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Reisezeit: 20.07.-21.07.2013
Erster Tag: Cochem - Bullay ca. 29 km
Zweiter Tag: Bullay - Reil via Beinter Kopf ca. 19 km
Donnerstag Nachmittag wurde mir plötzlich klar, dass ich das Wochenende frei hatte – keine Verpflichtungen, keine Besuche, kein nichts, gar nichts! Das Wetter war bombig, besser hätte ich es mir nicht wünschen können, daher beschloss ich spontan: Es geht zur Mosel. Was kann’s schöneres geben? Ich kannte mich da zwar nur wenig bis kaum aus, aber das macht ja nichts. Die Mosel! Schöne Gegend, nette Leute, guter Wein, ein Fluss mit Radwanderweg – ideales Terrain für einen lockeren Kurzurlaub.
Wo könnte ich denn loslaufen? Cochem klingt gut, ist doch auch bekannt. Ja, das ist eine gute Idee. Bis wohin? Egal, mal schauen, auf jeden Fall stromaufwärts. Schnell die nächsten Bahnhöfe ab Cochem Richtung Traben rausgesucht, hastig die nötigsten Sachen gepackt und am Freitag nach der Arbeit ins Auto gesetzt und losgefahren.
Pünktlich um 22 Uhr rollte mein Auto auf den Parkplatz in der Stadtmitte. Es wurde dunkel, aber Cochem ist ja ein wahres Nachtschwärmer-Paradies. Überall leichtbekleidete junge Leute, betrunkene alte Frauen, in Gruppen und auch als Pärchen-Touristen. Ich schlenderte durch die Straßen, genoss die Atmosphäre, wunderte mich ein wenig über die sehr ausgeprägten Nachtaktivitäten und freute mich in der lauen, fast windstillen Sommerluft auf das, was kommen sollte.
Aber wo konnte ich hier schlafen? Auf einer Wanderkarte an der Kirche sah ich mehrere Schutzhütten, die sehr nah an der Stadt lagen, Luftlinie vielleicht 500 m. Ein Blick ringsum belehrte mich: Die liegen alle oben in den Hängen, das dauert Stunden, um die zu erreichen!

Tja, als Flachlandtiroler unterschätzt man immer wieder die Freuden, die Steilhänge bereiten, wenn man sie NICHT auf topografischen Karten betrachtet. Damit die Rentner-Gangs, die hier ihr Urlaubs-Unwesen treiben, freiwillig Wandern gehen, lässt man geflissentlich alle Höhenlinien aus den öffentlich ausgewiesenen „Wander“-Karten weg! So bekommt man auch Holländer in die Weinberge ... vermute ich.

Mit dem Auto ist das aber kein Problem. Schummel ich dadurch? Ach, egal, ich will schlafen! Der Platz erweist sich als nahezu ideal: Eine große, leere Hütte, die jedoch müffelt, davor ein großer, leerer Platz mit ein paar hohen Hecken, die die Blicke abhalten. Ich lagere mich in der Hütte, denn da gibt’s keinen Tau am Morgen. Gut, sauber ist was anderes, aber ich schlafe schnell ein.
Plötzlich schrecke ich hoch: Unweit meines Kopfes rumort es, schmatzt, grunzt, scharrt ein Vieh! Mir stehen die Nackenhaare zu Berge ... aber es ist bloß ein Igel. Der vergeht sich hungrig am Holz der Hütte, macht aber keine Anstalten, den Platz zu räumen. Da ich keine Lust auf Milben, Flöhe oder sonst was habe, räume ich den Platz und lasse mich seufzend auf dem Tisch neben meinem Auto nieder. Ab nun wird durchgepennt – bis halb sieben.
Erstens: Im Schweiße meines Angesichts


Frühstück im Sonnenaufgang
Nach einem kurzen Frühstück wird ordentlich gepackt, die Wanderklamotten angezogen, Wasser umgefüllt und dann das Auto am Ortseingang vor dem Campingplatz auf einem Schotterparkplatz geparkt – kostenlos. Dann schnüre ich die Stiefel und tapere in den Ort hinein, den ich fast für mich allein habe. Samstag morgens um acht ist hier nichts los, keine Radfahrer, keine Wanderer, keine Touristen. Ich freue mich, schieße ein paar Fotos und beschließe, den Radweg zu laufen. Ursprünglich wollte ich zwar den Höhenweg erkunden, aber das ist mir gerade zu anstrengend. Also kalkuliere ich, dass die Eindrücke schöner und die Anstrengungen weniger sind, wenn ich den Radweg nutze und gehe sofort am Ufer entlang den Strom hinauf.


Die Reichsburg: Cochems Wahrzeichen
Offensichtlich bin ich der einzige Wanderer, der diese Idee hat. Sicherlich sind noch andere zu Fuß unterwegs, aber ich treffe an beiden Tagen keinen Kollegen, während ich so vor mich hin laufe. Dafür Radfahrer: Ab neun kriechen die aus ihren Löchern, genau wie ich früher. Ach ja, warum bin ich damals den Rhein entlang gefahren und nicht dieses wunderschöne kleine Tal hier? Jetzt bin ich zu Fuß und werde erstaunt beäugt.

Das Wetter ist perfekt. Bombig! Sensationell! Die Sonne lacht, es ist warm, die Luft umschmeichelt mich, der Duft der Weinberge erreicht mich, das träge Wasser gluckst neben mir und die Schuhe tappen gleichmäßig auf dem Asphalt. In den Bäumen zwitschern die Vögel, die Blumen blühen in herrlicher Pracht und hier und da steigt mir der Geruch von Heu in die Nase. Diese Erlebnisse könnte ich auch zu Hause haben – nur wird hier alles noch veredelt durch die sagenhaft schöne Landschaft, das enge, hohe Panorama des Moseltals, die Weinberge und die hübschen Städtchen. Kindheitserinnerungen kommen hoch: Tagesausflüge zur Ruine in Treis-Kadern, der kleine, dicke Lukas in den Weinbergen und unter mir die Mosel, wie sie träge zwischen den engen Leys dahinfließt.

Hier ist jedoch gerade einiges so gar nicht träge. Ich habe das südliche Ufer an der Bundesstraße genommen und werde in einer Tour von Motorrädern gefoltert: tiefe, brummende Maschinen mit gemütlich cruisenden Pärchen (die sind ja noch völlig unproblematisch), laute, hysterisch schreiende, fast kreischende Raser (Was für Deppen!), irrwitzig überholende Spinner oder diese Klischee-Rocker auf ihren breiten Teilen, in Kluft und Lederhosen, die nur in höllisch knatternden Gruppen auftreten. Was mich gegen viele dieser Fahrer einnimmt, ist der absurde Krach, den sie zusammen und alleine machen. Es gibt doch auch leise Motorräder! Aber das wäre vermutlich uncool. Stören wir lieber alle anderen.

In Ellenz hätte ich die Fähre nach Beilstein nehmen sollen, die andere Seite ist weniger stark befahren und für Wanderer eher geeignet, wie ich später feststelle. Tja, aus Erfahrung wird man klug! So laufe ich eine unendlich lange Kurve an der Straße entlang in sengender Sonne, bis ich endlich Senhals erreiche. Rast! Eine Stunde lang liege ich im Schatten, döse und ruhe aus. Dann beschließe ich, das Ufer zu wechseln, denn meine Radwander-Karte behauptet, der Weg dort sei unbefestigt. Das klingt doch gut! Keine Motorräder mehr!

Burg Metternich über Beilstein
Auf der Brücke sehe ich, dass unter mir am Campingplatz ein paar Mädchen im Wasser baden. Ich bin überrascht: Kann man in der Mosel schwimmen? Fließgewässer sind ja nicht ganz ohne, egal wie träge sie sind. Ich beschließe, es mir bei der nächsten Gelegenheit mal anzuschauen. Die ergibt sich, als ich etwa einen Kilometer weiter einen leeren „Strand“ entdecke, der direkt am Wanderweg liegt. Ein idealer Ort, genau gegenüber eines anderen Campingplatzes, wo die Kinder auch wild im Wasser toben, Erwachsene ruhig mit der Strömung schwimmen und Paddelboote hin und her treiben.
Schnell bin ich ausgezogen und teste das Wasser. Es ist erstaunlich warm und fließt kaum merklich. Sauber ist was anderes, aber es geht. Ich stinke, bin verschwitzt und klebrig, mir ist heiß und so schwimme ich vorsichtig ein paar Stöße hinaus, den Strand aus Steinen entlang, dann gegen den Strom zurück (geht das leicht!) und klettere über die Steine wieder hinaus. Herrlich! Das tut gut! Während ich mich nackig abtrockne, tuckert ein Boot mit einem älteren Paar vorbei. Er steht, Kulle voraus und in Shorts, am Ruder, sie dagegen hat hinten ihre bedeutenden sekundären Geschlechtsmerkmale offen ausgepackt und ausgebreitet. Wir grüßen einander freundlich von Nackidei zu Nackidei.



Die weitere Strecke bis Neef verläuft oberhalb des Ufers, teils stark an- und absteigend durch Wald. Wie schön es hier ist! Und ruhig. Nur wenige Radfahrer kommen mir entgegen oder überholen mich, hier und da schwer keuchend ob des steilen, unbefestigten Wegs. Immer wieder stehen Angler-Autos halb im Gebüsch, wird der Blick auf die Mosel frei und es ist zudem angenehm schattig und nicht so krass heiß wie auf dem Asphalt der Bundesstraße.
In der Klosterruine Stuben, mitten in Weinbergen, wird irgendwas gefeiert. Eine aparte Dame übersetzt der bildhübschen Bierwagen-Bedienung ein paar Trinkwünsche der fremdsprachigen Männer um sie herum; ich leiste mir lieber keinen Wein, obwohl ich schon gern ein Viertel genießen würde. Aber bis Neef sind’s noch ein paar Kilometer, glaube ich. Die gehe ich an lauter Badestellen entlang – hier gibt es eine kleine, langgezogene Insel oder etwas in der Art. Innerhalb dieses ruhigen Bereichs tummeln sich die Leute geradezu im Wasser – alle zehn, fünfzehn Meter wird geplanscht oder sich gebräunt. Ich dagegen sehne mich nach Schatten, denn Mutter Sonne ist heuer unbarmherzig mit mir.
Vor Neef setze ich mich in den Schatten und pausiere. Es ist halb vier – wie weit geht’s heuer noch? Ich vespere Käse, Wurst, einen Apfel, lecker Brot und beobachte müde eine Art Fußballturnier mit französischen, holländischen und schweizer Jugendlichen. Eins der Mädchen kippt vor dem Tor um; so fühle ich mich auch. Etwa eine dreiviertel Stunde später tappe ich in den Ort, der klein, hübsch und ruhig ist. Ach komm, Bullay ist nur 4 km weiter – da geht’s noch hin, es sei!

Der Campingplatz in Neef - vom Zug aus fotografiert. Rechts das Ufer kam ich herab, dort wurde angestrengt gebadet!
Auch diese Strecke entlang der Eisenbahnschienen übersteh ich noch, dann tapse ich müde am Wasser entlang in den Ort. Ach, mir ist grad alles egal. Also suche ich ein Zimmer, bekomme eines in einem Gästehaus direkt am Fluss inklusive leckeres Abendbuffet und kaufe mir noch ein kühles Fläschchen „Brautrock“. Dann stelle ich einen Stuhl ans Ufer, köpf die Flasche und genieß die Sonne, die Mädchen, den Fluss, die Luft und einfach alles – besonders aber den Wein. Was für ein schöner Tag!

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