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31.1.2018 – Argelès-Sur-Mer (Frankreich, nordöstliches Ende der Pyrenäen)
Ein wenig orientierungslos schaue ich mich um. Es ist halb zwölf, als ich vor die Tür trete. Berge, Meer, Sonne – nichts von dem, was mir helfen würde, den natürlichen Kompass zu kalibrieren, ist zu sehen. Statt dessen habe ich einen dicht bewölkten, grauen Himmel über mir, eine ausgestorbene Straße vor mir und die Hoteltür im Rücken. Ich laufe ein paar Schritte nach rechts, dann stelle ich mit dem Blick auf das Navi fest: falsche Richtung. Vorbei an verwaisten Campingplätzen, verriegelten Fressbuden und durch menschenleere Straßen folge ich dem Weg gen Ortszentrum. In einer Fußgängerzone geht es belebter zu. Bauarbeiter nutzen den Winter für Renovierungen, am Rande von Absperrgittern sind Marktstände aufgebaut, ein paar Läden haben geöffnet. Nach weiteren zwei Kilometern bin ich dort, wo die rote Linie auf dem elektronischen Wegweiser endet. Ein Gewerbegebiet am Rande von Argelès-Sur-Mer. KFZ-Händler, Autowaschstraßen, Malerbedarf, Bioladen, Optiker, Einrichtungshäuser und andere Anbieter buhlen um die Gunst derer, mit denen auch außerhalb der Saison Geschäfte zu machen sind. Dazwischen die Werkstatt, vor der das steht, was sich an sich seit mindestens zwei Stunden unter meinem Hintern auf der Straße befinden sollte. Mein Trike. Mein Liegedreirad. Mit ausgebautem Hinterrad :-(
Tage zuvor – Köln
Kaum ist 2018 ein paar Tage alt, Pläne gecheckt, wer mich nach Formentera fliegen könnte, da kommt mir die Idee: warum nicht radeln? Wäre ja nicht das erste Mal. Bevor ich Fluggesellschaften mit hochkarätigen Preise helfe, Schnäppchenangebote zu subventionieren, die ich nie in Anspruch nehmen kann, mir sonst wo auf dem Flughafen eine Nacht um die Ohren schlage, bezahlbare Direktflüge gibt es keine, und mich darüber ärgere, das manch eine Offerte nur Handgepäck zulässt – da gibt es doch Alternativen. Ob sie zwingend preiswerter sind sei dahingestellt, doch das Erlebnis dürfte zweifelsfrei reichhaltiger sein. Zudem verspricht die Reise aus eigener Kraft das, was ich die letzten Monate einem geregelten Einkommen zugunsten opferte. Freiheit. Der Routenplaner (Naviki) liefert ein in weiten Teilen brauchbares Ergebnis: keine 1.800 Kilometer, einige Streckenabschnitte sogar bislang unbekannt. Zunächst durch die Eifel bis in das Dreiländereck Deutschland/Luxemburg/Frankreich, einige Kilometer die Mosel hinauf, entlang von Kanälen an die Saône, dieser runter bis zur Rhône, letztere auf dem Weg zum Mittelmeer folgen, rechts abbiegen, immer schön an der Küste lang, Pyrenäen überqueren, Costa Brava, Barcelona, Fähre nach Ibiza und schon ist auch Formentera nur noch eine halbe oder ganze Stunde entfernt, je nachdem, welches Bötchen für die Schlussetappe als nächstes ablegt. Auf dem Blatt Papier beziehungsweise auf dem Rechner alles ganz einfach.
Die Wahl des fahrbaren Untersatzes ist nicht viel komplizierter: das Liegedreirad sollte es sein. Das, welches sich bereits auf der letzten Anreise bewährte. Über Island, bevor mit dem Camino-del-Cid die Querung Spaniens von Nord nach Süd, von Bilbao bis Valencia anstand. Was gute fünfeinhalbtausend Kilometer einschließlich etlicher auf üblen Holperpisten überstand, sollte mit knappen zweitausend nicht an seine Grenzen kommen. Dennoch, ein über den Packsack mit dem Zelt gezurrter Reservereifen erscheint mir nicht unangebracht. Für den Fall der Fälle. Auf der Insel im hohen Norden hatte ich zwei davon dabei, von einem musste ich Gebrauch machen. Darüber hinaus so etwas wie das Standardersatzteilrepertoire: Ersatzschlauch, Ersatzspeichen, Flickzeug, Panzertape, Kabelbinder sowie ein paar Rohrschellen. Man kann ja nie wissen. Die Kosten für Platz und Gewicht sind im Verhältnis zum Nutzen vernachlässigbar. Doch irgendwo ist ohnehin Schluss mit Sicherheit. Das Restrisiko deckt ein Schutzbrief des Fahrradclubs (ADFC) ab …
Übernachtungstechnisch soll die Tour für mich ein Novum werden. Ich plane mich soweit wie möglich bei Warmshowers Mitgliedern einzuquartieren. Einige Male schon schrieben mich andere Radler über die Internetplattform an, ob sie bei mir übernachten könnten, dreimal hatte ich Gäste im Haus, dreimal verbrachten Ute und ich mit diesen gesellige Abende, beköstigten die bis dahin Fremden, ließen ihnen zukommen, wozu der Name der Gemeinschaft steht und stellten ihnen ein Dach über dem Kopf zur Verfügung. Warum das Ganze nicht auch mal anders herum ausprobieren? Nicht die Welt nachhause holen, sondern schauen, was diese zu bieten hat. Der letzte Warmduscher, Mike, er kam aus dem Speckgürtel Barcelonas, war an der Idee nicht ganz unbeteiligt. Er fuhr mit dem Bus zum Bodensee und wollte von dort im Oktober den Rhein hinunter bis zur Nordsee. Und die Aussicht auf den Luxus, nach vollbrachtem Tagewerk wohl temperiertes Wasser über den Körper ergehen zu lassen und nicht die Nacht zusammen gekauert und mit zu gezogener Schlafsackkapuze im Zelt verbringen zu müssen, sie reizt. Noch bevor ich starte sind die ersten Kontakte hergestellt, doch ich will es nicht übertreiben. Mehr als eine Woche im voraus jemanden anzuschreiben macht nach meinem Dafürhalten keinen Sinn. Ergibt sich irgendwo eine Verschiebung im Ablauf, will ich nicht einen halben Tag damit verbringen, umzuorganisieren.
Als ich am Donnerstag den 11'ten Januar 2018 starte, ist das Wetter für einen Wintertag gemäßigt. Für die nächsten Tage sind keine ärgeren Regenschauer angekündigt, der Hochwasserpegel des Rheins ist wieder sinkend und eine Frostperiode nicht absehbar. Von Ute auf dem für sie neuen nahezu baugleichen Gefährt begleitet erreiche ich nach wenigen Kilometern die Stadtgrenze Kölns, danach geht es für mich allein weiter. Allein? Die meiste Zeit ja, kurzfristig habe ich jedoch Gesellschaft. Sogar auf Augenhöhe. Kurz vor Bonn treffe ich einen weiteren Trike-Piloten. Ihn treibt es auf den Venusberg. Sein fahrbarer Untersatz unterscheidet sich im Wesentlichen nur in der Farbe von meinem und wie ich, so mag auch er ihn nicht tauschen. Nach unterschiedlichen Routen durch die Stadt kreuzen sich unsere Wege ein weiteres Mal, dann kurbele ich tatsächlich ohne jemanden neben mir weiter durch die Prärie. Die dunkle Jahreszeit ist bei Radlern nicht die gefragteste. Bei einer kurzen Pause an der Swist spricht mich ein Wanderer Pärchen an. Ob ich Holländer sei. Und nach Italien wolle. Häufig hätten sie an der Brücke bereits entsprechende Radler getroffen. Ich muss die beiden enttäuschen. Herkunft und Fahrtziel sind bei mir andere.

Hochwasser in Bonn

nicht alle Wege sind passierbar (hier: Sieg)

Swist - Italien: geradeaus
Mit Bad Münstereifel ist schließlich nach 65 Kilometern mein erstes Tagesziel erreicht. Jürgen Schmidt residiert die Woche über dort. Der geistige Vater von Andreas Mücke, einem erdachten ortsansässigen Privatdetektiv, dessen Fälle nachlesbar sind, ist zwar weder Warmshowers Mitglied noch für mich ein Unbekannter, doch das schmälert das Entgegenkommen nicht. Das Reiseziel ist das verbindende Element. Einst lud er mich zu einer Lesung ein, über meine „Nordroute“ nach Formentera zu berichten, handelte sein Roman „Chiliherzen“ zu Teilen am gleichen Ort, während Meike Krautscheid mit Bass musikalisch untermalte. Nach angeregter Unterhaltung endet der Abend nach dem Besuch eines Brauhauses im Ort bei einem Absacker in der Küche, der die Mittelmeerinsel bereits geschmacklich näher bringt: Jürgen öffnet eine Flasche Hierbas, den ibizenkischen Kräuterlikör, der üblicherweise auf Formentera nach dem Essen gereicht wird.
Über Nettersheim, Blankenheim nach Gerolstein setzt sich mein Weg durch die Eifel am nächsten Tag fort. Entlang von Urft, Ahr und Kyll halten sich die Anstiege in Grenzen. Als Henryk, mein erster Warmshowers Gastgeber, mich jedoch im Ort aufliest und mir mit seinem Mountainbike den Weg zu seinem Haus weist, zeigt er mir schnell meine konditionellen Grenzen auf. Während er kleinere, steilere Hügel scheinbar mühelos meistert, muss ich zwischendurch anhalten und Luft holen. Dennoch, die anschließende warme Dusche ist aller Anstrengungen wert, dazu werde ich mit einem leckeren Abendessen in der Gesellschaft eines befreundeten Pärchens entlohnt, das interessiert ist zu erfahren, was den Reiz des Reiseradelns ausmacht. Es wird ein Abend, wie noch zahlreiche folgen. Wir plaudern über unsere Radtouren, die Ausrüstung, die Planung, das Leben auf der Straße, aber auch Gott und die Welt kommen nicht zu kurz. Nicht alle Warmshowers sind so weit herum gekommen wie Henryk, ihn verschlug es bis Neuseeland, manch anderer begnügt sich mit Touren im Heimatland, wieder andere zogen wie ich den Radius etwas weiter und erkundeten per Drahtesel Teile des hiesigen Kontinents. Letztendlich ist zwischen dem Weltreisenden sowie dem Wochenendausflügler alles vertreten. Die Nächte verbringe ich häufig genug in Gästezimmern, brauche weder eigene Matratze, Schlafsack noch Handtuch auszupacken, doch auch wenn es mal anders ist, es schmälert das Vergnügen nicht. In der Regel genieße ich am Morgen noch mit meinen Gastgebern ein Frühstück, manch einer probiert aus wie es ist, auf einem Liegedreirad zu sitzen oder zu fahren, dann folgen gegen neun Verabschiedung und es geht zurück auf die Piste.
Dass Zelt, Schlafsack und der Rest der Campingausstattung dennoch nicht umsonst am Rad lasten zeigt die dritte Nacht. Von den beiden angeschriebenen Warmshowers entlang der Mosel in Luxemburg erhalte ich keine Rückmeldung. Auf die Frage in einer Tankstelle, ob man mir mit einer kostengünstigen Alternative weiterhelfen könne, bekomme ich nur zu hören: „in Luxemburg ist nichts kostengünstig.“ Entsprechend steht an einem Samstagabend auf deutscher Seite ein kleines Zelt am Wegesrand.
Ähnlich gestaltet es sich mit den ausgesuchten Pfaden. Nicht alle funktionieren beziehungsweise sind passierbar. Zwingen mich zwischen Gerolstein und Bitburg ab Kyllburg einige Hügel aus dem Sitz, 15 Prozent Steigung über mehrere Meter hinweg übersteigen meine Leistungsfähigkeit, so werde ich in Frankreich mit einem anderen Problem konfrontiert: Hochwasser. Zunächst beginnt es an der Mosel damit, dass der Weg entlang des Flusses noch im Matsch versinkt. Einige Meter komme ich noch kurbelnd voran, dann fällt selbst das Schieben schwer. Schnell bilden sich klebrige Klumpen unter den Schutzblechen und ich bin länger damit beschäftigt, diese zu beseitigen, als dass ich weiter komme. Es bedarf keiner größeren Überredungskünste, da fahre ich auf der Straße, schaue, dass ich grob der Richtung treu bleibe und kann das Atomkraftwerk Cattenom aus der Nähe bewundern – ein zweifelhaftes Vergnügen, zumindest aber strahlt auch die Sonne. Im weiteren Verlauf wird es nicht viel besser. Immer wieder haben Streckenabschnitte noch „Land unter“, immer wieder suche ich nach Ausweichstrecken, immer wieder muss ich umkehren, weil der Weg unvermittelt in den Fluten endet.

Ende einer Schiebepassage

Moselcamping

schluss mit lustig

strahlend blauer Himmel über Cattenom

Flussromantik

Mosel - zum Greifen nah
Einige Kilometer vor Épinal verlasse ich nach vier Tagen die Mosel. Entlang des Vogesen-Kanals ist der Wasserstand nivelliert. Ich kann der geplanten Route uneingeschränkt folgen und abschnittweise sogar meinen Weg problemlos zurückverfolgen, denn – es schneit. Zumindest in den Vormittagsstunden. Viel liegen bleibt von der weißen Pracht nicht, dazu ist es zu warm. Die Temperaturen liegen bei etwa drei Grad. Was den Schnee tauen lässt, beschert mir dennoch steif gefrorene Finger. Schon seit einigen Tagen nerven mich quietschende Bremsen, während einer Pause gehe ich der Sache nach und stelle fest: die Bremsbeläge sind herunter gefahren. An Ort und Stelle versuche ich, das Problem zu lösen. Immerhin füllen neben den anderen Utensilien ebenfalls zwei Paar Ersatzbeläge den Notfallbeutel. Mit klammen Extremitäten werden die Wartungsarbeiten jedoch zum zeitaufwändigen Geduldspiel. Eine geschlagene Stunde vergeht schließlich, bevor die Schrauben wieder festgezogen sind und die Bremsen wieder lautlos ihren Dienst verrichten.

meine Reise - zumindest zeitweise nicht ganz spurlos
Tags drauf dann geht es an der Saône weiter. Es ist wie an der Mosel. Auch dieser Fluss führt mehr Wasser als üblich. Hinzukommt, dass gleich reihenweise Felder überschwemmt sind. So darf ich vor Gray einen 10 Kilometer Schlenker einschlagen, weil zwei Zuflüsse eine Auenlandschaft in ein geflutetes Delta verwandeln. Dass mich kurz zuvor ein Schleusenwärter auf einen Tee oder Kaffee einlädt? Nette Geste am Rande, doch am Ende überwiegt ein Anflug von Frust.

Saône - ebenfalls unter Wasser

passierbare Schikane

am Wegesrand
Mit meinem Eintreffen in Chalon-Sur-Saône kommt noch eine weitere Komponente hinzu. Es regnet den ganzen Tag über. Erst nur leicht, später intensiver. Ich bin nass bis auf die Knochen. Solange ich in Bewegung bin, ist es erträglich, bleibe ich stehen, zittere ich schnell am ganzen Körper. Da ich ohne Pause und zügig durchradle, komme ich bereits frühzeitig in der Stadt an. Meine Anfrage bei dem Warmshower, ob ich früher als vereinbart eintreffen kann, landet auf einem Anrufbeantworter. Rettend erscheint es mir, die Wartezeit in einem McDonalds in der Nachbarschaft zu verbringen, doch die klimatisierten Räumlichkeiten des Restaurants schaffen keine wahre Abhilfe. Der Kaffee tut zwar gut, doch ich schlottere vor mich hin und schnell bildet sich unter meinem Sitz eine kleine Pfütze. Auch das Gebläse des Handtrockners auf der Toilette eignet sich nicht dazu, das Wohlbefinden dauerhaft zu steigern. Den Eindruck, dass Radeln Spaß macht, kann ich in diesem Moment nur schwer vermitteln. In meiner Verzweiflung mache ich mich kurze Zeit später aufs Geratewohl auf zu meinem Gastgeber und habe Glück. Es ist jemand Zuhause, das Feuer im Kamin wirkt Wunder und ich schätze die warme Dusche mehr denn je zuvor. Dass die Dame des Hauses Präsidentin eines Fahrradclubs ist und sich engagiert für die Belange der Mitglieder einsetzt, verschafft zudem ungewohnten Gesprächsstoff.
Am folgenden Sonntag setzt der Regen zwar erst später ein, doch mit Unterkühlungen hält es sich in Grenzen. Dank eines kleinen Umwegs sowie eines Missverständnisses treffe ich weder zu früh ein noch muss ich einem Hochwasser ausweichen. Anstatt weiter der Saône zu folgen weiche ich auf einen parallelen Radweg aus. V51 statt V50, Voie verte statt Voie bleue, Greenway statt entlang des Flusses. Eine ehemalige Bahnstrecke verläuft einige Kilometer versetzt zur ursprünglich geplanten Route. Sie wird meinen Vorstellungen bezüglich einer derartigen Trassierung gerecht. Sanfte Anstiege, weite Kurven, viel geradeaus. Erst auf den letzten Kilometern muss ich ein wenig kraxeln, da ein Tunnel gesperrt ist. Dann beginnt ein kleines Verwirrspiel. Nachdem Mâcon erreicht ist, kündige ich mich per Telefon an und hake nochmals bezüglich der Hausnummer nach. 31. Okay. Der Nachsatz macht die Sache kompliziert. Es gibt zwei ähnlich klingende Straßen: Rue de Lyon und Route de Lyon. Ich interpretiere, dass ich in der falschen stehe. Als ich mich nach kleiner Irrfahrt aus der anderen Straße melde, erneut die Rückmeldung: man stehe auf dem Balkon, könne mich aber nicht sehen. Rue de Lyon. Also wieder zurück. Anschließend klärt sich die Angelegenheit. Im ersten Anlauf stand ich nicht unmittelbar vor dem Haus, sondern etwas versteckt, verdeckt durch einem parkenden Lieferwagen. Okay, aneinander vorbei geredet. Kann passieren, Schwamm drüber.

Greenway - V51
Wieder einen Tag später ist die Situation ganz anders. Mein Ziel: Lyon. Wie viele Warmshowers Mitglieder dort registriert sind? Schwer zu sagen. Je nachdem, wie weit man den Radius zieht, 400. Die wenigen, die ich anschreibe, reagieren jedoch leider nicht. Da für mich Wildzelten in einer Stadt dieser Größe ausscheidet, buche ich mir ein Hotelzimmer. Ein Hostel mit Schlafsaal mag ich mir nicht antun und so wird das preiswerteste Quartier, das ich auf die Schnelle über ein Buchungsportal finde, eines in Bahnhofsnähe. Zweites Arrondissement, zwischen Rhône und Saône, die Bahnstation Perrache direkt nebenan. 55 € die Nacht. Erneut kann ich meine Route dem Pegelstand der Saône anpassen. Bereits kurz nach dem Verlassen von Mâcon muss ich umdisponieren. Der Einfachheit halber entscheide ich mich für eine stärker befahrene Straße parallel zur Autobahn. D306. Zwischen Autos und LKWs ist es nicht unbedingt ein Vergnügen zu radeln, doch der Zweck heiligt die Mittel. Gute zehn Kilometer vor der Stadt finde ich Hinweise auf einen Radweg dorthin. Nach dem zweiten Schild verliert sich leider die Wegführung. Mit einem Hauch von Erinnerung an die erste Tour nach Barcelona und einem Auge auf die Karte fällt die Orientierung jedoch nicht schwer. Einfach nur den Mont-D'Or umrunden, dann sollte die Stadt vor mir liegen. Entsprechend geht es einen Hügel hinauf, auf der anderen Seite wieder hinunter, und dann beginnt das Chaos. Ich befinde mich nur wenige hundert Meter vom nächsten Wegpunkt der ursprünglichen Route entfernt, da verlaufen plötzlich Straßen kreuz und quer, überschneiden sich auf verschiedenen Ebenen – ein Horror. Mit viel Glück, Geduld und Spucke schaffe ich es dennoch an das Ufer der Saône, dann wird es einfach. Es gibt einen Radweg, dieser deckt sich mit meiner Route auf dem Navi und alles wendet sich zum Guten. Enttäuscht werde ich lediglich im Hotel: es gibt keinen Stellplatz für mein Rad. Ich habe die Wahl, es in einem Parkhaus für 16 Euro die Nacht über abzustellen oder es vor der Tür auf dem Bürgersteig stehen zu lassen. In Anbetracht des geringen Publikumsverkehrs in der ruhigen Seitenstraße erscheint mir letzteres sicherer.

Lyon - letzte Meter

Bike Sharing
Ein wenig bange schaue ich am nächsten Morgen vor die Tür, bin Augenblicke später aber erleichtert. Erneut alles bestens. Das Rad macht einen unangetasteten Eindruck. Es dauert ein wenig bis die Taschen wieder gepackt, Zelt sowie Reserverad festgezurrt sind und die Räder wieder rollen. Lyon ist mit Sicherheit eine sehenswerte Stadt, doch mit dem beladenen Vehikel sehe ich zu, so schnell wie möglich weiter zu kommen. Das Verlassen fällt geringfügig leichter als die Ankunft, doch erneut gilt es im Speckgürtel Verkehrsknotenpunkte unbeschadet zu passieren und auf richtigen Pfaden zu bleiben. Nach einer ersten Kehrtwende vor den Fluten der Rhône gönne ich mir schließlich in Vienne eine kleine Pause. Die Stadt ist mir von der ersten Tour noch ein Begriff und so begnüge ich mich mit einer reduzierten Runde durch das historische Zentrum und verdrücke einen Salat in der Sonne am Ende der Flaniermeile. Interessant wird es, als ich im schwindenden Tageslicht einige Kilometer flussabwärts die Ausläufer des Zentralmassivs hinauf strample um meine nächsten Gastgeber aufzusuchen. Die tief stehende Sonne lässt einige Gipfel in den östlich gelegenen Alpen golden glänzen, die Kulisse Richtung der Hügel im Westen ist nicht minder sehenswert und auch der Rückweg am nächsten Morgen entschädigt für die Bewältigung der 200 Höhenmeter mit einigen knackigen Anstiegen.

Rhône - neuer Fluss, vertrauter Anblick

Alpen in der Abendsonne

Sonnenuntergang über dem Zentralmassiv

Sonnenaufgang über dem Rhônetal
Die nächste Tagesetappe nach Valence ähnelt der vorangegangener Tage: immer wieder muss ich dem Hochwasser ausweichen. Trotzdem, bei strahlend blauem Himmel sind einige Radler unterwegs und es macht Spaß, einfach nur zu sein und Kilometer zu fressen. Der mir auf der Brust stehende Scirocco lässt mich zwar nicht dahin fliegen, kann mich aber auch nicht daran hindern, dem Plan hinterher zu hinken.

Via Rhôna

die Bilder ähneln sich ...

... doch es gibt auch Abwechselung
Nachdem die Hauptstadt des Départements Drôme hinter mir liegt und ich quasi in Frankreichs Süden angelangt bin, schlägt das Wetter um. Der Mistral im Rücken begünstigt zwar mein Vorankommen, da kein Quartier auf mich wartet, kann ich radeln bis ich keine Lust mehr habe, doch von der Sonne, die an den voran gegangenen beiden Tage nicht nur die Stimmung aufhellte, ist nichts mehr zu sehen. Statt dessen auf einer Hochwasserausweichstrecke ein anderer Lichtblick. Mir kommt ein Reiseradler entgegen. Bereits von weitem winkt er, ich winke zurück, und wenig später stehen wir uns gegenüber. Die erste Feststellung: der Reiseradler ist eine Reiseradlerin. Die zweite: die Frau dürfte etwa in meinem Alter sein. Die dritte: nach nur wenigen Sätzen stellen wir fest, wir haben die gleiche Muttersprache. Was dann folgt, verschlägt mir fast die Sprache. Dabei beginnt alles ganz harmlos.
„Ich bin der Dirk.“
„Und ich bin die Dorothee.“
Ich stutze.
„Die Dorothee, die seit über 10 Jahren durch die Welt radelt und gerade zurück aus Afrika kommt?“
„Genau die.“
Was folgt ist eine nette Plauderei am Straßenrand. Vorbei flitzende Autos und Lastwagen stören ein wenig, auch dürfte es gerne wärmer sein oder ein Café nebenan existieren, doch wann hat man schon mal die Gelegenheit, einer solchen Person allein gegenüber zu stehen. Die Zeit verfliegt, am Ende ist schnell eine gute Viertelstunde verquatscht. Wir berichten uns von unseren nächsten Vorhaben, drücken jeder noch einmal auf den Auslöser seiner Kamera, bei mir ist es das Smartphone, das zuvor zickte, im rechten Moment aber wieder funktioniert, dann zieht jeder in der Richtung von dannen, aus der der andere kam.

Plauderei am Straßenrand mit Weltenbummlerin Dorothee
Ob mich die Begegnung beflügelt? Irgendwie schon, wenngleich das Kilometerfressen auf der Straße und das Kopfkino zweierlei Dinge sind. Ersteres dürfte durch den Rückenwind begünstigt sein. Ursprünglich waren nur gute 60 Kilometer angedacht, bis Montelimar, doch ohne Warmshowers Anlaufstelle werden es mühelos 95. Eine Entwicklung, die sich am nächsten Tag rächt. Da habe ich nämlich ein Einladung, es bleiben nur noch 70 Kilometer bis Avignon, aber auch die sind aufgrund anhaltenden Mistrals bereits nach gut vier Stunden „abgeritten“. Unglücklicherweise kommt hinzu, dass ich an diesem Freitag Opfer einer seltenen Besonderheit werde: es regnet. Ergiebig. Wieder versuche ich meine Gastgeber telefonisch zu erreichen. Es gelingt mir auch, doch muss ich diesmal erfahren, dass man bis Nachmittags um fünf unterwegs sei. Dumm gelaufen, derartiges um zwei zu hören zu bekommen, ziemlich aufgeweicht. Hatte ich für den Anruf die Überdachung vor einem Schaufenster gewählt, so bleibt mein Blick nach dem Telefonat auf der gegenüber liegenden Straßenseite hängen. Bei dem Herrenausstatter, dessen Flügeltüren weit geöffnet sind. Ich schlendere hinüber und stelle fest das es so ist, wie ich vermutete. Über dem Eingang blasen warme Lüfter. Ich bleibe einen Augenblick in dem Luftstrom stehen, dann frage ich einen der Verkäufer, ob ich länger verweilen könne. Der junge Mann hat Erbarmen. Wenig später kommt sogar ein Kollege auf mich zu und fragt, ob er den Lüfter wärmer stellen solle. Ich habe nichts dagegen. Dabei erfahre ich von der Rarität, die mir zuteil kommt. Ein Wetter wie das aktuelle, das gäbe es an maximal vier Tagen im Jahr. Normalerweise sei es genau anders herum. Bläst der Wind von Nord nach Süd, sei es üblicherweise schön, in Gegenrichtung sei es trüber. Wie ich später noch erfahren soll, hat das Wetterphänomen sogar einen Namen: Black Mistral. Der Nordwind, der dunkle Wolken vor sich her schiebt. Nach gut einer Stunde im Luftstrom ist mein Oberteil wieder halbwegs trocken. Mich artig bedankend versuche ich erfolglos, mich mit einem kleinen Schein erkenntlich zu zeigen – eine Geste, die energisch zurückgewiesen wird. Anschließend siedle ich in die nächste Filiale mit dem großen, gelben M um, wo ich mir wegen meiner noch immer nicht trockenen Hose und Schuhe keinen Kopf zerbreche. Um kurz vor fünf erhalte ich schließlich den Anruf, dass ich anrücken kann, zu meinem vorerst letzten Warmshowers Gastgeber.

das Leben kann so einfach sein - erwärmender Geschäftseingang
Einer weiteren herzlichen Aufnahme folgt am nächsten Morgen der Aufbruch gen Meer. Noch immer ist es bewölkt, nur vereinzelt fallen noch ein paar Tropfen. Den Weg in das direkte Mündungsdelta der Rhône erspare ich mir diesmal. Damit mache ich zwar einen Bogen um die Gegend, die mich bereits zweimal faszinierte, denke jedoch in Anbetracht der voran gegangenen Regenfälle und des Hochwassers, damit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Statt über aufgeweichte Matschwege rolle ich durch ländliches Gebiet über Asphaltpisten, die ich so gut wie für mich allein habe. Trotzdem bleiben mir Umwege nicht erspart. Wie sich zeigt, nutzt man die „Winterpause“ zur abschnittweisen Renovierung von Rad- und Wanderwegen entlang des Canal-du-Rhône-à-Sète. Entdecke ich entlang der befahrbaren Passagen dieser Wasserstraße immer wieder Ecken, an denen ich ungesehen mein Zelt aufschlagen könnte, so werden sie zur Mangelware, nachdem ich zum Sonnenuntergang das Örtchen Aigues-Mortes hinter mir lasse und mich der Küste nähere. Unmittelbar vor dem Fischerdorf Le-Grau-du-Roi finde ich dann eine Kompromisslösung. Nur unweit der Straße und von dieser aus direkt sichtbar gibt es eine hölzerne Plattform an den Rand eines Étangs, eines der stehenden Gewässer zwischen Meer und Hinterland. Dem Reiz, in der Nachbarschaft von Krebsen fischenden Flamingos zu übernachten, kann ich nicht widerstehen. In der mittlerweile bereits fortgeschrittenen Dämmerung schlage ich meine Behausung auf, parke mein Vehikel dahinter, so dass es von der Straße aus nicht zu sehen ist und hoffe, unbehelligt zu bleiben. Zwar vernehme ich im Verlauf des Abends noch Stimmen aus der Nähe, bekomme jedoch keinen Besuch.

am Rande der Camargue

Aigues-Mortes

Sunset auf dem Weg nach Le-Grau-du-Roi

Bird-Watching Nightcamp
Der folgende Tag ist ein Sonntag. Das Wetter ist wie aus dem Bilderbuch. Als ich um neun Uhr starte ist auf den Straßen noch nicht viel los. Ein erster Blick auf das Meer versetzt mich in Urlaubsstimmung. La-Grande-Motte, der nächste Ferienort, erst in den 70'ern aus dem Boden gestampfte, ist ausgestorben. Ich sehe zu, dass ich die Fremdenverkehrssünde zügig hinter mir lasse. Anschließend folge ich einem schmalen Landstreifen. Zur Linken habe ich den Strand, zur Rechten den nächsten Étang, im Hintergrund erhebt sich Montpellier. Irgendwo auf halber Strecke mache ich Rast und frühstücke. Müsli mit Kakao und Meerblick. Herrlich. Ein Aspekt mehr, den ich am Liegedreirad schätze. Ich kann blicken, wohin ich will, keiner lümmelt sich gemütlicher in der Sonne. Und ich muss noch nicht einmal extra etwas dafür schleppen. Ich greife zum Telefon und lasse Ute an der Stimmung teilhaben. Berichte ihr von den morgendlichen Strandwanderern, den Aqua-Joggern, die sich in Neoprenanzügen bis zur Brust im Wasser voran kämpfen und von den wärmenden Strahlen, die ich verspüre. Was ich von meiner Frau zu hören bekomme, dürfte zu gerne wahr sein: ja, sie hätte nichts dagegen, neben mir zu sitzen.

Le-Grau-du-Roi

Frühstück mit Meerblick

Liegedreirad - Sitzgelegenheit immer dort, wo man sie braucht
Auf dem Weg nach Sète wähle ich im dritten Anlauf direkt die Strecke um die Étangs herum und folge dem Vorschlag des Routenplaners. Ein Stück länger, als den Kanal entlang, dafür aber der unkritischere Weg. 2011 war die kürzere Piste wüst, jedoch befahrbar, wenngleich laut Verkehrszeichen gesperrt. 2015 war ich nach einigen hundert Metern über aufgeweichten Boden umgekehrt, diesmal also direkt außen herum. Ist mir recht so. Die Vorstellung, auf drei Rädern zu versumpfen – mir reichen die Erlebnisse entlang der Mosel. Vor der Stadt dann erneut Schlenker auf üble Holperpisten. Ich improvisiere und wähle die Straße, verfahre mich einmal, weil ich einem Radweg folge, der nach einer Kurve im Nichts endet, dann stehe ich in einer Autoschlange, die sich durch den Ort quält. Das schöne Wetter treibt die Leute auf die Straße. Immerhin überschreitet das Thermometer die 15° Marke. Entsprechend voll ist es zum Nachmittag auf der Strandpromenade. Zwischen Spaziergängern, anderen Radlern sowie zeitgemäßer elektrischer Fortbewegungshilfen bahne ich mir im Zick-Zack-Kurs meinen Weg. Als ich aus dem Gedränge heraus bin lege ich erneut eine kurze Pause am Strand ein, dann soll der Endspurt für den Tag folgen. Hinter Agde, am Canal-du-Midi, sollte ich neben einem wahrscheinlich geschlossenen Campingplatz ein ruhiges Plätzchen finden. Auf gut ausgebauten Wegen komme ich gut voran. Kurz vor der Stadt dann eine folgenschwere Fehlentscheidung: einem Radwegweiser folgen oder der Route treu bleiben? In Anbetracht gemachter Erfahrungen entschließe ich mich zu letzterem. Bis zu der Brücke über den Kanal geht es auf Asphalt problemlos voran, dann knickt der Weg ab, wird erdig und folgt dem Wasser. War ich bis dahin noch gut in der Zeit, so ändert sich dies rasant. Für fünf Kilometer benötige ich anderthalb Stunden. Kann ich anfangs noch fahren, so schiebe ich kurze Zeit später die meiste Strecke, befreie die Räder immer wieder von dicken Matschklumpen, die diese festsetzen, jongliere es zeitweise gekippt auf zwei Rädern voran und verzweifele letzten Endes nahezu vor einer steilen Schräge zurück auf die Straße. Aufgeben tue ich schließlich, als mich das Navi nach dem Ort erneut auf eine ähnliche Piste leitet. An einem kleinen Kanalhafen schlage ich schließlich das Zelt auf, packe den Rechner aus und halte nach einer fahrbareren Alternative für den nächsten Tag Ausschau.
Frischen Mutes und mit neuer Kraft starte ich 15 Stunden später Richtung Béziers. Der Weg ist vielleicht ein wenig länger, dafür jedoch fahrbar. Zudem bilde ich mir ein, an den diversen Freizeitparks schon einmal zusammen mit Ute vorbei gefahren zu sein. Die Stadt selbst bleibt eine weitere, die ich am Wegesrand liegen lasse. 2015 erst hatte ich eine Besichtigungsrunde eingelegt, dafür bekomme ich diesmal etwas bislang nicht Gesehenes zu Gesicht: die Schleusentreppe Fonséranes, mit Hilfe der bereits seit dem 17'ten Jahrhundert auf 300 Meter Distanz Schiffe nach dem Passieren einer Kanalbrücke einen Höhenunterschied von 21 Metern überwunden, indem sie sich durch acht nacheinander angelegte Schleusenkammern hieven ließen. Auch eine zwischenzeitlich in Betrieb genommene Ablöse ist nicht minder interessant. In einem außergewöhnlichen Hebewerk sollten die Kähne in einer Rinne geführt und mittels Traktoren hinauf geschoben beziehungsweise hinab gebremst werden – ein Unterfangen, das sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Hinzu kam, dass die Frachtschifffahrt in jüngster Vergangenheit auf dem Kanal eingestellt wurde.

klare Ansage - nur leider nicht durchgängig beschildert

Schleusentreppe Fonséranes
Ebenso nicht überzeugend ist für mich der weitere Weg entlang des Canal-du-Midi. Nach asphaltiertem Untergrund bis Béziers wird es westwärts wieder erdig und ich weiche auf mal kleinere, mal befahrenere Straßen aus, womit ich zum Nachmittag hin Narbonne erreiche. Auch hier genehmige ich mir einen Imbiss in der Sonne, dann sehe ich zu, entlang des Canal-de-la-Robine noch einige Kilometer zu machen. Mit ein wenig Glück rechne ich mir aus, am Freitag Barcelona erreichen zu können und so eine Fähre gen Balearien zu erwischen, bevor am Samstag keine geht und ich Sonntags mit höheren Preisen zu rechnen hätte. Zwar ist auch die Piste entlang dieses Kanals nicht gerade hochgeschwindigkeitstauglich für mich, doch ich komme einigermaßen voran und entdecke nach gut 10 Kilometern den perfekten Zeltplatz für mich. Keine Straße in Sicht, Kanal vor mir, Étang im Rücken, Aussicht auf weiße Gipfel der Pyrenäen. Um kurz vor fünf bleibt sogar noch Zeit, das Zelt von der Sonne trocknen zu lassen, eine Stunde später wird es dunkel und ich genieße die bislang ruhigste Nacht draußen während dieser Tour.

Kanalradeln - Radweg unten, der schmale Pfad

die Pyrenäen rücken näher

perfekter Zeltplatz ...

... die Pyrenäen vor der Tür ...

... das Meer hinter'm Haus
Auch wenn es am nächsten Morgen wieder empfindlich frisch ist, der Platz hat nichts von seinem Charme verloren. Die Aussicht bleibt majestätisch und während ich die Taschen packe, kommt noch ein weiteres Bonbon hinzu. Ich erhalte Besuch. Ein weiterer Reiseradler kommt vorbei, bleibt stehen und wir kommen ins Gespräch. Auch er ist Deutscher, auch für ihn geht es Richtung Barcelona, auch er hat Spaß an dem, was er tut. Christian könnte vom Alter her mein Sohn sein. Gestartet war er in Mailand, anders als für mich soll für ihn hingegen die Fahrt nicht in der Katalanenmetropole enden, er will noch weiter bis Tarifa und von dort nach Marokko, wo Ende Februar ein Eintreffen in Marrakesch geplant ist. Ohne es zu diesem Zeitpunkt bereits zu ahnen, dass mein Tag ganz anders enden soll als gedacht, lehne ich sein Angebot ab, gemeinsam ein Stück zu radeln. Ich brauche wenigstens noch eine halbe Stunde, bis ich startbereit bin, und Christian will noch mehr Kilometer machen als ich es vorhabe. Seine Vorstellung ist es, Cerbere zu erreichen, der letzte Ort auf französischer Seite in den Pyrenäen vor der Grenze, ich wäre bereits froh, 10 Kilometer zuvor in Banyuls-Sur-Mer anzukommen. Zum einen will ich Christian nicht aufhalten, zum anderen ist es mir nicht unangenehm, nach dem Plausch allein und ohne dass jemand auf mich wartet meine Sachen zu packen. Entsprechend verabschieden wir uns kurze Zeit später.
Der anschließende Weg ist mir weitestgehend nicht unbekannt: bis Port-la-Nouvelle über holperige aber ruhige Piste, vorbei an ein paar Fabriken, dann folgen Obstplantagen und Weinfelder, Leucate umfahre ich diesmal, anschließend geht es einen weiteren schmalen Küstenstreifen entlang und vorbei an den Meeresfrüchte Restaurants bis Port-Leucate, weiter bis Canet-En-Roussillon, zwischendurch über einen gut ausgebauten Eurovelo 8 Fernradwanderweg, der nur leider nicht durchgängig existiert, bis mit Argelès-Sur-Mer der Ort erreicht ist, an dem die Strände enden und von wo aus es in die Berge geht.

Kanalradeln einfach

Eurovelo 8 - abschnittweise nicht zu verfehlen
Auf den letzten paar Metern in der Ebene passiert es dann. Als ob das Rad sich den bevorstehenden Anstiegen verweigern wolle. Erst löst sich ein Klümpchen Matsch unter dem Schutzblech des rechten Vorderrades, dann ändert sich das Fahrverhalten. Das Rad zieht leicht nach links. Aufgrund der Tatsache, dass es nicht das erste Mal ist, dass ich derartiges wahrnehme, schaue ich auf die Vorderräder. Beide einwandfrei. Muss also das Hinterrad platt sein. Ich steige ab, schaue nach und meine Befürchtung bestätigt sich. Mist. Also Rad an den Straßenrand, irgendwo in die Sonne, alles Gepäck abnehmen und flicken. Dass nebenan ein Fahrradgeschäft ist, hilft nicht richtig weiter. Der Laden hat geschlossen. Wie die anderen in der Straße auch. Winter halt. Für Badegäste der falsche Zeitpunkt, Geschäfte zu machen. Als ich den Schlauch in der Hand habe, bekomme ich einen Schreck. Ich brauche gar nicht nachzuschauen, wo die Luft entweicht, da weiß ich es schon. Die Felge hat in Höhe des Lochs für das Ventil einen Schlag. Und nicht nur das, es gibt eine Stelle in der Flanke, da kann ich hindurch schauen. Ein etwa fünf Zentimeter langer und ein bis zwei Millimeter breiter Riss.

Shit happens

unschöner Anblick
Frustriert greife ich zum Telefon und wähle die Nummer des Pannendienstes. Nach kurzer Verweildauer mit dem wiederkehrenden Hinweis, dass der nächste freie Mitarbeiter für mich reserviert sei, nimmt man sich meiner an. Die Formalien sind schnell geklärt, dann geht es um das konkrete Problem. Was genau ist geschehen, wo befinde ich mich, wie kann man mir helfen? Anschließend beginnt eine Zeit des Wartens. Ich werde einen Rückruf von den Kollegen der Auslandsabteilung erhalten. Gefühlte Ewigkeiten später klingelt das Telefon. Die Auslandsabteilung. Ein Abschleppdienst sei bereits organisiert und eine Werkstatt informiert. Da ich nicht damit rechne, dass ich noch am Abend weiterkomme, hake ich nach, wie es mit einem Hotelzimmer aussieht. Man hat ja so seine Erfahrungen. Kein Problem, auch das werde in die Wege geleitet. Erneutes Warten. Beim Herumlaufen trete ich in Hundescheiße. Ich muss fast drüber lachen. Alles Kacke, irgendwie.
Als es anfängt schattig zu werden trifft ein Abschleppwagen ein. Auf die Ladefläche passt ein Kleintransporter. Aber was soll's. Auch ein Liegedreirad findet Platz. Bevor es los geht, stehen jedoch ganz andere Dinge im Mittelpunkt. Ich verstehe den Fahrer nicht, der Fahrer mich nicht. Per Übersetzer auf dem Smartphone finden wir heraus: wo soll es denn hingehen? Eine Passantin, die gerade vom Geldautomaten nebenan Scheine gezogen hat, wird involviert. Sie gibt sich zwar Mühe, Französisches ins Englische und wieder zurück zu übersetzen, kann aber letztendlich auch nicht dazu beitragen, die Frage zu beantworten. Letztendlich greifen wir unabhängig voneinander zum Telefon, ich rufe erneut den Pannendienst an, an wen sich der Fahrer des Abschleppwagens wendet weiß ich nicht, und wir bekommen übereinstimmend heraus: zu Alberabike soll es gehen, einem Fahrradgeschäft im Ort.
Ein paar Minuten später ist das Fahrtziel erreicht. Das Rad wird abgeladen, die Taschen hinter dem Beifahrersitz hervor gekramt, dann steht das nächste Problem im Raum: eine 20 Zoll Felge, wie ich sie benötige, hat man nicht. Hinzu kommt: die Beschaffung eines entsprechenden Ersatzteils würde wahrscheinlich eine Woche in Anspruch nehmen, der Monteur, der Räder einspeichen könne, sei gerade im Urlaub, und für ein so großes Rad habe man eigentlich keinen Platz im Laden. Ich bin begeistert und beginne mich zu fragen, wozu ich all die Informationen zuvor am Telefon schilderte. Liegedreirad, HP Velotechnik, Scorpion fx, 20 Zoll Felge, Rohloff Nabe. Sogar die Breite der Hohlkammerfelge brachte ich zwischenzeitlich über den Hersteller in Erfahrung: 25 Millimeter. Die Rücksprache mit der Versicherung bringt mich ebenfalls nicht richtig weiter. Ich möge doch versuchen im Geschäft in Erfahrung zu bringen, ob man mir im 25 Kilometer entfernten Perpignon weiterhelfen könne. Als schließlich ein Taxifahrer in der Tür steht, der mich in ein Hotel am anderen Ende des Ortes bringen soll, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Während der kurzen Fahrt frage ich mich dann, ob ich mir nicht ohnehin zu viele Gedanken mache. Mein Chauffeur hängt mit der Nase fast vor der Windschutzscheibe und hat einen recht gewöhnungsbedürftigen Fahrstil. Auf dem Rad fühlte ich mich sicherer. Dennoch erreiche ich meine Unterkunft unbeschadet. Ein Blick auf die Karte zeigt mir: sie liegt nur unweit von der Stelle entfernt, an der ich havarierte. Hilft allerdings auch nicht viel weiter. Das Zimmer? Na ja – passt irgendwie zur Situation. Sieht aus, als habe es die besten Zeiten hinter sich. Sollte ich es selbst bezahlen, mehr als 20 Euro wäre es mir nicht wert. Wahrscheinlich aber kann ich ohnehin froh sein, in dem ausgestorbenen Touristenort eine Bleibe gefunden zu haben und ebenso wahrscheinlich zahlt die Versicherung mehr als das Doppelte.
Am nächsten Morgen brauche ich das Gesprächsguthaben meines Prepaid-Handytarifs auf, am Ende zeichnet sich allerdings ein vager Hoffnungsschimmer ab. Die Versicherung klärt mich nochmals über den Leistungsumfang auf, den sie übernimmt, Kostenübernahme für bis zu fünf Übernachtungen oder Rücktransport noch am gleichen Tage, der Hersteller des Rades gibt sich bemüht, mit dem Fahrradgeschäft eine Lösung zu finden, kurzfristig eine neue Felge zu liefern und im Radgeschäft zeigt man sich kooperativer als es noch am Vortag herausklang. Es dauert noch einen weiteren Tag, dann sind auch letzte Details geklärt. Nicht das Fahrradgeschäft bestellt die benötigte Felge, sondern ich selbst. Alberabike ist lediglich die Versandadresse. Gesendet wird per Express, dass heißt die Felge sollte bis Freitag geliefert werden, spätestens Samstag wäre dann die Nabe mit dem Schaltgetriebe umgespeicht. Freitag schließlich wird alles gut. Die Zustellung erfolgt zum späten Vormittag. Mittags bekomme ich nochmals mitgeteilt, spätestens tags drauf um elf könne ich das Rad abholen, doch dann meldet sich die Versicherung um kurz nach halb sechs. Das Rad sei fertig, ich könne es zurück in Empfang nehmen. Auf meine Frage, wie es um die anstehende Übernachtung bestellt sei, folgt noch eine lächerliche Diskussion, letztlich regelt sich aber auch diesbezüglich alles in meinem Sinne. Kurz nach sechs stehe ich erneut bei Alberabike vor dem Tresen, wo mir die Chefin mit auf den Weg gibt, dass ich mich für den nächsten Tag warm anziehen solle – es werde erneut stürmisch. Ob es mir recht sein wird? Ich werde es sehen. Dreht der Wind nicht, könnte er mir hilfreich sein …
Fortsetzung?
Siehe unten
Ein wenig orientierungslos schaue ich mich um. Es ist halb zwölf, als ich vor die Tür trete. Berge, Meer, Sonne – nichts von dem, was mir helfen würde, den natürlichen Kompass zu kalibrieren, ist zu sehen. Statt dessen habe ich einen dicht bewölkten, grauen Himmel über mir, eine ausgestorbene Straße vor mir und die Hoteltür im Rücken. Ich laufe ein paar Schritte nach rechts, dann stelle ich mit dem Blick auf das Navi fest: falsche Richtung. Vorbei an verwaisten Campingplätzen, verriegelten Fressbuden und durch menschenleere Straßen folge ich dem Weg gen Ortszentrum. In einer Fußgängerzone geht es belebter zu. Bauarbeiter nutzen den Winter für Renovierungen, am Rande von Absperrgittern sind Marktstände aufgebaut, ein paar Läden haben geöffnet. Nach weiteren zwei Kilometern bin ich dort, wo die rote Linie auf dem elektronischen Wegweiser endet. Ein Gewerbegebiet am Rande von Argelès-Sur-Mer. KFZ-Händler, Autowaschstraßen, Malerbedarf, Bioladen, Optiker, Einrichtungshäuser und andere Anbieter buhlen um die Gunst derer, mit denen auch außerhalb der Saison Geschäfte zu machen sind. Dazwischen die Werkstatt, vor der das steht, was sich an sich seit mindestens zwei Stunden unter meinem Hintern auf der Straße befinden sollte. Mein Trike. Mein Liegedreirad. Mit ausgebautem Hinterrad :-(
Tage zuvor – Köln
Kaum ist 2018 ein paar Tage alt, Pläne gecheckt, wer mich nach Formentera fliegen könnte, da kommt mir die Idee: warum nicht radeln? Wäre ja nicht das erste Mal. Bevor ich Fluggesellschaften mit hochkarätigen Preise helfe, Schnäppchenangebote zu subventionieren, die ich nie in Anspruch nehmen kann, mir sonst wo auf dem Flughafen eine Nacht um die Ohren schlage, bezahlbare Direktflüge gibt es keine, und mich darüber ärgere, das manch eine Offerte nur Handgepäck zulässt – da gibt es doch Alternativen. Ob sie zwingend preiswerter sind sei dahingestellt, doch das Erlebnis dürfte zweifelsfrei reichhaltiger sein. Zudem verspricht die Reise aus eigener Kraft das, was ich die letzten Monate einem geregelten Einkommen zugunsten opferte. Freiheit. Der Routenplaner (Naviki) liefert ein in weiten Teilen brauchbares Ergebnis: keine 1.800 Kilometer, einige Streckenabschnitte sogar bislang unbekannt. Zunächst durch die Eifel bis in das Dreiländereck Deutschland/Luxemburg/Frankreich, einige Kilometer die Mosel hinauf, entlang von Kanälen an die Saône, dieser runter bis zur Rhône, letztere auf dem Weg zum Mittelmeer folgen, rechts abbiegen, immer schön an der Küste lang, Pyrenäen überqueren, Costa Brava, Barcelona, Fähre nach Ibiza und schon ist auch Formentera nur noch eine halbe oder ganze Stunde entfernt, je nachdem, welches Bötchen für die Schlussetappe als nächstes ablegt. Auf dem Blatt Papier beziehungsweise auf dem Rechner alles ganz einfach.
Die Wahl des fahrbaren Untersatzes ist nicht viel komplizierter: das Liegedreirad sollte es sein. Das, welches sich bereits auf der letzten Anreise bewährte. Über Island, bevor mit dem Camino-del-Cid die Querung Spaniens von Nord nach Süd, von Bilbao bis Valencia anstand. Was gute fünfeinhalbtausend Kilometer einschließlich etlicher auf üblen Holperpisten überstand, sollte mit knappen zweitausend nicht an seine Grenzen kommen. Dennoch, ein über den Packsack mit dem Zelt gezurrter Reservereifen erscheint mir nicht unangebracht. Für den Fall der Fälle. Auf der Insel im hohen Norden hatte ich zwei davon dabei, von einem musste ich Gebrauch machen. Darüber hinaus so etwas wie das Standardersatzteilrepertoire: Ersatzschlauch, Ersatzspeichen, Flickzeug, Panzertape, Kabelbinder sowie ein paar Rohrschellen. Man kann ja nie wissen. Die Kosten für Platz und Gewicht sind im Verhältnis zum Nutzen vernachlässigbar. Doch irgendwo ist ohnehin Schluss mit Sicherheit. Das Restrisiko deckt ein Schutzbrief des Fahrradclubs (ADFC) ab …
Übernachtungstechnisch soll die Tour für mich ein Novum werden. Ich plane mich soweit wie möglich bei Warmshowers Mitgliedern einzuquartieren. Einige Male schon schrieben mich andere Radler über die Internetplattform an, ob sie bei mir übernachten könnten, dreimal hatte ich Gäste im Haus, dreimal verbrachten Ute und ich mit diesen gesellige Abende, beköstigten die bis dahin Fremden, ließen ihnen zukommen, wozu der Name der Gemeinschaft steht und stellten ihnen ein Dach über dem Kopf zur Verfügung. Warum das Ganze nicht auch mal anders herum ausprobieren? Nicht die Welt nachhause holen, sondern schauen, was diese zu bieten hat. Der letzte Warmduscher, Mike, er kam aus dem Speckgürtel Barcelonas, war an der Idee nicht ganz unbeteiligt. Er fuhr mit dem Bus zum Bodensee und wollte von dort im Oktober den Rhein hinunter bis zur Nordsee. Und die Aussicht auf den Luxus, nach vollbrachtem Tagewerk wohl temperiertes Wasser über den Körper ergehen zu lassen und nicht die Nacht zusammen gekauert und mit zu gezogener Schlafsackkapuze im Zelt verbringen zu müssen, sie reizt. Noch bevor ich starte sind die ersten Kontakte hergestellt, doch ich will es nicht übertreiben. Mehr als eine Woche im voraus jemanden anzuschreiben macht nach meinem Dafürhalten keinen Sinn. Ergibt sich irgendwo eine Verschiebung im Ablauf, will ich nicht einen halben Tag damit verbringen, umzuorganisieren.
Als ich am Donnerstag den 11'ten Januar 2018 starte, ist das Wetter für einen Wintertag gemäßigt. Für die nächsten Tage sind keine ärgeren Regenschauer angekündigt, der Hochwasserpegel des Rheins ist wieder sinkend und eine Frostperiode nicht absehbar. Von Ute auf dem für sie neuen nahezu baugleichen Gefährt begleitet erreiche ich nach wenigen Kilometern die Stadtgrenze Kölns, danach geht es für mich allein weiter. Allein? Die meiste Zeit ja, kurzfristig habe ich jedoch Gesellschaft. Sogar auf Augenhöhe. Kurz vor Bonn treffe ich einen weiteren Trike-Piloten. Ihn treibt es auf den Venusberg. Sein fahrbarer Untersatz unterscheidet sich im Wesentlichen nur in der Farbe von meinem und wie ich, so mag auch er ihn nicht tauschen. Nach unterschiedlichen Routen durch die Stadt kreuzen sich unsere Wege ein weiteres Mal, dann kurbele ich tatsächlich ohne jemanden neben mir weiter durch die Prärie. Die dunkle Jahreszeit ist bei Radlern nicht die gefragteste. Bei einer kurzen Pause an der Swist spricht mich ein Wanderer Pärchen an. Ob ich Holländer sei. Und nach Italien wolle. Häufig hätten sie an der Brücke bereits entsprechende Radler getroffen. Ich muss die beiden enttäuschen. Herkunft und Fahrtziel sind bei mir andere.

Hochwasser in Bonn

nicht alle Wege sind passierbar (hier: Sieg)

Swist - Italien: geradeaus
Mit Bad Münstereifel ist schließlich nach 65 Kilometern mein erstes Tagesziel erreicht. Jürgen Schmidt residiert die Woche über dort. Der geistige Vater von Andreas Mücke, einem erdachten ortsansässigen Privatdetektiv, dessen Fälle nachlesbar sind, ist zwar weder Warmshowers Mitglied noch für mich ein Unbekannter, doch das schmälert das Entgegenkommen nicht. Das Reiseziel ist das verbindende Element. Einst lud er mich zu einer Lesung ein, über meine „Nordroute“ nach Formentera zu berichten, handelte sein Roman „Chiliherzen“ zu Teilen am gleichen Ort, während Meike Krautscheid mit Bass musikalisch untermalte. Nach angeregter Unterhaltung endet der Abend nach dem Besuch eines Brauhauses im Ort bei einem Absacker in der Küche, der die Mittelmeerinsel bereits geschmacklich näher bringt: Jürgen öffnet eine Flasche Hierbas, den ibizenkischen Kräuterlikör, der üblicherweise auf Formentera nach dem Essen gereicht wird.
Über Nettersheim, Blankenheim nach Gerolstein setzt sich mein Weg durch die Eifel am nächsten Tag fort. Entlang von Urft, Ahr und Kyll halten sich die Anstiege in Grenzen. Als Henryk, mein erster Warmshowers Gastgeber, mich jedoch im Ort aufliest und mir mit seinem Mountainbike den Weg zu seinem Haus weist, zeigt er mir schnell meine konditionellen Grenzen auf. Während er kleinere, steilere Hügel scheinbar mühelos meistert, muss ich zwischendurch anhalten und Luft holen. Dennoch, die anschließende warme Dusche ist aller Anstrengungen wert, dazu werde ich mit einem leckeren Abendessen in der Gesellschaft eines befreundeten Pärchens entlohnt, das interessiert ist zu erfahren, was den Reiz des Reiseradelns ausmacht. Es wird ein Abend, wie noch zahlreiche folgen. Wir plaudern über unsere Radtouren, die Ausrüstung, die Planung, das Leben auf der Straße, aber auch Gott und die Welt kommen nicht zu kurz. Nicht alle Warmshowers sind so weit herum gekommen wie Henryk, ihn verschlug es bis Neuseeland, manch anderer begnügt sich mit Touren im Heimatland, wieder andere zogen wie ich den Radius etwas weiter und erkundeten per Drahtesel Teile des hiesigen Kontinents. Letztendlich ist zwischen dem Weltreisenden sowie dem Wochenendausflügler alles vertreten. Die Nächte verbringe ich häufig genug in Gästezimmern, brauche weder eigene Matratze, Schlafsack noch Handtuch auszupacken, doch auch wenn es mal anders ist, es schmälert das Vergnügen nicht. In der Regel genieße ich am Morgen noch mit meinen Gastgebern ein Frühstück, manch einer probiert aus wie es ist, auf einem Liegedreirad zu sitzen oder zu fahren, dann folgen gegen neun Verabschiedung und es geht zurück auf die Piste.
Dass Zelt, Schlafsack und der Rest der Campingausstattung dennoch nicht umsonst am Rad lasten zeigt die dritte Nacht. Von den beiden angeschriebenen Warmshowers entlang der Mosel in Luxemburg erhalte ich keine Rückmeldung. Auf die Frage in einer Tankstelle, ob man mir mit einer kostengünstigen Alternative weiterhelfen könne, bekomme ich nur zu hören: „in Luxemburg ist nichts kostengünstig.“ Entsprechend steht an einem Samstagabend auf deutscher Seite ein kleines Zelt am Wegesrand.
Ähnlich gestaltet es sich mit den ausgesuchten Pfaden. Nicht alle funktionieren beziehungsweise sind passierbar. Zwingen mich zwischen Gerolstein und Bitburg ab Kyllburg einige Hügel aus dem Sitz, 15 Prozent Steigung über mehrere Meter hinweg übersteigen meine Leistungsfähigkeit, so werde ich in Frankreich mit einem anderen Problem konfrontiert: Hochwasser. Zunächst beginnt es an der Mosel damit, dass der Weg entlang des Flusses noch im Matsch versinkt. Einige Meter komme ich noch kurbelnd voran, dann fällt selbst das Schieben schwer. Schnell bilden sich klebrige Klumpen unter den Schutzblechen und ich bin länger damit beschäftigt, diese zu beseitigen, als dass ich weiter komme. Es bedarf keiner größeren Überredungskünste, da fahre ich auf der Straße, schaue, dass ich grob der Richtung treu bleibe und kann das Atomkraftwerk Cattenom aus der Nähe bewundern – ein zweifelhaftes Vergnügen, zumindest aber strahlt auch die Sonne. Im weiteren Verlauf wird es nicht viel besser. Immer wieder haben Streckenabschnitte noch „Land unter“, immer wieder suche ich nach Ausweichstrecken, immer wieder muss ich umkehren, weil der Weg unvermittelt in den Fluten endet.

Ende einer Schiebepassage

Moselcamping

schluss mit lustig

strahlend blauer Himmel über Cattenom

Flussromantik

Mosel - zum Greifen nah
Einige Kilometer vor Épinal verlasse ich nach vier Tagen die Mosel. Entlang des Vogesen-Kanals ist der Wasserstand nivelliert. Ich kann der geplanten Route uneingeschränkt folgen und abschnittweise sogar meinen Weg problemlos zurückverfolgen, denn – es schneit. Zumindest in den Vormittagsstunden. Viel liegen bleibt von der weißen Pracht nicht, dazu ist es zu warm. Die Temperaturen liegen bei etwa drei Grad. Was den Schnee tauen lässt, beschert mir dennoch steif gefrorene Finger. Schon seit einigen Tagen nerven mich quietschende Bremsen, während einer Pause gehe ich der Sache nach und stelle fest: die Bremsbeläge sind herunter gefahren. An Ort und Stelle versuche ich, das Problem zu lösen. Immerhin füllen neben den anderen Utensilien ebenfalls zwei Paar Ersatzbeläge den Notfallbeutel. Mit klammen Extremitäten werden die Wartungsarbeiten jedoch zum zeitaufwändigen Geduldspiel. Eine geschlagene Stunde vergeht schließlich, bevor die Schrauben wieder festgezogen sind und die Bremsen wieder lautlos ihren Dienst verrichten.

meine Reise - zumindest zeitweise nicht ganz spurlos
Tags drauf dann geht es an der Saône weiter. Es ist wie an der Mosel. Auch dieser Fluss führt mehr Wasser als üblich. Hinzukommt, dass gleich reihenweise Felder überschwemmt sind. So darf ich vor Gray einen 10 Kilometer Schlenker einschlagen, weil zwei Zuflüsse eine Auenlandschaft in ein geflutetes Delta verwandeln. Dass mich kurz zuvor ein Schleusenwärter auf einen Tee oder Kaffee einlädt? Nette Geste am Rande, doch am Ende überwiegt ein Anflug von Frust.

Saône - ebenfalls unter Wasser

passierbare Schikane

am Wegesrand
Mit meinem Eintreffen in Chalon-Sur-Saône kommt noch eine weitere Komponente hinzu. Es regnet den ganzen Tag über. Erst nur leicht, später intensiver. Ich bin nass bis auf die Knochen. Solange ich in Bewegung bin, ist es erträglich, bleibe ich stehen, zittere ich schnell am ganzen Körper. Da ich ohne Pause und zügig durchradle, komme ich bereits frühzeitig in der Stadt an. Meine Anfrage bei dem Warmshower, ob ich früher als vereinbart eintreffen kann, landet auf einem Anrufbeantworter. Rettend erscheint es mir, die Wartezeit in einem McDonalds in der Nachbarschaft zu verbringen, doch die klimatisierten Räumlichkeiten des Restaurants schaffen keine wahre Abhilfe. Der Kaffee tut zwar gut, doch ich schlottere vor mich hin und schnell bildet sich unter meinem Sitz eine kleine Pfütze. Auch das Gebläse des Handtrockners auf der Toilette eignet sich nicht dazu, das Wohlbefinden dauerhaft zu steigern. Den Eindruck, dass Radeln Spaß macht, kann ich in diesem Moment nur schwer vermitteln. In meiner Verzweiflung mache ich mich kurze Zeit später aufs Geratewohl auf zu meinem Gastgeber und habe Glück. Es ist jemand Zuhause, das Feuer im Kamin wirkt Wunder und ich schätze die warme Dusche mehr denn je zuvor. Dass die Dame des Hauses Präsidentin eines Fahrradclubs ist und sich engagiert für die Belange der Mitglieder einsetzt, verschafft zudem ungewohnten Gesprächsstoff.
Am folgenden Sonntag setzt der Regen zwar erst später ein, doch mit Unterkühlungen hält es sich in Grenzen. Dank eines kleinen Umwegs sowie eines Missverständnisses treffe ich weder zu früh ein noch muss ich einem Hochwasser ausweichen. Anstatt weiter der Saône zu folgen weiche ich auf einen parallelen Radweg aus. V51 statt V50, Voie verte statt Voie bleue, Greenway statt entlang des Flusses. Eine ehemalige Bahnstrecke verläuft einige Kilometer versetzt zur ursprünglich geplanten Route. Sie wird meinen Vorstellungen bezüglich einer derartigen Trassierung gerecht. Sanfte Anstiege, weite Kurven, viel geradeaus. Erst auf den letzten Kilometern muss ich ein wenig kraxeln, da ein Tunnel gesperrt ist. Dann beginnt ein kleines Verwirrspiel. Nachdem Mâcon erreicht ist, kündige ich mich per Telefon an und hake nochmals bezüglich der Hausnummer nach. 31. Okay. Der Nachsatz macht die Sache kompliziert. Es gibt zwei ähnlich klingende Straßen: Rue de Lyon und Route de Lyon. Ich interpretiere, dass ich in der falschen stehe. Als ich mich nach kleiner Irrfahrt aus der anderen Straße melde, erneut die Rückmeldung: man stehe auf dem Balkon, könne mich aber nicht sehen. Rue de Lyon. Also wieder zurück. Anschließend klärt sich die Angelegenheit. Im ersten Anlauf stand ich nicht unmittelbar vor dem Haus, sondern etwas versteckt, verdeckt durch einem parkenden Lieferwagen. Okay, aneinander vorbei geredet. Kann passieren, Schwamm drüber.

Greenway - V51
Wieder einen Tag später ist die Situation ganz anders. Mein Ziel: Lyon. Wie viele Warmshowers Mitglieder dort registriert sind? Schwer zu sagen. Je nachdem, wie weit man den Radius zieht, 400. Die wenigen, die ich anschreibe, reagieren jedoch leider nicht. Da für mich Wildzelten in einer Stadt dieser Größe ausscheidet, buche ich mir ein Hotelzimmer. Ein Hostel mit Schlafsaal mag ich mir nicht antun und so wird das preiswerteste Quartier, das ich auf die Schnelle über ein Buchungsportal finde, eines in Bahnhofsnähe. Zweites Arrondissement, zwischen Rhône und Saône, die Bahnstation Perrache direkt nebenan. 55 € die Nacht. Erneut kann ich meine Route dem Pegelstand der Saône anpassen. Bereits kurz nach dem Verlassen von Mâcon muss ich umdisponieren. Der Einfachheit halber entscheide ich mich für eine stärker befahrene Straße parallel zur Autobahn. D306. Zwischen Autos und LKWs ist es nicht unbedingt ein Vergnügen zu radeln, doch der Zweck heiligt die Mittel. Gute zehn Kilometer vor der Stadt finde ich Hinweise auf einen Radweg dorthin. Nach dem zweiten Schild verliert sich leider die Wegführung. Mit einem Hauch von Erinnerung an die erste Tour nach Barcelona und einem Auge auf die Karte fällt die Orientierung jedoch nicht schwer. Einfach nur den Mont-D'Or umrunden, dann sollte die Stadt vor mir liegen. Entsprechend geht es einen Hügel hinauf, auf der anderen Seite wieder hinunter, und dann beginnt das Chaos. Ich befinde mich nur wenige hundert Meter vom nächsten Wegpunkt der ursprünglichen Route entfernt, da verlaufen plötzlich Straßen kreuz und quer, überschneiden sich auf verschiedenen Ebenen – ein Horror. Mit viel Glück, Geduld und Spucke schaffe ich es dennoch an das Ufer der Saône, dann wird es einfach. Es gibt einen Radweg, dieser deckt sich mit meiner Route auf dem Navi und alles wendet sich zum Guten. Enttäuscht werde ich lediglich im Hotel: es gibt keinen Stellplatz für mein Rad. Ich habe die Wahl, es in einem Parkhaus für 16 Euro die Nacht über abzustellen oder es vor der Tür auf dem Bürgersteig stehen zu lassen. In Anbetracht des geringen Publikumsverkehrs in der ruhigen Seitenstraße erscheint mir letzteres sicherer.

Lyon - letzte Meter

Bike Sharing
Ein wenig bange schaue ich am nächsten Morgen vor die Tür, bin Augenblicke später aber erleichtert. Erneut alles bestens. Das Rad macht einen unangetasteten Eindruck. Es dauert ein wenig bis die Taschen wieder gepackt, Zelt sowie Reserverad festgezurrt sind und die Räder wieder rollen. Lyon ist mit Sicherheit eine sehenswerte Stadt, doch mit dem beladenen Vehikel sehe ich zu, so schnell wie möglich weiter zu kommen. Das Verlassen fällt geringfügig leichter als die Ankunft, doch erneut gilt es im Speckgürtel Verkehrsknotenpunkte unbeschadet zu passieren und auf richtigen Pfaden zu bleiben. Nach einer ersten Kehrtwende vor den Fluten der Rhône gönne ich mir schließlich in Vienne eine kleine Pause. Die Stadt ist mir von der ersten Tour noch ein Begriff und so begnüge ich mich mit einer reduzierten Runde durch das historische Zentrum und verdrücke einen Salat in der Sonne am Ende der Flaniermeile. Interessant wird es, als ich im schwindenden Tageslicht einige Kilometer flussabwärts die Ausläufer des Zentralmassivs hinauf strample um meine nächsten Gastgeber aufzusuchen. Die tief stehende Sonne lässt einige Gipfel in den östlich gelegenen Alpen golden glänzen, die Kulisse Richtung der Hügel im Westen ist nicht minder sehenswert und auch der Rückweg am nächsten Morgen entschädigt für die Bewältigung der 200 Höhenmeter mit einigen knackigen Anstiegen.

Rhône - neuer Fluss, vertrauter Anblick

Alpen in der Abendsonne

Sonnenuntergang über dem Zentralmassiv

Sonnenaufgang über dem Rhônetal
Die nächste Tagesetappe nach Valence ähnelt der vorangegangener Tage: immer wieder muss ich dem Hochwasser ausweichen. Trotzdem, bei strahlend blauem Himmel sind einige Radler unterwegs und es macht Spaß, einfach nur zu sein und Kilometer zu fressen. Der mir auf der Brust stehende Scirocco lässt mich zwar nicht dahin fliegen, kann mich aber auch nicht daran hindern, dem Plan hinterher zu hinken.

Via Rhôna

die Bilder ähneln sich ...

... doch es gibt auch Abwechselung
Nachdem die Hauptstadt des Départements Drôme hinter mir liegt und ich quasi in Frankreichs Süden angelangt bin, schlägt das Wetter um. Der Mistral im Rücken begünstigt zwar mein Vorankommen, da kein Quartier auf mich wartet, kann ich radeln bis ich keine Lust mehr habe, doch von der Sonne, die an den voran gegangenen beiden Tage nicht nur die Stimmung aufhellte, ist nichts mehr zu sehen. Statt dessen auf einer Hochwasserausweichstrecke ein anderer Lichtblick. Mir kommt ein Reiseradler entgegen. Bereits von weitem winkt er, ich winke zurück, und wenig später stehen wir uns gegenüber. Die erste Feststellung: der Reiseradler ist eine Reiseradlerin. Die zweite: die Frau dürfte etwa in meinem Alter sein. Die dritte: nach nur wenigen Sätzen stellen wir fest, wir haben die gleiche Muttersprache. Was dann folgt, verschlägt mir fast die Sprache. Dabei beginnt alles ganz harmlos.
„Ich bin der Dirk.“
„Und ich bin die Dorothee.“
Ich stutze.
„Die Dorothee, die seit über 10 Jahren durch die Welt radelt und gerade zurück aus Afrika kommt?“
„Genau die.“
Was folgt ist eine nette Plauderei am Straßenrand. Vorbei flitzende Autos und Lastwagen stören ein wenig, auch dürfte es gerne wärmer sein oder ein Café nebenan existieren, doch wann hat man schon mal die Gelegenheit, einer solchen Person allein gegenüber zu stehen. Die Zeit verfliegt, am Ende ist schnell eine gute Viertelstunde verquatscht. Wir berichten uns von unseren nächsten Vorhaben, drücken jeder noch einmal auf den Auslöser seiner Kamera, bei mir ist es das Smartphone, das zuvor zickte, im rechten Moment aber wieder funktioniert, dann zieht jeder in der Richtung von dannen, aus der der andere kam.

Plauderei am Straßenrand mit Weltenbummlerin Dorothee
Ob mich die Begegnung beflügelt? Irgendwie schon, wenngleich das Kilometerfressen auf der Straße und das Kopfkino zweierlei Dinge sind. Ersteres dürfte durch den Rückenwind begünstigt sein. Ursprünglich waren nur gute 60 Kilometer angedacht, bis Montelimar, doch ohne Warmshowers Anlaufstelle werden es mühelos 95. Eine Entwicklung, die sich am nächsten Tag rächt. Da habe ich nämlich ein Einladung, es bleiben nur noch 70 Kilometer bis Avignon, aber auch die sind aufgrund anhaltenden Mistrals bereits nach gut vier Stunden „abgeritten“. Unglücklicherweise kommt hinzu, dass ich an diesem Freitag Opfer einer seltenen Besonderheit werde: es regnet. Ergiebig. Wieder versuche ich meine Gastgeber telefonisch zu erreichen. Es gelingt mir auch, doch muss ich diesmal erfahren, dass man bis Nachmittags um fünf unterwegs sei. Dumm gelaufen, derartiges um zwei zu hören zu bekommen, ziemlich aufgeweicht. Hatte ich für den Anruf die Überdachung vor einem Schaufenster gewählt, so bleibt mein Blick nach dem Telefonat auf der gegenüber liegenden Straßenseite hängen. Bei dem Herrenausstatter, dessen Flügeltüren weit geöffnet sind. Ich schlendere hinüber und stelle fest das es so ist, wie ich vermutete. Über dem Eingang blasen warme Lüfter. Ich bleibe einen Augenblick in dem Luftstrom stehen, dann frage ich einen der Verkäufer, ob ich länger verweilen könne. Der junge Mann hat Erbarmen. Wenig später kommt sogar ein Kollege auf mich zu und fragt, ob er den Lüfter wärmer stellen solle. Ich habe nichts dagegen. Dabei erfahre ich von der Rarität, die mir zuteil kommt. Ein Wetter wie das aktuelle, das gäbe es an maximal vier Tagen im Jahr. Normalerweise sei es genau anders herum. Bläst der Wind von Nord nach Süd, sei es üblicherweise schön, in Gegenrichtung sei es trüber. Wie ich später noch erfahren soll, hat das Wetterphänomen sogar einen Namen: Black Mistral. Der Nordwind, der dunkle Wolken vor sich her schiebt. Nach gut einer Stunde im Luftstrom ist mein Oberteil wieder halbwegs trocken. Mich artig bedankend versuche ich erfolglos, mich mit einem kleinen Schein erkenntlich zu zeigen – eine Geste, die energisch zurückgewiesen wird. Anschließend siedle ich in die nächste Filiale mit dem großen, gelben M um, wo ich mir wegen meiner noch immer nicht trockenen Hose und Schuhe keinen Kopf zerbreche. Um kurz vor fünf erhalte ich schließlich den Anruf, dass ich anrücken kann, zu meinem vorerst letzten Warmshowers Gastgeber.

das Leben kann so einfach sein - erwärmender Geschäftseingang
Einer weiteren herzlichen Aufnahme folgt am nächsten Morgen der Aufbruch gen Meer. Noch immer ist es bewölkt, nur vereinzelt fallen noch ein paar Tropfen. Den Weg in das direkte Mündungsdelta der Rhône erspare ich mir diesmal. Damit mache ich zwar einen Bogen um die Gegend, die mich bereits zweimal faszinierte, denke jedoch in Anbetracht der voran gegangenen Regenfälle und des Hochwassers, damit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Statt über aufgeweichte Matschwege rolle ich durch ländliches Gebiet über Asphaltpisten, die ich so gut wie für mich allein habe. Trotzdem bleiben mir Umwege nicht erspart. Wie sich zeigt, nutzt man die „Winterpause“ zur abschnittweisen Renovierung von Rad- und Wanderwegen entlang des Canal-du-Rhône-à-Sète. Entdecke ich entlang der befahrbaren Passagen dieser Wasserstraße immer wieder Ecken, an denen ich ungesehen mein Zelt aufschlagen könnte, so werden sie zur Mangelware, nachdem ich zum Sonnenuntergang das Örtchen Aigues-Mortes hinter mir lasse und mich der Küste nähere. Unmittelbar vor dem Fischerdorf Le-Grau-du-Roi finde ich dann eine Kompromisslösung. Nur unweit der Straße und von dieser aus direkt sichtbar gibt es eine hölzerne Plattform an den Rand eines Étangs, eines der stehenden Gewässer zwischen Meer und Hinterland. Dem Reiz, in der Nachbarschaft von Krebsen fischenden Flamingos zu übernachten, kann ich nicht widerstehen. In der mittlerweile bereits fortgeschrittenen Dämmerung schlage ich meine Behausung auf, parke mein Vehikel dahinter, so dass es von der Straße aus nicht zu sehen ist und hoffe, unbehelligt zu bleiben. Zwar vernehme ich im Verlauf des Abends noch Stimmen aus der Nähe, bekomme jedoch keinen Besuch.

am Rande der Camargue

Aigues-Mortes

Sunset auf dem Weg nach Le-Grau-du-Roi

Bird-Watching Nightcamp
Der folgende Tag ist ein Sonntag. Das Wetter ist wie aus dem Bilderbuch. Als ich um neun Uhr starte ist auf den Straßen noch nicht viel los. Ein erster Blick auf das Meer versetzt mich in Urlaubsstimmung. La-Grande-Motte, der nächste Ferienort, erst in den 70'ern aus dem Boden gestampfte, ist ausgestorben. Ich sehe zu, dass ich die Fremdenverkehrssünde zügig hinter mir lasse. Anschließend folge ich einem schmalen Landstreifen. Zur Linken habe ich den Strand, zur Rechten den nächsten Étang, im Hintergrund erhebt sich Montpellier. Irgendwo auf halber Strecke mache ich Rast und frühstücke. Müsli mit Kakao und Meerblick. Herrlich. Ein Aspekt mehr, den ich am Liegedreirad schätze. Ich kann blicken, wohin ich will, keiner lümmelt sich gemütlicher in der Sonne. Und ich muss noch nicht einmal extra etwas dafür schleppen. Ich greife zum Telefon und lasse Ute an der Stimmung teilhaben. Berichte ihr von den morgendlichen Strandwanderern, den Aqua-Joggern, die sich in Neoprenanzügen bis zur Brust im Wasser voran kämpfen und von den wärmenden Strahlen, die ich verspüre. Was ich von meiner Frau zu hören bekomme, dürfte zu gerne wahr sein: ja, sie hätte nichts dagegen, neben mir zu sitzen.

Le-Grau-du-Roi

Frühstück mit Meerblick

Liegedreirad - Sitzgelegenheit immer dort, wo man sie braucht
Auf dem Weg nach Sète wähle ich im dritten Anlauf direkt die Strecke um die Étangs herum und folge dem Vorschlag des Routenplaners. Ein Stück länger, als den Kanal entlang, dafür aber der unkritischere Weg. 2011 war die kürzere Piste wüst, jedoch befahrbar, wenngleich laut Verkehrszeichen gesperrt. 2015 war ich nach einigen hundert Metern über aufgeweichten Boden umgekehrt, diesmal also direkt außen herum. Ist mir recht so. Die Vorstellung, auf drei Rädern zu versumpfen – mir reichen die Erlebnisse entlang der Mosel. Vor der Stadt dann erneut Schlenker auf üble Holperpisten. Ich improvisiere und wähle die Straße, verfahre mich einmal, weil ich einem Radweg folge, der nach einer Kurve im Nichts endet, dann stehe ich in einer Autoschlange, die sich durch den Ort quält. Das schöne Wetter treibt die Leute auf die Straße. Immerhin überschreitet das Thermometer die 15° Marke. Entsprechend voll ist es zum Nachmittag auf der Strandpromenade. Zwischen Spaziergängern, anderen Radlern sowie zeitgemäßer elektrischer Fortbewegungshilfen bahne ich mir im Zick-Zack-Kurs meinen Weg. Als ich aus dem Gedränge heraus bin lege ich erneut eine kurze Pause am Strand ein, dann soll der Endspurt für den Tag folgen. Hinter Agde, am Canal-du-Midi, sollte ich neben einem wahrscheinlich geschlossenen Campingplatz ein ruhiges Plätzchen finden. Auf gut ausgebauten Wegen komme ich gut voran. Kurz vor der Stadt dann eine folgenschwere Fehlentscheidung: einem Radwegweiser folgen oder der Route treu bleiben? In Anbetracht gemachter Erfahrungen entschließe ich mich zu letzterem. Bis zu der Brücke über den Kanal geht es auf Asphalt problemlos voran, dann knickt der Weg ab, wird erdig und folgt dem Wasser. War ich bis dahin noch gut in der Zeit, so ändert sich dies rasant. Für fünf Kilometer benötige ich anderthalb Stunden. Kann ich anfangs noch fahren, so schiebe ich kurze Zeit später die meiste Strecke, befreie die Räder immer wieder von dicken Matschklumpen, die diese festsetzen, jongliere es zeitweise gekippt auf zwei Rädern voran und verzweifele letzten Endes nahezu vor einer steilen Schräge zurück auf die Straße. Aufgeben tue ich schließlich, als mich das Navi nach dem Ort erneut auf eine ähnliche Piste leitet. An einem kleinen Kanalhafen schlage ich schließlich das Zelt auf, packe den Rechner aus und halte nach einer fahrbareren Alternative für den nächsten Tag Ausschau.
Frischen Mutes und mit neuer Kraft starte ich 15 Stunden später Richtung Béziers. Der Weg ist vielleicht ein wenig länger, dafür jedoch fahrbar. Zudem bilde ich mir ein, an den diversen Freizeitparks schon einmal zusammen mit Ute vorbei gefahren zu sein. Die Stadt selbst bleibt eine weitere, die ich am Wegesrand liegen lasse. 2015 erst hatte ich eine Besichtigungsrunde eingelegt, dafür bekomme ich diesmal etwas bislang nicht Gesehenes zu Gesicht: die Schleusentreppe Fonséranes, mit Hilfe der bereits seit dem 17'ten Jahrhundert auf 300 Meter Distanz Schiffe nach dem Passieren einer Kanalbrücke einen Höhenunterschied von 21 Metern überwunden, indem sie sich durch acht nacheinander angelegte Schleusenkammern hieven ließen. Auch eine zwischenzeitlich in Betrieb genommene Ablöse ist nicht minder interessant. In einem außergewöhnlichen Hebewerk sollten die Kähne in einer Rinne geführt und mittels Traktoren hinauf geschoben beziehungsweise hinab gebremst werden – ein Unterfangen, das sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Hinzu kam, dass die Frachtschifffahrt in jüngster Vergangenheit auf dem Kanal eingestellt wurde.

klare Ansage - nur leider nicht durchgängig beschildert

Schleusentreppe Fonséranes
Ebenso nicht überzeugend ist für mich der weitere Weg entlang des Canal-du-Midi. Nach asphaltiertem Untergrund bis Béziers wird es westwärts wieder erdig und ich weiche auf mal kleinere, mal befahrenere Straßen aus, womit ich zum Nachmittag hin Narbonne erreiche. Auch hier genehmige ich mir einen Imbiss in der Sonne, dann sehe ich zu, entlang des Canal-de-la-Robine noch einige Kilometer zu machen. Mit ein wenig Glück rechne ich mir aus, am Freitag Barcelona erreichen zu können und so eine Fähre gen Balearien zu erwischen, bevor am Samstag keine geht und ich Sonntags mit höheren Preisen zu rechnen hätte. Zwar ist auch die Piste entlang dieses Kanals nicht gerade hochgeschwindigkeitstauglich für mich, doch ich komme einigermaßen voran und entdecke nach gut 10 Kilometern den perfekten Zeltplatz für mich. Keine Straße in Sicht, Kanal vor mir, Étang im Rücken, Aussicht auf weiße Gipfel der Pyrenäen. Um kurz vor fünf bleibt sogar noch Zeit, das Zelt von der Sonne trocknen zu lassen, eine Stunde später wird es dunkel und ich genieße die bislang ruhigste Nacht draußen während dieser Tour.

Kanalradeln - Radweg unten, der schmale Pfad

die Pyrenäen rücken näher

perfekter Zeltplatz ...

... die Pyrenäen vor der Tür ...

... das Meer hinter'm Haus
Auch wenn es am nächsten Morgen wieder empfindlich frisch ist, der Platz hat nichts von seinem Charme verloren. Die Aussicht bleibt majestätisch und während ich die Taschen packe, kommt noch ein weiteres Bonbon hinzu. Ich erhalte Besuch. Ein weiterer Reiseradler kommt vorbei, bleibt stehen und wir kommen ins Gespräch. Auch er ist Deutscher, auch für ihn geht es Richtung Barcelona, auch er hat Spaß an dem, was er tut. Christian könnte vom Alter her mein Sohn sein. Gestartet war er in Mailand, anders als für mich soll für ihn hingegen die Fahrt nicht in der Katalanenmetropole enden, er will noch weiter bis Tarifa und von dort nach Marokko, wo Ende Februar ein Eintreffen in Marrakesch geplant ist. Ohne es zu diesem Zeitpunkt bereits zu ahnen, dass mein Tag ganz anders enden soll als gedacht, lehne ich sein Angebot ab, gemeinsam ein Stück zu radeln. Ich brauche wenigstens noch eine halbe Stunde, bis ich startbereit bin, und Christian will noch mehr Kilometer machen als ich es vorhabe. Seine Vorstellung ist es, Cerbere zu erreichen, der letzte Ort auf französischer Seite in den Pyrenäen vor der Grenze, ich wäre bereits froh, 10 Kilometer zuvor in Banyuls-Sur-Mer anzukommen. Zum einen will ich Christian nicht aufhalten, zum anderen ist es mir nicht unangenehm, nach dem Plausch allein und ohne dass jemand auf mich wartet meine Sachen zu packen. Entsprechend verabschieden wir uns kurze Zeit später.
Der anschließende Weg ist mir weitestgehend nicht unbekannt: bis Port-la-Nouvelle über holperige aber ruhige Piste, vorbei an ein paar Fabriken, dann folgen Obstplantagen und Weinfelder, Leucate umfahre ich diesmal, anschließend geht es einen weiteren schmalen Küstenstreifen entlang und vorbei an den Meeresfrüchte Restaurants bis Port-Leucate, weiter bis Canet-En-Roussillon, zwischendurch über einen gut ausgebauten Eurovelo 8 Fernradwanderweg, der nur leider nicht durchgängig existiert, bis mit Argelès-Sur-Mer der Ort erreicht ist, an dem die Strände enden und von wo aus es in die Berge geht.

Kanalradeln einfach

Eurovelo 8 - abschnittweise nicht zu verfehlen
Auf den letzten paar Metern in der Ebene passiert es dann. Als ob das Rad sich den bevorstehenden Anstiegen verweigern wolle. Erst löst sich ein Klümpchen Matsch unter dem Schutzblech des rechten Vorderrades, dann ändert sich das Fahrverhalten. Das Rad zieht leicht nach links. Aufgrund der Tatsache, dass es nicht das erste Mal ist, dass ich derartiges wahrnehme, schaue ich auf die Vorderräder. Beide einwandfrei. Muss also das Hinterrad platt sein. Ich steige ab, schaue nach und meine Befürchtung bestätigt sich. Mist. Also Rad an den Straßenrand, irgendwo in die Sonne, alles Gepäck abnehmen und flicken. Dass nebenan ein Fahrradgeschäft ist, hilft nicht richtig weiter. Der Laden hat geschlossen. Wie die anderen in der Straße auch. Winter halt. Für Badegäste der falsche Zeitpunkt, Geschäfte zu machen. Als ich den Schlauch in der Hand habe, bekomme ich einen Schreck. Ich brauche gar nicht nachzuschauen, wo die Luft entweicht, da weiß ich es schon. Die Felge hat in Höhe des Lochs für das Ventil einen Schlag. Und nicht nur das, es gibt eine Stelle in der Flanke, da kann ich hindurch schauen. Ein etwa fünf Zentimeter langer und ein bis zwei Millimeter breiter Riss.

Shit happens

unschöner Anblick
Frustriert greife ich zum Telefon und wähle die Nummer des Pannendienstes. Nach kurzer Verweildauer mit dem wiederkehrenden Hinweis, dass der nächste freie Mitarbeiter für mich reserviert sei, nimmt man sich meiner an. Die Formalien sind schnell geklärt, dann geht es um das konkrete Problem. Was genau ist geschehen, wo befinde ich mich, wie kann man mir helfen? Anschließend beginnt eine Zeit des Wartens. Ich werde einen Rückruf von den Kollegen der Auslandsabteilung erhalten. Gefühlte Ewigkeiten später klingelt das Telefon. Die Auslandsabteilung. Ein Abschleppdienst sei bereits organisiert und eine Werkstatt informiert. Da ich nicht damit rechne, dass ich noch am Abend weiterkomme, hake ich nach, wie es mit einem Hotelzimmer aussieht. Man hat ja so seine Erfahrungen. Kein Problem, auch das werde in die Wege geleitet. Erneutes Warten. Beim Herumlaufen trete ich in Hundescheiße. Ich muss fast drüber lachen. Alles Kacke, irgendwie.
Als es anfängt schattig zu werden trifft ein Abschleppwagen ein. Auf die Ladefläche passt ein Kleintransporter. Aber was soll's. Auch ein Liegedreirad findet Platz. Bevor es los geht, stehen jedoch ganz andere Dinge im Mittelpunkt. Ich verstehe den Fahrer nicht, der Fahrer mich nicht. Per Übersetzer auf dem Smartphone finden wir heraus: wo soll es denn hingehen? Eine Passantin, die gerade vom Geldautomaten nebenan Scheine gezogen hat, wird involviert. Sie gibt sich zwar Mühe, Französisches ins Englische und wieder zurück zu übersetzen, kann aber letztendlich auch nicht dazu beitragen, die Frage zu beantworten. Letztendlich greifen wir unabhängig voneinander zum Telefon, ich rufe erneut den Pannendienst an, an wen sich der Fahrer des Abschleppwagens wendet weiß ich nicht, und wir bekommen übereinstimmend heraus: zu Alberabike soll es gehen, einem Fahrradgeschäft im Ort.
Ein paar Minuten später ist das Fahrtziel erreicht. Das Rad wird abgeladen, die Taschen hinter dem Beifahrersitz hervor gekramt, dann steht das nächste Problem im Raum: eine 20 Zoll Felge, wie ich sie benötige, hat man nicht. Hinzu kommt: die Beschaffung eines entsprechenden Ersatzteils würde wahrscheinlich eine Woche in Anspruch nehmen, der Monteur, der Räder einspeichen könne, sei gerade im Urlaub, und für ein so großes Rad habe man eigentlich keinen Platz im Laden. Ich bin begeistert und beginne mich zu fragen, wozu ich all die Informationen zuvor am Telefon schilderte. Liegedreirad, HP Velotechnik, Scorpion fx, 20 Zoll Felge, Rohloff Nabe. Sogar die Breite der Hohlkammerfelge brachte ich zwischenzeitlich über den Hersteller in Erfahrung: 25 Millimeter. Die Rücksprache mit der Versicherung bringt mich ebenfalls nicht richtig weiter. Ich möge doch versuchen im Geschäft in Erfahrung zu bringen, ob man mir im 25 Kilometer entfernten Perpignon weiterhelfen könne. Als schließlich ein Taxifahrer in der Tür steht, der mich in ein Hotel am anderen Ende des Ortes bringen soll, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Während der kurzen Fahrt frage ich mich dann, ob ich mir nicht ohnehin zu viele Gedanken mache. Mein Chauffeur hängt mit der Nase fast vor der Windschutzscheibe und hat einen recht gewöhnungsbedürftigen Fahrstil. Auf dem Rad fühlte ich mich sicherer. Dennoch erreiche ich meine Unterkunft unbeschadet. Ein Blick auf die Karte zeigt mir: sie liegt nur unweit von der Stelle entfernt, an der ich havarierte. Hilft allerdings auch nicht viel weiter. Das Zimmer? Na ja – passt irgendwie zur Situation. Sieht aus, als habe es die besten Zeiten hinter sich. Sollte ich es selbst bezahlen, mehr als 20 Euro wäre es mir nicht wert. Wahrscheinlich aber kann ich ohnehin froh sein, in dem ausgestorbenen Touristenort eine Bleibe gefunden zu haben und ebenso wahrscheinlich zahlt die Versicherung mehr als das Doppelte.
Am nächsten Morgen brauche ich das Gesprächsguthaben meines Prepaid-Handytarifs auf, am Ende zeichnet sich allerdings ein vager Hoffnungsschimmer ab. Die Versicherung klärt mich nochmals über den Leistungsumfang auf, den sie übernimmt, Kostenübernahme für bis zu fünf Übernachtungen oder Rücktransport noch am gleichen Tage, der Hersteller des Rades gibt sich bemüht, mit dem Fahrradgeschäft eine Lösung zu finden, kurzfristig eine neue Felge zu liefern und im Radgeschäft zeigt man sich kooperativer als es noch am Vortag herausklang. Es dauert noch einen weiteren Tag, dann sind auch letzte Details geklärt. Nicht das Fahrradgeschäft bestellt die benötigte Felge, sondern ich selbst. Alberabike ist lediglich die Versandadresse. Gesendet wird per Express, dass heißt die Felge sollte bis Freitag geliefert werden, spätestens Samstag wäre dann die Nabe mit dem Schaltgetriebe umgespeicht. Freitag schließlich wird alles gut. Die Zustellung erfolgt zum späten Vormittag. Mittags bekomme ich nochmals mitgeteilt, spätestens tags drauf um elf könne ich das Rad abholen, doch dann meldet sich die Versicherung um kurz nach halb sechs. Das Rad sei fertig, ich könne es zurück in Empfang nehmen. Auf meine Frage, wie es um die anstehende Übernachtung bestellt sei, folgt noch eine lächerliche Diskussion, letztlich regelt sich aber auch diesbezüglich alles in meinem Sinne. Kurz nach sechs stehe ich erneut bei Alberabike vor dem Tresen, wo mir die Chefin mit auf den Weg gibt, dass ich mich für den nächsten Tag warm anziehen solle – es werde erneut stürmisch. Ob es mir recht sein wird? Ich werde es sehen. Dreht der Wind nicht, könnte er mir hilfreich sein …
Fortsetzung?
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