[DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • kaltduscher
    Erfahren
    • 23.11.2009
    • 361
    • Privat

    • Meine Reisen

    #21
    AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

    Also der Tisch ist wiklich nicht schlecht zum schlafen,du fällst ja nicht gleich auf den Boden

    Ich hab Anfang Sept bei der Wegscheithütte draußen auf dem Tisch geschlafen die Hütte war voll und in der Büchereckhütte auch auf dem Tisch,da wollte ich mich nicht von den Mäusen fressen lassen

    Kommentar


    • Igelstroem
      Fuchs
      • 30.01.2013
      • 1969
      • Privat

      • Meine Reisen

      #22
      AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

      Zitat von kaltduscher Beitrag anzeigen
      Also der Tisch ist wiklich nicht schlecht zum schlafen, du fällst ja nicht gleich auf den Boden.
      Bin ja Seitenschläfer und drehe mich gelegentlich. Wenn ich dann im Schlaf von so einem Tisch herunterrolle, mich verletze und die Tour abbrechen muss, wird man das womöglich als eine etwas eigenwillige Interpretation meiner Signatur [»Ich suche nicht meine Grenzen, sondern einen Schlafplatz«] auffassen. Deshalb schlafe ich in den Hütten lieber von vornherein auf dem Fußboden.
      Zuletzt geändert von Igelstroem; 25.03.2017, 16:28.
      Lebe Deine Albträume und irre umher

      Kommentar


      • ilten
        Anfänger im Forum
        • 07.06.2008
        • 29
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

        Vielen Dank für den Bericht. Er ist wirklich unterhaltsam geschrieben! Das Wetter kann man sich nicht aussuchen - aber das (selbstgewählte) Schicksal keinen Kaffee am Morgen zubereiten zu können wäre mir deutlich zu hart. Das solltest Du vielleicht auch noch mal überdenken. Dosenkocher + Titantasse und Starbucks VIA sind nicht soooo schwer.
        ilten

        Kommentar


        • hotdog
          Freak

          Liebt das Forum
          • 15.10.2007
          • 16106
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

          Zitat von ilten Beitrag anzeigen
          aber das (selbstgewählte) Schicksal keinen Kaffee am Morgen zubereiten zu können wäre mir deutlich zu hart.
          Finde ich ja eigentlich auch, aber vielleicht gehört das ja mit zum Konzept. Jeder nach seiner Fassong.

          Zitat von Igelstroem
          Wenn ich dann im Schlaf von so einem Tisch herunterrolle, mich verletze
          Bist du schon mal aus dem Bett gefallen?
          Arrivederci, farewell, adieu, sayonara WAI! "Ja, wo läuft es denn? Wo läuft es denn hin?"

          Kommentar


          • Igelstroem
            Fuchs
            • 30.01.2013
            • 1969
            • Privat

            • Meine Reisen

            #25
            AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

            Zitat von hotdog Beitrag anzeigen
            Finde ich ja eigentlich auch, aber vielleicht gehört das ja mit zum Konzept.
            Dass ich ohne Kocher unterwegs bin, hat eine Vorgeschichte, die in meinem ersten Reisebericht »Von Strausberg nach Niederfinow« nachzulesen ist:

            Zitat von Igelstroem
            Auf den Stufen des Gebäudes nutze ich die Gelegenheit, mir einen Kaffee zu kochen. Löslicher Espresso mit Milchpulver. Der beste lösliche Espresso mit Bio-Vollmilchpulver, um genau zu sein. Mein Brennpaste-Kocher reicht dafür völlig aus, aber der Kaffee schmeckt eben nach löslichem Kaffee mit Milchpulver …


            Bei den Touren in Brandenburg war es zudem so, dass man mitunter an den gewählten Übernachtungsplätzen wegen der Waldbrandgefahr kein Feuer machen würde, und um in jeder Hinsicht auf der sicheren Seite zu bleiben, würde ich dann auch keinen Kocher verwenden. Die Entfernung zur nächsten kommerziellen Kaffeequelle war dort auch meist geringer. Dann fällt der Kocher einer Gewicht-Nutzen-Abwägung zum Opfer.


            Zitat von hotdog Beitrag anzeigen
            Bist du schon mal aus dem Bett gefallen?
            Nö. Aber mein Bett ist auch breiter als ein Tisch. Gerade wenn ich mich im Schlaf in meinem Bett wähne, falle ich garantiert vom Tisch.

            Es ist ein bisschen wie bei macroshooters Schlafplatz auf dem Piz Julier: Er hat auch nicht geschlafen, obwohl er den Rand mit Steinen gesichert hatte:

            Zitat von macroshooter
            Schlafen will ich aus Sicherheitsgründen lieber nicht. [...] An Umdrehen ist nicht zu denken. Und das empfiehlt sich auch wegen dem ausgesetzten Plätzchen [...] nicht.
            Lebe Deine Albträume und irre umher

            Kommentar


            • kaltduscher
              Erfahren
              • 23.11.2009
              • 361
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

              wenn du Morgens deinen Kaffee brauchst, schau die auf youtoube - "cowboykaffee" an
              ich nehm Unterwegs immer die 3 in1 Stick das sieht zwar nicht aus wie Kaffee, schmeckt nicht nach Kaffee, aber mal kann sich ja einbildet es währe Kaffee dann gehts
              Zuletzt geändert von kaltduscher; 06.10.2013, 19:07.

              Kommentar


              • elcom
                Gerne im Forum
                • 08.08.2013
                • 99
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                Klasse Bericht bisher, freue mich schon auf den Rest! Das Wetter erinnert mich an meinen ersten Versuch den Rothaarsteig zu wandern. Lots of liquid sunshine, um mal optimistisch zu bleiben. Dein Schreibstil versteht es, selbst der hoffnungslosesten Situation noch etwas Gutes abzugewinnen. Und die Signatur solltest du dir patentieren lassen
                One says to me, "I wonder that you do not lay up money; you love to travel; you might take the cars and go to Fitchburg today and see the country." But I am wiser than that. I have learned that the swiftest traveller is he that goes afoot. ― Henry David Thoreau
                Mein Blog: http://cheeseburgerhikes.blogspot.com/

                Kommentar


                • Prachttaucher
                  Freak

                  Liebt das Forum
                  • 21.01.2008
                  • 11991
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                  Gefällt mir auch ausgezeichnet ! Die Suche nach Einkehrmöglichkeiten kommt mir sehr bekannt vor. Ich hoffe, daß Dir im weiteren Verlauf noch der Genuß einer echten Schwarzwälder Kirschtorte zu Teil wurde.

                  Offensichtlich sind die undichten Hüttendächer gelegentlich in anderen Regionen ebenfalls anzutreffen.

                  Ist denn Dein Tarp so robust, daß es als Unterlage keinen Schaden nimmt ? Die Idee ist ja nicht schlecht.

                  @elcom : Stimmt : Bei mir sah es damals auf dem Rothaarsteig auch so aus und ich bin zum Schluß triefend naß in den Zug gestiegen. Das "Fernsichterlebnis" war das gleiche.

                  Kommentar


                  • Igelstroem
                    Fuchs
                    • 30.01.2013
                    • 1969
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                    Zitat von Prachttaucher Beitrag anzeigen
                    Ich hoffe, daß Dir im weiteren Verlauf noch der Genuß einer echten Schwarzwälder Kirschtorte zu Teil wurde.
                    Nein, aber das ist ein sehr spezielles Thema. Ich mag keine Kirschen. Eigentlich gab es überall unterwegs ungefähr den gleichen Kuchen, nämlich Zwetschge, Apfel, eventuell noch Käse. Pflaumen mag ich auch nicht, Apfelkuchen geht zur Not, aber Rosinen geht zum Beispiel gar nicht. Insofern war das für mich keine Kuchentour. Später zu erwähnen ist nur noch der Bienenstich in der Kalten Herberge. Dass mich das Kuchenthema überhaupt beschäftigt hat, liegt nebenbei daran, dass ich ja keinerlei Süßigkeiten bei mir hatte, nachdem ich im Laufe des Sommers ungefähr ein Dutzend Sorten Müsliriegel und Fruchtschnitten negativ getestet hatte. Die Schokolade habe ich beim Packen aus Gewichtsgründen wieder rausgeworfen und habe es unterwegs tatsächlich nicht geschafft, en passant welche zu kaufen.

                    Zitat von Prachttaucher Beitrag anzeigen
                    Ist denn Dein Tarp so robust, daß es als Unterlage keinen Schaden nimmt ?
                    Weiß ich nicht. Es ist ein 35-EUR-Tarp und ich hatte keine andere Unterlage dabei. Irgendwie kam mir der Hüttenboden schmutzig vor, deshalb hatte ich das Bedürfnis, etwas unter den Biwaksack zu legen, obwohl der sicher robuster ist als das Tarp.


                    Der nächste Abschnitt des Berichts folgt heute irgendwann am späteren Abend.
                    Lebe Deine Albträume und irre umher

                    Kommentar


                    • Igelstroem
                      Fuchs
                      • 30.01.2013
                      • 1969
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                      Tag 4 (Sonntag, 15.09.): Nikolashütte – Wanderheim Brandenkopf


                      Am Vorabend hatte ich eine Schrecksekunde beim Auspacken des Schlafsacks: ziemlich feucht, zumindest oben herum. Der Müllsack hält den Rucksack zwar insgesamt erstaunlich trocken, aber man kann das hintertreiben, indem man bei diesem Wetter unterwegs den Rucksack irgendwo abstellt. Dann zieht die Nässe von unten hinein, und ich hatte es versäumt, den Schlafsack eigens wasserdicht zu verpacken. So ist er nun der einzige Ausrüstungsgegenstand, der im Rucksack während der Tour deutlich feucht geworden ist. Als ich mich später hineinlege, bemerke ich davon – nichts. Keine Spur von verringerter Wärmeleistung.

                      Paradoxerweise folgere ich am Ende der Tour aus dieser Erfahrung, dass man in Zukunft bei Inlandstouren ruhig einen Daunenschlafsack verwenden kann. Denn das Einpacken des Schlafsacks in eine Haushaltsmülltüte hätte ja bereits ausgereicht, um den Schlafsack von außen trocken zu halten (vorausgesetzt es regnet nicht in der Unterkunft). Wenn dies selbst bei Dauerregen leicht möglich ist, ist offenbar der Transport zumindest kein Risiko. Und da der Kunstfaserschlafsack ansonsten hinsichtlich seiner Komforttemperatur ohnehin nicht das hält, was der Hersteller verspricht, ließe sich durch einen Daunenschlafsack in Zukunft fast ein Kilo Gewicht einsparen, ohne unabsehbare Risiken einzugehen.









                      Am Morgen brauche ich eine ganze Weile, bis ich aufbreche. Woran das liegt, weiß ich nicht mehr. Ich entnehme es aber der Datierung der obenstehenden Bilder, die zwischen halb acht und neun Uhr aufgenommen worden sind. Wahrscheinlich war es angenehm, noch eine Weile vor der Hütte zu sitzen, bei milder Luft. Der Regen beginnt erst wieder, als ich losgehen will.



                      Lettstädter Höhe: Dort gibt es eine offene, im Vergleich etwas schäbige Schutzhütte:




                      Vorher mache ich einen kleinen Umweg, um die andere Hütte anzuschauen, die nordöstlich davon an einer der Forststraßen liegt, nur 500 Meter vom Westweg entfernt. Sie heißt Blitzhütte, ist wesentlich komfortabler, allerdings mit ziemlich massivem Mobiliar. Leider habe ich sie nur von außen fotografiert:




                      Wenig später laufe ich oberhalb des Glaswaldsees vorbei. Angeblich kann man ihn von oben sehen. Ein Schild warnt vor dem hinabführenden Pfad. Es regnet, und alles ist in Nebel gehüllt. Ich stelle mir vor, dass ich mit Mühe diesen Pfad hinunterglitsche und unten außer Nebel wieder nichts sehe. Bleibe also oben. Unten soll es laut Karte eine Hütte geben, Näheres weiß ich nicht.

                      Meine Stimmung ist nicht die beste.

                      An der von Bad Peterstal heraufführenden Landesstraße 93, die der Westweg überquert, gibt es eine Art Vereinshütte, keine richtige Gaststätte freilich. Tatsächlich ist drinnen Licht, in der Küche werkelt jemand, und neben der Eingangstür hängt eine Art Getränkekarte. Aber die Tür ist zu. Ich gehe weiter, leicht verstimmt, und denke im Gehen darüber nach, wie ich diesen Moment der Ratlosigkeit später im Reisebericht in Worte fassen soll.

                      Die Karte verzeichnet den Harkhof als nächste Einkehrmöglichkeit. Den Weg dahin habe ich als langweilig in Erinnerung. Der Nebel tut das Seine, und die beiden folgenden Bilder habe ich explizit in Notwehr oder vielmehr aus Rachsucht aufgenommen, um die düstere Atmosphäre für die Ewigkeit einzufangen:






                      Noch lange vor dem Harkhof kommt man an der sogenannten Haaghütte (Littweger Höhe) vorbei, die ich offen vorgefunden habe. Sie ist relativ geräumig, hat einen großen Ofen und ist ein bisschen mit Tischen vollgestellt, so dass Tischschläfer jedenfalls auf ihre Kosten kommen.

                      Draußen findet man Müll: Aluschalen von Fertigmahlzeiten, fein säuberlich an die Hüttenwand gestellt; eine noch nicht ganz durchweichte, also frische Verpackung eines Fahrradschlauchs ist hingegen mitsamt Beipackzettel fast ostentativ vor der Hütte ausgestreut worden. Ich versuche mir eine Person dazu vorzustellen. (Aber auch ich nehme diesen Müll nicht mit.)


                      Haaghütte


                      Während ich vor der Hütte auf der Veranda sitze, ticken zwei neongelbe Westwegschnellwanderinnen mit ihren Trekkingstöcken heran, suchen effizient schnatternd nach der Markierung und klappern dann hurtig davon. Im Harkhof treffe ich sie später wieder, bevor sie nach Hausach aufbrechen. Gesegnet sei die Etappenplanung.

                      Irgendwo zwischen Haaghütte und Harkhof hört es auf zu regnen. Oder fast. Jedenfalls ist es wohl auf dieser Etappe, dass ich anfange, ästhetische Dogmen im immer wieder aufkeimenden Zynismus hintanzustellen: Mitunter ziehe ich die Regenjacke aus, weil mir zu warm wird, behalte aber die Regenhose an, weil es dann später schneller geht. Das wiederholt sich, wie man ja überhaupt eine gewisse Effizienz beim An- und Ausziehen, Verpacken und Auspacken von Bekleidungsschichten entwickelt.


                      Am Harkhof laufe ich vor Freude über die Regenpause fast vorbei, schaffe es dann aber doch in die Vesperstube, und zwar ziemlich zur Mittagszeit. Omelett, Kaffee und dergleichen mehr. Nach einer Weile ist die Gaststube gut gefüllt, teils mit Westwegpärchen, teils mit Einheimischen. Die Preise sind sehr moderat. Während ich bestimmte beleibte Gäste beim Verzehr einer Vesperplatte beobachte, überlege ich, ob sie vielleicht deshalb hierher kommen: weil man hier viel Schinken für wenig Geld essen kann.

                      Auf der Speisekarte sind auch Lebensmittel aus eigener Herstellung zum Mitnehmen verzeichnet. Mir fällt ein, dass heute Sonntag ist und meine Vorräte zur Neige gehen. Also kaufe ich zum Schluss ein Stück Leberwurst und ein halbes Brot; ferner lasse ich mir eine meiner beiden kleineren Wasserflaschen mit Milch füllen: Igelstroems Variante des ›soul food‹. Das Brot wird am nächsten Tag aufgegessen, aber an die Salami, die ich später in Hausach und in St. Märgen beim Metzger kaufe, habe ich bessere Erinnerungen als an die Leberwurst des Harkhofs.


                      Nahezu zwei Stunden verbringe ich in der Vesperstube; währenddessen hat sich das Wetter gebessert und für eine Weile kommt sogar die Sonne hervor. Ungefähr als ich aufbreche, fallen dann wieder die ersten Regentropfen. Es trübt sich schnell ein, und als ich die drei Kilometer entfernte Kreuzsattelhütte erreiche, gießt es wieder wie gewohnt. Aber irgendwie tangiert es meine Stimmung jetzt nicht mehr so sehr wie am Vormittag. Ich habe mich damit abgefunden, dass es regnen muss. An der Kreuzsattelhütte schaue ich kurz in die Gaststube: Sie ist brechend voll, und die Luft ist sehr schlecht. Gleich weiter. Einige französische Touristen grüßen freundlich aus dem Auto heraus. Der Regen wird noch ein wenig dichter.

                      Mein Ziel für heute ist das Wanderheim auf dem Brandenkopf. Wahrscheinlich habe ich diese Entscheidung erst jetzt angesichts des Regens getroffen. Keine Lust, heute Abend unter diesen Umständen noch eine geeignete Schutzhütte zu suchen. Kurz hinter der Kreuzsattelhütte biege ich also von der Hauptstrecke des Westwegs auf die Brandenkopf-Schleife ab.


                      Nach einer Weile, kurz vor der Straße, die hier von Oberharmersbach heraufführt, werde ich von zwei Pilzsammlern mittleren Alters eingeholt. Sie sind ohne Regenkleidung unterwegs und total durchnässt, was ihnen nichts auszumachen scheint. Man kann sich ungefähr ausrechnen, wann sie aufgebrochen sein müssen. Man grüßt sich, und dann eröffnet der eine von den beiden das Gespräch mit dem im Titel dieses Berichts zitierten Satz: »I weiß ja net, wie hart Sie sind. Aber«, sinngemäß zitiert, »wenn Sie sich nicht verpflichtet haben, jeden Meter auf dem Westweg zu Fuß zu laufen, können wir Sie mit dem Auto ins Tal mitnehmen. Wir fahren allerdings nach Haslach runter.« Ich bedanke mich, einmal mehr angetan von der Freundlichkeit der Einheimischen, und erkläre, dass ich ja auf dem Weg zum Brandenkopf sei, was von hier nicht mehr sehr weit ist. Vorsichtshalber (mit der Alexanderschanze im Hinterkopf) frage ich nach, ob es das dortige Wanderheim wirklich gibt, und bin erleichtert, als das bestätigt wird.

                      Inzwischen ist der Regen so stark, dass ich mich an der Straße zunächst in die Schutzhütte flüchte – übrigens ebenfalls eine Hütte mit Tür und Fenstern und überdachter Veranda. Ich lege dort meine triefnassen Regenklamotten ab und setze mich im Pullover nach draußen, esse etwas, trinke die Milch aus. Es ist viertel nach vier, und die Datierung der Bilder sagt mir, dass ich hier über eine Stunde bleibe. Draußen schüttet es so, dass man zunächst nicht weiterlaufen kann. Blick auf den Parkplatz vor der Hütte. Ein Mann und eine Frau steigen in ihr Auto. Bevor sie wegfahren, steigt die Frau doch noch einmal aus, macht ihren Schirm auf, kommt zur Hütte herüber und fragt, ob sie mich irgendwohin mitnehmen können. Ich lehne dankbar ab, wirklich dankbar.


                      Hütte am Parkplatz


                      Gegen halb sechs hört der Regen fast auf. Ich mache mich also auf den Weg und laufe die letzte halbe Stunde bis zum Brandenkopf, der in dichten Nebel gehüllt ist. Oben auf dem Berg steht ein seltsam grün angemalter Turm im Wald:



                      Ich trete näher heran, um zu sehen, worum es sich handelt. Wenn man angestrengt nach oben schaut, sieht man im Nebel gerade noch etwas Dunkles vorbeihuschen, rhythmisch fauchend. So ist das also.


                      Wenig später erreiche ich das Wanderheim. Auspellen. Zimmer beziehen. Kaffee. Essen.

                      Kurz nach mir trifft eine Wandergruppe des französischen Alpenvereins ein; eine Deutsche ist dabei, zudem mehrere Deutschlehrer. Sporadische Konversation. Mein fließendes Französisch kommt kaum zum Zuge.


                      Das übrige Personal dieses Abends besteht aus der Wirtin, ihrem Mann (einem ehemaligen Sternekoch) und ihrem Jugendfreund, einem viel umherreisenden Freiberufler, der hier gelegentlich absteigt, wenn er in der Nähe ist. Beide oder alle drei sind keine Schwarzwälder, sondern Eisenacher, wie sich herausstellt. Nach dem Abendessen komme ich mit dem Jugendfreund der Wirtin ins Gespräch (er lädt mich an seinen Tisch ein); später, nachdem die Gruppe im Nebenraum endversorgt ist, gesellt sich die Wirtin dazu, und der Abend wird sich bis gegen zwei Uhr nachts hinziehen. Die Themen sind entsprechend vielfältig und persönlich – wieder einmal bin ich unterwegs zuhause und fühle mich wohl.


                      Tageskilometer: 19,3
                      Gesamtkilometer: 78,0
                      Zuletzt geändert von Igelstroem; 10.10.2013, 03:40.
                      Lebe Deine Albträume und irre umher

                      Kommentar


                      • changes

                        Dauerbesucher
                        • 01.08.2009
                        • 981
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #31
                        AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen

                        Gegen halb sechs hört der Regen fast auf. Ich mache mich also auf den Weg und laufe die letzte halbe Stunde bis zum Brandenkopf, der in dichten Nebel gehüllt ist. Oben auf dem Berg steht ein seltsam grün angemalter Turm im Wald:



                        Ich trete näher heran, um zu sehen, worum es sich handelt. Wenn man angestrengt nach oben schaut, sieht man im Nebel gerade noch etwas Dunkles vorbeihuschen, rhythmisch fauchend. So ist das also.
                        Das hier?

                        Finde es toll daß du bei dem Wetter die Muße hattest soviel zu knipsen. Interessanter, kurzweiliger Bericht.
                        Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                        Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

                        Kommentar


                        • Sisterintherain
                          Erfahren
                          • 18.06.2013
                          • 371
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #32
                          AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                          Schöner Bericht, danke sehr. Erinnert mich an die vielen, vielen Regenurlaube meiner Kindheit im Schwarzwald.

                          Kommentar


                          • macroshooter
                            Dauerbesucher
                            • 17.07.2012
                            • 988
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #33
                            AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                            Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                            Schlappdachhütte
                            ...
                            Das Dach der Hütte ist bei anhaltendem Regen nicht dicht.
                            Dazu fällt mir ein:
                            Dass das Dach bei der Schlappdachhütte schlapp macht, täte mich nicht wundern.

                            Kommentar


                            • kaltduscher
                              Erfahren
                              • 23.11.2009
                              • 361
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #34
                              AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                              Es ist nicht zwingend Notwendig das man auf jedem Tisch schläft,zur Not kann man auch sein Zelt vor der Hütte aufschlagen



                              Kommentar


                              • Prachttaucher
                                Freak

                                Liebt das Forum
                                • 21.01.2008
                                • 11991
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #35
                                AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                                Ich seh schon : Auch "Veschperplatte", "Bibliskäs", "Schpäckeia" und "Wurschdsalaad" hast Du links liegen gelassen. Wobei ich mich beim Laufen auch zurückhalte...

                                Kommentar


                                • uli.g.
                                  Freak
                                  Liebt das Forum
                                  • 16.02.2009
                                  • 13261
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                                  Zitat von Prachttaucher Beitrag anzeigen
                                  Ich seh schon : Auch "Veschperplatte", "Bibliskäs", "Schpäckeia" und "Wurschdsalaad" hast Du links liegen gelassen. Wobei ich mich beim Laufen auch zurückhalte...
                                  Jetz wart's ämol ab, bis er in de richtig Schwarzwald kummt! Däno kippt er um! Sällewäg!

                                  Btt.: vielen Dank für Deinen sehr kurzweiligen Bericht aus einer mir sehr bekannten () Region! Ich lese sehr gespannt mit!

                                  Vielen Dank!
                                  "... „After twenty years he still grieves“ Jerry Jeff Walkers +23.10.2020"

                                  Kommentar


                                  • Tageta
                                    Anfänger im Forum
                                    • 06.07.2013
                                    • 19
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #37
                                    AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                                    Bin gestern mehrfach mit dem Fahrrad durch teils strömenden Regen gefahren und mir fiel jedesmal des Igelstroems Satz
                                    "Das Wetter ist keine Dienstleistung, sondern eine Tatsache." ein.
                                    Das war irgendwie tröstend. Danke!!!

                                    Und natürlich warte ich gespannt auf die Fortsetzung...

                                    Kommentar


                                    • Igelstroem
                                      Fuchs
                                      • 30.01.2013
                                      • 1969
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #38
                                      AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                                      Tag 5 (Montag, 16.09.): Brandenkopf – Hausach – Farrenkopf


                                      Das eigentlich Schlimme am Regen, so ich gestern im abendlichen Gespräch, sei ja die Zerstörung der Silhouette durch die Regenkleidung. Beharrlich knabbert das nassglänzende Plastik, in das man sich eingehüllt hat, an der Fallschirmjäger-Profilneurose. Wobei es übrigens egal ist, ob man unterwegs jemandem begegnet oder nicht, denn die eigene Kleidung wird zuerst gefühlt und dann erst gesehen.

                                      Da der Abend lang war, beginnt der Tag etwas später als sonst. Die französische Gruppe bricht gegen neun Uhr auf, ich erst um zehn. Regen und Nebel. Ich stehle mich an dem sogenannten Aussichtsturm vorbei, dessen oberes Ende kaum zu sehen ist, und wähle den direkten, gelb markierten Weg nach Hausach, der um einige Kilometer kürzer ist als der Westweg. In Hausach muss einiges eingekauft werden, anschließend will ich noch ein Stück weiter laufen.

                                      Der Abstieg ist teilweise steil, vor allem aber zieht er sich trotzdem in die Länge; zuletzt läuft man auf Asphalt durch das untere Einbachtal. Nach einer Stunde hört der Regen allmählich auf und man hat gelegentlich einen Landschaftsausblick.






                                      Irgendwo steht ein Wohnwagen auf der Wiese, und dahinter führt der markierte Weg über eine Kuhweide. Dass die Einheimischen entgegenkommend sind, bestätigt sich auch hier: Die Kuhherde beobachtet mich aufmerksam, und noch ehe ich die Weide betrete, setzt sie sich in meine Richtung in Bewegung. Da kehre ich lieber um, zumal sich ja der Weg gerade oberhalb erst in verschiedene Varianten geteilt hat und man ebenso gut eine andere wählen kann. Während ich also das kurze Stück zurücksteige, verfolgt mich die Herde hinterm Zaun mit zuerst freudigem, dann empörtem und zuletzt enttäuschtem Muhen. Was wolltet ihr von mir? Ich melke euch nicht. Leckt euch doch selber ab. Fresst euer Gras.




                                      An den letzten beiden Tagen hatte ich mitunter leichte Beschwerden an der Knickfalte des rechten Wanderschuhs. Deshalb habe ich heute das Fußbett beiderseits herausgenommen, was zunächst angenehmer ist, aber allmählich zu Reibungen an der Fußsohle führt. Das macht sich jetzt auf der Asphaltstrecke besonders bemerkbar. In Hausach werde ich mich nach dünnen, glatten Leder-Einlegesohlen umsehen.


                                      Am Weg kurz vor Hausach:








                                      Gegen halb eins bin ich in der Stadt. Keine gute Zeit, denn die Geschäfte schließen gerade. Die beiden Wanderkarten, die ich für die weitere Route brauche, bekomme ich noch vor der Mittagspause. Dann schaue ich in die Kirche. Nebenan beim Café Armbruster hat sich eine lange Schlange von Schülern und Schülerinnen gebildet, die bis nach draußen reicht. Dort werde ich jetzt nicht essen; stattdessen gehe ich in den Ratskeller, der gegenteils wie ein Seniorenrestaurant wirkt, aber das Essen ist einwandfrei und ziemlich preiswert.

                                      Warten, bis um zwei das Schuhgeschäft öffnet. Das Warten lohnt sich aber. Ich kaufe also billige Einlegesohlen, die sich in den nächsten Tagen als richtige Wahl erweisen. Dann noch zur Metzgerei, um Salami zu kaufen.

                                      In der Touristen-Information frage ich, ob ich einen Blick auf den Wetterbericht werfen kann und ob man etwas über Schutzhütten im weiteren Verlauf des Westwegs weiß. Dummerweise habe ich nämlich das ODS-Hüttenverzeichnis zuhause nicht ausgedruckt. Man lässt mich gleich an den Computer. Auf dem Radarbild sieht man abziehende Regengebiete, die nächsten Stunden könnte es also trocken bleiben. Als Übernachtungsmöglichkeit bietet sich die Hütte auf dem Farrenkopf an, danach vielleicht noch die Büchereckhütte, im weiteren Verlauf wird es dann eher schwierig. Also erst mal zum Farrenkopf.

                                      Zuletzt doch noch ins Café Armbruster, um einen großen Milchkaffee zu trinken und die Wasserflasche aufzufüllen. Insgesamt bin ich jetzt ziemlich viel auf der Hauptstraße hin- und hergelaufen. Ich hatte erwartet, dass ich hier irgendwo die französische Gruppe treffen würde. Aber ich sehe sie nirgends und gehe einstweilen davon aus, dass sie schon vor mir durchgelaufen ist. ›Man denkt, man ist halbwegs trainiert, aber letztlich sind alle schneller als ich.‹ Egal.


                                      Erst gegen drei Uhr mache ich mich auf den Weg und steige zunächst zur Burgruine auf, von wo man einen ganz guten Überblick über Hausach hat.












                                      Und dann geht es bergauf. Hausach liegt auf 240 Meter, der Brandenkopf ist 945, der Farrenkopf 790 Meter hoch. So ganz genau habe ich mir das vorher nicht angeschaut. Und schließlich steigt man ja im Schwarzwald mitunter auch 1000 Meter, also viel mehr als hier: von Freiburg auf den Schauinsland, vom Münstertal auf den Belchen.




                                      Nach einer Weile erreicht man die Haseneckhütte, die allerdings sehr offen und zugig ist:



                                      »Der erste Teil des Aufstiegs ist geschafft«, steht auf einem Schild. Aber es ist eben weniger als die Hälfte, das steht da nicht. Danach wird es richtig steil. Da es außerdem kühl und zunehmend windig ist, reduziere ich die Kleidungsschichten nicht rechtzeitig. Als ich um viertel vor fünf endlich oben bin, ist das unterste T-Shirt nassgeschwitzt.

                                      Da ich die Hasemannhütte auf dem Farrenkopf leer vorfinde (das Hüttenbuch verzeichnet allerdings mehrere Eintragungen von Durchwanderern vom selben Tag), die Büchereckhütte wahrscheinlich weniger komfortabel ist und man momentan auch einmal einen Ausblick ins Tal hat, bleibe ich hier, obwohl es noch früh ist.



                                      Die Temperatur liegt zwischen 8 und 9 °C. Ich entzünde ein paar der vorhandenen Friedhofskerzen und Teelichte, um etwas zu heizen oder wenigstens die Hände zu wärmen. Der Schlafboden im Obergeschoss erscheint mir etwas zu zugig, deshalb schlafe ich später unten auf dem Steinfußboden. Hin und wieder drückt der Wind die Tür auf, die sich ja nur von außen verriegeln lässt; schließlich klemme ich die Plastik-Kehrschaufel unter die Tür, in der Hoffnung, dass sich später eintreffende Übernachtungsgäste bemerkbar zu machen wissen. Aber es kommt niemand mehr.


                                      Interkulturelle Widersprüche. Das elektrische Licht funktioniert aber sowieso nicht.


                                      Die Zeit, während man im Hüttenbuch liest, die diversen Einrichtungsutensilien untersucht, seine Salami-und-Brot-Mahlzeit einnimmt, am Kleiderhaken über den Kerzen das nasse T-Shirt zu trocknen versucht und auf vielerlei Weise für sich sorgt, vergeht schneller als erwartet. Draußen kann man sich noch eine Weile den Mond zwischen den Wolken anschauen, aber es ist kalt. Als es vollends dunkel ist, lege ich mich schlafen und schlafe in dieser Nacht insgesamt ziemlich lange. Irgendwann um drei Uhr turnt irgendein Tier anscheinend oben auf dem Schlafboden herum. Keine Maus, dazu ist es zu laut. Eher klingt es nach ein- und ausfliegender Fledermaus oder was auch immer hier in Frage kommt. Aus dem Schlafsack zu robben und nachzusehen, ziehe ich gar nicht ernsthaft in Erwägung. ›Macht doch, was ihr wollt. Mein Haus ist es ja nicht.‹ Das ganze Theater dauert vielleicht eine halbe Stunde, danach schlafe ich wieder ein.



                                      Tageskilometer: 13,4
                                      Gesamtkilometer: 91,4
                                      Zuletzt geändert von Igelstroem; 12.10.2013, 21:11.
                                      Lebe Deine Albträume und irre umher

                                      Kommentar


                                      • Jack68
                                        Erfahren
                                        • 30.03.2012
                                        • 401
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #39
                                        AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                                        Danke für den tollen Reisebericht. Es hat Spass gemacht "mitzureisen".
                                        ...

                                        Kommentar


                                        • Igelstroem
                                          Fuchs
                                          • 30.01.2013
                                          • 1969
                                          • Privat

                                          • Meine Reisen

                                          #40
                                          AW: [DE] »I weiß ja net, wie hart Sie sind« – Schauriges und Schönes vom Westweg

                                          Tag 6 (Dienstag, 17.09.): Farrenkopf – Naturfreundehaus Brend




                                          Morgens um halb acht zeigt das Außenthermometer 5 °C, in der Hütte ist es immerhin dreieinhalb Grad wärmer. Draußen herrscht Nebel. Ich versuche das schweißnasse T-Shirt von gestern über den Kerzen zu Ende zu trocknen, aber das gelingt letztlich nicht: Ein Versuch, es anzuziehen, scheitert. Immerhin gibt es ja noch ein zweites (sozusagen die bisherige Bekleidungsschicht 1b).

                                          ›Als ich loslaufe, beginnt es zu regnen.‹ Es tut mir leid, dass sich dieser Satz wiederholt.

                                          Mit den Handschuhen kommt heute sozusagen der vorletzte Ausrüstungsgegenstand zum Zuge, der bisher noch nicht gebraucht wurde. Der letzte wäre dann die Zaubermütze, als Sonnenschutz. Die Handschuhe wiegen 34 Gramm und waren mal dazu gedacht, Spinnen vom Schlafsystem zu entfernen (›anfassen, ohne anzufassen‹). Jetzt bewähren sie sich als rudimentärer Kälteschutz für die Hände.




                                          Gegen halb neun also laufe ich los, um neun bin ich an der Büchereckhütte, wo ich den Pfad zur Quelle hinabsteige und meine Wasserflasche auffülle. Wohl das schmackhafteste Wasser, das ich unterwegs gefunden habe.


                                          Im weiteren Verlauf des Weges auf dem Kamm findet man nun eine Reihe von Schanzanlagen, die irgendetwas mit der spanischen Erbfolge zu tun haben.

                                          (Edit: Mehr hierzu unter dieser Adresse, S. 26ff.:
                                          http://www.denkmalpflege-bw.de/filea...er/2010-01.pdf)

                                          Dem Fußgänger erschließen sich die Bauformen allerdings kaum, zumal heute vieles von dem, was vorher den unbewaldeten Kamm geschmückt hat, im Wald verborgen ist. Unterstände wie der folgende im Bereich der Hirschlachschanze sind zudem nicht dreihundert Jahre alt, sondern Teil der sogenannten Schwarzwaldkammstellung (1945, Ausmalung später).




                                          Kurz hinter der Hirschlachschanze hört der Regen auf und es kommt sogar gelegentlich kurz die Sonne heraus. Das ist ungefähr hier, auch wenn es hier noch nicht aufdringlich nach Sonne aussieht:




                                          Der Weg ist allerdings von Waldarbeiten zerfurcht, und auch sonst komme ich nicht besonders schnell voran, da ich unterwegs viele Brombeeren esse. Als Hütte ist noch die sogenannte Gutacher Wache zu vermelden:



                                          Der Innenraum ist extrem klein, etwa 3 x 1,60 Meter, aber wenn man den Tisch zusammenklappt (was möglich ist), hat man eine Liegefläche von etwa 2 x 1 Metern auf dem Fußboden. Ferner hat die Hütte einen Ofen (nämlich einen ehemaligen Beistellherd) nebst dem erforderlichen Kleinholz.


                                          Kurz nach der Hütte, gegen halb zwölf, erreiche ich den Huberfelsen und mache einige Fotos, da ich nun einmal einen freien Ausblick ohne Nebel und Regen habe.






                                          Herbstfarben im Schwarzwald (Rucksack noch mit Raincover der Kultmarke Trash Bag)


                                          Am Fuß des Felsens erinnert der Rest eines Wanderschuhs an eine technische Tragödie:



                                          Aber mein Schuh ist das ja nicht, Meindl hin oder her.


                                          Für einige Minuten scheint jetzt die Sonne. Sie scheint wirklich, und die nasse Forststraße dampft im Licht.

                                          Wenig später erreiche ich das Restaurant »Schöne Aussicht« (am Hauenstein), wo ich einkehre, um mit dem Morgenkaffee auch gleich das Mittagessen einzunehmen. Das Menü-Angebot macht es möglich, hier innerhalb des Budgets zu essen. Viel Betrieb ist heute Mittag nicht. Ich habe ein bisschen Empfang und telefoniere beim Essen. Der Wetterbericht verspricht viel Regen, sehr viel Regen und Sturm ab heute Abend und am folgenden Tag. Daraufhin erkläre ich das Naturfreundehaus auf dem Brend zum Tagesziel. Das sind allerdings nach meiner Überschlagsrechnung noch 19 Kilometer (tatsächlich nur 16,5). Da es nun auf ein Uhr zugeht, rufe ich beim Naturfreundehaus an und frage, bis wann ich spätestens dort sein muss.

                                          Falsche Strategie.
                                          Ich habe Sie jetzt nur teilweise verstanden, aber Sie stellen ja nun die dritte Frage zuerst; die erste Frage müsste doch lauten, ob wir etwas frei haben.
                                          Kann schon sein (antworte ich), aber ich bin halt davon ausgegangen, dass es bei diesem Wetter wohl nicht allzu voll sein wird.
                                          Das ist Ihre Variante.

                                          Wir einigen uns darauf, dass ich halt klingeln muss, falls ich spät komme. Ich rechne damit, dass ich spät ankomme, aber das ist letztlich nicht der Fall, weil die Etappe bis zum Brend vergleichsweise eben und bequem ist. Man kommt schnell voran.





                                          Gasthaus Zum Karlstein (geschlossen)


                                          An der schön gelegenen Vesperstube Silberberg laufe ich jetzt vorbei – man kann nicht überall einkehren –, aber der nächste Bauernhof wirbt mit einem Milchautomaten zum Selbstzapfen, 50 Cent der Becher. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen, zwei Becher müssen es sein, unter dem schläfrigen Blick der orangenen Katze. Menschen treffe ich hier keine.


                                          Eine Viertelstunde später bin ich am Gasthaus Wilhelmshöhe, wo ich ebenfalls zügig vorbeilaufe. Wohl das einzige Mal, dass ich ein Westwegtor zu sehen bekomme:




                                          Bald danach geht es durchs Moor zum Blindensee.




                                          Was aber auf diesem Streckenabschnitt stärker ins Auge springt als die Naturlandschaft, sind die für den mittleren Schwarzwald typischen, früher autarken großen Einzelhöfe auf der Hochfläche. Wer bei Hausach sich die Zeit genommen hat, das Heimatmuseum (Vogtsbauernhof) zu besuchen, weiß vielleicht ein bisschen mehr darüber. Ich jedenfalls hatte das bei meiner Planung nicht auf dem Schirm, wahrscheinlich hätte mich das zu sehr an das sogenannte ›Neue Wandern‹ als Tourismuskonzept erinnert. Nach der Tour ist die Perspektive aber etwas anders als vorher. Während man der roten Raute hinterherläuft wie ein Esel der Möhre, sprießen am Wegesrand und im Hinterkopf nach und nach historische Fragen, auf die ich einstweilen keine Antwort habe.



                                          Short Message an die Nachgeborenen


                                          Den Parkplatz auf der Weißenbacher Höhe erreiche ich um kurz nach halb fünf und mache in der Schutzhütte eine kurze Pause. Zum Übernachten scheint diese Hütte ungeeignet, schon weil sie zum Parkplatz hin ausgerichtet ist. Von Schönwald kann man hier herauffahren und eine Runde joggen oder spazierengehen und wieder herunterfahren; entsprechend uncharmant ist der Ort für Fernwanderer.




                                          An der Martinskapelle und der Elzquelle laufe ich eiligst vorbei. Hier gibt es allerdings gleich zwei Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten, die gewissermaßen schöner liegen als das Naturfreundehaus. Aber ich habe das nicht näher untersucht. Irgendwann hier beginnt es wieder zu regnen und ich beeile mich, das Naturfreundehaus zu erreichen. Die Hütte, die auf halbem Weg in der Nähe des Günterfelsens liegen soll, sehe ich nicht, kann also auch nichts darüber sagen.


                                          Ziemlich genau um 18 Uhr bin ich am Naturfreundehaus, checke ein (natürlich bei dem Herrn, mit dem ich vorhin telefoniert habe), esse zu Abend.


                                          Im Aufenthaltsraum treffe ich zwei Typen, die sich über eine sehr detaillierte Flurkarte beugen, vielleicht 1:10 000. Ich frage: »Oh, ist das Ihre Wanderkarte?«, und die Antwort lautet: Jaja, das sei schon seine Wanderkarte, allerdings wandere er ja nicht auf Wegen, sondern eher vertikal am Steilhang. Sehr instruktiv finde ich diese Antwort nicht, aber vorerst folgen keine Erläuterungen. Das ärgert mich ein bisschen und ich gehe wieder hinüber in die Gaststube. Dass es sich um eine dienstliche Besprechung (des freiberuflichen Forstsachverständigen W. mit dem Revierförster) handelt, kann ich ja nicht wissen. Ich erfahre es später.

                                          Draußen hat inzwischen der versprochene Sturm eingesetzt. Nicht gerade ein Orkan, aber doch ziemlich nass und ungemütlich.



                                          Tageskilometer: 25,1
                                          Gesamtkilometer: 116,5
                                          Zuletzt geändert von Igelstroem; 20.10.2013, 15:11.
                                          Lebe Deine Albträume und irre umher

                                          Kommentar

                                          Lädt...
                                          X