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    • 10.05.2011
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    [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

    Tourentyp
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    Schon eine Weile hatte ich die Gedanken mit dem Fahrrad von Basel nach Hamburg zu radeln. Ursprünglich wollte ich die Tour mit dem Rennrad machen, aber diesen Sommer habe ich mich dann doch entschieden mit einem zum Reiserad gepimpten Stadt-MTB zu fahren. Gemeinsam mit meinem Freund Helge machte ich mich an eine grobe Tourplanung und ziemlich schnell war klar, dass bei unserem Anspruch die Tour relativ sportlich zu gestalten kaum Zeit für Kultur etc. bleiben würde. Trotz dessen wollten wir versuchen durch so viele Ecken Deutschlands zu fahren, die wir noch nicht kannten. Angedacht waren: evtl. Schwarzwald, Rhein, Weinstraße, Lahn, evtl. Rhön und Weser.


    Tag 1: Basel – Sasbach

    Ich komme mit dem Nachtzug aus Hamburg etwas verspätet in Basel an. Gegen etwa 8:00 sitze ich bei Nieselregen und tiefhängenden Wolken auf dem Rad und rolle zu der Adresse die mir Helge genannt hatte. Er war schon einen Tag vorher in Basel angekommen und hat das Zelt dabei. Ursprünglich wollte er auch zelten, doch bei dem Mistwetter hatte er erstmal ein paar Kontakte in Basel abgeklappert und durch unglaubliches Glück eine Unterkunft in einer Wohnung einer Bekannten gefunden. Das ganze nicht allein, hatte er doch in Basel noch zwei Französinnen getroffen, die ebenfalls mit ihren Rädern unterwegs waren und bei dem Wetter auch aufs Zelten verzichten konnten... wieso denkt man dabei sofort an unglaublich gutaussehende Elfen auf tollen Fahrrädern...? Wie auch immer... diese etwas abgedrehte Story erzählen mir die drei schließlich als ich durchgeschwitzt (immerhin gut 250hm auf 3,5km) in der Wohnung ankomme und wir gemeinsam frühstücken. Die beiden Mädels wollen relativ planlos bis zum Schwarzen Meer radeln. Wir sind ziemlich beeindruckt und können im Vergleich dazu nur damit punkten, dass wir mit ca. 150km pro Tag rechnen und die ersten sind die sich im „Traumsammelbuch“ der beiden verewigen.

    Nach dem Frühstück verabschieden wir uns relativ bald und dann geht’s los. Inzwischen hat es aufgehört zu nieseln, aber schön ist es immer noch nicht und so sind die ersten Meter auf dem Rad doch etwas frisch. Nach nur wenigen Metern fällt Helge auf, dass die Schaltung nicht wirklich rund läuft und nach ein paar weiteren Kilometern entscheiden wir uns des Problems mal anzunehmen. Schnell Umwerfer einstellen ist der Plan, doch was sich uns darstellt ist etwas anderes:



    Was'n da los?!

    Das mittlere Kettenblatt ist verbogen. Wir sind vollkommen baff und haben keine Ahnung wo das herkommen könnte. Ersatz haben wir natürlich nicht dabei, also machen wir uns auf und klappern so ziemlich jeden Fahrradladen in Lörrach ab. Einer verkauft uns immerhin einen kompletten neuen Antrieb, einbauen kann/will er ihn aber nicht so kurzfristig. Werkzeug leihen will uns auch niemand... so langsam stelle ich mich schon darauf ein, eine Nacht in Lörrach zu verbringen, doch dann finden wir doch noch jemanden und Helges Rad wird wieder fit gemacht. Hier bekommen wir auch noch ein paar Tipps für den Schwarzwald und können uns die Wettervorhersage anschauen. Und die gefällt uns gar nicht: Gewitter und viel Regen für die nächsten Tage, Temperaturen bis maximal 8 Grad am Feldberg und so weiter... um nicht direkt nach den ersten Etappen die Hosen voll zu haben, entscheiden wir uns den Schwarzwald rechts liegen zu lassen und eher dem Rhein nach Norden zu folgen. Gedacht getan warten wir in Lörrach einen mächtigen Schauer ab und radeln dann am westlichen Rand des Schwarzwalds entlang und freuen uns darüber, dass es gerade nicht regnet.

    Unterwegs fahren wir durch einige nette Dörfer und schnappen uns die eine oder andere Kirsche am Wegesrand. Zwischendurch regnet es mehrmals wieder, aber wir bekommen es gut hin im richtigen Moment zu pausieren und werden so nicht wirklich nass. Ungefähr die letzten 40km rollen wir dann entspannt am Rhein entlang und sauen uns und die Räder auf den matschigen Schotterwegen ganz gut ein.



    Ein kurzer regenfreier Moment

    Gegen 19 Uhr kommen wir in Sasbach an und kaufen hier fürs Abendessen und den nächsten Tag ein und machen uns dann wieder auf an den Rhein um einen Schlafplatz zu finden. Natürlich fängt es dann wieder richtig an zu pissen und wir werden ordentlich nass. Als wir am Sasbacher Segelverein vorbeikommen, werden wir direkt zu der Gruppe auf die überdachte Terrasse gerufen um uns unterzustellen. Schnell wird uns auch ein Schlafplatz angeboten und so können wir den Abend genießen, laufen barbusig im Regen rum und spülen uns zumindest den groben Dreck am Bootssteg im Rhein ab. Unter dem Dach ist genug Platz für all unser Zeug und unsere Matten und so fallen wir nach einem aufregenden ersten Tag genüsslich in einen tiefen Schlaf.



    Der erste Schlafplatz bei Sasbach


    Tag 2: Sasbach – Minfeld

    Der Wecker weckt uns nach einer durchregneten (für uns aber trockenen) Nacht um 7:00 auf und wir fangen ganz langsam an Kaffee zu kochen und Frühstück zu machen, ein wenig schwer sind die Glieder von gestern dann doch. Nach einer Weile kommt ein Kerl mit Auto vorbei und setzt sich zu uns. Er berichtet seinen Bruder zu begleiten, der dabei ist einen Weltrekord aufzustellen. Er will irgendeine krasse Distanz auf dem Rhein in nur 7 Tagen im Kayak zurücklegen, liegt aber zu dem Zeitpunkt leider schon hinter seinem Zeitplan zurück. Es trudeln noch weitere Mitglieder des „Support-Teams“ ein und ein Kuchen taucht auch auf, den wir natürlich nicht unprobiert stehen lassen. So gestärkt geht es dann an den zweiten Tag. Das Wetter zeigt sich weiter von seiner schlechten Seite und darum bleiben wir weiterhin am Rhein und lassen den Schwarzwald weiter aus.
    Hier entlang lässt es sich größtenteils gut rollen, nur der nasse Schotter ist immer noch ärgerlich. Leider ist die Gegend hier wie auch gestern schon nicht allzu abwechslungsreich und darum nutzen wir eine Möglichkeit auf die französische Seite zu wechseln und folgen hier dem Rhein-Rhône-Kanal bis nach Straßburg.



    Kurzer Abstecher nach Frankreich

    Hier gönnen wir uns einen französischen Snack (Quiche und Eclaire) und radeln dann durch den ganz hübschen Jardin des Deux Rives zurück auf die deutsche Seite. Kurz darauf legen wir eine Pinkelpause ein und es fängt prompt ordentlich an zu gießen. Wir warten kurz, aber als es sich abzeichnet noch eine Weile weiter zu regnen, frage ich kurz: „Regenjacke?“ Er antwortet: „Hm... nö.“ Also rauf auf den Bock und ab in den Regen. Und ich sag euch, es war genial! Nass bis auf die Haut in wenigen Minuten, aber die folgende Strecke komplett für uns und das bei angenehmen Temperaturen um 20-22°C.
    Als Ziel des heutigen Tages suchen wir uns Maximiliansau raus und werden online auf der Suche nach einem Ruderclub oder Segelverein sogar fündig. Also eine kurze Pause mit Pizza und Cola und dann wieder Gas! Die Kilometer bis Maximiliansau ziehen sich etwas und als wir endlich ankommen ist die Enttäuschung doppelt groß: 1. Manno, ist das hier hässlich! 2. Der Segel- und Ruderclub ist vor 3 Monaten abgebrannt und nur noch ein Haufen verkohlter Schrott ist übrig. Und nun? Wieder in den Sattel und weiter. Und was für ein Glück, dass wir weiterfahren. Die Strecke geht durch den Bienenwald und wird deutlich schöner, als um Maximiliansau und schließlich kommen wir an einem Hofladen/Hofmarkt an. Da hängt ein Schild: „Liebe Radlerfreunde, setzt euch gern in unseren Innenhof und bedient euch am gekühlten Inhalt des Kühlschranks!“ Wir zögern nicht lange und flitzen in den Innenhof. Und da steht er tatsächlich, der Kühlschrank! Geil, hier wollen wir bleiben. Ich laufe noch eine Weile auf dem Gelände rum und finde auch den Besitzer, der uns gern dort schlafen lässt und noch zwei Klapptische zur Verfügung stellt auf die wir unsere Matten legen können um sie vor den spitzen Steinen am Boden zu schützen.



    Schlafplatz mit Kühlschrank? Gebucht!

    Während des Abendessens lauschen wir noch etwas den Berichten über das Spiel um den 3. Platz der Fußball WM im Radio und bekommen eine Unwetterwarnung für die Nacht in unserer Region zu hören. Unter dem Dach fühlen wir uns aber relativ sicher und schlafen wieder zufrieden mit uns und unserer Unterkunft ein.


    Tag 3: Minfeld – Bingen am Rhein

    Das Unwetter blieb anscheinend aus und wir haben wunderbar gepennt. Der Himmel zeigt sich trotzdem bewölkt und mit dem ersten Kaffeeschluck kommt auch der Regen wieder. Im Westen nichts Neues... uns stört er nicht weiter und wir rollen los in Richtung Weinstraße. Sehr schön ist's hier, Wein an jeder Ecke, wunderbar hügelig und ab und zu auch etwas Sonne. Die Hügel machen uns aber etwas Sorgen, wollen wir doch heute noch bis nach Bingen am Rhein kommen und zwar nicht zu spät um nicht das Finalspiel zu verpassen! Also versuchen wir flott über die Hügel zu kommen und danach nochmal ordentlich Tempo zu machen.
    Zur Stärkung verschlingt Helge wieder eine riesige Pizza, während ich mich mit einem kleinen Döner begnüge. Genug Energie für uns beide um die restlichen Kilometer nach Bingen auch bei schlechtem Wetter zurückzulegen.

    In der Binger Rudergesellschaft werden wir unglaublich gastfreundlich empfangen und dürfen unsere Räder in der Bootshalle unterstellen und unser Lage im Kraftraum aufschlagen. Die Duschen und Umkleiden werden uns auch sofort angeboten und da das Finale heute im Verein geschaut wird, werden wir auch gleich eingeladen uns dazu zu setzen. Nach einer lang ersehnten Dusche wird ordentlich gegrillt, nur haben wir selbst natürlich kein Grillgut dabei und uns bei der Gastfreundschaft auch noch am fremden Fleisch zu vergreifen kommt nicht infrage. Also laufen wir bei inzwischen wieder gutem Wetter schnell zum nahen Italiener und holen uns zwei dicke Portionen Lasagne. Den restlichen Verlauf kann sich wahrscheinlich jeder vorstellen: viel Geschrei, Spannung, abgeknabberte Fingernägel und geleerte Bierflaschen und entsprechend spät verkriechen wir uns im Kraftraum.


    Tag 4: Bingen am Rhein – irgendwo hinter Villmar an der Lahn

    Etwas gerädert und verknautscht stehen wir wieder um 7:00 auf. Unsere gestern gewaschene Wäsche ist natürlich noch nicht trocken und die Socken riechen entsprechend streng. Das Wetter sieht heute endlich besser aus und so schmeißen wir die nassen Sachen an und radeln beschwingt durch die Innenstadt auf der Suche nach einem Bäcker. Wir freuen uns über einen sonnigen Platz und genießen das Frühstück.
    Heute soll es uns bis ins Lahntal führen und da wir nicht genau wissen, was uns dort an Höhenmetern erwartet, lassen wir es hier am Rhein richtig gut rollen. Die Strecke hier ist deutlich schöner als der Rheinabschnitt den wir vorher befahren haben und es macht richtig Spaß dem Tal zu folgen. Die Luftwaffe scheint heute den selben Gedanken zu haben, denn ein Jet und zwei Transportmaschinen folgen dem Tal im Tiefflug, was durchaus beeindruckend wirkt, wenn man nicht damit rechnet.
    Die Fahrt zum Lahntal vergeht recht zügig und bald lassen wir den Rhein zurück. Es ist angenehm einem Fluß zu folgen, ohne dass man dauerhaft an großen Straßen und ausgeprägter Bebauung vorbeikommt. Ganz besonders hier, wo das Lahntal so schön schmal ist. Etwas überraschend taucht plötzlich eine dicke Steigung vor uns auf. 200Hm auf 3,5km. Klingt irgendwie gar nicht so schlimm, aber so wie die Sonne auf die Haut, so brennen auch die Beine ganz gut. Belohnt werden wir mit einer grandiosen Abfahrt auf der wir bei Geschwindigkeiten bis 63km/h wieder trocknen können.
    Danach sind wir doch etwas kaputt und verzichten in Limburg auf die Suche nach den „Protzbauten“, sondern fangen an nach einem Plätzchen um das Zelt aufzubauen zu schauen und werden auf einer weiten Wiese schließlich fündig.



    Packtaschenexplosion

    Erst etwas spät fällt uns auf, dass direkt auf der anderen Lahnseite eine Bahnhaltestelle liegt, aber wir sind zu faul und müde um weiterzufahren. So suchen wir uns einen sonnigen Platz, essen und trinken und bauen schließlich das Zelt auf.
    Zuletzt geändert von SeScull; 20.07.2014, 23:38.

  • Franky66
    Fuchs
    • 07.09.2013
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    #2
    AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

    Freue mich auf die weiteren Etappen und Eure Ankunft in Hamburg !

    Herzlichen Dank für die Story !


    Liebe Grüße

    Franky
    Bemerke, höre, schweige. Urteile wenig, frage viel.

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    • SeScull
      Erfahren
      • 10.05.2011
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

      Zitat von Franky66 Beitrag anzeigen
      Freue mich auf die weiteren Etappen und Eure Ankunft in Hamburg !

      Herzlichen Dank für die Story !


      Liebe Grüße

      Franky
      Danke! Bin fleißig am schreiben. Hab leider kein Tagebuch geführt, deswegen dauert's etwas die ganzen Eindrücke zu sortieren und viele Fotos haben wir leider auch nicht gemacht...

      Weiter geht's mit:

      Tag 5: irgendwo hinter Villmar an der Lahn – Frankenberg (Eder)

      Wieder weckt der Wecker um 7:00. Draußen ist es wunderbar leise und neblig, niemand ist hier unterwegs um die Uhrzeit. Durch die ganze Feuchtigkeit sind natürlich unsere Sachen auch kaum getrocknet und allein durch das Rumlaufen im Gras sind Schuhe und Socken (so sie denn vorher trocken waren) ruckzuck wieder nass. Was soll's lässt sich jetzt eh nicht ändern, denn an ein zweites Paar Schuhe habe ich beim Packen irgendwie nicht gedacht...
      Erstes Etappenziel für heute ist Gießen. Dort wollen wir uns dann entscheiden ob wir zur Rhön rüberwechseln, oder direkt nach Norden zu Weser fahren. Noch während wir unsere Sachen langsam einpacken macht sich die Sonne daran die Nebelschwaden zu beseitigen und es bahnt sich ein sonniger Tag an. Wir rollen erstmal gemächlich los, denn abgesehen vom Warmfahren, stellen sich inzwischen doch einige Wehwehchen ein. Seit ein paar Tagen habe ich schon erstaunlich starke Knieschmerzen. So etwas habe ich noch nie vom Radfahren bekommen, allerdings saß ich vorher auch noch keine 8 Stunden am Tag im Sattel... außerdem leiden unserer beider Hände und Handgelenke unter dem permanenten Druck auf die Lenkergriffe. Ich habe zwar Rennradhandschuhe dabei, aber die Polsterung an den Dingern ist für eine lange Fahrt per MTB nicht ausgelegt, sondern vielmehr für die rennradtypische Oberlenker-/Schalt-Bremsgriff-Haltung. Die Polsterung befindet sich also vermehrt am Daumen und Thenar-Bereich, was dazu führt, dass viel direkter Druck auf der „Ellenseite“ der Hand lastet. Genau da tut's auch weh und die Fingerspitzen sind dauerhaft am Kribbeln. Helge hat kein Kribbeln, kann dafür aber nicht mehr ordentlich zupacken mit der rechten Hand. Auch nicht so geil...

      Wie auch immer, wir rollen erstmal entspannt los und freuen uns darüber hier vollkommen allein radeln zu können. Nach einer Weile kommt uns ein fitter Mitfünfziger auf seinem Hardtail entgegen geballert und ruft noch im Vorbeibrausen „Da hinten... Baustell... Holzarbeiten...!“. Wir denken uns, wenn der da durchgekommen ist, werden wir es wohl auch schaffen und radeln weiter. Nach kurzer Zeit kommen wir an die besagte Stelle. Bäume, Äste, Laub, etc liegt alles quer über dem Weg. Kein Durchkommen. Aber neben dem Weg könnte man mit viel Phantasie eine Route über eine kleine Erhöhung um die Blockade herum sehen. Also rein da. Schön mit durchdrehenden Reifen (ja, wir sind stark! - nein, war matschig) hochgequält um 10m weiter wieder runter schieben zu müssen, weil das Gebüsch doch etwas dicht ist. Die Holzarbeiter würdigen uns keines Blickes und wir freuen uns einfach, dass die Jungs hier eine nette Aufgabe für sich gefunden haben. Wieder rauf auf den Bock und Gas!
      Auf dem weiteren Weg kommen uns einige Leute entgegen. Die meisten mindestens doppelt so alt wie wir und auf E-Bikes, aber auch die eine oder andere hübsche Joggerin. Die E-Bikes sind uns auf der gesamten Tour schon aufgefallen, aber hier nochmal besonders. Viele Leute sind damit unterwegs und wir finden es eigentlich ziemlich cool, denn die Alternative wäre wahrscheinlich, dass die Nutzer gar keine Fahrradreisen mehr machen würden. In stillen Momenten (meist an Steigungen) schnaufen wir uns auch ab und an zu „Jetzt 'n E-Bike...“, aber leider hilft nur das Weitertreten.

      Als wir in Gießen ankommen, haben wir uns schon entschieden die Rhön auszulassen und stattdessen in Richtung Eder zu fahren. Also fahren wir weiter die Lahn hoch, gönnen uns ein leckeres alkoholfreies Bier und einen Crêpe in Marburg und verlassen bei Cölbe das Lahntal. Ab nun geht es gut bergauf in den Burgwald hinein und ich merke bald, dass nicht mehr allzu viel geht. Nach einigen harten Kilometern über den Herrenweg kommen wir an einen Ort wo wir erstmal einkaufen. Einen 3/4-Liter Cola, Schokolade, getrocknete Süßkartoffeln und Cornies später kann ich wieder klar denken und wir fahren weiter. Nicht mehr weit für heute, da sind wir uns einig! Leider führt die Strecke uns nun zum größten Teil entlang der Hauptverkehrsstraßen, was doch weniger Spaß macht. Die Routingfunktion vom Garmin, hätte es aber gern so... auf Höhe von Frankenberg sehen wir dann endlich wieder ein Radweg-Wegweiser und folgen diesem, wissentlich jeglichen Protest des Garmins ignorierend. Nach keinem Kilometer rollen wir an einem Tennisverein vorbei und Helge will nachfragen, ob wir da unser Zelt aufschlagen können. Ich bin äußerst skeptisch, stehen auf dem Parkplatz doch nur fette Karren und mein Bild vom Tennisverein (zumindest aus Hamburg) ist auch eher negativ. Doch ich werde eines Besseren belehrt. Helge kommt gut gelaunt wieder und meint wir können hier auf der Wiese überall unser Zelt hinstellen. Einzige Gegenleistung ist, dass wir uns ein Bier in der Gastro holen. Läuft!
      Als wir gerade mitten in unserem Entspannungs-Sitzkoma (aus dem wir uns jeden Abend wieder hochreißen müssen um Abendessen zu machen) sind, kommt einer der Tennisspieler vorbei und meint, dass wir auch gern die Duschen etc. benutzen können. Wenn wir aber Lust auf Abenteuer haben, ist direkt hinter einem angrenzenden Gebüsch die Lahn. Wir nehmen die Lahn! Sch**ße ist die kalt! Wir nehmen die Dusche!

      Frisch geduscht und voll mit leckeren Nudeln, holen wir uns das Pflichtbier und setzen uns etwas abseits der Tennisspieler, die hier ebenfalls essen und trinken, um den Tag ausklingen zu lassen. Mein Hintern hat gerade die Bank berührt und schon werden wir angesprochen. „Wo kommt ihr hier? Von Limburg?? Heute?“ und schon sitzen wir bei den netten Leuten mit am Tisch und es wird eifrig über alles mögliche geschnackt. Einer der älteren ist großer Cannondale-E-Bike-Fan und berichtet voller Spaß davon wie mobil er mit dem Teil ist. Wir freuen uns mit ihm. Der Abend wird etwas länger, wir werden auf ein weiteres Bier eingeladen und bekommen Tipps zur Weiterfahrt zur Edertalsperre. Super, eigentlich gar nicht angedacht halten wir es für eine gute Idee die Sperre zumindest anzufahren und von dort weiter zu schauen. Als die letzten Spieler weg sind, schlagen wir unser Lager wieder auf der überdachten Terrasse auf und packen das Zelt nur zum Trocknen aus.



      leider das einzige Bild aus dieser Ecke...

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      • SeScull
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        #4
        AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

        Tag 6: Frankenberg (Eder) – Holzminden

        Ich bin wach! Ohne Wecker! Ein kurzer Blick aufs Handy: 6:30 Uhr. Hm... da ich bisher immer eher der langsamere am Morgen war, denke ich mir die Zeit für einen ausführlichen Klogang am nahen Gebüsch entlang der Eder zu nutzen. Als ich erfolgreich freudestrahlend zurückkehre und anfange meinen Kram leise einzupacken wacht auch Helge irgendwann auf. Wir verschlingen schnell unser klassisches Frühstück (Müsli mit Banane und Pfirsich) und sitzen erstaunlich früh wieder aufm Bock. Auf geht's zur Edertalsperre!

        Der Radweg folgt auf einsamen Wegen der Eder und lässt sich sehr entspannt fahren. Am Edersee angekommen entscheiden wir uns „rechts“ herum (also gegen den Uhrzeigersinn) zu fahren und es ist die richtige Entscheidung. Zwar müssen wir ein paar Kilometer auf der Straße fahren, aber hier ist kaum Verkehr und ab Asel eröffnet sich uns ein für den normalen Autoverkehr gesperrter Weg bis zur Talsperre. Genial! Immer schön am See entlang mit tollen Blicken auf das spiegelglatte Wasser. Je näher wir der Sperre kommen, desto mehr andere Radler kommen uns entgegen, an der Sperre selbst scheinen sich aber eher die Schulklassen zu tummeln. Wir gönnen uns einen Snack und befragen das Garmin nach einer direkten Route zur Weser. Die sieht ganz gut aus und soll uns über Warburg und ein paar Höhenmeter recht schnell zum Wasser bringen. Grob schätzen wir die Gesamtstrecke ab dem Tennisverein bis zur Weser auf 130km. Bei unserem Schnitt sollte uns das noch Raum lassen um mindestens 20km an der Weser zu rollen. Der Plan gefällt uns und los geht’s. Doch die Hitze und die Höhenmeter zeigen uns wieder mal wo der Hammer hängt und wir müssen (neben mehreren kleinen) eine ausgiebige Kohlenhydratpause beim Bäcker einlegen. Danach kämpfen wir uns die letzten Kilometer weitestgehend bergab zum sehnlich erwartet Fluss hinunter und gönnen uns noch eine ausgedehnte Pause.

        Der Rest für heute ist Bonus und entsprechend locker lassen wir es auf den nächsten Kilometern angehen. Bei Höxter suchen wir einen Supermarkt auf und decken uns mit dem wichtigsten für den Abend (und den nächsten Tag) ein. Zwiebeln, Tomaten, Nudeln, Pesto, Bier und Schokolade. Von hier ist Holzminden unser Ziel, denn dort soll es laut Internet einen Ruderclub geben den wir anlaufen wollen. Im Ort ist der Ruderclub schnell gefunden und wir drehen ein paar Runden um uns die Anlage anzuschauen. Es gibt eine Wiese auf der wir unser Zelt aufstellen könnten. Gerade als wir dort rumrollern ist eine Gruppe Jugendlicher dabei ihre Ruderboote an Land zu bringen und zu entladen. Wir finden heraus, dass es sich um eine Wanderfahrt einer Ruder-AG aus Stolzenau handelt, die heute Nacht auch im Bootshaus schlafen werden. Die Gang bezieht die Aufenthaltsräume oben und wir breiten uns in der Bootshalle aus in der Hoffnung, dass wir uns nicht gegenseitig stören. Leider ist die Truppe da oben nicht gerade leise was das „bettfertigmachen“ angeht und so fallen wir erst weit nach Mitternacht in einen tiefen Schlaf.


        Tag 7: Holzminden – Stolzenau

        „Guten Morgen!“ säuselt eine weibliche Stimme. „Hö? Was ist los?“ denke ich und richte mich vorsichtig auf. Rechtzeitig um ein Mädel in Schlafklamotten im Gang zu den Duschen und Toiletten verschwinden zu sehen. Ich schaue aufs Handy: 6:04! Spinnt die?! Kurz darauf kommt die nächste verschlafene Dame herunter: „Guten Morgen!“ und Helge pennt einfach weiter. Also drehe ich mich auch nochmal um, doch nach nur einer Minute kommt wieder ein anderes Mädel. Dieses Mal aus Richtung der Waschräume, also war sie wohl ohne Guten Morgen zu sagen an uns vorbeigehuscht. „Guten Morgen!“ sagt sie und nun lasse ich mich auch zu einem leise gemurmelten „Morgen.“ hinreißen. Prompt ist Helge wach und guckt erst sein Handy und dann mich entgeistert an...

        Da wir nun schon wach sind, machen wir uns daran unseren Kram zu packen und werden dann noch vom Lehrer der Ruder-AG zum Frühstück eingeladen. Es gibt Kaffee, Brötchen mit Käse, Wurst, Marmelade etc. Wir steuern immerhin unseren Honig bei. Der Lehrer nennt uns noch einen Kontakt für das Bootshaus in Stolzenau, denn das haben wir uns als heutiges Ziel auserwählt und dann machen wir uns auf den Weg.
        Der Weg weiter entlang der Weser ist unspektakulär, macht aber durch Rückenwind und gute Beine richtig Spaß. Außerdem wissen wir, dass es in Minden bei Helges Familie lecker Gegrilltes gibt und so legen wir die 105km mit Pausen und allem drum und dran in weniger als 5,5h zurück. Das Fleisch wird ruckzuck weggeputzt und dann ein ordentliches Nickerchen im Schatten eingelegt. Nach etwa 90 Minuten schrecke ich hoch und wecke Helge auf und kurz darauf radeln wir wieder los. Insgesamt haben wir nun gut 4 Stunden hier pausiert und fühlen uns auf dem Rad wieder ganz wohl. Den Rest bis nach Stolzenau schaffen wir entspannt in weiteren 2 Stunden und finden auch den Ruderclub wieder sehr schnell. Leider ist die Telefonnummer nicht gespeichert worden, aber wir sehen, dass drei Autos vor dem verschlossenen Bootshaus stehen und so setzen wir uns einfach an den Steg und warten darauf, dass die heimischen Ruderer anlegen. Die Herren sind erst etwas überrascht uns zu sehen und können mit unserer Frage nach einem Schlafplatz nicht viel anfangen, als wir uns dann aber an den Boss unter den dreien wenden, läuft alles ganz einfach. Er zeigt uns das Bootshaus und wo wir duschen und schlafen können. Wie sich dann herausstellt ist er auch der Kontakt den wir von dem Lehrer bekommen hatten und wir können es uns gemütlich machen. Da wir für morgen den letzten Ritt nach Hamburg planen, ist heute unser letzter Abend. Tiefkühlpaellea, leckerer Wein und etwas Obstler runden diesen perfekt ab und mit der richtigen Bettschwere gleiten wir genüsslich in den Schlaf.


        Tag 8: Stolzenau – Hamburg

        Heute geht der Wecker etwas früher los, schließlich haben wir eine ordentliche Distanz vor uns. Wir räumen unseren Kram ein und das gebrauchte Geschirr weg und sitzen bald wieder im Sattel. Die Route heute führt uns über Nienburg, Rothenburg und Buxtehude bis zum alten Elbtunnel in Hamburg und von dort nach Haus.
        Leider will uns das Garmin stetig über Bundesstraßen schicken und so sind wir eigentlich dauernd dabei Ausweichrouten zu suchen und werden schließlich auch fündig. Wir machen ganz gut Strecke bei der Hitze, merken aber auch, dass wir ganz gut ausgelaugt sind, als wir in Klein Heins bei Kilometer 80 unsere Mittagspause einlegen. Ein ordentliche Ladung Pasta, dazu alkoholfreies Bier und abschließend alle Klamotten im Bad vollkommen durchnässt und schon sind wir wieder unterwegs.
        Etwa 14km nach der Pause sehe ich ein Schild „Bullensee 500m“. Ich muss Helge nicht lang überreden und wir biegen schnell ab und rasen zu dem See. Dieser liegt wunderbar abseits von allem und ist von Bäumen umstanden. Abgesehen von uns sind geschätzte 20 Leute dort. Die schauen etwas merkwürdig als wir auf das Ufer zustürzen, Helme und Schuhe abwerfen und direkt reinlaufen, lassen sich ansonsten von uns aber nicht stören. Das Bad in dem See ist genau was wir brauchen. Kurzzeitig schwerelos sein, kein Druck aufm Hintern, kein Druck aufm Pedal, ein entspannter Rücken, sich einfach treiben lassen... herrlich! Wir könnten deutlich länger hier pausieren, aber wir wissen, dass wir gerade erst die Hälfte der Strecke geschafft haben. Also: ab aufs Rad.

        Den Rest der Strecke müssen wir uns wieder ganz gut quälen, besonders den Abschnitt von Rotenburg bis Tostedt, da wir hier der B75 folgen. Irgendwann haben wir die Nase voll davon und suchen eine Alternativroute raus. So konnten wir immerhin den Weg bis zur B73 noch bundesstraßenfrei gestalten. Die letzten Kilometer ab Neu Wulmstorf durch das Alte Land ziehen sich bei nordischem Gegenwind nochmal richtig und die Motivation ist am Tiefpunkt. Doch plötzlich heißt es: noch 6km bis zum Tunnel! Also nochmal Kette geben! Tja, und plötzlich sind wir da und stehen am Ufer der Elbe.



        Geschafft!

        Wir gönnen uns ein kaltes Astra und rollen dann gemütlich durch den Hafen, St.Pauli und die Schanze nach Haus und so findet unsere Tour mit der Königsetappe einen würdigen Abschluss.

        Zusammenfassend war es eine beeindruckende Reise und es hat Spaß gemacht jeden Tag ordentlich Kilometer zu machen und durch so einige Ecken zu Radeln von denen ich bisher nur aus dem Wetterbericht wusste, dass sie existierten.

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        • blauloke

          Lebt im Forum
          • 22.08.2008
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          #5
          AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

          Gut zu lesender Bericht und Respekt vor euerer Leistung.
          Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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          • Werner Hohn
            Freak
            Liebt das Forum
            • 05.08.2005
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            #6
            AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

            Den Tipp mit dem Binger Ruderclub werde ich mir merken. Der Campingplatz hängt mir schon lange zum Hals raus. Davon abgesehen, kommt mir die Route bekannt vor. Rheinhessen hättet ihr wirklich diagonal überqueren sollen. Bedeutend schöner als der olle Rheinradweg zwischen Mannheim und Mainz ist das allemal.
            Zuletzt geändert von Werner Hohn; 12.08.2014, 15:13.
            .

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            • neogrom
              Anfänger im Forum
              • 23.04.2014
              • 13
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              #7
              AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

              Ich beabsichtige irgendwann auch diese Strecke mit dem Fahrrad zu radeln. Wie ich merke, das war aber schon eine Herausforderung.

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              • SeScull
                Erfahren
                • 10.05.2011
                • 168
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                #8
                AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

                Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                Den Tipp mit dem Binger Ruderclub werde ich mir merken. Der Campingplatz hängt mir schon lange zum Hals raus. Davon abgesehen, kommt mir die Route bekannt vor. Rheinhessen hättet ihr wirklich diagonal überqueren sollen. Bedeutend schöner als der olle Rheinradweg zwischen Mannheim und Mainz ist das allemal.
                Hm... wir haben Rheinhessen doch eigentlich so ziemlich diagonal durchfahren. Mannheim und Mainz haben wir ja im Osten liegen gelassen und sind die Weinstraße nach Norden und dann nach Nordwesten nach Bingen am Rhein.

                Was die Vereine angeht: ich war sowieso begeistert wie wunderbar nett wir überall aufgenommen wurden. Wirklich ganz toll!

                @neogrom: wenn man sich für die Strecke 4 Tage mehr Zeit nimmt ist man mit 100km/Tag deutlich entspannter unterwegs und kann sicher auch noch etwas mehr Sightseeing machen, bzw. ist nicht ganz so kaputt am Abend.

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                • Werner Hohn
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                  #9
                  AW: [CH, DE] Basel - Hamburg by Bike

                  Argh! Tag 3! Gelesen habe ich das, doch nicht registriert. Um dir den Schwarzen Peter zuzuschieben, sonst heißt es noch, der versteht nicht, was er liest: In epischer Breite hast du Rheinhessen ja nicht aufgearbeitet.
                  Zuletzt geändert von Werner Hohn; 15.08.2014, 10:32.
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