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Region/Kontinent: Südeuropa
Land: Spanien
Reisezeit: Ende Februar bis Ende März 2007

Warum eigentlich auf die Via de la Plata, auf diese uralte Handels- und Heerstraße über die schon Kelten und Römer, später die Mauren und viel später die Spanier gezogen sind?
Eroberer, Rückeroberer, Händler, Abenteurer und nicht zuletzt die Kämpfer für den wahren und einzigen Glauben - für welchen Gott auch immer – haben diesen Weg für ihre Zwecke angelegt, ausgebaut, genutzt und beschrieben. Im Mittelalter dann zogen Pilger über diese alte Route nach Santiago de Compostela, zum Grab des Apostels Jakobus.
Ein Jakobsweg also, wie viele andere in Europa? Nein, denn die großen Pilgerströme hat die Vía de la Plata nie gesehen. Der große Andrang hat sich immer auf die Routen im Norden Spaniens konzentriert, dort war der Weg frei. Das Land im Süden und Westen des spanisch-portugiesischen Teilkontinents durch welches die Via führt, war über Jahrhunderte im Besitz der Mauren und kam somit als natürlicher Pilgerweg nicht in Betracht. Nach der Rückeroberung Spaniens flaute die Pilgerbewegung nach Santiago de Compostela langsam ab und kam schließlich beinahe zum Erliegen. Nur vereinzelt wurden auf der Via de la Plata Pilger gezählt.
Das hat sich bis zu den heutigen Tagen nicht groß geändert. Während auf dem Camino francés, dem spanischen Pilgerweg, das Zählwerk in guten Jahren die Hunderttausender-Marke locker überspringt, ist auf der Via de la Plata von Massenandrang noch nichts zu spüren und es wird vermutlich so bleiben.
Vielleicht liegt das an den extremeren klimatischen Bedingungen (besonders im Sommer), auch sind wegen der geringeren Anzahl der Unterkünfte manchmal lange Etappen erforderlich, oder an der mit beinahe 1.000 km um gut und gerne 230 km längeren Gesamtdistanz, und nicht zuletzt mag die sehr einsame und oft raue Region nahe der Grenze zu Portugal viele Wanderer/Pilger davon abhalten sich auf diesen Jakobsweg zu begeben. Möglich ist aber auch das es einen ganz profanen Grund gibt: vielleicht ist die Vía de la Plata nicht „in“.
Warum also? Genau aus diesen Gründen. Und in Zeiten des Massentourismus war ich auf der Suche nach dem ursprünglichen Spanien, oder einer Ecke Spaniens, die sich noch nicht des Profit willens so weit nach den Vorstellungen der Urlauber verbogen hat, dass sie austauschbar geworden ist.
Ein Land wie es Norman Lewis in „Die Stimmen des alten Meeres“ und ganz besonders Cees Nooteboom in seinen Reisegeschichten „Der Umweg nach Santiago“ (kein Pilgerbuch) beschreiben. Auf der Vía de la Plata, auf dieser alten, unmodernen und dank neuer Medien wieder bekannten Pilgerroute, hoffte ich das alles zu finden.
Zudem ist die Strecke mit knapp 1.000 Kilometer lang genug um mindestens 4 Wochen unterwegs zu sein. Klimatisch passt dieser Jakobsweg auch wunderbar. Wenn es auch noch sehr früh im Jahr war (Februar 2007), auf ausgiebige Schneefälle wollte ich mich nicht einstellen – obwohl, es hat schon Jahre gegeben, in denen wegen Schnee ein Weiterkommen auf der Via nicht möglich war. Meine Hauptsorge galt dem Regen, genauer dem Dauerregen, denn irgendwann regnet es auch in einem der trockensten Regionen Europas. Laut Wetteraufzeichnungen leider im Februar und März.

Quelle für die Karte: Spanische Wikipedia, Verlauf von mir
Alle Namen (bis auf Martín) sind geändert.
Andalusien
1. Tag: Sonntag, 25. Februar 2007 Anreise und Premiere
Etappe: keine
Tageskilometer: 0 Gesamtkilometer: 0


Sevilla - Das Erbe maurischer Kultur, Die Mauer des Palast Reales Alcázares
2. Tag: Montag, 26. Februar 2007 Endlich unterwegs!
Etappe: Sevilla – Guillena
Tageskilometer: 25 Gesamtkilometer: 25


Hinter Santiponce, Die Furt vor Guillena
3. Tag: Dienstag, 27. Februar 2007 Die erste Pilgerherberge
Etappe: Guillena – Castilblanco de los Arroyos
Tageskilometer: 18 Gesamtkilometer: 43


Dehesa, Störche auf dem Kirchturm von Castilblanco de los Arroyos
Land: Spanien
Reisezeit: Ende Februar bis Ende März 2007

Warum eigentlich auf die Via de la Plata, auf diese uralte Handels- und Heerstraße über die schon Kelten und Römer, später die Mauren und viel später die Spanier gezogen sind?
Eroberer, Rückeroberer, Händler, Abenteurer und nicht zuletzt die Kämpfer für den wahren und einzigen Glauben - für welchen Gott auch immer – haben diesen Weg für ihre Zwecke angelegt, ausgebaut, genutzt und beschrieben. Im Mittelalter dann zogen Pilger über diese alte Route nach Santiago de Compostela, zum Grab des Apostels Jakobus.
Ein Jakobsweg also, wie viele andere in Europa? Nein, denn die großen Pilgerströme hat die Vía de la Plata nie gesehen. Der große Andrang hat sich immer auf die Routen im Norden Spaniens konzentriert, dort war der Weg frei. Das Land im Süden und Westen des spanisch-portugiesischen Teilkontinents durch welches die Via führt, war über Jahrhunderte im Besitz der Mauren und kam somit als natürlicher Pilgerweg nicht in Betracht. Nach der Rückeroberung Spaniens flaute die Pilgerbewegung nach Santiago de Compostela langsam ab und kam schließlich beinahe zum Erliegen. Nur vereinzelt wurden auf der Via de la Plata Pilger gezählt.
Das hat sich bis zu den heutigen Tagen nicht groß geändert. Während auf dem Camino francés, dem spanischen Pilgerweg, das Zählwerk in guten Jahren die Hunderttausender-Marke locker überspringt, ist auf der Via de la Plata von Massenandrang noch nichts zu spüren und es wird vermutlich so bleiben.
Vielleicht liegt das an den extremeren klimatischen Bedingungen (besonders im Sommer), auch sind wegen der geringeren Anzahl der Unterkünfte manchmal lange Etappen erforderlich, oder an der mit beinahe 1.000 km um gut und gerne 230 km längeren Gesamtdistanz, und nicht zuletzt mag die sehr einsame und oft raue Region nahe der Grenze zu Portugal viele Wanderer/Pilger davon abhalten sich auf diesen Jakobsweg zu begeben. Möglich ist aber auch das es einen ganz profanen Grund gibt: vielleicht ist die Vía de la Plata nicht „in“.
Warum also? Genau aus diesen Gründen. Und in Zeiten des Massentourismus war ich auf der Suche nach dem ursprünglichen Spanien, oder einer Ecke Spaniens, die sich noch nicht des Profit willens so weit nach den Vorstellungen der Urlauber verbogen hat, dass sie austauschbar geworden ist.
Ein Land wie es Norman Lewis in „Die Stimmen des alten Meeres“ und ganz besonders Cees Nooteboom in seinen Reisegeschichten „Der Umweg nach Santiago“ (kein Pilgerbuch) beschreiben. Auf der Vía de la Plata, auf dieser alten, unmodernen und dank neuer Medien wieder bekannten Pilgerroute, hoffte ich das alles zu finden.
Zudem ist die Strecke mit knapp 1.000 Kilometer lang genug um mindestens 4 Wochen unterwegs zu sein. Klimatisch passt dieser Jakobsweg auch wunderbar. Wenn es auch noch sehr früh im Jahr war (Februar 2007), auf ausgiebige Schneefälle wollte ich mich nicht einstellen – obwohl, es hat schon Jahre gegeben, in denen wegen Schnee ein Weiterkommen auf der Via nicht möglich war. Meine Hauptsorge galt dem Regen, genauer dem Dauerregen, denn irgendwann regnet es auch in einem der trockensten Regionen Europas. Laut Wetteraufzeichnungen leider im Februar und März.

Quelle für die Karte: Spanische Wikipedia, Verlauf von mir
Alle Namen (bis auf Martín) sind geändert.
Andalusien
1. Tag: Sonntag, 25. Februar 2007 Anreise und Premiere
Etappe: keine
Tageskilometer: 0 Gesamtkilometer: 0


Sevilla - Das Erbe maurischer Kultur, Die Mauer des Palast Reales Alcázares
Um es kurz zu machen: Mit Air Berlin von Köln-Bonn über Mallorca nach Sevilla. Dank frühem Flug komme ich schon gegen Mittag in Sevilla an. Die Flughafenhalle kann mit ihrer Größe und Baustil mit jedem deutschen Kleinstadtbahnhof konkurrieren. Dafür dreht mein Rucksack schon Kreise auf dem Gepäckband. Erst mal umschauen wie wir in die Stadt kommen und einen Stadtplan besorgen.
Wir? Ja, ich habe mich zum ersten Mal für so eine Tour mit jemanden verabredet, den ich nicht kenne. Michael, nicht ganz 30 Jahre alt und nach handwerklicher Ausbildung nun Student, und ich haben uns übers Internet verabredet. Zufällig reisen wir am gleichen Tag an.
Das reicht aus um die ersten Tage auf der Via gemeinsam anzugehen. Als eingefleischter Alleinwanderer oder wenn doch, dann mit meiner Frau, bin ich mal gespannt wer da kommt. Mit fast 50 Jahren bin ich 20 Jahre älter – mal sehen, wie es ausgehen wird.
Es kommt ein großer, sogar sehr großer Mann. Neuer Rucksack, neue Wanderhose, so gut wie neue Wanderschuhe, neuer Pilgerführer und einen neuen noch jungfräulichen Pilgerausweis hat er dabei. Wandererfahrung (wenn man von den kurzen Spaziergängen zum Einlaufen der Schuhe absieht) hat er keine, dafür den Willen diesen Weg bis zum Ende zu gehen und eine gute Portion Optimismus. Weil er auch bis Ostern durch sein muss (das Studium geht weiter), passt es auch in dieser Hinsicht.
Mit dem Bus fahren wir in die Stadt und zu Fuß weiter zur Jugendherberge. Unzählige Orangenbäume, die hier wie Unkraut am Straßenrand und in den Parks stehen, hängen voll reifer Früchte. Uns ergeht es wie wohl den meisten Leuten aus den kühleren Regionen Europas: Ob man die essen kann? Obwohl überreif, essen sollte man die nicht, so deuten wir die Geste eines Passanten, als Michael sich eine Orange pflücken will. Später erfahre ich, dass der überwiegende Teil der Orangen dieser Region nicht für den Verzehr geeignet sind. Die Lebensmittel- und Pharmaindustrie (u. a. Vitamin C in konzentrierter Form) sollen die Hauptabnehmer der Früchte sein.
Zum Glück ist die Jugendherberge nicht voll, denn obwohl Michael gebucht hat, liegt keine Reservierung vor. Auf mein Glück bauend, bin ich ohne Reservierung angereist. Man findet immer was. In der Not tut’s auch ’ne Absteige. Die Jugendherberge gehört aber zu den besseren Häusern dieser Art.
Nachmittags ist Stadtbesichtigung angesagt. Zudem wollen wir schon den ersten Kilometer der Via de la Plata hinter uns bringen. Morgen früh können wir dann direkt zum Stadtrand gehen und ohne Umweg die Wanderung nach Norden beginnen. Kurzer Blick in den Stadtplan und dann los. Alles kein Problem. Nur die Sonne, die steht da, wo sie um diese Uhrzeit, bei der Gehrichtung nicht stehen sollte. In der richtigen Annahme, dass sich wegen uns der Lauf der Gestirne nicht geändert hat, stellen wir fest, dass wir uns verlaufen haben. Weil ich mir die Navigation durch die Stadt untern Nagel gerissen hab’ („ ... als Ex-Segler und Vielautofahrer kein Problem!“) schaue ich mir das Blatt mal genauer an. Stimmt doch alles, bis ich den Nordpfeil entdecke. Die Karte ist nicht nach Norden ausgerichtet. Wir schaffen’s dann doch noch zur Altstadt. Mit einen stilgerechten Menü bei der amerikanischen Bulettenbude mit dem großen ‚M’ im Namen, eröffnen wir die kulinarischen Wochen, die vor uns liegen.
Danach geht es in die Altstadt. Weil Sonntag und dazu der Tag sich mittlerweile dem Abend nähert, ist beinahe alles geschlossen. Uns steht eh nicht der Sinn nach Museumsbesuchen und Kultur. Nachdem wir die Das-muss-man-gesehen-haben! abgehakt haben, geht’s auf die Suche nach den gelben Pfeilen, der Markierung der Via der la Plata. Wir werden noch unzählige sehen, aber der erste Pfeil ist ein Muss. Weil das Westportal der Kathedrale wegen Bauarbeiten nicht zugänglich ist (hier nimmt die Vía ihren Anfang) finden wir die erste Markierung an einem Laternenpfahl. Versteckt zwischen allerlei Zettel sind wir mehrmals daran vorbeigelaufen. Jetzt gibt es nur noch eins: den Pfeilen hinterher bis zur Brücke am Rio Guadalquivir, den wir morgen überqueren werden. Wir sind uns einig, dass auch das sein muss. Wenn schon die kompletten 1.000 Kilometer bis nach Santiago de Compostela, dann auch die ersten 1.000 Meter in der Innenstadt von Sevilla. Wir wollen noch einen Stempel der Kathedrale für unsere Pilgerausweise. Leider findet gerade ein Gottesdienst statt. Den Stempel sollen wir uns nach dessen Ende holen. Ein Stempel der Jugendherberge tut es auch, beschließen wir und machen uns auf den Rückweg.
Duschen, noch etwas quatschen und beschnuppern, dann ins Bett – das war der erste Tag. „Eigentlich nicht schlecht“, so mein erstes Resümee.
Wir? Ja, ich habe mich zum ersten Mal für so eine Tour mit jemanden verabredet, den ich nicht kenne. Michael, nicht ganz 30 Jahre alt und nach handwerklicher Ausbildung nun Student, und ich haben uns übers Internet verabredet. Zufällig reisen wir am gleichen Tag an.
Das reicht aus um die ersten Tage auf der Via gemeinsam anzugehen. Als eingefleischter Alleinwanderer oder wenn doch, dann mit meiner Frau, bin ich mal gespannt wer da kommt. Mit fast 50 Jahren bin ich 20 Jahre älter – mal sehen, wie es ausgehen wird.
Es kommt ein großer, sogar sehr großer Mann. Neuer Rucksack, neue Wanderhose, so gut wie neue Wanderschuhe, neuer Pilgerführer und einen neuen noch jungfräulichen Pilgerausweis hat er dabei. Wandererfahrung (wenn man von den kurzen Spaziergängen zum Einlaufen der Schuhe absieht) hat er keine, dafür den Willen diesen Weg bis zum Ende zu gehen und eine gute Portion Optimismus. Weil er auch bis Ostern durch sein muss (das Studium geht weiter), passt es auch in dieser Hinsicht.
Mit dem Bus fahren wir in die Stadt und zu Fuß weiter zur Jugendherberge. Unzählige Orangenbäume, die hier wie Unkraut am Straßenrand und in den Parks stehen, hängen voll reifer Früchte. Uns ergeht es wie wohl den meisten Leuten aus den kühleren Regionen Europas: Ob man die essen kann? Obwohl überreif, essen sollte man die nicht, so deuten wir die Geste eines Passanten, als Michael sich eine Orange pflücken will. Später erfahre ich, dass der überwiegende Teil der Orangen dieser Region nicht für den Verzehr geeignet sind. Die Lebensmittel- und Pharmaindustrie (u. a. Vitamin C in konzentrierter Form) sollen die Hauptabnehmer der Früchte sein.
Zum Glück ist die Jugendherberge nicht voll, denn obwohl Michael gebucht hat, liegt keine Reservierung vor. Auf mein Glück bauend, bin ich ohne Reservierung angereist. Man findet immer was. In der Not tut’s auch ’ne Absteige. Die Jugendherberge gehört aber zu den besseren Häusern dieser Art.
Nachmittags ist Stadtbesichtigung angesagt. Zudem wollen wir schon den ersten Kilometer der Via de la Plata hinter uns bringen. Morgen früh können wir dann direkt zum Stadtrand gehen und ohne Umweg die Wanderung nach Norden beginnen. Kurzer Blick in den Stadtplan und dann los. Alles kein Problem. Nur die Sonne, die steht da, wo sie um diese Uhrzeit, bei der Gehrichtung nicht stehen sollte. In der richtigen Annahme, dass sich wegen uns der Lauf der Gestirne nicht geändert hat, stellen wir fest, dass wir uns verlaufen haben. Weil ich mir die Navigation durch die Stadt untern Nagel gerissen hab’ („ ... als Ex-Segler und Vielautofahrer kein Problem!“) schaue ich mir das Blatt mal genauer an. Stimmt doch alles, bis ich den Nordpfeil entdecke. Die Karte ist nicht nach Norden ausgerichtet. Wir schaffen’s dann doch noch zur Altstadt. Mit einen stilgerechten Menü bei der amerikanischen Bulettenbude mit dem großen ‚M’ im Namen, eröffnen wir die kulinarischen Wochen, die vor uns liegen.
Danach geht es in die Altstadt. Weil Sonntag und dazu der Tag sich mittlerweile dem Abend nähert, ist beinahe alles geschlossen. Uns steht eh nicht der Sinn nach Museumsbesuchen und Kultur. Nachdem wir die Das-muss-man-gesehen-haben! abgehakt haben, geht’s auf die Suche nach den gelben Pfeilen, der Markierung der Via der la Plata. Wir werden noch unzählige sehen, aber der erste Pfeil ist ein Muss. Weil das Westportal der Kathedrale wegen Bauarbeiten nicht zugänglich ist (hier nimmt die Vía ihren Anfang) finden wir die erste Markierung an einem Laternenpfahl. Versteckt zwischen allerlei Zettel sind wir mehrmals daran vorbeigelaufen. Jetzt gibt es nur noch eins: den Pfeilen hinterher bis zur Brücke am Rio Guadalquivir, den wir morgen überqueren werden. Wir sind uns einig, dass auch das sein muss. Wenn schon die kompletten 1.000 Kilometer bis nach Santiago de Compostela, dann auch die ersten 1.000 Meter in der Innenstadt von Sevilla. Wir wollen noch einen Stempel der Kathedrale für unsere Pilgerausweise. Leider findet gerade ein Gottesdienst statt. Den Stempel sollen wir uns nach dessen Ende holen. Ein Stempel der Jugendherberge tut es auch, beschließen wir und machen uns auf den Rückweg.
Duschen, noch etwas quatschen und beschnuppern, dann ins Bett – das war der erste Tag. „Eigentlich nicht schlecht“, so mein erstes Resümee.
2. Tag: Montag, 26. Februar 2007 Endlich unterwegs!
Etappe: Sevilla – Guillena
Tageskilometer: 25 Gesamtkilometer: 25


Hinter Santiponce, Die Furt vor Guillena
Wie jedes spanische Frühstück, auch das in der Jugendherberge ist bis auf den Kaffee nicht der Rede wert. Brot aus dem Toaster, Marmelade, süßes Törtchen und Butter – das war’s.
Noch mal ein kritischer Blick in den Rucksack, dann geht es endlich los. Immer am Ufer des Rio Guadalquivir entlang eilen wir der Brücke entgegen. Wir eilen wirklich. Mich treibt die Vorfreude auf die kommenden Wochen. Noch mehr treibt Michaels unglaubliche Schrittlänge, die, zusammen mit seinem schnellen Schritt, mich beinahe ans Fliegen bringt. Wenn ausreichend Pausen gemacht werden, stört es mich eigentlich nicht. Wir gehen mindestens 6 Kilometer in der Stunde. Weil er aus Gewohnheit nicht anders gehen kann, wird er es wohl durchhalten. 1.000 km geteilt durch 6, schon auf den ersten Metern fange ich mit dem Rechnen an …
Am Flussufer vor der Brücke hausen Obdachlose in Zelten und aus Sperrmüll gebauten Hütten. Auf den ersten Blick idyllisch, der zweite wirft Fragen auf von was die hier in Spanien leben? Der Tagesatz für Obdachlose ohne festen Wohnsitz wie bei uns in Deutschland, wird in Spanien unbekannt sein. Oder rekrutieren die andalusischen Großgrundbesitzer aus dieser Gruppe einen Teil ihrer Saisonkräfte? Größere Lager dieser Art habe ich schon vor Jahren zwischen den unendlichen Plastikgewächshäusern rund um Almeria an der Mittelmeerküste gesehen. Dort hausten illegale afrikanische Emigranten die, weil erpressbar und ohne fürsorgende Hand, für einen Hungerlohn dafür sorgten, dass in den wohlhabenden Regionen Europas billiges Gemüse auf den Tisch kommt. Nach Unruhen Ende der neunziger Jahre hat sich deren Situation zum Glück etwas verbessert. Schon an der Brücke habe ich den Gedanken an diese Problematik wieder verdrängt. Die Vorfreude auf die Wanderung überwiegt.
Michael braucht noch Geld. Während er sich am Geldautomaten vergnügt, fällt mir ein älter Mann mit einem kleinen Lederrucksack auf. Na, der wird doch wohl nicht? Ein kleines gelbes Buch (Wegführer aus dem Outdoorverlag) in seiner Hand sagt mir, dass er auch auf dem Weg ist. Es handelt sich um einen Holländer, der die Via de Plata gehen will. Er braucht nur noch einen Pilgerstempel aus einer nahen Bar. Zusammen mit seiner Frau hat er sich in einem Hotel in der Nähe einquartiert, und geht die ersten Etappen als Tagesetappen. Nach drei Tagen wird seine Frau zurück fliegen, und er wird mit einem großen Rucksack unterwegs sein. Angeblich ist er schon zu Fuß von Bonn nach Rom und von Holland nach Santiago de Compostela gegangen. Ich glaub’ ihm kein Wort. Er sieht eher nach einem Stempeljäger aus, der in der Heimat damit angeben will, dass er auf der Via de la Plata unterwegs war. Michael ist da anderer Meinung.
Die Vorstädte von Sevilla reißen uns nicht zu Stürmen der Begeisterung hin. Aus der Ferne grüßt das Gelände der Expo ’92 (Weltausstellung). Von der Brücke über dem schiffbaren Seitenkanal des Rio Guadalquivir sieht es so aus, als würden die ehemaligen Austellungsbebäude langsam verfallen. Als Angler fällt Michael sofort auf, dass es im Kanal Ebbe und Flut gibt. Wir sind etwas erstaunt. So weit im Inland? Bis uns einfällt, dass Sevilla im Mittelalter einen bedeutenden Hafen mit Anschluss an den Atlantik besaß, von dem ein Großteil der Schiffe ausliefen ohne die die Eroberung Lateinamerikas höchstwahrscheinlich anderes verlaufen wäre. Heute hat der Fluss seine Mündung weit in den Atlantik vorgeschoben. In der Stadt hatte ich nie das Gefühl in einer Hafenstadt zu sein, obwohl die Ladekräne sichtbar waren, denke ich auf der Brücke.
Viel wichtiger ist jedoch, dass sich das Gefühl des Unterwegsseins einstellt. Meist dauert es einige Tage bis dieses ungewohnte Gefühl da ist. Heute ist es schon am ersten Tag da. Es ist mehr als Freude und gute Laune. Ein innerliches Vibrieren, eine freudige Anspannung auf das Neue, Unbekannte, auf das was alles in den kommenden Wochen passieren wird. Das Alltagsleben, bestimmt von bürgerlichen Vorstellungen, von Banken und Versicherungen, von der Straßenverkehrsordnung, von der fälligen Reparatur am Auto, dem Wohlergehen der erwachsenen Kinder (die können ganz gut für sich sorgen), der Alltagspolitik, das alles wird nach wenigen Tagen bei mir zur Nebensache, das meiste belanglos. Wenige, dafür um so wichtigere Dingen treten in den Vordergrund. Wie wird das Wetter? Wie ist der Weg? Wo gibt es was zu essen? Wo schlafe ich heute Nacht? Mehr brauche ich nicht. Genug Zeit und Raum für andere Gedanken, Wünsche, Träume und Hoffnungen. Meditatives Gehen, neben der Lust an der Bewegung, der sportlichen Herausforderung und dem Kennenlernen neuer Menschen und Länder, sind einige der Gründe, die mich immer wieder auf lange Wege treibt.
Bis hinter Santiponce ziehen sich die Vororte. Hier empfehlen beide Wanderführer den Besuch der Ruinenstadt Itálica. Wie in allen Ausgrabungsstädten des untergegangen römischen Imperiums gibt es auch hier Steine zu sehen. Und wie so oft soll die Größe des Amphitheaters (hier 25.000) die ehemalige Bedeutung der Stadt dokumentieren. Dass hier zusätzlich noch zwei bedeutende römische Kaiser geboren wurden, kann uns auch nicht zu einem Besuch bewegen. Wir wollen bis zum Nachmittag in Guillena sein. Und hinter Santiponce soll endlich der Abschnitt durch die Städte und Dörfer hinter uns liegen. Ackerland und Ackerwege versprechen die Bücher. Ein klein bisschen Abenteuer soll es auch noch geben.
Bücher lügen nicht. Wie versprochen haben wir nun endlich breite Ackerwege unter den Füßen. Kein Verkehr, kein Lärm, auch keine Kurve. Immer geradeaus durch welliges Gelände. Um diese frühe Jahreszeit ist noch nicht erkennbar was hier in wenigen Wochen wachsen wird. Schnell gehen muss es auf alle Fälle. Im Sommer wird das hier alles verbrannte Erde sein. Bewässerungsanlagen sind jedenfalls nicht zu sehen, oder noch nicht.
Irgendwann kommt das versprochene kleine Abenteuer. Ein Furt muss überquert werden. Im Sommer kann man hier höchstwahrscheinlich trockenen Fußes durch gehen. Jetzt steht das Wasser bedeutend höher, wie hoch können wir wegen der trüben Brühe nicht erkennen. Wenn wir hier durch wollen, muss die Hose auf jeden Fall runter. Erstmal umsehen. 50 Meter weiter rechts wächst ein Baum so schräg übers Wasser, dass wir da, gelenkig wie wir sind, ohne große Umstände auf die andere Seite kommen.
Nachmittags treffen wir in Guillena ein. Der erste Weg führt zum einzigen Hostal. Alles voll, nix zu machen, lautet die freundliche Auskunft die wir am Tresen erhalten. Also Notunterkunft. Der zweite Weg führt uns ins Rathaus und der dritte zur Policía Local. Hier gibt es den ersten Stempel. Ungefragt drücken uns die Jungs den in den Pilgerausweis. Die kennen das überhaupt nicht anders. Wenn man den nicht haben will, wird man wohl in die Analen der Polizeistation eingehen. Später auf dem Weg sollte ich das noch öfter feststellen. Die Verbindung Mensch, Rucksack, Unterkunft, lies fast jeden zum Stempelkissen greifen.
Die Männer schließen uns die Notunterkunft auf. Im Pilgerführer steht was von der Sporthalle. Das man im Umkleideraum schlafen muss wird nirgends erwähnt. Für zwei Wanderer reicht der Platz aus, dass wir keinen Klo haben ist das einzige Manko. Die Polizisten können den Schlüssel nicht finden. Fürs kleine Geschäft ist das kein Problem. Aber das andere ... hinter den Büschen am Sportplatz? Die Bar fällt jedenfalls aus. Die macht früh zu.
Bei der Suche nach einem Lebensmittelladen treffe ich noch zwei Männer mit Rucksack. Hubert (69) und Marco (Anfang 40), Vater und Sohn kommen aus Belgien. Der Vater ist, wie wir bald erfahren, aus religiösen Gründen auf der Via unterwegs, der Sohn nimmt es eher sportlich. Die beiden gehen bis Salamanca. Für mehr reicht die Zeit nicht.
Wir gehen erstmal auf ein Bier oder Kaffee in eine Bar. Ohne dass wir es wollen, werden wir von einem Liebhaber des Stierkampfs in eine Diskussion verwickelt. Obwohl niemand von uns etwas gegen den Stierkampf gesagt hat, fängt der Spanier an, das Töten der Tiere aus Spaß zu verteidigen. Er verdient sein Geld als Fotograf. Unter anderem mit Bildern von den Stierkämpfen. Dem Spanier muss das ewige Meckern am Volksvergnügen ja mächtig an die Nieren gehen, wenn er es schon im Voraus verteidigt. Mir ist die Sache mit dem Stierkampf egal. Die mitteleuropäische Massentierhandlung ist auch nicht humaner.
Zum Abendessen in der Notunterkunft gibt es ein Livespiel der alten Herren auf dem angrenzenden Sportplatz bei Flutlicht. Etwas eng geworden ist es jetzt doch im Umkleideraum. Zum Glück hat Marco den Schlüssel für den Toilettenraum organisieren können. Die erste Etappe fordert ihren Tribut: Wir schlafen alle wie ein Stein.
Noch mal ein kritischer Blick in den Rucksack, dann geht es endlich los. Immer am Ufer des Rio Guadalquivir entlang eilen wir der Brücke entgegen. Wir eilen wirklich. Mich treibt die Vorfreude auf die kommenden Wochen. Noch mehr treibt Michaels unglaubliche Schrittlänge, die, zusammen mit seinem schnellen Schritt, mich beinahe ans Fliegen bringt. Wenn ausreichend Pausen gemacht werden, stört es mich eigentlich nicht. Wir gehen mindestens 6 Kilometer in der Stunde. Weil er aus Gewohnheit nicht anders gehen kann, wird er es wohl durchhalten. 1.000 km geteilt durch 6, schon auf den ersten Metern fange ich mit dem Rechnen an …
Am Flussufer vor der Brücke hausen Obdachlose in Zelten und aus Sperrmüll gebauten Hütten. Auf den ersten Blick idyllisch, der zweite wirft Fragen auf von was die hier in Spanien leben? Der Tagesatz für Obdachlose ohne festen Wohnsitz wie bei uns in Deutschland, wird in Spanien unbekannt sein. Oder rekrutieren die andalusischen Großgrundbesitzer aus dieser Gruppe einen Teil ihrer Saisonkräfte? Größere Lager dieser Art habe ich schon vor Jahren zwischen den unendlichen Plastikgewächshäusern rund um Almeria an der Mittelmeerküste gesehen. Dort hausten illegale afrikanische Emigranten die, weil erpressbar und ohne fürsorgende Hand, für einen Hungerlohn dafür sorgten, dass in den wohlhabenden Regionen Europas billiges Gemüse auf den Tisch kommt. Nach Unruhen Ende der neunziger Jahre hat sich deren Situation zum Glück etwas verbessert. Schon an der Brücke habe ich den Gedanken an diese Problematik wieder verdrängt. Die Vorfreude auf die Wanderung überwiegt.
Michael braucht noch Geld. Während er sich am Geldautomaten vergnügt, fällt mir ein älter Mann mit einem kleinen Lederrucksack auf. Na, der wird doch wohl nicht? Ein kleines gelbes Buch (Wegführer aus dem Outdoorverlag) in seiner Hand sagt mir, dass er auch auf dem Weg ist. Es handelt sich um einen Holländer, der die Via de Plata gehen will. Er braucht nur noch einen Pilgerstempel aus einer nahen Bar. Zusammen mit seiner Frau hat er sich in einem Hotel in der Nähe einquartiert, und geht die ersten Etappen als Tagesetappen. Nach drei Tagen wird seine Frau zurück fliegen, und er wird mit einem großen Rucksack unterwegs sein. Angeblich ist er schon zu Fuß von Bonn nach Rom und von Holland nach Santiago de Compostela gegangen. Ich glaub’ ihm kein Wort. Er sieht eher nach einem Stempeljäger aus, der in der Heimat damit angeben will, dass er auf der Via de la Plata unterwegs war. Michael ist da anderer Meinung.
Die Vorstädte von Sevilla reißen uns nicht zu Stürmen der Begeisterung hin. Aus der Ferne grüßt das Gelände der Expo ’92 (Weltausstellung). Von der Brücke über dem schiffbaren Seitenkanal des Rio Guadalquivir sieht es so aus, als würden die ehemaligen Austellungsbebäude langsam verfallen. Als Angler fällt Michael sofort auf, dass es im Kanal Ebbe und Flut gibt. Wir sind etwas erstaunt. So weit im Inland? Bis uns einfällt, dass Sevilla im Mittelalter einen bedeutenden Hafen mit Anschluss an den Atlantik besaß, von dem ein Großteil der Schiffe ausliefen ohne die die Eroberung Lateinamerikas höchstwahrscheinlich anderes verlaufen wäre. Heute hat der Fluss seine Mündung weit in den Atlantik vorgeschoben. In der Stadt hatte ich nie das Gefühl in einer Hafenstadt zu sein, obwohl die Ladekräne sichtbar waren, denke ich auf der Brücke.
Viel wichtiger ist jedoch, dass sich das Gefühl des Unterwegsseins einstellt. Meist dauert es einige Tage bis dieses ungewohnte Gefühl da ist. Heute ist es schon am ersten Tag da. Es ist mehr als Freude und gute Laune. Ein innerliches Vibrieren, eine freudige Anspannung auf das Neue, Unbekannte, auf das was alles in den kommenden Wochen passieren wird. Das Alltagsleben, bestimmt von bürgerlichen Vorstellungen, von Banken und Versicherungen, von der Straßenverkehrsordnung, von der fälligen Reparatur am Auto, dem Wohlergehen der erwachsenen Kinder (die können ganz gut für sich sorgen), der Alltagspolitik, das alles wird nach wenigen Tagen bei mir zur Nebensache, das meiste belanglos. Wenige, dafür um so wichtigere Dingen treten in den Vordergrund. Wie wird das Wetter? Wie ist der Weg? Wo gibt es was zu essen? Wo schlafe ich heute Nacht? Mehr brauche ich nicht. Genug Zeit und Raum für andere Gedanken, Wünsche, Träume und Hoffnungen. Meditatives Gehen, neben der Lust an der Bewegung, der sportlichen Herausforderung und dem Kennenlernen neuer Menschen und Länder, sind einige der Gründe, die mich immer wieder auf lange Wege treibt.
Bis hinter Santiponce ziehen sich die Vororte. Hier empfehlen beide Wanderführer den Besuch der Ruinenstadt Itálica. Wie in allen Ausgrabungsstädten des untergegangen römischen Imperiums gibt es auch hier Steine zu sehen. Und wie so oft soll die Größe des Amphitheaters (hier 25.000) die ehemalige Bedeutung der Stadt dokumentieren. Dass hier zusätzlich noch zwei bedeutende römische Kaiser geboren wurden, kann uns auch nicht zu einem Besuch bewegen. Wir wollen bis zum Nachmittag in Guillena sein. Und hinter Santiponce soll endlich der Abschnitt durch die Städte und Dörfer hinter uns liegen. Ackerland und Ackerwege versprechen die Bücher. Ein klein bisschen Abenteuer soll es auch noch geben.
Bücher lügen nicht. Wie versprochen haben wir nun endlich breite Ackerwege unter den Füßen. Kein Verkehr, kein Lärm, auch keine Kurve. Immer geradeaus durch welliges Gelände. Um diese frühe Jahreszeit ist noch nicht erkennbar was hier in wenigen Wochen wachsen wird. Schnell gehen muss es auf alle Fälle. Im Sommer wird das hier alles verbrannte Erde sein. Bewässerungsanlagen sind jedenfalls nicht zu sehen, oder noch nicht.
Irgendwann kommt das versprochene kleine Abenteuer. Ein Furt muss überquert werden. Im Sommer kann man hier höchstwahrscheinlich trockenen Fußes durch gehen. Jetzt steht das Wasser bedeutend höher, wie hoch können wir wegen der trüben Brühe nicht erkennen. Wenn wir hier durch wollen, muss die Hose auf jeden Fall runter. Erstmal umsehen. 50 Meter weiter rechts wächst ein Baum so schräg übers Wasser, dass wir da, gelenkig wie wir sind, ohne große Umstände auf die andere Seite kommen.
Nachmittags treffen wir in Guillena ein. Der erste Weg führt zum einzigen Hostal. Alles voll, nix zu machen, lautet die freundliche Auskunft die wir am Tresen erhalten. Also Notunterkunft. Der zweite Weg führt uns ins Rathaus und der dritte zur Policía Local. Hier gibt es den ersten Stempel. Ungefragt drücken uns die Jungs den in den Pilgerausweis. Die kennen das überhaupt nicht anders. Wenn man den nicht haben will, wird man wohl in die Analen der Polizeistation eingehen. Später auf dem Weg sollte ich das noch öfter feststellen. Die Verbindung Mensch, Rucksack, Unterkunft, lies fast jeden zum Stempelkissen greifen.
Die Männer schließen uns die Notunterkunft auf. Im Pilgerführer steht was von der Sporthalle. Das man im Umkleideraum schlafen muss wird nirgends erwähnt. Für zwei Wanderer reicht der Platz aus, dass wir keinen Klo haben ist das einzige Manko. Die Polizisten können den Schlüssel nicht finden. Fürs kleine Geschäft ist das kein Problem. Aber das andere ... hinter den Büschen am Sportplatz? Die Bar fällt jedenfalls aus. Die macht früh zu.
Bei der Suche nach einem Lebensmittelladen treffe ich noch zwei Männer mit Rucksack. Hubert (69) und Marco (Anfang 40), Vater und Sohn kommen aus Belgien. Der Vater ist, wie wir bald erfahren, aus religiösen Gründen auf der Via unterwegs, der Sohn nimmt es eher sportlich. Die beiden gehen bis Salamanca. Für mehr reicht die Zeit nicht.
Wir gehen erstmal auf ein Bier oder Kaffee in eine Bar. Ohne dass wir es wollen, werden wir von einem Liebhaber des Stierkampfs in eine Diskussion verwickelt. Obwohl niemand von uns etwas gegen den Stierkampf gesagt hat, fängt der Spanier an, das Töten der Tiere aus Spaß zu verteidigen. Er verdient sein Geld als Fotograf. Unter anderem mit Bildern von den Stierkämpfen. Dem Spanier muss das ewige Meckern am Volksvergnügen ja mächtig an die Nieren gehen, wenn er es schon im Voraus verteidigt. Mir ist die Sache mit dem Stierkampf egal. Die mitteleuropäische Massentierhandlung ist auch nicht humaner.
Zum Abendessen in der Notunterkunft gibt es ein Livespiel der alten Herren auf dem angrenzenden Sportplatz bei Flutlicht. Etwas eng geworden ist es jetzt doch im Umkleideraum. Zum Glück hat Marco den Schlüssel für den Toilettenraum organisieren können. Die erste Etappe fordert ihren Tribut: Wir schlafen alle wie ein Stein.
3. Tag: Dienstag, 27. Februar 2007 Die erste Pilgerherberge
Etappe: Guillena – Castilblanco de los Arroyos
Tageskilometer: 18 Gesamtkilometer: 43


Dehesa, Störche auf dem Kirchturm von Castilblanco de los Arroyos
Schon früh sind wir alle wach. Die erste Nacht von vielen, hoffe ich. Schlecht geschlafen habe ich nicht. Einzig das Lattenrost der Sitzbank, die als Bett erhalten musste, hat für eine Druckstelle gesorgt. Mich wundert, dass ich davon nicht wach geworden bin. Es tut richtig weh.
Nebenan schiebt der Wirt laut scheppernd das Gitter der Bar zur Seite. Für uns das Signal zum Kaffee. Herrlich! An der Theke hocken Männer vor einer Tasse Kaffee und warten auf den Bus, der sie zur Arbeit bringen wird. Michael und ich warten darauf, dass die beiden Belgier ihr ausgiebiges Frühstück beenden und dann geht es los.
Die heutige Etappe ist mit 18 km einigermaßen kurz, man könnte auch mittags starten. Aus einem unerfindlichen Grund haben wir es denoch eilig. Wir starten gemeinsam, aber Michael und ich lassen schon nach wenigen Metern Vater und Sohn hinter uns. Die für uns noch ungewohnten Kakteen, die zwischen Ort und Gewerbegebiet den Weg begrenzen, lockern das etwas langweilige Bild auf. Also wenn man jetzt auf der Stelle mal ganz dringend hinter die Büsche müsste, das dürfte Probleme geben! Dass der Weg anfangs nicht besonders schön ist, stört uns weiter nicht. Das wir den ersten Tag ohne Schwierigkeiten gemeistert haben, und die Freude am Unterwegssein macht das wett. Hinter einer schmuddeligen Gewerbehalle, aus der ein widerlicher Gestank dringt, wird auch die Umgebung besser.
Zudem steht die erste nennenswerte Steigung seit Sevilla an. Wir gehen durch eine noch junge Olivenbaumplantage. Ohne die schwarzen Wasserleitungen, die tatsächlich jeden Baum bewässern, hätte die Anpflanzung schon den ersten Sommer nicht überlebt. Die Zahl der Olivenbäume geht in die Tausende. An jeder Parzelle gibt ein kleines Schild Auskunft über die Anzahl der Bäume und die Sorte.
Am Gatter einer privaten Dehesa (beweidete Eichenlandschaft) ändert sich der Bewuchs schlagartig. Um uns sind grüne Wiesen, unter Korkeichen grasen Kühe und Kälber. An den Rändern kleiner Bäche und Tümpel wuchern Gräser und Sträucher um die Wette. Im Gegenlicht der Morgensonne wirkt die noch taunasse Hügellandschaft, als hätte sie jemand gerade erst erschaffen.
Wegen der ständigen Beweidung wirken viele Dehesas wie eine große Parklandschaft. Die Steineichen stehen in einem so großen Abstand, dass sich darunter eine geschlossene Wiesenlandschaft ausbreiten kann. Die Kühe, in Andalusien und der Extremadura sind es oft auch Schweine, verhindern das Hochkommen neuer Bäume und Sträucher. Im Sommer leiden auch die Dehesas unter der Gluthitze Südspaniens, dann ist alles braun und verbrannt. Jetzt aber, ganz früh im Jahr, ist noch alles grün. Vom bevorstehenden Wassermangel ist noch nichts zu sehen. Wie alle Paradiese, ist auch dieses endlich. Wir müssen auf eine Landstraße, die uns nach Castilblanco de los Arroyos bringt.
Den Schlüssel für die Herberge gibt es an der Tankstelle, in der Herberge knöpft und eine freundliche Frau 2 Euro für die Übernachtung ab und trägt die Nummern unserer Pässe ein. Für uns ist das alles noch ungewohnt. Wenn’s weiter so einfach ist eine Unterkunft zu finden, werde ich dabei bleiben, beschließe ich. Hin und wieder wollte ich auch mal in einem Hotel übernachten, so war meine Vorplanung. Und wenn es mal gar keine Übernachtungsmöglichkeit geben sollte, na ja, für diese Fälle ist ein Zelt im Rucksack. Wenn’s aber immer so einfach ist eine Pilgerherberge zu finden, wird das im Packsack bleiben.
Das ist sie also: meine erste richtige Pilgerherberge, nicht so eine Notunterkunft wie letzte Nacht. Ganz schön groß, relativ sauber, zwei Duschen, eine große Terrasse und ein richtiges Pilgerbuch.
Nach dem Duschen wird das durchgeackert. Ob es daran liegt das hier das erste Buch der Via ausliegt? Die Leute sind sehr mitteilsam. Viele lassen sich seitenlang über die ersten zwei Tage auf der Via oder über ihre Beweggründe aus. Wer gut zeichnen kann, hinterlässt ein Bild vom Weg (auf ein paar kann ich die Dehesa wiedererkennen) oder sogar einen kurzen Comic. Viele klagen übers Wetter: Im Frühjahr und Herbst über sintflutartigen Regen, der, wie man den Schilderungen entnehmen kann, meist über Tage anhält, oder über die Hitze im Sommer. Andere wiederum klagen über die Einsamkeit. Gestartet wie wir (oder sogar im Winter) also außerhalb der „Saison“, die auf der Via de la Plata um Ostern beginnt, fehlt es schon am zweiten Tag an Gesprächspartnern.
Als wir nach der Dorfbesichtigung wieder in der Herberge eintrudeln, sind auch die Belgier da. Weil es eine so schöne und auch kurze Etappe war, haben die gleich vier Pausen gemacht. Marco und Hubert kommen dann ins Erzählen. Hubert ist im letzten Jahr den ganzen Camino francés gegangen. 5 Wochen war er unterwegs. Beachtlich für einen Mann von 69 Jahren. Die Via möchte er nicht alleine gehen. Deshalb ist sein Sohn Marco dabei. Da dessen Urlaub begrenzt ist, reicht es nur für die Hälfte der Strecke. 2008 soll der Rest bis Santiago folgen. Bevor er 70 wird, möchte er noch mal da gewesen sein.
Abends gehen wir alle in eine Bar. Wie es sich für Mitteleuropäer gehört, stehen wir schon kurz nach 19 Uhr im Lokal. Keine Chance! Vor 21 Uhr gibt es nichts Warmes aus der Küche. Wir begnügen uns mit den kalten Häppchen aus der Theke.
Bei der Rückkehr in die Unterkunft treffen wir auf den fünften Pilger oder Wanderer. Martín, so stellt er schnell klar, ist als Wanderer, der aber auf die Compostela scharf ist, unterwegs. Im Schnelldurchgang tauschen wir unsere persönlichen „Daten“ aus. Woher? Wie lange unterwegs? Bis Santiago oder nicht? Mit wem unterwegs? Martín wurde in Guillena die Unterkunft verweigert. Das Hostal war immer noch voll und die Polizei hat sich geweigert die Notunterkunft zu öffnen. Gezwungenermaßen hat er eine Etappe von 43 km machen müssen. Nicht schlecht für den ersten Tag! Schlecht für seine Füße. Vier dicke Blasen, zwei davon unter den Fußsohlen, lassen ihn mehr kriechen als gehen. Das Martín spätestens nach zwei Tagen aufgeben wird, halte ich im Stillen für ausgemacht, und freue mich ein ganz klein wenig darüber, denn Martín schnarcht.
Nebenan schiebt der Wirt laut scheppernd das Gitter der Bar zur Seite. Für uns das Signal zum Kaffee. Herrlich! An der Theke hocken Männer vor einer Tasse Kaffee und warten auf den Bus, der sie zur Arbeit bringen wird. Michael und ich warten darauf, dass die beiden Belgier ihr ausgiebiges Frühstück beenden und dann geht es los.
Die heutige Etappe ist mit 18 km einigermaßen kurz, man könnte auch mittags starten. Aus einem unerfindlichen Grund haben wir es denoch eilig. Wir starten gemeinsam, aber Michael und ich lassen schon nach wenigen Metern Vater und Sohn hinter uns. Die für uns noch ungewohnten Kakteen, die zwischen Ort und Gewerbegebiet den Weg begrenzen, lockern das etwas langweilige Bild auf. Also wenn man jetzt auf der Stelle mal ganz dringend hinter die Büsche müsste, das dürfte Probleme geben! Dass der Weg anfangs nicht besonders schön ist, stört uns weiter nicht. Das wir den ersten Tag ohne Schwierigkeiten gemeistert haben, und die Freude am Unterwegssein macht das wett. Hinter einer schmuddeligen Gewerbehalle, aus der ein widerlicher Gestank dringt, wird auch die Umgebung besser.
Zudem steht die erste nennenswerte Steigung seit Sevilla an. Wir gehen durch eine noch junge Olivenbaumplantage. Ohne die schwarzen Wasserleitungen, die tatsächlich jeden Baum bewässern, hätte die Anpflanzung schon den ersten Sommer nicht überlebt. Die Zahl der Olivenbäume geht in die Tausende. An jeder Parzelle gibt ein kleines Schild Auskunft über die Anzahl der Bäume und die Sorte.
Am Gatter einer privaten Dehesa (beweidete Eichenlandschaft) ändert sich der Bewuchs schlagartig. Um uns sind grüne Wiesen, unter Korkeichen grasen Kühe und Kälber. An den Rändern kleiner Bäche und Tümpel wuchern Gräser und Sträucher um die Wette. Im Gegenlicht der Morgensonne wirkt die noch taunasse Hügellandschaft, als hätte sie jemand gerade erst erschaffen.
Wegen der ständigen Beweidung wirken viele Dehesas wie eine große Parklandschaft. Die Steineichen stehen in einem so großen Abstand, dass sich darunter eine geschlossene Wiesenlandschaft ausbreiten kann. Die Kühe, in Andalusien und der Extremadura sind es oft auch Schweine, verhindern das Hochkommen neuer Bäume und Sträucher. Im Sommer leiden auch die Dehesas unter der Gluthitze Südspaniens, dann ist alles braun und verbrannt. Jetzt aber, ganz früh im Jahr, ist noch alles grün. Vom bevorstehenden Wassermangel ist noch nichts zu sehen. Wie alle Paradiese, ist auch dieses endlich. Wir müssen auf eine Landstraße, die uns nach Castilblanco de los Arroyos bringt.
Den Schlüssel für die Herberge gibt es an der Tankstelle, in der Herberge knöpft und eine freundliche Frau 2 Euro für die Übernachtung ab und trägt die Nummern unserer Pässe ein. Für uns ist das alles noch ungewohnt. Wenn’s weiter so einfach ist eine Unterkunft zu finden, werde ich dabei bleiben, beschließe ich. Hin und wieder wollte ich auch mal in einem Hotel übernachten, so war meine Vorplanung. Und wenn es mal gar keine Übernachtungsmöglichkeit geben sollte, na ja, für diese Fälle ist ein Zelt im Rucksack. Wenn’s aber immer so einfach ist eine Pilgerherberge zu finden, wird das im Packsack bleiben.
Das ist sie also: meine erste richtige Pilgerherberge, nicht so eine Notunterkunft wie letzte Nacht. Ganz schön groß, relativ sauber, zwei Duschen, eine große Terrasse und ein richtiges Pilgerbuch.
Nach dem Duschen wird das durchgeackert. Ob es daran liegt das hier das erste Buch der Via ausliegt? Die Leute sind sehr mitteilsam. Viele lassen sich seitenlang über die ersten zwei Tage auf der Via oder über ihre Beweggründe aus. Wer gut zeichnen kann, hinterlässt ein Bild vom Weg (auf ein paar kann ich die Dehesa wiedererkennen) oder sogar einen kurzen Comic. Viele klagen übers Wetter: Im Frühjahr und Herbst über sintflutartigen Regen, der, wie man den Schilderungen entnehmen kann, meist über Tage anhält, oder über die Hitze im Sommer. Andere wiederum klagen über die Einsamkeit. Gestartet wie wir (oder sogar im Winter) also außerhalb der „Saison“, die auf der Via de la Plata um Ostern beginnt, fehlt es schon am zweiten Tag an Gesprächspartnern.
Als wir nach der Dorfbesichtigung wieder in der Herberge eintrudeln, sind auch die Belgier da. Weil es eine so schöne und auch kurze Etappe war, haben die gleich vier Pausen gemacht. Marco und Hubert kommen dann ins Erzählen. Hubert ist im letzten Jahr den ganzen Camino francés gegangen. 5 Wochen war er unterwegs. Beachtlich für einen Mann von 69 Jahren. Die Via möchte er nicht alleine gehen. Deshalb ist sein Sohn Marco dabei. Da dessen Urlaub begrenzt ist, reicht es nur für die Hälfte der Strecke. 2008 soll der Rest bis Santiago folgen. Bevor er 70 wird, möchte er noch mal da gewesen sein.
Abends gehen wir alle in eine Bar. Wie es sich für Mitteleuropäer gehört, stehen wir schon kurz nach 19 Uhr im Lokal. Keine Chance! Vor 21 Uhr gibt es nichts Warmes aus der Küche. Wir begnügen uns mit den kalten Häppchen aus der Theke.
Bei der Rückkehr in die Unterkunft treffen wir auf den fünften Pilger oder Wanderer. Martín, so stellt er schnell klar, ist als Wanderer, der aber auf die Compostela scharf ist, unterwegs. Im Schnelldurchgang tauschen wir unsere persönlichen „Daten“ aus. Woher? Wie lange unterwegs? Bis Santiago oder nicht? Mit wem unterwegs? Martín wurde in Guillena die Unterkunft verweigert. Das Hostal war immer noch voll und die Polizei hat sich geweigert die Notunterkunft zu öffnen. Gezwungenermaßen hat er eine Etappe von 43 km machen müssen. Nicht schlecht für den ersten Tag! Schlecht für seine Füße. Vier dicke Blasen, zwei davon unter den Fußsohlen, lassen ihn mehr kriechen als gehen. Das Martín spätestens nach zwei Tagen aufgeben wird, halte ich im Stillen für ausgemacht, und freue mich ein ganz klein wenig darüber, denn Martín schnarcht.
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