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Mitreisende Fatma G
Land: Spanien
Reisezeit: 17. – 29. Juli 2018
Region: Pyrenäen, Norden Spaniens
Startpunkt: Cabo de Higuer
Endpunkt: Candanchu
Wandertage: 11.5
Kilometer: ca 217
Nachdem ich vor 2 Jahren den französischen Pyrenäenweg, den GR10, gelaufen bin, zieht es mich diesmal in die spanischen Pyrenäen. Diesmal jedoch nicht als Gesamtweg geplant, sondern in mehreren Etappen vom Atlantik bis zum Mittelmeer.
Der Sommer 2018. Hitzewellen im Norden, späte Schneefälle im Süden. Die Wettervorhersage für die Pyrenäen ist wechselhaft. Wir werden sehen...
An einem strahlendblauen hitzeversprechenden Dienstagmorgen fahre ich von Brüssel über Paris nach Hendaye mit der SNCF. Ein glücklicher Zufall: Der Platz neben mir bleibt leer und so kann ich mich genüsslich ausdehnen mit meinen Siebensachen – die wohlbemerkt recht bescheiden sind. Immerhin bin ich 'leichten Gepäcks' unterwegs.
Zunächst stecke ich – wie immer unterwegs – voller Vorfreude und Spannung meine Nase in meine Wanderführer; der Rother in Papier- und der Cicerone in Ebook-Version. Sobald wir uns jedoch meinem Reiseziel nähern, kann ich mich von dem Anblick der vorüberziehenden Landschaft nicht mehr trennen. Rechts die Atlantikküste, links die Vorläufer der Pyrenäen. Und La Rhune! Erinnerungen werden wach...
Von Hendaye geht es gleich weiter nach Irun auf der spanischen Seite; die kleine Regionalbahn bringt mich fast an die Haustüre meiner vorreservierten Pension. Und von dort aus noch am Nachmittag mit dem Bus Richtung Startpunkt des GR11, den ich nach der letzten Haltestelle ca 30 Minuten später zu Fuß über die kleine Landstraße zum Campingplatz am Faro de Higuer, am Leuchtturm, erreiche. Am Fuße des Leuchtturms ist eine Bar mit netter Terrasse, die mich dazu einlädt, erst einmal etwas zu trinken und mit mir selber auf meinen Sommerurlaub anzustoßen. Die Sonne strahlt, der Himmel ist blau, die Aussicht auf den Atlantik frohlockend! Gleich hinter dem Gebäude führt ein Weg herab zu den Steilklippen des Cabo de Higuer.
Gleich hinter dem Leuchtturm geht’s los.
Di., 17.7. - 1. Tag: Vom Cabo de Higuer nach Irun (ca 7 km)
Bestens gelaunt und voller Vorfreude stehe ich am Kap.
Der ausgeschilderte Weg ist – noch – der GR121, der am Meer entlang über den Klippen entlangläuft, bis er kurz vor dem Fischerdörfchen Hondarribia (und der Bushaltestelle von eben) auf Meerebene ausläuft. Spektakulär ist der erste Eindruck nicht, aber sehr hübsch und schattig führt der Weg mit Blick auf Meer, das gegenüberliegende Hendaye, die alte Hafenanlage und den Strand entlang der Landzunge bis Hondarribia. Da die eigentlichen GR11-Markierungen erst in Irun beginnen, ist die Wegführung nicht ganz klar. Der Cicerone-Führer umgeht das Dörfchen; jedoch war ich nun schon einige Male in Irun und habe es bisher nie geschafft, mir dieses angeblich sehr schöne Fischerdorf anzusehen. Also wähle ich den Weg durch die Altstadt. Ich habe Zeit!
Hondarribia! Sehr hübsch anzuschauen, auch sehr touristisch. Und irgendwie typisch baskisch!
Ganz unspektakulär an der Straße entlang geht es dann jedoch bis nach Irun. Zum Glück ist es eine relativ kurze Strecke.
Am Abend treffe ich mich noch mit Xabier, einem Wander- besser gesagt Pilgerfreund, den ich vor vielen Jahren auf dem Camino Primitivo (von Oviedo nach Santiago) kennengelernt habe, und mit dem ich Jahre später den Camino Aragones (Von Oloron-Sainte-Marie bis Puente la Reina) gewandert bin. Ein Sprung ins kalte Wasser für mein Spanisch, das alle Jahre wieder erst einmal aufgetaut werden muss...
Mi., 18.7. - 2. Tag: Von Irun nach Bera (24,5 km)
Nach einer wohltuenden Nacht nehme ich ein schnelles Frühstück zu mir, bevor ich erst um 8:45 Uhr die Hauptstraße Iruns entlanglaufe Richtung GR11. Kaum 5 Meter weiter klatscht wer in die Hände. Xabier! Klein ist die Welt, klein ist Irun. Wir verabschieden uns also ein zweites Mal voneinander. Und auf geht’s!
Und zwar recht bald im wahrsten Sinne des Wortes. Am Stadtrand steigt es mächtig und steil hinauf zur Ermita de San Martzial. Wow! Wie eigentlich jedes Jahr komme ich recht untrainiert an meiner Startpunkt an und muss also erst einmal mächtig schnaufen.
Anschließend verläuft die Strecke über diverseste Wege, Treppen, Feldwege, Asphalt, Waldwege. An unzähligen Hochsitzen vorbei, an isoliert liegenden Häusern und Höfen, an der Embalse de San Anton. Beeindruckend immer wieder der Blick auf „La Rona“, La Rhune, auf Biriatou. Der GR10 lässt grüßen... Farn gibt’s natürlich in Hülle und Fülle. Baskenland halt. Dafür recht wenig Wanderer. Ein einziger Mann überholt mich in einem Waldstück, kurz bevor mir ein Paar aus der Gegenrichtung entgegenkommt. Überfüllt ist es nicht hier...
Blick auf die Rhune – kurz vor Bera
Die Aufs und Abs sind mal mehr, mal weniger erträglich; ich sagte es bereits: Kaltstart.
Dann endlich: Bera!
Ich habe gestern noch kurzerhand ein Zimmer im Hotel Churrut gebucht. Bevor ich im Hotel einkehre, drehe ich eine kleine Extrarunde durchs Dorf und halte Ausschau nach einem Optiker, dem Supermarkt und anderen Läden, um meine Ausrüstung und Lebensmittel für die nächste Etappe zu ergänzen. Das Dörfchen finde ich ganz nett; besonders beeindruckend sind die vielen Wandfresken und die alten Villen am Dorfeingang.
Das Hotelzimmer ist wunderbar und das Abendessen im Restaurant des Hotels ein purer Genuss. Ich stehe am Anfang meiner Wanderung und am Ende einer anstrengenden Etappe, die sich wie Fitness in der Sauna mit 10kg Gepäck und zu warmer Trainingshose angefühlt hat. Ich habe Ferien. Den Luxus habe ich mir verdient !
Do., 19.7. - 3. Tag: Von Bera nach Elizondo (30,5 km)
Heute morgen schaffe ich es, um 7 Uhr zu starten – trotz einer furchtbar unruhigen Nacht. Fürs Frühstück ist es noch zu früh, zum Glück gibt es einen Nescafé in der Eingangshalle.
Die frische Morgenluft begleitet mich auf dem ersten echt happigen Aufstieg. Auf dem Gipfel des „Santa Barbara“ angekommen (läppische 396m hoch), bin ich bereit zu sterben. Allerdings sind die Aussichten so unglaublich – also lasse ich das Sterben noch bleiben.
Hier steht eine kleine Hütte, an der 2 junge Wanderer sitzen. Bestimmt haben sie hier oben übernachtet.
Der Morgennebel ist allerliebst und malerisch; der Atem ist wieder da. Weiter gehe ich durch ein kurzes Waldstück und quer über eine Sommerblumenwiese. Pure Freude!
Wunderbare Aussichten
Baskenland im Nebel – what else?!
Der GR11 führt direkt über die Blumenwiese.
Irgendwann übermannt mich der Hunger so, dass ich einfach mitten auf dem Weg stehenbleibe, um
ein spätes Frühstück, Aprikose, Nektarine und ein paar Mandeln, zu genießen. Kurz darauf komme ich an der spanisch-französischen Grenze auf dem Kamm (Collado de Lizarieta) an und entscheide mich spontan für das Café auf der linken Seite. Das junge sympathische Paar spricht mich auf Französisch an. Aha, ich trinke also in Frankreich 'Café au lait'.
Blick auf den Collado de Lizarieta
Weiter geht es nun über Forstwege und den „Tauben-Weg“, bzw. den „Tauben-Ende-Weg“ - die Gegend ist berühmt für ihre Taubenjagd. Dann folgt der GR11 einigen Hügelkuppen, entlang an Bunkern aus fernen Zeiten. Es ist heiß, Gewitter ist trotz Meldung nicht in Sicht. Nach einer Rast treffe ich den Mann von gestern wieder; er ist Baske und ist den GR11 schon vor vielen Jahren gelaufen. Jetzt ist er pensioniert, hat mehr Zeit und möchte diese Erfahrung nun wiederholen. Nach 10 Minuten gemeinsamen Weges wählt er eine alternative Strecke nach Elizondo, ich den offiziellen Weg.
Das bereue ich recht bald! Ein Teilstück – nicht sehr lang, erscheint jedoch wie eine Ewigkeit – lässt mich mit meterhohem Farn und Dornen kämpfen. Mein Fluch des Tages!
Mittlerweile haben mich die beiden jungen Wanderer (aus Katalonien) ebenfalls überholt – ein wenig wortkarger als der Baske.
Eine 'Trinkete' in Elizondo. Klingt sympathisch!
Endlich Elizondo!
So schön hatte ich das Städtchen nicht in Erinnerung. (Ich bin die „Voie du Baztan“ in einer Aprilwoche vor einigen Tagen gewandert; sie führt von Bayonne bis Pamplona).
Fein. Nach der Dusche und dem Versorgen meiner Sachen mache ich mich wie gewohnt auf, um Proviant für den nächsten Tag zu besorgen und auf der Terrasse eines kleinen Bistros mit Blick auf den Fluss 'Baztan' ein (heute) bescheideneres Abendbrot zu mir zu nehmen.
Kaum liege ich in meinem Bett bricht mit voller Gewalt das gemeldete Gewitter aus. Und damit der angekündigte Wetterumschwung für den morgigen Tag...
Fr., 20.7. - 4. Tag: Von Elizondo zur Albergue de Sorogain (26,2 km)
Grau-trüb ist der Himmel, als ich nach dem Frühstück aufbreche. Immerhin ist es trocken. Noch... Die zwei Landwirte, die ich unterwegs treffe, helfen nicht wirklich, optimistisch zu bleiben: 'Ich habe wohl keine Angst vor Wasse', meinen sie.
Die Wege sind etwas aufgeweicht von dem Regen der Nacht; in einer nassen Wiese steht das Zelt der jungen Katalanen, die jetzt erst aus den Federn kriechen. Der Baske holt schnellen Schrittes auf und zieht an mir vorüber. An einer Jägerhütte machen wir schließlich gemeinsam Rast. Dort trifft kurz danach ein weiterer spanischer Wanderer ein, ein Mann aus Andalusien. Auch kommen heute immer wieder Menschen aus der Gegenrichtung mir, uns, entgegen.
Es geht weiter stetig bergauf, einige Male durch bzw. über Bäche. Einmal rutsche ich aus und falle auf mein Knie. Noch einmal gut gegangen.
All diejenigen, die in Gegenrichtung unterwegs sind, warnen vor „da oben“, die Sichtverhältnisse seien extrem schwierig.
Und in der Tat auf dem Plateau sieht man nicht sehr weit; aber es geht. Denke ich...
Wenig gute Aussichten...
Irgendwann kommt mir wieder ein Wanderer entgegen im orangefarbenen Plastikponcho. Es ist der Andalusier von eben. Beide haben wir eine Abzweigung verpasst und müssen umkehren. Der GR11 führte über einen Zaun rüber; galant hilft mir der Herr hinüber und gemeinsam versuchen wir nun, uns im dichten Nebel zu orientieren. Wir folgen dem Weg, müssen nach einer Weile feststellen, dass wir viel zu hoch einem anderen Weg folgen. Also schlittern wir den steilen Hang herab. Ich folge – fast willenlos – meinem Mitstreiter; sein GPS scheint sich ja nun doch zu bewähren.
Irgendwann haben wir den Wald erreicht, die Sicht verbessert sich schlagartig und jeder geht nun wieder seiner Wege.
Der Mann, dem ich fast willenlos folge – zumindest eine Zeit lang. Kein Wunder, er zumindest ist gut sichtbar!
An der Puerto de Urkiaga treffen wir uns alle drei wieder: José-Lu, so heißt der Baske, sitzt in einem offenen Bauwagen, der sogar ein Doppelstockbett (ohne Matratzen) enthält, und rastet. Ich geselle mich hinzu und versuche, meine nassen Socken zu trocknen. Der Andalusier trifft kurz danach ein und rastet ebenfalls. Nun geht jeder wieder seiner Wege, der letztere folgt der Landstraße bis zu einer Unterkunft, der erste zieht vor mir los.
In solchen Bunkern sollen auch ab und an Wanderer übernachten. Nicht wirklich kuschelig!
Nach einem kurzen Teil Betontrasse geht es recht zügig und steil durch ein Waldgebiet bergab. Da ich mich Ende August in Belgien für den Oxfam-Trailwalker (100 km in 30 Stunden im Viererteam) eingetragen habe, mache ich mir zum ersten Mal ernsthafte Gedanken um meine Knochen. Gut aufpassen und langsam machen.
Tja, und dann verpasse ich schon wieder ein GR-Zeichen, laufe rechts am Bach statt links entlang und finde jedoch keine Stelle zum Furten. Meine Füße sind zwar schon wieder klatschnass, dennoch kehre ich um und suche (ähm, fluchend!) nach dem regulären Übergang.
Eher rutschend und schlitternd statt aufrecht gehend unterwegs...
Dann endlich gelange ich an eine kleine Landstraße und kurz danach stehe ich an der Albergue de Sorogain, bekomme Bett und Abendbrot, das ich in Begleitung von José-Lu und Pina, einer jungen alleinreisenden Schweizerin (von Ost nach West unterwegs und fast am Ende ihrer Wanderung) zu mir nehme.
Sa., 21.7. - 5. Tag: Von der Albergue de Sorogain nach Burguete (10,5 km)
Ich habe Zeit. Meinem gestrigen Vorsatz folgend entscheide ich mich für eine kurze Etappe und dazu, lediglich bis Burguete zu laufen.
Das Wetter ist immer noch trüb; ich stapfe (mehr oder weniger) entschlossen den Berg hinter der Herberge hoch. Die höher gelegenen Weiden sind von Schafen, Pferden und Kühen bevölkert. Kurz reißt die Wolkendecke auf und gibt ein winziges Stück Aussicht und blauen Himmel frei, bevor der Nebel wieder dichter, schließlich zu Nieselregen wird. Weiter geht es über die nassen Weiden und durch matschige Passagen, bevor der GR durch einen wunderschönen alten Buchenwald wieder hinab führt.
Ein Stück blauer Himmel!
Auch unten angekommen stehen grasende Kühe links und rechts des Weges. Fast fassungslos blicken sie mir nach, wie ich über die Steine hüpfend den Bach hinter mir lasse. Das letzte Stück ist fast langweilig; einem breiten Schotterpfad geht’s entlang bis zum Dorfrand.
Schon um 13 Uhr stehe ich im Café Fronton und bestelle mir einen Milchkaffee. Obwohl der Camino Frances durch Burguete führt, mache ich mir keine großen Gedanken um eine Unterkunft – immerhin ist die große Pilgeretappe Roncesvalles fast in Sichtweite. Und zurecht: Im Hostal Burguete bekomme ich ohne Probleme ein Bett. Sogar eine Badewanne gibt es, wunderbar nach diesen zwei recht feucht-kalten Tagen. Dass der Gummipfropfen fehlt, ist nur ein kleines Hindernis, das ich irgendwie wegimprovisiere. Das heiße Bad, eine Wohltat!
Nach Bad und Siesta geht es durchs Dorf, einkaufen, später einen Apéro trinken.
Und am Abend genieße ich im ruhigen Restaurant des Hostals ein Abendmahl. In diesem Etablissement ist schon Hemingway eingekehrt. Den Charme von früher hat man zu bewahren gewusst: knarzende Holzdielen, geräumige Zimmer, alte Portraits und Fotos sowie dezente Deko aus vergangenen Zeiten.
Burguete! Eine lange gerade Straße links und rechts von Häusern gesäumt. Das wars.
So., 22.7. - 6. Tag: Von Burguete nach Hiriberri (18 km)
Allerdings sieht das alles bei Sonnenschein schon viel freundlicher aus!
Die spanischen Hostals sind nicht unbedingt auf Frühaufsteher eingestellt. So starte ich auch heute Morgen eher spät. Kein Problem bei einer recht übersichtlichen Etappe.
Endlich einmal ist der Himmel nicht bedeckt, als ich aus der Türe trete und durch das Dorf wandere. Am Dorfausgang sind die beiden Katalanen beim Zeltabbau. Gleich dahinter führt der Weg aufwärts in einen angenehmen Wald hinein, später an einem Feldweg entlang, der endlich ein paar Ausblicke auf die Hügellandschaft freigibt. Die gute Laune steigt!
Yesssssss! Sonne! Und Sicht!
An einer schönen Bergwiese angelangt, sehe ich die Tierschädel erst auf den zweiten Blick; und kurz darauf einen 2m großen Mann, der auf mich zukommt. Er sucht nach dem GR11. Wir legen eine kurze Strecke gemeinsam zurück, bevor sich unsere Wege am Rande der Klippe hinunter ins Dörfchen Orbara trennen.
Der Abstieg ist recht moderat, der Weg schlängelt sich stetig durch die schattenspendenden Büsche und Sträucher bergab. Plötzlich steht da mitten auf dem schmalen Pfad ein Eichelhäher an einer Pfütze, der mit seinem Schnabel ins Wasser pickt. Wir blicken uns an. Obwohl ich ganz dicht an ihm bin, bleibt er sitzen: Flügel verletzt. Himmel, was tun?!
Ich überlege, ob und wie ich ihm helfen kann. Ein zaghafter Versuch, ihn per Stock zumindest auf die Seite zu tragen scheitert. Er flattert recht hilflos einen halben Meter weiter. Ich komme zu keinem überzeugenden Ergebnis und setze irgendwann resigniert meinen Weg fort. Unerbittliche Natur.
Unerwartete Begegnung.
In Orbara, das ich 5 Minuten später erreiche, ist die Bar geöffnet und voller Menschen. Sonntagsmahl. Nicht nur für den Riesen (er stammt übrigens aus Schweden und ist so ziemlich der größte Mann, den ich je gesehen habe), der an einem Tisch sitzt und schlemmt, sondern für das gesamte Dorf. Mir reicht ein Cafe con leche auf der sonnigen Terrasse. Der Schwede geht, die Katalanen kommen. GR-Leben.
Für heute habe ich nicht wirklich ein Bett reserviert, in Hiriberri gibt es nur private Gästezimmer, die laut Web ausgebucht sind. Pina aus der Schweiz meinte allerdings vor ein paar Tagen, dass die Gastgeberin immer für alle Wanderer ein Bett findet – vorausgesetzt zumindest man kommt unverhofft dort an. Auf dem letzten Anstieg für heute finde ich ein vierblättriges Kleeblatt – ein gutes Omen für ein Bett? Sicherheitshalber kucke ich mich jedoch ebenfalls nach Biwakmöglichkeiten um – dazu habe ich zwar nicht wirklich Lust, aber sollte es mal kein Bett geben, ist das natürlich besser als nichts!
Der Pfad ist recht bewachsen, der Vegetation im Süden geht’s gut; es gab genügend Regen in den letzten Zeiten. In der Ferne erblicke das Dorf Orbaizeta.
Blick zurück auf Orbara
Hiriberri liegt verschlafen in der zurrenden Sonne. Ich stoße fast sofort auf die 'Casa Aguerre'. Eine freundliche junge Frau meint optimistisch, es würde schon klappen mit dem Bett. Ihre Schwester, die Hausherrin, schlägt schon die Hände überm Kopf zusammen. Und verdreht die Augen. Anabelle ist eine quirlige gesprächige Frau, die für ihre Herberge lebt. Ihre Gästezimmer sind schon seit Monaten ausgebucht – die Wanderer werden überall anderswo untergebracht: in ihrem Büro (ich) oder in der winzigen Kammer neben der Dusche (Bernard aus Frankreich, der kurz nach mir dort eintrifft). Bei Bedarf gibt es noch die ehemalige Scheune im Erdgeschoss. Dort haben in der vergangenen Nacht wohl auch ein paar gestrandete Wanderer übernachtet...
Hirriberri
Im großen Wohnraum, der Esszimmer, Sofaecke und Küche sowie Bügelstube umfasst, bekomme ich gleich ein frisches San Miguel angeboten. Thomas, so heißt der Schwede, steckt seinen Kopf durch die Türe. Er bekommt ebenfalls ein Bier. Anabelle schwirrt herum, wäscht unsere Wäsche, bügelt ihre, telefoniert und erzählt mit uns. Ihre Schwester sitzt ebenfalls am Tisch. Später gesellen sich die Eltern hinzu. Bevor ich – nach Dusche und Wäsche in den Wind hängen - in die Dorfbar zum Abendessen gelange, gibt’s noch zum Aperitif ein Glas Wein und Oliven. Während der Vater mit Bernard über Politik fachsimpelt, tätigt Anabelle etliche Anrufe: Sie möchte Thomas Reservierung für den folgenden Tag bestätigen; und übernimmt kurzerhand ebenfalls meine. Sowohl in Ochagavia als auch in Isaba kenne sie die Herbergsbetreiber. Eigentlich wollte ich ja zumindest in Ochagavia lieber auf Campingplatz mein Zelt aufstellen, um es nicht ganz umsonst mit mir zu schleppen. Aber das spielt irgendwie gerade gar keine Rolle hier. Ich lasse es und Anabelle willenlos geschehen...
Halleluja!
Mittlerweile ist es 20 Uhr. Zeit fürs Abendbrot. Ich schlendere zur Bar. Bei meiner Ankunft schlägt die Wirtin die Hände überm Kopf zusammen. Das scheint hier üblich zu sein...
Ich versichere ihr, dass ich zum Essen kein Brot brauche und mich mit dem zufrieden geben würde, was das Haus zu bieten hat. Sie wirkt beruhigt.
Für Thomas – ihn hatte ich gar nicht wahrgenommen – hat sie schon ein Gedeck gedeckt. Er ist definitiv besser organisiert als ich!
Ich setzt mich zu ihm, kurz danach folgt Bernard. Das Essen ist köstlich! Lomo zum Umfallen. Und eine tarta de queso, wie ich sie liebe.
Seitdem der Brotstress geklärt ist, ist die Senora extrem freundlich. Der Stress erklärt sich übrigens, als eine 15-köpfige Truppe wohlgenährter Spanier in die kleine Bar stürmt und – wahrscheinlich wie jeden Sonntag – gesättigt werden muss. Da zählt jede Scheibe Brot.
Einen kurzen Buenas-Noches-Gruß in den Wohnraum, dann sinke ich glücklich in die Federn.
Land: Spanien
Reisezeit: 17. – 29. Juli 2018
Region: Pyrenäen, Norden Spaniens
Startpunkt: Cabo de Higuer
Endpunkt: Candanchu
Wandertage: 11.5
Kilometer: ca 217
Nachdem ich vor 2 Jahren den französischen Pyrenäenweg, den GR10, gelaufen bin, zieht es mich diesmal in die spanischen Pyrenäen. Diesmal jedoch nicht als Gesamtweg geplant, sondern in mehreren Etappen vom Atlantik bis zum Mittelmeer.
Der Sommer 2018. Hitzewellen im Norden, späte Schneefälle im Süden. Die Wettervorhersage für die Pyrenäen ist wechselhaft. Wir werden sehen...
An einem strahlendblauen hitzeversprechenden Dienstagmorgen fahre ich von Brüssel über Paris nach Hendaye mit der SNCF. Ein glücklicher Zufall: Der Platz neben mir bleibt leer und so kann ich mich genüsslich ausdehnen mit meinen Siebensachen – die wohlbemerkt recht bescheiden sind. Immerhin bin ich 'leichten Gepäcks' unterwegs.
Zunächst stecke ich – wie immer unterwegs – voller Vorfreude und Spannung meine Nase in meine Wanderführer; der Rother in Papier- und der Cicerone in Ebook-Version. Sobald wir uns jedoch meinem Reiseziel nähern, kann ich mich von dem Anblick der vorüberziehenden Landschaft nicht mehr trennen. Rechts die Atlantikküste, links die Vorläufer der Pyrenäen. Und La Rhune! Erinnerungen werden wach...
Von Hendaye geht es gleich weiter nach Irun auf der spanischen Seite; die kleine Regionalbahn bringt mich fast an die Haustüre meiner vorreservierten Pension. Und von dort aus noch am Nachmittag mit dem Bus Richtung Startpunkt des GR11, den ich nach der letzten Haltestelle ca 30 Minuten später zu Fuß über die kleine Landstraße zum Campingplatz am Faro de Higuer, am Leuchtturm, erreiche. Am Fuße des Leuchtturms ist eine Bar mit netter Terrasse, die mich dazu einlädt, erst einmal etwas zu trinken und mit mir selber auf meinen Sommerurlaub anzustoßen. Die Sonne strahlt, der Himmel ist blau, die Aussicht auf den Atlantik frohlockend! Gleich hinter dem Gebäude führt ein Weg herab zu den Steilklippen des Cabo de Higuer.
Gleich hinter dem Leuchtturm geht’s los.
Di., 17.7. - 1. Tag: Vom Cabo de Higuer nach Irun (ca 7 km)
Bestens gelaunt und voller Vorfreude stehe ich am Kap.
Der ausgeschilderte Weg ist – noch – der GR121, der am Meer entlang über den Klippen entlangläuft, bis er kurz vor dem Fischerdörfchen Hondarribia (und der Bushaltestelle von eben) auf Meerebene ausläuft. Spektakulär ist der erste Eindruck nicht, aber sehr hübsch und schattig führt der Weg mit Blick auf Meer, das gegenüberliegende Hendaye, die alte Hafenanlage und den Strand entlang der Landzunge bis Hondarribia. Da die eigentlichen GR11-Markierungen erst in Irun beginnen, ist die Wegführung nicht ganz klar. Der Cicerone-Führer umgeht das Dörfchen; jedoch war ich nun schon einige Male in Irun und habe es bisher nie geschafft, mir dieses angeblich sehr schöne Fischerdorf anzusehen. Also wähle ich den Weg durch die Altstadt. Ich habe Zeit!
Hondarribia! Sehr hübsch anzuschauen, auch sehr touristisch. Und irgendwie typisch baskisch!
Ganz unspektakulär an der Straße entlang geht es dann jedoch bis nach Irun. Zum Glück ist es eine relativ kurze Strecke.
Am Abend treffe ich mich noch mit Xabier, einem Wander- besser gesagt Pilgerfreund, den ich vor vielen Jahren auf dem Camino Primitivo (von Oviedo nach Santiago) kennengelernt habe, und mit dem ich Jahre später den Camino Aragones (Von Oloron-Sainte-Marie bis Puente la Reina) gewandert bin. Ein Sprung ins kalte Wasser für mein Spanisch, das alle Jahre wieder erst einmal aufgetaut werden muss...
Mi., 18.7. - 2. Tag: Von Irun nach Bera (24,5 km)
Nach einer wohltuenden Nacht nehme ich ein schnelles Frühstück zu mir, bevor ich erst um 8:45 Uhr die Hauptstraße Iruns entlanglaufe Richtung GR11. Kaum 5 Meter weiter klatscht wer in die Hände. Xabier! Klein ist die Welt, klein ist Irun. Wir verabschieden uns also ein zweites Mal voneinander. Und auf geht’s!
Und zwar recht bald im wahrsten Sinne des Wortes. Am Stadtrand steigt es mächtig und steil hinauf zur Ermita de San Martzial. Wow! Wie eigentlich jedes Jahr komme ich recht untrainiert an meiner Startpunkt an und muss also erst einmal mächtig schnaufen.
Anschließend verläuft die Strecke über diverseste Wege, Treppen, Feldwege, Asphalt, Waldwege. An unzähligen Hochsitzen vorbei, an isoliert liegenden Häusern und Höfen, an der Embalse de San Anton. Beeindruckend immer wieder der Blick auf „La Rona“, La Rhune, auf Biriatou. Der GR10 lässt grüßen... Farn gibt’s natürlich in Hülle und Fülle. Baskenland halt. Dafür recht wenig Wanderer. Ein einziger Mann überholt mich in einem Waldstück, kurz bevor mir ein Paar aus der Gegenrichtung entgegenkommt. Überfüllt ist es nicht hier...
Blick auf die Rhune – kurz vor Bera
Die Aufs und Abs sind mal mehr, mal weniger erträglich; ich sagte es bereits: Kaltstart.
Dann endlich: Bera!
Ich habe gestern noch kurzerhand ein Zimmer im Hotel Churrut gebucht. Bevor ich im Hotel einkehre, drehe ich eine kleine Extrarunde durchs Dorf und halte Ausschau nach einem Optiker, dem Supermarkt und anderen Läden, um meine Ausrüstung und Lebensmittel für die nächste Etappe zu ergänzen. Das Dörfchen finde ich ganz nett; besonders beeindruckend sind die vielen Wandfresken und die alten Villen am Dorfeingang.
Das Hotelzimmer ist wunderbar und das Abendessen im Restaurant des Hotels ein purer Genuss. Ich stehe am Anfang meiner Wanderung und am Ende einer anstrengenden Etappe, die sich wie Fitness in der Sauna mit 10kg Gepäck und zu warmer Trainingshose angefühlt hat. Ich habe Ferien. Den Luxus habe ich mir verdient !
Do., 19.7. - 3. Tag: Von Bera nach Elizondo (30,5 km)
Heute morgen schaffe ich es, um 7 Uhr zu starten – trotz einer furchtbar unruhigen Nacht. Fürs Frühstück ist es noch zu früh, zum Glück gibt es einen Nescafé in der Eingangshalle.
Die frische Morgenluft begleitet mich auf dem ersten echt happigen Aufstieg. Auf dem Gipfel des „Santa Barbara“ angekommen (läppische 396m hoch), bin ich bereit zu sterben. Allerdings sind die Aussichten so unglaublich – also lasse ich das Sterben noch bleiben.
Hier steht eine kleine Hütte, an der 2 junge Wanderer sitzen. Bestimmt haben sie hier oben übernachtet.
Der Morgennebel ist allerliebst und malerisch; der Atem ist wieder da. Weiter gehe ich durch ein kurzes Waldstück und quer über eine Sommerblumenwiese. Pure Freude!
Wunderbare Aussichten
Baskenland im Nebel – what else?!
Der GR11 führt direkt über die Blumenwiese.
Irgendwann übermannt mich der Hunger so, dass ich einfach mitten auf dem Weg stehenbleibe, um
ein spätes Frühstück, Aprikose, Nektarine und ein paar Mandeln, zu genießen. Kurz darauf komme ich an der spanisch-französischen Grenze auf dem Kamm (Collado de Lizarieta) an und entscheide mich spontan für das Café auf der linken Seite. Das junge sympathische Paar spricht mich auf Französisch an. Aha, ich trinke also in Frankreich 'Café au lait'.
Blick auf den Collado de Lizarieta
Weiter geht es nun über Forstwege und den „Tauben-Weg“, bzw. den „Tauben-Ende-Weg“ - die Gegend ist berühmt für ihre Taubenjagd. Dann folgt der GR11 einigen Hügelkuppen, entlang an Bunkern aus fernen Zeiten. Es ist heiß, Gewitter ist trotz Meldung nicht in Sicht. Nach einer Rast treffe ich den Mann von gestern wieder; er ist Baske und ist den GR11 schon vor vielen Jahren gelaufen. Jetzt ist er pensioniert, hat mehr Zeit und möchte diese Erfahrung nun wiederholen. Nach 10 Minuten gemeinsamen Weges wählt er eine alternative Strecke nach Elizondo, ich den offiziellen Weg.
Das bereue ich recht bald! Ein Teilstück – nicht sehr lang, erscheint jedoch wie eine Ewigkeit – lässt mich mit meterhohem Farn und Dornen kämpfen. Mein Fluch des Tages!
Mittlerweile haben mich die beiden jungen Wanderer (aus Katalonien) ebenfalls überholt – ein wenig wortkarger als der Baske.
Eine 'Trinkete' in Elizondo. Klingt sympathisch!
Endlich Elizondo!
So schön hatte ich das Städtchen nicht in Erinnerung. (Ich bin die „Voie du Baztan“ in einer Aprilwoche vor einigen Tagen gewandert; sie führt von Bayonne bis Pamplona).
Fein. Nach der Dusche und dem Versorgen meiner Sachen mache ich mich wie gewohnt auf, um Proviant für den nächsten Tag zu besorgen und auf der Terrasse eines kleinen Bistros mit Blick auf den Fluss 'Baztan' ein (heute) bescheideneres Abendbrot zu mir zu nehmen.
Kaum liege ich in meinem Bett bricht mit voller Gewalt das gemeldete Gewitter aus. Und damit der angekündigte Wetterumschwung für den morgigen Tag...
Fr., 20.7. - 4. Tag: Von Elizondo zur Albergue de Sorogain (26,2 km)
Grau-trüb ist der Himmel, als ich nach dem Frühstück aufbreche. Immerhin ist es trocken. Noch... Die zwei Landwirte, die ich unterwegs treffe, helfen nicht wirklich, optimistisch zu bleiben: 'Ich habe wohl keine Angst vor Wasse', meinen sie.
Die Wege sind etwas aufgeweicht von dem Regen der Nacht; in einer nassen Wiese steht das Zelt der jungen Katalanen, die jetzt erst aus den Federn kriechen. Der Baske holt schnellen Schrittes auf und zieht an mir vorüber. An einer Jägerhütte machen wir schließlich gemeinsam Rast. Dort trifft kurz danach ein weiterer spanischer Wanderer ein, ein Mann aus Andalusien. Auch kommen heute immer wieder Menschen aus der Gegenrichtung mir, uns, entgegen.
Es geht weiter stetig bergauf, einige Male durch bzw. über Bäche. Einmal rutsche ich aus und falle auf mein Knie. Noch einmal gut gegangen.
All diejenigen, die in Gegenrichtung unterwegs sind, warnen vor „da oben“, die Sichtverhältnisse seien extrem schwierig.
Und in der Tat auf dem Plateau sieht man nicht sehr weit; aber es geht. Denke ich...
Wenig gute Aussichten...
Irgendwann kommt mir wieder ein Wanderer entgegen im orangefarbenen Plastikponcho. Es ist der Andalusier von eben. Beide haben wir eine Abzweigung verpasst und müssen umkehren. Der GR11 führte über einen Zaun rüber; galant hilft mir der Herr hinüber und gemeinsam versuchen wir nun, uns im dichten Nebel zu orientieren. Wir folgen dem Weg, müssen nach einer Weile feststellen, dass wir viel zu hoch einem anderen Weg folgen. Also schlittern wir den steilen Hang herab. Ich folge – fast willenlos – meinem Mitstreiter; sein GPS scheint sich ja nun doch zu bewähren.
Irgendwann haben wir den Wald erreicht, die Sicht verbessert sich schlagartig und jeder geht nun wieder seiner Wege.
Der Mann, dem ich fast willenlos folge – zumindest eine Zeit lang. Kein Wunder, er zumindest ist gut sichtbar!
An der Puerto de Urkiaga treffen wir uns alle drei wieder: José-Lu, so heißt der Baske, sitzt in einem offenen Bauwagen, der sogar ein Doppelstockbett (ohne Matratzen) enthält, und rastet. Ich geselle mich hinzu und versuche, meine nassen Socken zu trocknen. Der Andalusier trifft kurz danach ein und rastet ebenfalls. Nun geht jeder wieder seiner Wege, der letztere folgt der Landstraße bis zu einer Unterkunft, der erste zieht vor mir los.
In solchen Bunkern sollen auch ab und an Wanderer übernachten. Nicht wirklich kuschelig!
Nach einem kurzen Teil Betontrasse geht es recht zügig und steil durch ein Waldgebiet bergab. Da ich mich Ende August in Belgien für den Oxfam-Trailwalker (100 km in 30 Stunden im Viererteam) eingetragen habe, mache ich mir zum ersten Mal ernsthafte Gedanken um meine Knochen. Gut aufpassen und langsam machen.
Tja, und dann verpasse ich schon wieder ein GR-Zeichen, laufe rechts am Bach statt links entlang und finde jedoch keine Stelle zum Furten. Meine Füße sind zwar schon wieder klatschnass, dennoch kehre ich um und suche (ähm, fluchend!) nach dem regulären Übergang.
Eher rutschend und schlitternd statt aufrecht gehend unterwegs...
Dann endlich gelange ich an eine kleine Landstraße und kurz danach stehe ich an der Albergue de Sorogain, bekomme Bett und Abendbrot, das ich in Begleitung von José-Lu und Pina, einer jungen alleinreisenden Schweizerin (von Ost nach West unterwegs und fast am Ende ihrer Wanderung) zu mir nehme.
Sa., 21.7. - 5. Tag: Von der Albergue de Sorogain nach Burguete (10,5 km)
Ich habe Zeit. Meinem gestrigen Vorsatz folgend entscheide ich mich für eine kurze Etappe und dazu, lediglich bis Burguete zu laufen.
Das Wetter ist immer noch trüb; ich stapfe (mehr oder weniger) entschlossen den Berg hinter der Herberge hoch. Die höher gelegenen Weiden sind von Schafen, Pferden und Kühen bevölkert. Kurz reißt die Wolkendecke auf und gibt ein winziges Stück Aussicht und blauen Himmel frei, bevor der Nebel wieder dichter, schließlich zu Nieselregen wird. Weiter geht es über die nassen Weiden und durch matschige Passagen, bevor der GR durch einen wunderschönen alten Buchenwald wieder hinab führt.
Ein Stück blauer Himmel!
Auch unten angekommen stehen grasende Kühe links und rechts des Weges. Fast fassungslos blicken sie mir nach, wie ich über die Steine hüpfend den Bach hinter mir lasse. Das letzte Stück ist fast langweilig; einem breiten Schotterpfad geht’s entlang bis zum Dorfrand.
Schon um 13 Uhr stehe ich im Café Fronton und bestelle mir einen Milchkaffee. Obwohl der Camino Frances durch Burguete führt, mache ich mir keine großen Gedanken um eine Unterkunft – immerhin ist die große Pilgeretappe Roncesvalles fast in Sichtweite. Und zurecht: Im Hostal Burguete bekomme ich ohne Probleme ein Bett. Sogar eine Badewanne gibt es, wunderbar nach diesen zwei recht feucht-kalten Tagen. Dass der Gummipfropfen fehlt, ist nur ein kleines Hindernis, das ich irgendwie wegimprovisiere. Das heiße Bad, eine Wohltat!
Nach Bad und Siesta geht es durchs Dorf, einkaufen, später einen Apéro trinken.
Und am Abend genieße ich im ruhigen Restaurant des Hostals ein Abendmahl. In diesem Etablissement ist schon Hemingway eingekehrt. Den Charme von früher hat man zu bewahren gewusst: knarzende Holzdielen, geräumige Zimmer, alte Portraits und Fotos sowie dezente Deko aus vergangenen Zeiten.
Burguete! Eine lange gerade Straße links und rechts von Häusern gesäumt. Das wars.
So., 22.7. - 6. Tag: Von Burguete nach Hiriberri (18 km)
Allerdings sieht das alles bei Sonnenschein schon viel freundlicher aus!
Die spanischen Hostals sind nicht unbedingt auf Frühaufsteher eingestellt. So starte ich auch heute Morgen eher spät. Kein Problem bei einer recht übersichtlichen Etappe.
Endlich einmal ist der Himmel nicht bedeckt, als ich aus der Türe trete und durch das Dorf wandere. Am Dorfausgang sind die beiden Katalanen beim Zeltabbau. Gleich dahinter führt der Weg aufwärts in einen angenehmen Wald hinein, später an einem Feldweg entlang, der endlich ein paar Ausblicke auf die Hügellandschaft freigibt. Die gute Laune steigt!
Yesssssss! Sonne! Und Sicht!
An einer schönen Bergwiese angelangt, sehe ich die Tierschädel erst auf den zweiten Blick; und kurz darauf einen 2m großen Mann, der auf mich zukommt. Er sucht nach dem GR11. Wir legen eine kurze Strecke gemeinsam zurück, bevor sich unsere Wege am Rande der Klippe hinunter ins Dörfchen Orbara trennen.
Der Abstieg ist recht moderat, der Weg schlängelt sich stetig durch die schattenspendenden Büsche und Sträucher bergab. Plötzlich steht da mitten auf dem schmalen Pfad ein Eichelhäher an einer Pfütze, der mit seinem Schnabel ins Wasser pickt. Wir blicken uns an. Obwohl ich ganz dicht an ihm bin, bleibt er sitzen: Flügel verletzt. Himmel, was tun?!
Ich überlege, ob und wie ich ihm helfen kann. Ein zaghafter Versuch, ihn per Stock zumindest auf die Seite zu tragen scheitert. Er flattert recht hilflos einen halben Meter weiter. Ich komme zu keinem überzeugenden Ergebnis und setze irgendwann resigniert meinen Weg fort. Unerbittliche Natur.
Unerwartete Begegnung.
In Orbara, das ich 5 Minuten später erreiche, ist die Bar geöffnet und voller Menschen. Sonntagsmahl. Nicht nur für den Riesen (er stammt übrigens aus Schweden und ist so ziemlich der größte Mann, den ich je gesehen habe), der an einem Tisch sitzt und schlemmt, sondern für das gesamte Dorf. Mir reicht ein Cafe con leche auf der sonnigen Terrasse. Der Schwede geht, die Katalanen kommen. GR-Leben.
Für heute habe ich nicht wirklich ein Bett reserviert, in Hiriberri gibt es nur private Gästezimmer, die laut Web ausgebucht sind. Pina aus der Schweiz meinte allerdings vor ein paar Tagen, dass die Gastgeberin immer für alle Wanderer ein Bett findet – vorausgesetzt zumindest man kommt unverhofft dort an. Auf dem letzten Anstieg für heute finde ich ein vierblättriges Kleeblatt – ein gutes Omen für ein Bett? Sicherheitshalber kucke ich mich jedoch ebenfalls nach Biwakmöglichkeiten um – dazu habe ich zwar nicht wirklich Lust, aber sollte es mal kein Bett geben, ist das natürlich besser als nichts!
Der Pfad ist recht bewachsen, der Vegetation im Süden geht’s gut; es gab genügend Regen in den letzten Zeiten. In der Ferne erblicke das Dorf Orbaizeta.
Blick zurück auf Orbara
Hiriberri liegt verschlafen in der zurrenden Sonne. Ich stoße fast sofort auf die 'Casa Aguerre'. Eine freundliche junge Frau meint optimistisch, es würde schon klappen mit dem Bett. Ihre Schwester, die Hausherrin, schlägt schon die Hände überm Kopf zusammen. Und verdreht die Augen. Anabelle ist eine quirlige gesprächige Frau, die für ihre Herberge lebt. Ihre Gästezimmer sind schon seit Monaten ausgebucht – die Wanderer werden überall anderswo untergebracht: in ihrem Büro (ich) oder in der winzigen Kammer neben der Dusche (Bernard aus Frankreich, der kurz nach mir dort eintrifft). Bei Bedarf gibt es noch die ehemalige Scheune im Erdgeschoss. Dort haben in der vergangenen Nacht wohl auch ein paar gestrandete Wanderer übernachtet...
Hirriberri
Im großen Wohnraum, der Esszimmer, Sofaecke und Küche sowie Bügelstube umfasst, bekomme ich gleich ein frisches San Miguel angeboten. Thomas, so heißt der Schwede, steckt seinen Kopf durch die Türe. Er bekommt ebenfalls ein Bier. Anabelle schwirrt herum, wäscht unsere Wäsche, bügelt ihre, telefoniert und erzählt mit uns. Ihre Schwester sitzt ebenfalls am Tisch. Später gesellen sich die Eltern hinzu. Bevor ich – nach Dusche und Wäsche in den Wind hängen - in die Dorfbar zum Abendessen gelange, gibt’s noch zum Aperitif ein Glas Wein und Oliven. Während der Vater mit Bernard über Politik fachsimpelt, tätigt Anabelle etliche Anrufe: Sie möchte Thomas Reservierung für den folgenden Tag bestätigen; und übernimmt kurzerhand ebenfalls meine. Sowohl in Ochagavia als auch in Isaba kenne sie die Herbergsbetreiber. Eigentlich wollte ich ja zumindest in Ochagavia lieber auf Campingplatz mein Zelt aufstellen, um es nicht ganz umsonst mit mir zu schleppen. Aber das spielt irgendwie gerade gar keine Rolle hier. Ich lasse es und Anabelle willenlos geschehen...
Halleluja!
Mittlerweile ist es 20 Uhr. Zeit fürs Abendbrot. Ich schlendere zur Bar. Bei meiner Ankunft schlägt die Wirtin die Hände überm Kopf zusammen. Das scheint hier üblich zu sein...
Ich versichere ihr, dass ich zum Essen kein Brot brauche und mich mit dem zufrieden geben würde, was das Haus zu bieten hat. Sie wirkt beruhigt.
Für Thomas – ihn hatte ich gar nicht wahrgenommen – hat sie schon ein Gedeck gedeckt. Er ist definitiv besser organisiert als ich!
Ich setzt mich zu ihm, kurz danach folgt Bernard. Das Essen ist köstlich! Lomo zum Umfallen. Und eine tarta de queso, wie ich sie liebe.
Seitdem der Brotstress geklärt ist, ist die Senora extrem freundlich. Der Stress erklärt sich übrigens, als eine 15-köpfige Truppe wohlgenährter Spanier in die kleine Bar stürmt und – wahrscheinlich wie jeden Sonntag – gesättigt werden muss. Da zählt jede Scheibe Brot.
Einen kurzen Buenas-Noches-Gruß in den Wohnraum, dann sinke ich glücklich in die Federn.
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