgeweicht und schlecht passierbar oder ganz weggespült.

                      Zu allem Überfluss gibt es in dieser Region scheinbar zu viele Mountainbiker, die sowohl Wege unsicher machen, wie auch offroad durch die Wälder heizen, wie einige Hinweisschilder zu verstehen geben. Zur Eindämmung bleiben einige Wegpassagen schwer passierbar wenn dort Bäume umgefallen sind. Und wieder muss ich an ältere Leute denken für die ein weiterkommen dort unmöglich ist. Selbst ich musste teilweise über dicke Stämme klettern oder mich zwischen 2 davon durchquetschen und dabei aufpassen, daß der Rucksack nicht den Hang hinunter ins Wasser kullert.
                      Erschreckend ist der Anblick von vielen kahlen Hängen wo nur vereinzelt Baumreste stehen. Ich denke an Kyrill und frage mich ob das noch Folgen von diesem Sturm sind.(Leider habe ich bis heute keine Antwort darauf gefunden)
                      Im laufe dieses Tages fing mein rechtes Schienbein an zu schmerzen. Vermutlich durch das "Berg und Tal" vom Vortag überanstrengt. So schaffte ich nur die 24km bis zum Altenberger Dom (sehr schönes Bauwerk)und selbst dazu mußte ich schon die Zähne zusammen beißen.
                      Aus diesem Grund habe ich mir zum ersten Mal den Luxus einer Art Hotel genehmigen müssen. In der Jugendbildungsstätte im ehemaligen Zisterzienserkloster war leider kein Platz mehr frei aber im Alten Brauhaus, direkt gegenüber konnte ich für 19,10€ nächtigen. Das Zimmer hatte ein kleines Bad mit Dusche und ich konnte mir kostenlos einen Wasserkocher ausleihen.
                      War zwar angenehm, aber ich bevorzuge dann doch eher rustikal nur geht eben manchmal etwas nicht so wie man es möchte.
                      Hauptsache mein Bein bekommt Ruhe und ich kann morgen weiter laufen.
                      Ach ja , ich Vermelde: "Heute keinen nennenswerten Niederschlag"

                      19.7. Tag 28/Etappe 24
                      Morgens waren die Schmerzen so gut wie weg und ich konnte meinen Weg richtung Köln fortsetzen.
                      Es ging noch eine Weile die Dhünn entlang, ich weiß nicht warum aber längs irgendwelchen Flüssen lang mag ich irgendwie.
                      So kurz vor Köln noch richtig durch Wald zu gehen fand ich schon etwas irritierend. Stark bewirtschaftet an einigen Stellen aber das waren bisher alle Wälder durch welche ich gekommen war und durch dieses Forum wusste ich auch etwas mit den verschiedenfarbigen Markierungen anzufangen.
                      Eine Pause gab es in einer Schutzhütte, welche mich bisher auch positiv überraschten. Ab und zu waren zwar Partyspuren zu erkennen, aber das hielt sich in Grenzen ebenso wie das Müllaufkommen. Jede war bisher benutzbar und sowohl die Hütten selbst als auch die Einrichtung in gutem, teilweise sichtbar instandgesetztem Zustand.
                      Vormittags kam dann der Regen zurück, zwar nur schauerweise aber die hatten es in sich.

                      Köln Mülheim ist mir was die Wegfindung angeht, mit in schlechtester Erinnerung.
                      Teilweise kann man richtig die Mutwilligkeit erkennen mit welcher die Aufkleber gewaltsam entfernt werden (Weggekratzt, einige Reste blieben kleben) Auch falsch geklebte Hinweise sorgten weiterhin für Verirrungen.
                      So kam ich dann leider nicht durch den Jugendpark aber an der Zoobrücke wenigstens in den Rheinpark und somit auch wieder auf den Jakobsweg.

                      Die Hohenzollernbrücke die es zu Queren galt warf mich stimmungsmäßig wieder zurück.
                      So faszinierend ich es auch finde, die Idee eine Brücke für Eisenbahn und Fußgänger, liefen mir beim betrachten der Liebesschlösser dann doch die Tränen.
                      Überwältigt, da jedes Schloß theoretisch für ein glückliches Paar steht, der Gedanke, daß viele dieser Beziehungen evtl. keine mehr sind und Traurigkeit, daß mein Mann diesen Anblick nicht mit mir teilen kann.
                      >>In unserer Stadt gibt es auch eine kleine Brücke mit Liebesschlössern aber bei weitem nicht annähernd so viele, und ein ausrangiertes Schloß lag ebenfalls parat.(inzwischen hängt es zwischen den Anderen)<<
                      (Abends beim Telefonieren meinem Mann gesagt er möchte doch mal bei youtube schauen, damit er diesen Eindruck nacherleben kann)
                      --Ach ja, das hatte ich noch gar nicht erwähnt. Ich habe Höhenangst und ein Problem mit Brücken, von denen es unterwegs viel zu viele gab. Die Höhe oder Länge ist egal, sie bereiten mir Unwohlsein.--
                      Köln macht mir Angst! Das Gefühl von Bedrohung lässt mich nicht im Traum auf die Idee kommen draußen zu schlafen (Bushalte oder so). Auch die ständigen heftigen Schauer und die Schmerzen welche nach ca 20km wieder zurück waren, riefen nach einer vernünftigen Schlafmöglichkeit und machten ein Weitergehen nicht Möglich.
                      Kirchliche Unterkunft liegt hier bei ü 30€, Die Privaten waren belegt oder nicht erreichbar. So bezog ich für die Nacht in einem Backpacker Hostel, ein Bett für 17€ in einem 6Bettzimmer. Eine neue Erfahrung für mich aber keine schlechte .
                      Die klemmende Tür der Dusche sorgte zwar kurz für eine sich anbahnende Panik aber mit etwas Gewalt bekam ich sie dann schweißgebadet auf. Ich habe dort auch festgestellt, daß eine Mikrowelle noch funktioniert wenn die Tür in der Scheibe ein geschmolzenes Loch hat
                      Die Französin welche ich dort kennenlernte und ihre Freundin eine Spanierin überflogen auf meine Bitte mein Provisorisches Wörterbuch für diese Länder und korrigierten ein paar Kleinigkeiten in die Umgangssprache.
                      Nicht zum ersten mal konnte ich erleben, der Jakobsweg gibt einem alles was man braucht, wenn man es braucht. Ob dies auch für andere Wander Touren gilt, kann ich nicht vergleichen.
                      Die Schmerzen allerdings ließen sich auch durch Massagen mit Voltaren nicht vertreiben und die Hoffnung auf besseres Wetter gebe ich langsam auf.
                      Dank kostenloser Internetnutzung schreibe ich heute bei FB : "Sind inzwischen ca 500km, falls das wen interessiert "
                      >>FB: Mein Mann hält darüber meine Familie auf dem Aktuellen Stand wo ich gerade bin und wie es mir geht. Es tut gut, die Mut machenden Kommentare zu lesen<<
                      Ich hoffe das mit den Schmerzen ist morgen besser

                      20.7. Tag 29/ Etappe 25
                      Das Bein schmerzt noch immer. Die komische Schwellung am Knöchel ist weniger aber der Muskel ist hart und ich kann den Fuß nicht normal strecken/anziehen, er ist irgendwie steif.
                      Viel Schlaf hatte ich auch nicht, da noch jemand spät nachts im Zimmer Krach gemacht hat, Rücksichtnahme ist halt nicht jedermanns Sache.
                      Auf dem Weg aus Köln hinaus komme ich an einer Poststelle vorbei, was ich zum Anlass nehme einen großen Umschlag gesammelter Flyer/Infos, Karten und meine bisherigen Tagebuchseiten nach hause zu schicken.
                      Ich bin froh diese Stadt hinter mir gelassen zu haben, auch wenn die Skyline von einem Hügel bei Hürth betrachtet, beeindruckend ist.
                      Ich hatte mir zwar schon in den ersten Tagen abgewöhnt zurück zu Blicken, nur manchmal ist die Versuchung größer und es ehrlich gesagt auch Wert oder Mut machend.
                      Bis Brühl ist dann auch die Markierung mehr als ausreichend, sieht nach einer Tourismusmarketingaktion aus, denn ab dem Schloss ist es mit "mehr als" schon wieder vorbei.

                      Ein Kuriosum dieser Wegstrecke ist evtl. noch erwähnenswert. Besonders in der Kölner Innenstadt besteht die Wegkennzeichnung teilweise nur aus einem gelben, waagerechten Streifen an irgendwelchen Laternen/Schildermasten. Eine gute Tarnung vor Zerstörung, wenn man sich erst dran gewöhnt hat.
                      Unterwegs kam ich mit einer Spaziergängerin ins Gespräch, die mich einlud bei ihr zu Schlafen. Diesmal lehne ich allerdings ab, denn ich hätte dazu einige km zurücklaufen müssen. Das Wetter hatte heute ein Einsehen mit mir, denn es blieb weitgehend trocken. Ein Grund mehr heute so weit wie möglich zu laufen und es mal wieder zu genießen, trotz leider immer noch vorhandenen Schmerzen. Ich passe mein Tempo dahingehend an, denn ich habe einen Unterschied feststellen können je nachdem wie zügig ich ging.
                      Na und, dann eben mal etwas langsamer, bin schließlich nicht auf der Flucht.

                      Bergan schmerzt übrigens weniger als bergab. Nachdem ich in Walberberg meine Schlafensfrage klären konnte und mal wieder auf Verpflegungsjagd bin, traf ich zum ersten Mal auf weitere Pilger(innen), zwei Freundinnen, welche heute in Köln gestartet waren und sich nun auf dem Weg zu ihrer
                      Unterkunft noch kurz die Zeit zum Schnacken nehmen.
                      Mal gespannt ob ich sie morgen wieder treffe.
                      Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                      Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

                      Kommentar


                      • stoeps
                        Dauerbesucher
                        • 03.07.2007
                        • 537

                        • Meine Reisen

                        #12
                        Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                        Sehr schöner Bericht, ja. Ich freue mich auch sehr auf die Fortsetzung.

                        Danke
                        stoeps
                        „The world's big and I want to have a good look at it before it gets dark.”
                        ― John Muir

                        Kommentar


                        • Wafer

                          Administrator
                          Lebt im Forum
                          • 06.03.2011
                          • 9922
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                          Hallo Changes.

                          Sehr anregend! Kaum war ich durch die ersten Posts durch und haben aktualisiert, da kamen schon die nächsten Etappen. Vielen Dank für den guten Service. Jetzt bin ich mal gespannt wie es weiter geht. Habe mir den Weg in Google Earth angesehen. Sieht ja sehr vielversprechend aus. Bin gespannt auf die Fortsetzung.

                          Ich hoffe, du bist bis Santiago gekommen! Ich lasse mich mal überraschen.

                          Gruß Wafer

                          Kommentar


                          • changes

                            Dauerbesucher
                            • 01.08.2009
                            • 981
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            Mein Jakobsweg 2012 - Woche 5

                            21.7. Tag 30/Etappe 26
                            Der Tag fängt Steil an. Links am Hexenturm vorbei geht es noch wenige 100m bergauf durch den Ort, dann für längere Zeit wieder durch Wald.
                            Erneut zeigt sich, daß bei trockenem Wetter wesentlich mehr Leute unterwegs sind als bei Regen, denn schon auf dem ersten geschätzten km sehe ich mehr Freizeitler, wie an einem ganzen Regentag.
                            Umsichtige Spaziergänger sprechen mich an und weisen auf eine Verwirrmarkierung hin, welcher ich dadurch nicht zum Opfer falle. Anders als die beiden Pilgerinnen wie ich später erfahre.
                            Am Swisterturm, kurz vor Weilerswist *kurze Lichtaufgehpause* also nicht Weilers wist, sondern Weiler swist *Lichtaufgehpause ende* verließ ich den Wald, verlief mich kurz darauf wieder kurzfristig und noch vor dem Ort endgültig, da ich der Markierung brav nach rechts rein folgte, die Markierung die mich kurz danach in den Ort schicken sollte aber nicht fand. So kam ich dann, gefühlt Stunden später von der anderen Seite wieder auf Weileswist drauf zu, hatte aber keine Lust mehr auf Extratouren und sparte mir die wenigen 100 m bis zur Kirche für den Stempel als ich einen Pilgerwegweiser sah der mich kurz vorher nach rechts auf einen Pfad einlud. Von da an ging es längs der Erft, einen sehr angenehmen Weg entlang.
                            Als ich für eine Pause bereit war, traf ich auch die beiden Frauen wieder, welche sich im Wald verlaufen hatten. Zwar im Besitz der Jakobswegkarten, nahmen sie es nicht so genau mit dem Wegverlauf und liefen wie sie grad Lust hatten. 5 Tage waren geplant, Wasser und Verpflegung für die Tagesetappen = Schoko und Müsliriegel, dazu 0,75L bei der einen 0L bei der anderen welche auch schon über diverse Probleme klagte die man dem Flüssigkeitsmangel zuordnen könnte.
                            Ein Stück des Wegs liefen wir dann zusammen bis...
                            ... an der nächsten Straßenkreuzung trafen wir auf ein Pärchen, welche uns empfahlen doch den Weg rechts der Erft zu gehen, dieser sei zu Fuß besser, der linksseitige, als Jakobsweg markierte, würde von zu vielen Radfahrern genutzt.
                            Ich lehnte ab und lief den Markierungen nach weiter während wir noch scherzten uns über das Wasser ab und zu sehen zu können. Danach habe ich keinen der 4 jemals wieder gesehen ....
                            ...obwohl ich nicht sehr schnell war und durch die wiederkehrenden Schmerzen im Bein eine längere Pause machte bei der ich nun versuchte mit Schmerzmitteln eine Besserung zu erreichen. Wirkung geht ja in mehrere Richtungen. Sollten diese Anschlagen, weiß ich zumindest daß es zur Abwechslung mal ECHTE und keine Psychosomatischen Schmerzen sind.
                            Ich empfand den Weg selbst als angenehm und auch die Anzahl der Radler hielt sich in Grenzen. In Euskirchen traf ich wieder nur auf verschlossene Kirchen oder solche ohne Stempel daher wollte ich nach einem Einkauf versuchen bis Stotzheim zu kommen und mich dort um eine Unterkunft kümmern. Und wieder kam alles ganz anders...
                            Aufkleber welche seitlich versetzt nach geradeaus ins nichts zeigen kannte ich nun ja schon. Verlaufen konnte ich mir im Moment aber nicht mehr erlauben daher fragte ich Anwohner wo lang der Jakobsweg denn nun gehe. Fragender Blick, Kopfschütteln, welcher Jakobsweg? *grummel*
                            Ich blieb also an besagtem Schild stehen als ich ein Paar Gassigeher aus einer der zwei möglichen Richtungen kommen sah, die könnten evtl gesehen haben ob auf dem Weg weitere Aufkleber sind.
                            Noch bevor ich die Möglichkeit hatte wurde ich angesprochen ob ich Jakobspilger sei. *freu* Endlich mal jemand, der sich des Jakobswegs bewusst ist was mich im nächsten Moment nicht mehr wunderte, denn ich bemerkte den Muschelanhänger an ihrem Halskettchen.
                            Ich bekam die benötigte Auskunft und wurde für die Nacht vom Weg weg Adoptiert, mit dem Versprechen mich am nächsten Morgen genau hier wieder abzusetzen. Adoptiert weil, sie mich behandelten als sei ich ein willkommenes Familienmitglied. Sie sorgten sogar dafür, daß ich meinen Stempel bekam und einige meiner Kleidungsstücke das innere einer Waschmaschiene zu Gesicht. Später lauschte ich ihren Erlebnissen auf dem Camino Frances welchen sie schon mehrfach gegangen waren und durfte vor dem Schlafen noch an den PC ins Internet(nein, nicht ich habe gefragt).
                            Dies übertraf alles an Freundlichkeit/Herzlichkeit was mir bisher unterwegs begegnet war und ich hatte ein komisches Gefühl dabei.
                            Im Bett grübelte ich noch einige Zeit darüber, bis ich es endlich annehmen konnte und einschlief.

                            22.7. Tag 31/Etappe 27
                            Nach einer angenehmen Nacht und einem sehr schweren Abschied, startete ich bei warmem, sonnigen Wetter gegen 10 Uhr kurz vor Stotzheim. Nach einem Industriegebiet ging es wieder durch einen Wald, bei dessen verlassen ich urplötzlich freien Blick auf die schon lange ersehnte Eifel hatte. Wie ein kleines Kind fragte ich unterwegs die Letzten Tage ständig, ab wo denn die Eifel anfängt und nun lag sie mir sozusagen vor den Füßen.
                            Das sind Situationen in denen ich NIE ein Foto machen würde, denn sie würden dem Moment nicht annähernd gerecht.
                            Mein Blick streifte die Orte Arloff und Iversheim im Tal und im Hintergrund die ersten Hügel der Eifel. Umwerfend
                            Gegen 13:30 erreichte ich Bad Münstereifel und machte in der Stark frequentierten Fußgängerzone meine Mittagspause während ich dem Treiben zu schaute. Eindeutig viel zuviele Menschen und ich war froh diese schon bald wieder hinter mir gelassen zu haben.
                            In dem Dörfchen Roderath habe ich zum ersten mal direkt jemanden Privat wegen einem Platz zum schlafen gefragt, Scheune und Isomatte und so. Sehr freundliche Leute, alles kein Problem, ich bekam sogar ein Bett zur Verfügung. Erst gab es jedoch Kaffee und Kuchen und danach ging es zur Dorfplatz Einweihung (nach Neugestaltung).
                            -- Es gibt einfach zu wenig "Herbergen" auf dem Jakobsweg (meine Route) Überwiegend Hotels + Pensionen was ich persönlich für "Pilger" inakzeptabel finde. ---
                            Telefonieren leider ohne Netz nicht möglich

                            23.7. Tag 32/Etappe 28 (Montag)
                            Um ca 8:30 Uhr ging es am nächsten Morgen weiter Richtung Blankenheim, welches eine noch sehr gut erhaltene Burganlage hat in der eine Jugendherberge untergebracht ist. Interessant finde ich auch den angrenzenden "Tiergarten", der dazu diente Frischfleisch in Form von Wild jederzeit in erreichbarer Nähe zu haben und den hindurchführenden Tunnel, eine mittelalterliche Wasserleitung.
                            Nach einer Mittagspause verließ ich Blankenheim bei immer noch Traumhaften wetter und folgte den Wegweisern unter anderem durch das Nonnenbachtal und Vieeeeel Wald

                            bis Waldorf, wo ich mich zum Ortsvorstand durchfragte zwecks Übernachtung und dort auch dann schlafen konnte, nach Kaffee und Kuchen <was auch sonst> *grins*.
                            Das abendliche Telefonieren gestaltete sich etwas kompliziert: Ich musste den Ort Bergauf etwas verlassen, und mich dann in eine bestimmte Richtung drehen und durfte mch kaum weiter Bewegen um den zum Telefonieren benötigten Empfang zu haben.
                            Spannend: Waldorf befindet sich laut neuesten Geologischen Messungen in einem Vulkankrater.

                            24.7. Tag 33/Etappe 29
                            Das Wetter bleibt beständig schön. Die Eifel duftet nach frisch gemähtem Heu und fast rund um die Uhr sind die Mähmaschienen, Heuwender und Heuballenpressen zu hören. Alles ist irgendwie Perfekt.

                            Verlaufen ist bei diesem Wetter allerdings nicht weniger schlimm, eher gefährlicher.
                            Wenn ich nicht gerade durch Wald gehe brennt die Sonne erbarmungslos und auch ein feuchtes Bandana kühlt den Kopf nicht lange. Mein Wasserbedarf ist enorm angestiegen und ich muss mich zwingen ständig zu trinken. Sonnencreme ist nutzlos, da sie schon nach kurzer Zeit vom Schweiß weggespült wird und ich bekomme einen Sonnenbrand.
                            Menno ich bin doch kein Fisch, erst ständig gut nass gehalten und jetzt gegrillt
                            Ach nein, alles gut, ich freu mich über die Sonne


                            Hügel für Hügel, meistens bei faszinierender Fernsicht geht es von Ort zu Ort bis Ormont und ab dort durch Wald, paralel einer Landstraße längs und wie es anhand der Beschilderung aussieht durch das Skigebiet Schwarzer Mann (Im Hochsommer, Schilder mit "Vorsicht Skiläufer" hat was).
                            Der Versuch in Gondenbrett einen Übernachtungsplatz oder Stempel zu bekommen schlägt fehl, die zuständige Gaststätte hat Ruhetag und so lege ich grenzwertige 35Km bis Prüm Tafel zurück. Wetter und Stimmung laden zum draußen schlafen ein und so mache ich es mir auf einem Stück Rasen, hinter einer Hecke am Krankenhausparkplatz bequem. Eigentlich wollte ich auf ein Stück gemähter Heuwiese einige Meter vorher doch dort war noch die ganze Nacht Erntebetrieb.

                            25.7. Tag 34/Etappe 30 (Mittwoch)
                            Zur Zeit weiß ich absolut nicht in welchem Bundesland ich mich befinde, nur daß es ständig zwischen NRW und Rheinland-Pfalz wechseln könnte. Ist auch egal, aber witzig.
                            Geweckt wurde ich vermutlich vom ständigen Türenschlagen des ankommenden Klinikpersonals. Nichtsdestotrotz ließ ich mich nicht darin beirren erst in Ruhe und allmählich wach zu werden und die Reaktion der Ankommenden zu begutachten, doch bis auf wenige irritierte Blicke wurde ich nicht beachtet. Sehr schön, dann brauche ich nicht zu hetzen. Auf einem Geländer breite ich meinen Schlafkram zum trocknen aus während ich den Rest einpacke und mich Reisefertig anziehe. Die Sonne wärmt schon gut und oberflächlich ist bald alles trocken, so daß ich mich nun zum Frühstückskaffee auf die Terrasse des Krankenhauscafés begeben kann. Spät ziehe ich weiter, runter in den Ort zur Basilika.


                            Kaum aus Prüm hinaus, steigt der Weg auch schon wieder Steil an und schlängelt sich den Berg hoch. Bei Temperaturen >31°C sind auch spätere, gemäßigtere auf und ab's in überwiegend Sonne für mich sehr anstrengend. Im laufe der letzten Tage habe ich mein Bein betreffend einiges ausprobiert und am besten funktioniert es wenn ich morgens das Schmerzmittel nehme. Trier liegt ca 2 Geh-Tage vor der Grenze Deutschland->Ausland und dort habe ich vor es im KH begutachten zu lassen, ob ich das riskieren kann damit weiterzulaufen (wird trotz Belastung heil oder braucht Ruhe) Aktuell ist der Zustand gleichbleibend, kaum beweglicher Fuß, leicht geschwollen, abends Schienbein-Schmerzen bis knapp unters Knie, verschlimmert hat es sich nicht. Es ist nur lästig nicht zu wissen was das soll (irgendwie hat ja Alles einen Sinn).
                            Nach Nimsreuland geht es irgendwann wieder überaschend sehr steil Bergauf und unter einer Autobahn durch, das erinnerte mich an die ähnliche Strecke hinter Dortmund, dafür war dann die Aussicht wieder Berauschend schön. In Lascheid machte ich dann erst noch eine Pause, bevor es überwiegend Landstraße oder den paralel dazu liegenden Fußweg bergab bis Waxweiler ging. Kurz vor dem Ort galt es noch einen halsbrecherischen Waldweg zu bewältigen, aber sowas kannte ich inzwischen ja schon.
                            Die Wettervorhersage kündigte Gewitter an, darum suchte ich mir eine feste unterkunft.
                            Zwar war eine Tel. Nr. am Gemeindehaus angegeben aber darunter niemand zu erreichen, so daß ich in einer Pension übernachten mußte wo ich erneut auf einen weiteren Pilger traf.

                            26.7. Tag 35/Etappe 31
                            Das Gewitter blieb aus und ich ärgerte mich. Die Nacht war so heiß, daß ich mich mit einem angefeuchteten Bademantel zudeckte um mich zu kühlen und trotzdem kaum schlief.
                            Soviel getrunken wie an diesem Tag habe ich lange nicht mehr. Die Luft glich einem Backofen. Irgendwann an diesem Tag bin ich auf drei weitere Pilger getroffen, drei Freunde, welche jedes Jahr einen Teil des Jakobsweges zusammen laufen. Da sie wesentlich schneller waren als ich verschwanden sie irgendwo hinter Ammeldingen, doch ich meinte sie gegen Abend in Mettendorf auf einer Hotelterrasse gesehen zu haben.
                            So weit bin ich aber noch nicht. Ich genieße es einfach hier unterwegs sein zu dürfen und bin jeden Tag aufs neue Begeistert von dieser Region. Ständig sieht man die Hügel um sich rum, sofern man selbst grad auf einem läuft, hat einen Eindruck von der Weite, Größe, Schönheit dessen was einen umgibt. Zivilisationsnah liegen die Städte und Dörfer doch weit genug auseinander und teilweise versteckt in Tälern, daß man sich oft genug Mutterseelenalleine wähnen kann. Der Gedanke, wenn mir etwas passieren würde ..... kam oft genug und gemessen an den wenigen Menschen welche mir ausserhalb der Ortschaften begegneten ..... und ob das Handy dann gerade empfang hat?

                            In Neuerburg habe ich mir zusätzlich zu meinen ca 2,5-3L Wasser aus dem Beutel, Wasser mit Geschmack gegönnt, Volvic Orange mal eine nette Abwechslung. Als ich durch den Ort war incl. einer Pause im Schatten vor der Sparkasse war die Flasche leer und ich ließ sie in einem Kiosk mit Leitungswasser füllen, denn Wasser war mir heute das wichtigste.
                            Aus Neuerburg hinaus geht es sofort wieder Bergauf es ist schon Nachmittag und gleichbleibend heiß.

                            Die Hitze machte mir arg zu schaffen, ab Sinspelt hielt ich Ausschau nach einer Übernachtungsmöglichkeit, in Mettendorf war ich erneut fertig mit der Welt. Die letzten km des Tages wurden zur Qual und als dann noch ein Bremsenschwarm über mich her fiel bekam ich extremes Heimweh, wollte nur noch nach hause und habe mich entschlossen am Sonntag von Trier aus nach hause zu fahren.
                            Endlich in Nussbaum angekommen bekam ich mit dem Stempel noch eine Flasche Mineralwasser, die ich auch in relativ kurzer Zeit geleert habe. 6 Liter habe ich an diesem Tag mindestens getrunken und gefühlt hätte es gerne das doppelte sein können.
                            Später habe ich erfahren, daß dieser und der Nächste Tag die heißesten des Sommers gewesen sein
                            sollten. Die Wolken wurden sich nicht einig aber noch war kein Gewitter und so schlief ich wieder draußen, unter teilweise Sternenklarem Himmel, auf einer Wiese vor der Kirche. Mir wurde noch angeboten sollte es doch Regnen, kann ich jederzeit Klingeln damit ich ins trockene komme.
                            Nachdem ich mein Lager zurecht bastelte, und die Schuhe auszog stellte ich fest, daß es meinem Fuß besser ging. Ich konnte ihn wieder etwas strecken und anziehen, er war nicht mehr so steif und das obwohl ich heute bewusst keine Schmerzmittel genommen hatte um in Trier das Schmerzempfinden nicht zu verfälschen.
                            Wahrscheinlich mußte ich diese Entscheidung bewusst selber treffen.(die Entscheidung den Weg zu unterbrechen). Am Telefon erzählte ich das auch sofort und entschuldigte mich bei meinem Mann, daß ich trotz der ganzen Vorbereitung nicht weiter könne. Erleichtert erfuhr ich von ihm, daß er sich wiederum nicht getraut hatte, mir zu sagen daß ich nach hause kommen solle. Er begrüßte den Abbruch, wollte nur nicht schuld dran sein. Mit einem guten Gefühl schlief ich irgendwann ein.

                            27.7. Tag 36/Etappe 32
                            Während meine taufeuchten Sachen noch in der Sonne zum Trocknen lagen, kam der Pilger aus Waxweiler vorbei und wir etwas ins Gespräch bis ich packen und er weiter gehen wollte.
                            Der heutige Tag stand dem Gestrigen in Temperatur in nichts nach und ich war froh, daß es weniger Bergauf ging.

                            Zwischen Stockigt und Bollendorf war auch überwiegend Wald also Schatten . Wald ja, aber was für einer. Felsengebilde wie Bauwerke, faszinierend teilweise bedrohlich wirkend wenn der Weg direkt unter solchen Wänden entlang führte oder zwischendurch. Ich hatte das Gefühl als wäre ich in eins meiner Geliebten Fantasy Spiele oder Bücher versetzt worden. Einfach episch (epic).



                            Ein Stück hinter Bollendorf, schon in Luxemburg, traf ich wieder auf den anderen Pilger und wir liefen zusammen bis Echternach wo wir auch zu zweit Probleme hatten die Wegweiser zu finden. In einem Straßencafè machten wir eine ausgiebigen Pause und tauschten unsere Erfahrungen und Erlebnisse etwas aus. >>Ich hatte ja schon viel über den anspruchsvollen Camino Frances gelesen und gehört, bin aber im laufe der letzten Wochen zu dem Ergebnis gekommen, wenn man diese Strecke des Deutschen Jakobuswegs geschafft hat, dürfte der Spanische keine Schwierigkeiten mehr machen.<<
                            Das sprach ich ihm gegenüber an und er war der gleichen Meinung. Ob er schon in Spanien war, weiß ich leider nicht mehr.
                            In Echternachbrück trennten sich unsere Wege, er blieb über Nacht hier und ich wollte noch bis Welschbillig kommen, denn nun hatte ich einen strammen Zeitplan bis Trier.
                            Irgendwo grollte Donner, das Gewitter war also im Anmarsch.
                            Es war schon später Nachmittag und noch lagen 15km vor mir, die es zu bewältigen galt. Unterwegs erfragte ich mir nochmal Wasser und bei dem sich anschließenden Gespräch erfuhr ich, daß es hier tatsächlich Eidechsen gibt. Schon einige Tage vorher meinte ich eine gesehen zu haben, und die Flora auf so manchen Höhenwegen und Hängen erinnerte mich teilweise an einen lang zurückliegenden Italienurlaub(Abruzzen). Hatte sich dieses Rätsel also auch noch aufgelöst.
                            Es galt noch einiges an Steigung zu bewältigen, und einen Umweg, bis ich am Abend die ersten Häuser von Welschbillig erreichte.
                            Ich sprach die ersten Personen an die ich gewahr wurde und fragte nach einer Pilgerherberge die im Ort sein solle. Kurz darauf saß ich in einem bequemen Auto und wurde zum Helenenberg Chauffiert. Das war nicht im Ort wo ich meinte aber Hauptsache ein Dach über dem Kopf, denn noch während ich anschließend zu Abend aß, zuckten die ersten Blitze am Himmel. Das Gewitter kam mir aus Richtung Echternach hinterher und legte die 15 km in wenigen Minuten zurück. Das weiß ich deswegen so genau weil ich statt Tele zu können eine SmS schreiben musste und den Text kurz vor dem Absenden dahingehend geändert habe von: das Gewitter kommt langsam näher, zu sowas wie: es ist da.
                            Faszinierend! Hier oben gab es nichts was die Blitze verdeckte und so wirkten sie durchs Fenster fast wie Stroboskopblitze.
                            Es tobte noch als ich längst am Schlafen war, meinem Bein ging es weiter besser.

                            28.7. Tag 37/ Etappe 33
                            Heute ist also vorerst der letzte "Pilgertag".
                            Das Wetter ist Neblig und regnet in wechselnder Intensität, dabei trotzdem noch relativ warm.
                            Ich fühle mich gut mit dem Gedanken, daß es morgen nach Hause geht und erlebe diesen Tag völlig bewusst als Abschied vom Weg.

                            Es geht über Möhn nach Kimmlingen und ich muß schmunzeln. Meinen Sohn Kim habe ich als kleines Kind manchmal liebevoll Kimmeling genannt.

                            Hinter Butzweiler bringt mich der Weg noch ein Letztes mal auf ca 400 Meter, jedenfalls hoch genug um mich von der Eifel, der für mich bisher schönsten Wegstrecke, verabschieden zu können.


                            Jetzt geht der Weg bergab Richtung Biewer wo ich noch eine Anstrengende Wegstrecke zu bewältigen hatte. Steil, eng, glitschig muß ich sehr aufpassen um nicht zu stürzen. An einer Stelle wäre ich ohne die Stöcke vorwärts gar nicht runter gekommen, ich hätte rückwärts kriechen müssen denn es war eine ca 30-40cm hohe Stufe mit einer anschließenden Linkskurve bei einer geringen Wegbreite und ungesichertem Abhang. Zögerlich schaffte ich auch dieses Hindernis und den restlichen engen Abstieg.
                            Nach Querung einer Straße ging es dann über Waldwege bis Biewer von wo aus ich nach einer kurzen Verschnaufpause das Moselufer längs nach Trier gehe.

                            Irgendwann hört auch der Regen auf und ich mache eine etwas längere Pause auf einer der Bänke mit Blick auf die Mosel welche ich bald auf der Kaiser-Wilhelm-Brücke überquerte.
                            Nur noch wenige Meter auf dem Jakobsweg den diesseitigen Uferweg entlang denn der Weg führt nicht in die Stadt hinein. Auch wenn ich mir noch einen Stempel am Dom besorge, verlasse ich hier, am Ufer der Mosel nach 737km "Meinen Jakobsweg"

                            Nachtrag:
                            Ich wollte um 16 uhr in Trier sein und war um 16 Uhr dort. Perfektes Timing.
                            Zum Stempel musste ich mich durchfragen und traf auf den Zuständigen für die Wege rund um Trier. Er entschuldigte sich für den gefährlichen Abstieg, aber es gab keine andere Möglichkeit für die Wegführung meinte er. Doch es würde versucht werden den Weg dort zu verbessern.
                            Nahe der Porta Nigra erklärte er mir noch den restlichen Weg und ich bummelte in die angegebene Richtung.
                            Nachdem ich meinen vorerst letzten Stempel hatte kaufte ich noch Verpflegung für die Heimfahrt und gönnte mir ein essen beim Gelben M. Das hatte ich mir schon für unterwegs vorgenommen aber entweder war ich meist grad einkaufen wenn ich es entdeckt habe oder ich hatte keinen Hunger. Viele Stunden später war ich dann noch bei der Konkurenz am Bahnhof denn es fing wieder an zu regnen und mein Zug fuhr erst nach 5 irgendwann.
                            - Unterwegs hatte ich gelegentlich die Möglichkeit den Zustand der Wegweiser oder deren nicht vorhandensein weiterzugeben.
                            - Ich nehme viel mit an Erkenntnissen, Erlebnissen, musste mich wie erwartet einigen Ängsten stellen und habe sie gemeistert
                            - Ich müsste diesen Weg noch einmal gehen oder per Rad bereisen, denn es gab vieles dem ich nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen konnte, denn dazu war ich nicht unterwegs. Ich konnte erleben wie Abwechslungsreich und Geschichtsträchtig dieses Land ist und hoffe mir irgendwann die Zeit zu nehmen und die Wallanlagen, Steingräber und sonstiges dieser Art zu besuchen.
                            >>Ich fahre mit einem Guten Gefühl nach Hause, und auch im Nachhinein war es die richtige Entscheidung.<<

                            Und zu hause dann bei FB so etwas zu lesen ist natürlich toll:
                            Starke leistung mama <3 freut mich dich wieder im lande zu haben ich muss zugeben als ich die postkarte heute gelesen habe war ich zwar etwas erschrocken und wusste nicht ob es dein ernst war oder nicht freue mich dennoch tierisch dich wieder da zu haben wo du hin gehörst <3 du hast deinen weg gemacht so lange wie du es brauchtest und es ging . ich bin stolz auf dich . hab dich lieb
                            Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                            Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

                            Kommentar


                            • Juno234
                              Erfahren
                              • 03.08.2007
                              • 397

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                              Ein schöner ehrlicher Bericht

                              Kommentar


                              • Werner Hohn
                                Freak
                                Liebt das Forum
                                • 05.08.2005
                                • 10872
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #16
                                AW: Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                                Zitat von changes
                                >>Ich hatte ja schon viel über den anspruchsvollen Camino Frances gelesen und gehört, bin aber im laufe der letzten Wochen zu dem Ergebnis gekommen, wenn man diese Strecke des Deutschen Jakobuswegs geschafft hat, dürfte der Spanische keine Schwierigkeiten mehr machen.<<
                                Kann ich bestätigen. Der Camino ist sehr viel einfacher. Markierungen, Unterkünfte, Höhenprofil - alles. Deinen ganzen Weg duch Deutschland kenne ich zwar nicht, doch den Teil durch die Eifel ziemlich gut. Erst letzten Herbst bin ich auf ungefähr deiner Route ab Euskirchen bis Bitburg unterwegs gewesen, wenn auch auf den Wanderwegen des Eifelvereins.

                                Geht es irgendwann weiter auf dem Weg Richtung Spanien?
                                .

                                Kommentar


                                • HUIHUI
                                  Fuchs
                                  • 07.08.2009
                                  • 2140
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #17
                                  AW: Mein Jakobsweg 2012 - Woche 4

                                  Zitat von changes Beitrag anzeigen
                                  Die heutige Strecke ist Landschaftlich wieder sehr schön und durch den ganzen Regen der letzten Tage fließen viele kleine Bäche die Berge runter in den Eifgenbach und die Dhünn durch deren Täler sich der Weg ebenso schlängelt wie diese Flüsse. Teilweise ist der Weg selbst ein kleiner Bach.
                                  Leider sind oft die Wege auch aufgeweicht und schlecht passierbar oder ganz weggespült.

                                  Zu allem Überfluss gibt es in dieser Region scheinbar zu viele Mountainbiker, die sowohl Wege unsicher machen, wie auch offroad durch die Wälder heizen, wie einige Hinweisschilder zu verstehen geben. Zur Eindämmung bleiben einige Wegpassagen schwer passierbar wenn dort Bäume umgefallen sind. Und wieder muss ich an ältere Leute denken für die ein weiterkommen dort unmöglich ist. Selbst ich musste teilweise über dicke Stämme klettern oder mich zwischen 2 davon durchquetschen und dabei aufpassen, daß der Rucksack nicht den Hang hinunter ins Wasser kullert.
                                  Erschreckend ist der Anblick von vielen kahlen Hängen wo nur vereinzelt Baumreste stehen. Ich denke an Kyrill und frage mich ob das noch Folgen von diesem Sturm sind.(Leider habe ich bis heute keine Antwort darauf gefunden)
                                  Unabhängig davon ob du bis Spanien läufst oder nicht: Die Etappe am Eifgenbach wird die schönste der ganzen Tour sein
                                  Hier findest du auch deine Antwort: Ja es war Kyrill und nein die Mountainbiker sind nicht böse, es ist schlicht das beste Revier im Kölner Einzugsgebiet.
                                  Ich bin ziemlich einfach. Ich trinke guten Wein, das ist konzentrierter Sonnenschein.

                                  Kommentar


                                  • Wafer

                                    Administrator
                                    Lebt im Forum
                                    • 06.03.2011
                                    • 9922
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    AW: [DE] Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                                    Hallo.

                                    Auch wenn ich mich wiederhole: Sehr schöner Bericht! Leider schon zu Ende! Ich hoffe, du findest bei anderer Gelegenheit auf den Weg zurück und kannst du wechselnden Kulturen und Landschaften auf dem Weg nach Spanien miterleben. Das war einer der Highlights für mich auf meinem Weg. Und von Zuhause aus solche Entfernungen zu Fuss zurück legen zu können ist auch eine sehr wichtige Erfahrung. Ich nehme seit her Entfernungen ganz anders war.

                                    Ich hoffe dein Bein war nichts ernstes und wünscht dir noch viel Glück auf weiteren Wegen.

                                    Wafer

                                    Kommentar


                                    • gerrybeach
                                      Anfänger im Forum
                                      • 04.02.2013
                                      • 36
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      AW: [DE] Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                                      ich schließe mich den worten meines vorgängers an: sehr schöner bericht! weckt in mir den wunsch, das auch einmal zu machen... alles gute und danke, dass wir an deiner reise teilhaben durften!
                                      Gerry

                                      Kommentar


                                      • rumtreiberin
                                        Alter Hase
                                        • 20.07.2007
                                        • 3236

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [DE] Mein Jakobsweg 2012- Reisebericht oder so

                                        Toller Bericht, danke! Ist schon eine erstaunliche Erfahrung, wie anders die Leute reagieren, wenn man unmotorisiert auf einer längeren Tour ist und zwischendurch nach Informationen, Wasser oder einer Möglichkeit zum Übernachten (falls die nicht sogar bevor man fragen kann bereitwillig angeboten wird) fragt.

                                        Kommentar

                                        Lädt...
                                        X