AW: [PT, ES] Drei Caminos und ein Vorspiel im Sand
Donnerstag, 22. Mai 2008 Zwischenhalt
Etappe: Monte do Gozo – Santiago de Compostela
Tageskilometer: 4 Gesamtkilometer: 720
Unterkunft: Hostal in der Altstadt

Ankunft ohne ein Ende
Donnerstag, 22. Mai 2008 Zwischenhalt
Etappe: Monte do Gozo – Santiago de Compostela
Tageskilometer: 4 Gesamtkilometer: 720
Unterkunft: Hostal in der Altstadt

Ankunft ohne ein Ende
Es sind nur 4 Kilometer vom Hügel am Stadtrand bis zur Kathedrale in der Stadtmitte. Schnell mal eben runter, die Pilgerurkunde abzuholen und dann weiter an die Küste, die immer noch 3 Tageswanderungen weit weg ist. Wir sind ein kleines Grüppchen, Mechthild, Gotthilf und ich. Im morgendlichen Berufsverkehr schaut sich niemand nach uns um, keine Hand hebt sich hinter getönten Autoscheiben zum Gruß. Pilger, Wanderer, Menschen mit Rucksack gehören seit Jahren zum Stadtbild der Pilgermetropole.
Zielstrebig trödeln wir zur Puerta del Camino, dem Tor zum Camino. Hier beginnt die barocke Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und in dessen Gassengewimmel sich die Kathedrale versteckt.
Wer über den Camino francés nach Santiago kommt, sieht die Kathedrale erst, wenn er an deren Rückwand steht. Von hinten ist die Kirche so unscheinbar, dass viele erst auf dem großen Platz vor dem Hauptportal realisieren, dass sie am Ziel sind.
Und dann stehe ich nach 2007 mal wieder vor dem Pilgerbüro und reihe mich in die kurze Schlange ein. Ganz vorne, sogar als Erster, steht der Koreaner, der sich vor Tagen als Priester ausgegeben hat. Dahinter viele zwar bekannte, jetzt schon fliehende Gesichter: mal wieder ein Schalke-Fan mit Wimpel am Rucksack, irgendwo sind wir uns kurz über den Weg gelaufen; der Franzose, der einen auf Krishna-Jünger macht und nicht direkt angesprochen werden will, man soll sich an seinen Begleiter wenden, dieses Pärchen kenne ich schon seit dem zweiten Tag; der Italiener mit der feisten Wampe und dem Minirucksack und viele, viele mehr. Seltsam, die Menschen, mit denen ich in den vergangenen Wochen oft nur einen kurzen Gruß im Vorbeigehen, ein erkennendes Nicken in der Warteschlange vor der Herberge oder noch weniger ausgetauscht habe, bedeuten mir an diesem Tag viel. Bis auf meine Begleiter von heute Morgen sowie Lili und ihre Begleitung sind das eigentlich Fremde für mich. Und trotzdem haben wir etwas Gemeinsames, verbindet uns einiges.
Es ist nicht nur der lange Weg. der hinter uns liegt. Vielleicht ist es auch das Wissen, dass in wenigen Stunden die kleine Freiheit enden wird, die uns am Laufen gehalten hat. Dass dem Ausbrechen aus dem Alltagstrott wieder das unweigerliche Einleben in eben diese Mühle folgen wird. Die Freiheit, das Loslassen und die Leichtigkeit im Kopf, all das soll hier enden? Der Freiraum, der sich am Anfang unbemerkt eingeschlichen hat, dann ungestüm seinen Platz zwischen all den verkrusteten Vorstellungen gefordert und bekommen hat, der zum lieb gewonnen täglichen Begleiter herangewachsen ist, wie lange wird dieses Stückchen Freiheit überleben? Der verplante und rundum abgesicherte Alltag ist ein zäher und geduldiger Gegenspieler. Vielleicht ist es dieses Wissen, eher ein diffuses Gefühl, das die Menschen vor der schweren Holztür des Pilgerbüros vereint.
Spontan entscheide ich mich fürs Bleiben. Weitergehen kann ich auch morgen noch. Das Ende der Welt läuft mir nicht weg. Meine Begleiter vom Weg jedoch, die werde ich vermutlich nie mehr sehen.
Maria, die es gestern nicht erwarten konnte und bis Santiago durchgegangen ist, läuft mir übern Weg. Sie ist immer noch enttäuscht von ihrer Ankunft. Nur enttäuschte Hoffnungen, verratene Erwartungen, über Tage herbeigesehnte und dann verrauchte Träume. Da war nichts, überhaupt nichts. Die Erlebnisse von unterwegs, die Begegnungen und Gespräche, die manchmal endlose Quälerei? War das alles für die Katz'? Eine Ankunft wie auf dem Bahnhof von Wanne-Eickel?
Oft ja. Manchmal aber braucht es seine Zeit, einen verwehenden Augenblick, damit man Ankommen, vom Erlebten der letzten Wochen zehren kann.
Santiago ist wie immer, obwohl das erst mein zweiter Aufenthalt in der Stadt ist. Pilgerurkunde abholen, diesmal die „Sporturkunde“, die Wanderer ohne religiöse Motive erhalten, Unterkunft suchen, Pilgermesse besuchen, dann auf dem Platz vor der Kathedrale rumlungern. Hier kommen sie alle an. Einzelgänger, Gruppen, Paare, Fußwanderer, Radpilger und Touristen. Bei mir drängt sich der Eindruck auf, je kürzer der Weg, umso lauter die Ankunft.
Auch der Platz vor der Kathedrale ist ein Grund, nach Santiago zu gehen. In der Hoffnung, unter den vielen Ankömmlingen bekannte Gesichter zu sehen, lungern hier alle rum. Wer mehrere Tage bleibt, wird immer wieder diesen Platz aufsuchen, und immer wird sein Blick hoffnungsvoll über die Gesichter der Neuankömmlinge streifen. Die Hoffnung aufs Wiedererkennen und nicht zuletzt um die Zeit ein wenig zu betrügen, treibt einen mehrmals am Tag hierhin.
Und doch ist Santiago nicht wie immer. Diesmal ist sogar die Pilgermesse anders. Nicht nur dass sie diesen Mittag sogar mir nahe geht, auch der ewige Zweifler in mir erhält einen kleinen Schlag auf die Nase. Am Beginn der Messe kündigt der Priester an, dass er den Pilgergottesdienst nicht alleine abhalten wird. Ihm werden zwei Priester, die den Camino komplett gegangen sind und heute beendet haben, zur Seite stehen. Der eine kommt aus Kanada, der andere aus Südkorea ...
Zielstrebig trödeln wir zur Puerta del Camino, dem Tor zum Camino. Hier beginnt die barocke Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und in dessen Gassengewimmel sich die Kathedrale versteckt.
Wer über den Camino francés nach Santiago kommt, sieht die Kathedrale erst, wenn er an deren Rückwand steht. Von hinten ist die Kirche so unscheinbar, dass viele erst auf dem großen Platz vor dem Hauptportal realisieren, dass sie am Ziel sind.
Und dann stehe ich nach 2007 mal wieder vor dem Pilgerbüro und reihe mich in die kurze Schlange ein. Ganz vorne, sogar als Erster, steht der Koreaner, der sich vor Tagen als Priester ausgegeben hat. Dahinter viele zwar bekannte, jetzt schon fliehende Gesichter: mal wieder ein Schalke-Fan mit Wimpel am Rucksack, irgendwo sind wir uns kurz über den Weg gelaufen; der Franzose, der einen auf Krishna-Jünger macht und nicht direkt angesprochen werden will, man soll sich an seinen Begleiter wenden, dieses Pärchen kenne ich schon seit dem zweiten Tag; der Italiener mit der feisten Wampe und dem Minirucksack und viele, viele mehr. Seltsam, die Menschen, mit denen ich in den vergangenen Wochen oft nur einen kurzen Gruß im Vorbeigehen, ein erkennendes Nicken in der Warteschlange vor der Herberge oder noch weniger ausgetauscht habe, bedeuten mir an diesem Tag viel. Bis auf meine Begleiter von heute Morgen sowie Lili und ihre Begleitung sind das eigentlich Fremde für mich. Und trotzdem haben wir etwas Gemeinsames, verbindet uns einiges.
Es ist nicht nur der lange Weg. der hinter uns liegt. Vielleicht ist es auch das Wissen, dass in wenigen Stunden die kleine Freiheit enden wird, die uns am Laufen gehalten hat. Dass dem Ausbrechen aus dem Alltagstrott wieder das unweigerliche Einleben in eben diese Mühle folgen wird. Die Freiheit, das Loslassen und die Leichtigkeit im Kopf, all das soll hier enden? Der Freiraum, der sich am Anfang unbemerkt eingeschlichen hat, dann ungestüm seinen Platz zwischen all den verkrusteten Vorstellungen gefordert und bekommen hat, der zum lieb gewonnen täglichen Begleiter herangewachsen ist, wie lange wird dieses Stückchen Freiheit überleben? Der verplante und rundum abgesicherte Alltag ist ein zäher und geduldiger Gegenspieler. Vielleicht ist es dieses Wissen, eher ein diffuses Gefühl, das die Menschen vor der schweren Holztür des Pilgerbüros vereint.
Spontan entscheide ich mich fürs Bleiben. Weitergehen kann ich auch morgen noch. Das Ende der Welt läuft mir nicht weg. Meine Begleiter vom Weg jedoch, die werde ich vermutlich nie mehr sehen.
Maria, die es gestern nicht erwarten konnte und bis Santiago durchgegangen ist, läuft mir übern Weg. Sie ist immer noch enttäuscht von ihrer Ankunft. Nur enttäuschte Hoffnungen, verratene Erwartungen, über Tage herbeigesehnte und dann verrauchte Träume. Da war nichts, überhaupt nichts. Die Erlebnisse von unterwegs, die Begegnungen und Gespräche, die manchmal endlose Quälerei? War das alles für die Katz'? Eine Ankunft wie auf dem Bahnhof von Wanne-Eickel?
Oft ja. Manchmal aber braucht es seine Zeit, einen verwehenden Augenblick, damit man Ankommen, vom Erlebten der letzten Wochen zehren kann.
Santiago ist wie immer, obwohl das erst mein zweiter Aufenthalt in der Stadt ist. Pilgerurkunde abholen, diesmal die „Sporturkunde“, die Wanderer ohne religiöse Motive erhalten, Unterkunft suchen, Pilgermesse besuchen, dann auf dem Platz vor der Kathedrale rumlungern. Hier kommen sie alle an. Einzelgänger, Gruppen, Paare, Fußwanderer, Radpilger und Touristen. Bei mir drängt sich der Eindruck auf, je kürzer der Weg, umso lauter die Ankunft.
Auch der Platz vor der Kathedrale ist ein Grund, nach Santiago zu gehen. In der Hoffnung, unter den vielen Ankömmlingen bekannte Gesichter zu sehen, lungern hier alle rum. Wer mehrere Tage bleibt, wird immer wieder diesen Platz aufsuchen, und immer wird sein Blick hoffnungsvoll über die Gesichter der Neuankömmlinge streifen. Die Hoffnung aufs Wiedererkennen und nicht zuletzt um die Zeit ein wenig zu betrügen, treibt einen mehrmals am Tag hierhin.
Und doch ist Santiago nicht wie immer. Diesmal ist sogar die Pilgermesse anders. Nicht nur dass sie diesen Mittag sogar mir nahe geht, auch der ewige Zweifler in mir erhält einen kleinen Schlag auf die Nase. Am Beginn der Messe kündigt der Priester an, dass er den Pilgergottesdienst nicht alleine abhalten wird. Ihm werden zwei Priester, die den Camino komplett gegangen sind und heute beendet haben, zur Seite stehen. Der eine kommt aus Kanada, der andere aus Südkorea ...
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