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Etappenübersicht
Ablauf:
Bustransfers Larnaka-Nikosia-Karşıyaka
Autostoppen und Fußmarsch zum Ausgangspunkt Kap Koruçam
Tag 1: Kap Koruçam - Geçitköy
Tag 2: Geçitköy - Gebirge Höhe Alsancak
Tag 3: Gebirge Höhe Alsancak - Schnellstraße Nikosia-Girne
Tag 4: Schnellstraße Nikosia-Girne - Çatalköy (Hotel)
Taxitransfer vom Hotel zu Buffavento Sucuk Bar
Tag 5: Buffavento Sucuk Bar - Antiphonitis Kloster
Tag 6: Antiphonitis Kloster - Tatlısu (Rose's Country Club)
Tag 7: Tatlısu (Rose's Country Club) - D10 Kreuzung
Abbruch und Taxitransfer nach Yeni İskele
Städtetourismus in Yeni İskele, Famagusta, Nikosia, Limassol, Paphos, Larnaka
Wanderung des "Kap Aspro Trail" zwischen Limassol und Paphos (etwa 4 Stunden)
Gesamtdistanz: rund 160 Kilometer
Karte:
GPS-Track meiner Tour. Weite Teile entsprechen dem Beşparmak-Trail.
Allgemeines
Die Motive für diese Reise waren ähnliche wie die für alle meine Reisen der letzten Jahre. Der Erkundungsinstinkt wollte wieder befriedigt werden, diesmal sollte etwas Neues her, etwas, wo noch keiner meiner Bekannten und Freunde vorher zum Wandern gewesen war. Dazu befand ich mich - wiedermal - in der Lage, monatelang für eine anspruchsvolle Prüfung gelernt zu haben. Die Recherche zu und die Buchung dieser Reise fungierte in dieser Situation also auch als eine Art im Vorhinein fixierte Belohnung für die Strapazen der mentalen Zermürbung durch wochenlanges Fallstudium, die dem Tag der Buchung des Fluges noch folgen sollten.
Ich fing also an, nach europäischen Staaten zu recherchieren, in denen es im Februar warm genug für Übernachtungen im Zelt ist. Von den Kandidaten Türkei (Lykischer Weg), Portugal und Zypern entschied ich mich schließlich eindeutig für letzteren, da ich über diese Fernwanderdestination mit Abstand am wenigsten Information im Internet finden konnte und diese Ungewissheit einen gewissen Reiz auf mich ausübt. Ein weiterer Grund für diese Wahl war die politische Situation Zyperns, das ja seit geraumer Zeit in den türkischen Norden und den griechischen Süden geteilt ist. Zu wenig hatte ich über dieses Schicksal Zyperns noch erfahren, um nicht neugierig zu werden und mir die Gegebenheiten selbst vor Ort anschauen zu wollen. Besonders die nur von der Türkei anerkannte "Türkische Republik Nordzypern" (TRNC) weckte hier - als "Antagonist" zumindest der westlichen Erzählung - mein Interesse. Sie sollte mein Ziel werden.
Bei meiner Suche konnte ich zwar nicht viel Information zu Wanderrouten in Zypern finden, aber immerhin einen ODS-Bericht zu einer Wanderung auf der Karpaz-Halbinsel im Nordosten der Insel, als auch einen vollständigen GPS-Track (Link ganz unten im Anhang) samt spärlichen Informationen zum Besparmak-Trail (von Kap Korucam bis Kap Zafer) auf einer anderen Website. Etwa 230 Kilometer sollte der Trail also haben, das Wetter wäre laut der diversen Berichte ausgezeichnet zum Wandern. Ich gab mich mit diesen Eckdaten zufrieden und wollte den Rest meinen Improvisationsfähigkeiten überlassen. Klar war, dass die Route rein streckenmäßig in 2 Wochen Gehzeit zu bewältigen war und dass ich mit der Kälte wohl kein Problem bekommen würde. Problemfelder, die mir vor der Reise durch die Recherche bewusst wurden, waren: 1) die Festigkeit des Untergrunds (zwecks Zelt aufstellen), 2) die Trinkwassersituation (Fließgewässer mit glasklarem Wasser an jeder Ecke, wie ich es zuletzt in Norwegen erlebt hatte, habe ich mir in Zypern - zu Recht - nicht erwartet) und 3) die öffentlichen Verkehrsmittel, die laut Berichten in Nordzypern nur rudimentär vorhanden seien.
Da zumindest ich, als jemand, der das ODS Forum nicht sehr häufig nutzt, noch keine anderen Berichte zu einer Wanderung entlang des Beşparmak-Trails gefunden habe (bis auf, wie gesagt, einen Bericht über den Ostteil auf der Karpaz-Halbinsel), gehe ich lieber etwas mehr ins Detail um möglichen Interessierten die Entscheidung zu erleichtern, den Weg zu begehen oder eben nicht zu begehen.
Anreise zu Kap Koruçam
Wer in Nordzypern wandern gehen will, der kann entweder direkt in den türkischen Teil Nikosias fliegen (ausschließlich über die Türkei möglich), oder im südzyprischen Larnaka landen und einen der Grenzposten passieren, wo es zumindest für EU-Bürger keinerlei Probleme zu befürchten gibt. Ich wählte letztere Variante, fuhr im Anschluss an meine Landung mit einem der günstigen Intercity Busse (im Regelfall etwa 4€ zwischen den größeren Städten) nach Nikosia und quartierte mich in eine billige Einzelunterkunft ein. Eine Einzelunterkunft wurde es spontan deshalb, weil ich beim Warten auf den Intercity Bus in Larnaka ein dermaßen mieses Bild bezüglich der allgemeinen Sicherheit in zyprischen Städten (zumindest bei Nacht) bekam, dass ich an diesem Abend keine dubiosen Begegnungen mit der üblichen Schlafsaalklientel haben wollte. Zypern ist jener Staat der EU, der die höchste Zahl an Asylanträgen aufzuweisen hat. Demensprechend viele Leute ohne Perspektive halten sich vorwiegend in den Großstädten auf, was entsprechend unangenehm werden kann, etwa wenn man bereits nach einstündigem Aufenthalt in Larnaka aus nächster Nähe von einer Obdachlosen angebrüllt wird, so wie es mir widerfahren ist.
Von den hunderten Orangenbäumen in Nikosia geht auch im Februar ein angenehmer Duft aus
Eben Beschriebenes beschäftigte mich allerdings nicht lange, da es am nächsten Tag galt, einiges Organisatorisches und zudem natürlich die Anreise zum Ausgangspunkt Kap Koruçam zu erledigen. Ich machte mich mit Sack und Pack auf den Weg von meiner Unterkunft zur Grenzübergangsstelle in der Ledra Street.
Sonnensegel dienen auf Zypern auch im Februar einem legitimen Zweck
Grenzübergangsstelle in der Ledra Street
Nach dem Grenzübergang musste dringend eine türkische Simkarte her, da der Nordteil des Landes nicht vom EU-Roamingbereich erfasst ist. Allgemein war das Smartphone war für die gesamte Tour (leider) nicht wegzudenken, da vernünftiges physisches Kartenmaterial für diese Wanderung meines Wissens nicht existiert (ausgenommen der Cicerone Guide, der allerdings nur ausgewählte Tagestouren in Nordzypern behandelt). Mein Hauptnavigationsmittel war daher die oben erwähnte GPS-Karte des Beşparmak-Trails bzw. meine digitale Offlinekarte in der Garmin Explore App, in die ich einzelne Wegpunkte des Trails manuell übertrug.
Unmittelbar nach Grenzübergang stößt man auf kleine verschlafene Gassen
Links die Flagge Nordzyperns
Erst auf der Girne Cd wurde der türkische Teil Nikosias wieder lebhafter
Neben der Simkarte musste ich auch noch an Campinggas gelangen, ebenso wollte ich mir noch ein Messer zu Verteidigungszwecken anschaffen. Wer in Nordzypern Outdoorzubehör kaufen will, geht am besten zu "Cyprus Outdoor Shop". In dem älteren ODS-Bericht zu Nordzypern wird noch der "Agama Outdoor Shop" des Beşparmak-Trail Erstellers Tuğberk Emirzade empfohlen, der nun aber leider schon pleite gegangen ist, wie ich auf Nachfrage beim Inhaber selbst erfahren habe.
Die vermutlich einzige Adresse für Outdoorartikel in Nordzypern
Nachdem ich Simkarte, Gas und Messer eingesackt hatte, trottete ich bei nicht zu vernachlässigender Hitze vom Outdoorgeschäft wieder zurück zum wichtigsten Busbahnhof der Stadt, der sich gleich neben dem Girne Kapısı (Girne-Tor) befindet.

Kleinbusse am Busbahnhof Girne Kapısı
Die Kleinbusse in Nordzypern fahren nicht nach fixen Fahrplänen, schon gar nicht kann man deren Routen oder Abfahrtzeiten im Internet einsehen. Man zahlt bar (ausschließlich türkische Lira) und der Preis wächst je angefahrener Station, bleibt aber dennoch sehr günstig. Auch das Ein- und Aussteigen abseits fixierter Stationen ist kein Problem.
Mit solchen Bussen schaffte ich es über Girne bis Karşıyaka zu gelangen, von wo um diese Tageszeit (etwa 16:00 Uhr) aber keine weiteren Busse Richtung Kap Koruçam fuhren. Also machte ich mich zu Fuß auf, um das Kap vor Sonnenuntergang zu erreichen. Dies mit dem Hintergedanken, wenn es vielleicht zu knapp werden würde, aufs Autostoppen zurückzugreifen.

Auf der Schnellstraße Richtung Westen
Die Stunden zogen ins Land und er wollte nicht so recht näherkommen, der Startpunkt meiner Tour. Ich realisierte, dass das mit dem Ankommen vor Einbruch der Dunkelheit wohl nichts werden würde. Sich auf das spontane Entdecken und Aufspüren von Bussen oder Taxis zu verlassen, insbesondere in den entlegeneren Ecken, konnte ich mir von nun an abschminken. Immerhin gelang es mir, ein Auto zu stoppen, dessen Fahrer mich etwa 4 Kilometer bis zu seinem Heimatdorf Kayalar mitnahm.
Von dort an legte ich im Anschluss nochmal 11 Kilometer bis Sadrazamköy zurück. Mehrfach wurde mir auf diesem Abschnitt klar, dass man als Weitwanderer in Nordzypern auffällt wie ein bunter Hund: Vorbeifahrende Autos hupten regelmäßig, die Insassen lachten, winkten begeistert aus den Gefährten oder riefen gar irgendwelche (vermutlich aufmunternden, affirmativen) Sprüche zu. Ich merkte dass die Türken Leute wie mich in meiner Wanderausrüstung offenbar kaum zu Gesicht bekommen. Eine Gruppe junger Burschen auf einer Baustelle mitten auf einer entlegenen Landstraße wollte mich auch nicht einfach kommentarlos passieren lassen und fragte nach einem einleitenden "hello, my friend" mit fast schon verdutzt-vorwurfsvollem Gesicht, was ich denn hier überhaupt mache. Die Worte "Koruçam Burnu" (Kap Koruçam) bzw. "Beşparmak-Trail" konnten sie einigermaßen zufriedenstellen.
Herrliche Einsamkeit in der Dämmerung, Blick Richtung Westen
Mit Blick Richtung Norden konnte man manchmal die Silhouette der türkischen Küste erahnen
Von Erfolg gekrönt sollte der Abend meines Anreisetages leider nur bedingt sein: es war bereits stockdunkel als ich Sadrazamköy erreichte. Während ich kurz vor der Ortschaft noch den Klängen des Muezzin aus den Lautsprechern der örtlichen Moschee lauschen konnte, was in der fortgeschrittenen Dämmerung mit dem Blick aufs Meer eine sehr besondere Stimmung erzeugte, musste ich mich gleich am Ortsbeginn über lästige, streunende Hunde aufregen, die einander nachstellten und auch mich scheinbar wahrnahmen und zu bellen begannen. Ich entzog mich der Situation indem ich Schutz im Vorgarten eines Einfamilienhauses suchte. Dem verdutzten Hausbesitzer erklärte ich mittels "Unterhaltung"-Funktion von Google Übersetzer was ich hier mache und wo ich überhaupt hin wolle. Er zeigte sich verständnisvoll und riet mir ab, weiterzugehen, weil es in der Freifläche jenseits des Dorfes noch mehr Hunde gäbe. Als Zeltplatz schlug er eine Stelle direkt gegenüber seinem Haus vor.
Ich sah ein, dass es besser wäre, jetzt in die Waagrechte zu kommen und baute mein Zelt mehr schlecht als recht mitten in der Ortschaft auf. Der Boden war zu hart, sodass die Heringe meines Zeltes kaum Halt fanden. Insgesamt muss mein Lager von außen einen wohl eher erbärmlichen Eindruck gemacht haben, was auch erklären würde, warum bereits 10 Minuten nach Aufbau des Zelts die ersten türkischen Bewohnerinnen der Ortschaft kichernd ihre Urteile über den seltsamen Europäer mit seinem windschiefen Zelt zu fällen schienen. Das war mir anders als die bellenden Köter eigentlich herzlich egal und ich war froh, wenigstens Erholung zu bekommen.
In der Früh Packte ich meine Sachen und bahnte mir den Weg zum Ausgangspunkt der Wanderung.
Einer der dutzenden freilaufenden Hunde in dieser Gegend Nordzyperns
Tag 1
Der Startpunkt der Wanderung, das Kap Koruçam, hatte für mich eine ganz besondere Atmosphäre. Zu der exponierten Lage, die ein jedes Kap nun mal hat, kam dazu, dass sich dort kein einziger Mensch aufgehalten hat, bis auf verlassene, alte Bruchbuden weit und breit kein Gebäude zu sehen war und dass mir ein schwarzer, streunender Hund seelenruhig etwa eine halbe Stunde lang auf meinen Wegen folgte.
Der Hund weckte in mir irgendwie die Assoziation, eine verständige, alte Seele zu sein, die von meiner bevorstehenden Tour wüsste und mir zumindest für ein paar Meter das Geleit geben wollte.
Bevor ich die Tour startete, testete ich die Schneidfähigkeit meines neu erworbenen Messers an einer heimischen, saftigen Orange, die ich am Vortag in Nikosia gekauft hatte. Bei bestem Wetter, beinahe die gesamte Nordküste Zyperns im Blickfeld, besann ich mich noch einmal auf das bevorstehende Projekt. Schließlich aktivierte ich mein Trackinggerät und startete auf einem kleinen, schlecht markierten Pfad Richtung Osten.
Ruinen am Kap Koruçam
Die Gebäude dienen bestenfalls noch streunenden Hunden als Unterkunft
Jause am Leuchtturm
Die "alte Seele" scheint in völliger Einsamkeit auf dem Kap zu leben
Dieser Stein markiert den Start des Beşparmak-Trails
Etwa 2 Stunden verbrachte ich damit, mir über den etwas unwegsamen, aber schönen Küstenweg wieder meinen Weg zurück nach Sadrazamköy zu bahnen, wo ich die letzte Nacht verbracht hatte. Ich passierte dabei ein paar Leute, die an die Küste gekommen waren um zu tauchen und ebenfalls ein kleines Rudel streunender Hunde, das mich sofort wahrnahm und mir aus der Entfernung zubellend ein paar hundert Meter folgte. Das mussten also die Hunde sein, die meine Bekanntschaft vom Vortag gemeint hat und die das Kap in der Nacht scheinbar etwas unsicherer machen. Erstmals begann ich über Szenarien zu grübeln, in denen ich von Hunden angegriffen werde und war froh, mir wenigstens noch ein Messer für den Ernstfall besorgt zu haben.
Im Ortsgebiet Sadrazamköys wurde es mühsam, dem Trail zu folgen. Der Trail führt einmal beispielsweise unnötig Nahe an Privatgrundstücken entlang, an denen stets auch aufgebrachte Hunde zu erwarten sind und wodurch neugierige Blicke der Einwohner unvermeidbar werden, ohne aber dass sich diese Wege für die Tour irgendwie auszahlen. Ich empfehle daher nach dem Erreichen Sadrazamköys einfach die Hauptstraße zu nehmen und dann vor der lokalen Moschee rechts abzubiegen, sodass man wieder auf den offiziellen Trail gelangt.
Küstenpfad nach Sadrazamköy
Die lokale Moschee
Nachdem ich den Ort verlassen hatte bekam der Weg erstmals eine spürbare Steigung. Auf einem Karrenweg passierte ich scherzende Bauern mit ihrem Traktor, einige verstreute Bauernhöfe und nicht zuletzt bemerkte ich an einigen Stellen horrende Mengen an Müll, die leider in ganz Nordzypern oft einfach in der Natur landen.
Eher unspektakulär gestalteten sich die nächsten Kilometer, denn der Karrenweg führte einfach schnurstracks durch einen Wald, ohne irgendwelche besonderen Anblicke zu bieten. Als ich einen Blick auf das Höhenprofil der kommenden Strecke bis nach Koruçam warf, entschied ich mich für die erste Abweichung vom offiziellen Trail: anstatt Links abzubiegen, einige Höhenmeter wieder bergab zu gehen, nur um an der Küste wieder zur St. Georgios Kirche zu kommen, einem eher hässlichen Bau, der nicht wirklich einer Kirche ähnelt und den ich außerdem schon bei der Anreise zum Startpunkt gesehen hatte, schien mir überhaupt nicht lohnend. Ich wählte daher den direkten Weg nach Koruçam, der über eine Landstraße führte. In Koruçam setzte ich mich einigermaßen ermüdet in das Restaurant "Yorgo" und bekam ein sättigendes "Kup Kebab" serviert.
Das Restaurant war für mich aber in Koruçam nicht das Wichtigste. Unbehagen machte mir nun erstmals die Wassersituation und ich war daher froh, als mir die Kellnerin bestätigte, dass sich gleich um die Ecke ein Geschäft befinde. Ich sah mir die Karte an und wusste, dass ich erstens bald mein Lager aufschlagen würde und dass ich zweitens am nächsten Tag erstmalig höher gelegenes Terrain betreten würde und dann nicht mehr so leicht an Wasser kommen würde. Ich kaufte also so viel Wasser, dass ich insgesamt 6 Liter am Mann hatte.
Als ich Koruçam verließ, sorgten diese 6 Liter Wasser ob ihrer großen Last auf dem Rücken für einiges an Grübeln: es könne doch nicht sein, dass ich jetzt jedes mal auf derartige Hamsterkäufe angewiesen wäre, nur weil der Trail nie an geeigneten Orten zum Aufstocken vorbeiführt. Doch, im Wesentlichen war es genau so (wie später noch gezeigt wird).
Schrott an jeder Ecke
Gute Aussicht kurz nachdem ich den Trail nach rechts verlassen hatte
Straße nach Koruçam
St. Georg Kirche in Koruçam
Nach dem Verlassen der Stadt machte der Weg nochmal ein paar Höhemeter ehe er in ein ruhiges und zu dieser Jahreszeit saftig grünes Tal voller Rapsfelder führte. Ich wusste, dass ich hier, noch vor Geçitköy, mein Lager aufschlagen würde.
Tag 2
Eine wunderschöne Kulisse am Morgen des zweiten Tages sorgte für einen Motivationskick, den ich angesichts des Wissens über das Bevorstehen einiger Höhenmeter in Verbindung mit der Last an meinem Rücken auch ganz gut brauchen konnte. In den Morgenstunden musste bereits leichter Nieselregen eingesetzt haben, denn der Feldweg war an manchen Stellen nun zur Schlammgrube geworden.
Nieselregen und Sonnenschein am Morgen des zweiten Tages
Weicher Boden machte das Vorankommen mühsam
Abermals vorbei an kläffenden Hunden passierte ich Geçitköy, ging einige hundert Meter die Landstraße entlang und fand schließlich den Einstieg zu dem Gebirgspfad, auf dem ich die nächsten Stunden zubrachte.
Geçitköy
Am Ende des steilen Anstieges bemerkte ich, dass ich mein neu erstandenes Messer verloren hatte. Nur einige Sekunden dachte ich daran umzukehren und es am Fuße des gerade erklommenen Berges zu suchen, ehe die Gedanken überwogen, einem zufälligen Einwohner der Gegend lieber einen erfreulichen Fund zu bescheren und keine Zeit liegen zu lassen. Schließlich wird der Trail im Internet oft mit 16 empfohlenen Etappen dargestellt und ich hatte grob 10-12 Tage eingeplant.
Der folgende Abschnitt bis zum "Kozan Restaurant" lieferte diverse hübsche Anblicke, etwa auf den türkisblauen Stausee bei Geçitköy, auf im Wald und auf Fels herummarschierende Ziegen und auf die Küste. Phasenweise verwandelte sich der Karrenweg in sehr unwegsames Gelände, in dem besonders mit schwerem Gepäck Vorsicht geboten ist.
Stausee bei Geçitköy
Im Februar ist Zyperns Vegetation noch saftig grün
Hangrutsche haben manche Abschnitte unwegsam gemacht
Schließlich kam ich zum Restaurant und der dazugehörigen Picknickstätte, die beide an einer das Gebirge querenden Straße gelegen sind. Ich bemerkte russische Jugendliche beim Grillen - erstmalig hatte sich mein Vorwissen bestätigt, dass Zypern eine beliebte Urlaubs- und auch Reisedestination ist. Noch an vielen anderen Orten Zyperns fiel mir ein auffallend hoher Anteil an ostslawischen Touristen/Bewohnern auf, den ich als Freund dieser Kulturen aber keineswegs als unangenehm empfinde.
Wer genau hinsieht, wird in Nordzypern an fast jedem Straßenschild Einschusslöcher von Schrotmunition erkennen (hier rechts)
Nach dem Kozan Restaurant folgte ein sehr naturbelassener, schlecht markierter Abschnitt bis zum Sina Kloster, der aber eine der besten Atmosphären der ganzen Strecke bot. Für mich als Zentraleuropäer gab es teilweise unbekannte Vegetation zu sehen. Zudem glänze der Pfad mit einer perfekten Abwechslung von Meerblick und schroffem Fels.
Für Tagestouren ist dieser Abschnitt sehr zu empfehlen
Was in Schottland die Schafe sind, sind auf Zypern die Ziegen
Selbst Tagestourengeher sieht man hier kaum
Blick auf die Ruine des Sina Klosters
Innenleben des Klosters
Im Februar blüht auf Zypern schon einiges
Mittagspause am Olivenhain vor dem dem Sina Kloster
Nach einer kurzen Mittagspause beim Sina Kloster zeigte der Trail leider eine seiner hässlicheren Seiten, die mir auch die nächsten Tage leider oft nicht erspart bleiben sollte: Forststraßen. Forststraßen über Forststraßen. Als Österreicher bin ich es gewohnt, Wanderungen mit einem zu großen Anteil an Forststraße sofort als "uninteressant" zu schubladisieren. Entsprechend muss also auch mein Urteil über den restlichen zweiten Wandertag ausfallen, den ich ausschließlich, also mehrere Stunden lang, auf ewig gleich aussehenden Forststraßen verbrachte. Ich kann mir diese Streckenwahl des Erstellers nur durch Alternativlosigkeit erklären. Es gibt oft an Stellen des Gebirges, die einiges an Schönheit zu bieten hätten, schlicht und einfach keine Wanderpfade, weshalb auf schnöde Forststraßen zurückgegriffen werden muss, die meiner Vorstellung nach vermutlich historischen Kriegszwecken - etwa für die Luftabwehr - dienten.
Als der Weg kurz die Stadt Lapta striff, wurde eine durch einen Hangrutsch ruinierte Straße zu einem handfesten Hindernis, das ich nur durch eine mühsame Kletterpartie auf den angrenzenden Hang umgehen konnte.
Typischer Forststraßenabschnitt mit der grün-weißen Beşparmak-Trail Markierung
Ständiger Begleiter
Hangrutsch bei Lapta
Am Abend konnte ich es kaum erwarten, meinen ermüdeten Kadaver endlich in mein Zelt zu betten und baute deshalb mein Zelt in der Pampa zwischen Lapta und Malatya auf, obwohl ich noch nicht ganz mein festgelegtes Ziel erreicht hatte.
Beim Zeltaufbau bekam ich Gesellschaft durch einen Fuchs, der neugierig mein Schaffen betrachtete. Als das Zelt aufgebaut war, bespaßte ich mich in den zahlreichen, dunklen Abendstunden (die Sonne ging ja schon um etwa 17:30 unter) vor allem mit dem Lesen von Nietzsches "Der Antichrist" auf meinem E-Reader (genial fürs Weitwandern) und dem chatten mit diversen Freunden aus der Heimat, wovon man sich gerade letzteres auf diesem Trail sparen sollte (Stromverbrauch).
Tag 3
Wie Tag 2 endete, fing Tag 3 an. Sprich: mit Forststraßen. Bald gab es immerhin einige kleine, beschauliche Ortschaften zu sehen, die auf mich eher den Eindruck machten, Heimat oder Zweitwohnsitz gut betuchter Ausländer zu sein als Heimat türkischer Einheimischer. Ich kam an mehreren schicken Unterkünften und Hotels vorbei und schließlich, nach Malatya und Ilgaz in den heimeligen Ort "Karaman".
Von den 6 Litern Wasser in meiner Wasserblase war nicht mehr viel übrig gewesen und ich machte mir bereits ernsthafte Gedanken, wie ich bald wieder an Wasser kommen könnte. In Karaman freute ich mich aber erst einmal sehr, ein Cafehaus gefunden zu haben, das glücklicher Weise auch noch offen hatte. Bei einem Toast und einem Chili con Carne sinnierte ich über die kommende Strecke, nachdem ich den asiatischen Betreiber des Cafes, Dhan, über mögliche Einkaufsmöglichkeiten ausgefragt hatte. Er war begeistert von meiner Idee, das ganze Beşparmak-Gebirge abwandern zu wollen, erzählte, dass er sonst lediglich einen Brasilianer als Wanderer getroffen hatte, der offenbar aber nur Tageswanderungen gemacht hatte und fragte schließlich interessiert nach meinem Namen auf Instagram. Bezüglich Einkaufsmöglichkeiten konnte er mir leider nicht weiterhelfen, bestätigte mir aber auf meine Frage hin, dass für die übernächste Nacht sicher ein Campingplatz auf dem Gebirge existiere, der wahrscheinlich auch offen hätte.
Etwas beruhigt ob dieser Information verließ ich das Lokal wieder, an dem mich am meisten begeisterte, wie behände Dhan die zig streunenden Katzen der Ortschaft von den Tischen mit einer eigens dafür abgestellten Wassersprühflasche verscheuchte.
Forststraßen bestimmten auch große Teile von Tag 3
Das Straßenbild Karamans ist von Katzen geprägt
Karaman Ortszentrum
Villengegend in Karaman
Ohne neues Wasser zog ich weiter gen Osten und verließ zum Glück bald das Mischmasch aus Forststraßen und asphaltierten Straßen zugunsten eines schmalen Höhenpfades, der wieder den Hang hinauf aufs Gebirge führte. Auf dem schönen, steinigen Pfad, der sich übrigens auch hervorragend für eine Tagestour eignen würde, beschallte ich mich selbst mit Musik um einem kleinen Energietief (Verdauung von Dhans Essen) zu entkommen. Schwarzmetallische Klänge erfüllten diese Aufgabe mit Bravour und peitschten mich den Hang hinauf. Ich hielt mich hier an die offizielle Route und kam deshalb leider nicht am Hilarion Castle vorbei, das ex post betrachtet wahrscheinlich sehenswert gewesen wäre.
Kurz vorm Erreichen der höchsten Stelle dieses Abschnitts kam mir eine 5-köpfige Gruppe russischer oder ukrainischer Touristinnen entgegen, die sichtlich nicht so recht wussten, was sie von meinem Auftritt als keuchender, ungewaschener und bärtiger Waldschrat, der noch dazu gerade Black Metal Gekeife über seine Handyboxen abspielte, halten sollen. Dieses Gefühl macht mir aber nichts und es gehört für mich zum Urlaub als "Landstreicher" - wie ich das Weitwandern gerne betitle - dazu wie Blasen auf den Füßen oder nasse Socken.
Aufstieg nach Verlassen des Orts Karaman
Abwechslung zu den Forststraßen
Rückblick auf den steinigen Aufstieg zum Hilarion Castle
Hilarion Castle am Fuße des rechten, hinteren Gipfels
Am Sattel angekommen eröffnete sich mir ein wunderschöner Fernblick auf die Schnellstraße zwischen Girne und Nikosia, auf der ich per Bus an die Nordküste gefahren war. Es folgte ein steiler, leider Gottes mies markierter Abstieg in die Ortschaft Ağırdağ, von wo ich mir meinen Weg wieder westwärts bahnte.
Hier eine Empfehlung: der offizielle Weg führt hier einige hundert Meter vor dem Kreuzen der Schnellstraße von dem bisherigen Schotterweg nach links und hangaufwärts weg. Dieser Weg ist absolut nicht(!) begehbar, weil er völlig zugewuchert ist und dient augenscheinlich der Entsorgung von Ziegenkadavern durch lokale Bauern. Es ist besser auf dem Schotterweg zu bleiben und anschließend einfach einige hundert Meter mehr am Rand der Schnellstraße zurückzulegen.
Blick auf die Schnellstraße nach Nikosia
Für den Abstieg ist Trittsicherheit gefragt
Blick von Ağırdağ zurück auf den Hang
Wer keine Zeit verschwenden will, sollte sich den "Ziegenfriedhof" sparen
Der Schotterweg führt vorbei an riesigen Kakteen zur Schnellstraße, wo man am besten einige hundert Meter nordwärts geht, um dann die Straße zu überqueren und zur "Boğaz" Picknickstation zu gelangen. Dieser Ort dient grundsätzlich dem Grillen mitgebrachter Grillwaren. In einer kleinen Verkaufsstelle konnte ich aber bei einer äußerst wortkargen jungen Türkin immerhin Wasser kaufen (nachdem 2 ganze Tage seit Koruçam vergangen waren).
Vorbei an verdutzt dreinschauenden türkischen Großfamilien verließ ich den recht verdreckten Grillplatz wieder, ließ mich etwas abseits der Schnellstraße auf einem grasigen Hügel nieder und bereitete mir eine meiner gefriergetrockneten Fertigmahlzeiten zu, ehe ich nach einer kurzen Verdaupause abermals einen Karrenweg bergauf marschierte, der Wind mir die immer lauter werdende türkische Volksmusik vom Grillplatz zu Ohren trug und ich mir schließlich im Dämmerlicht einen geeigneten Schlafplatz suchte.
Die Schnellstraße Nikosia-Girne
Verkaufshütte auf der Boğaz-Picknickstation
Tag 4
Vom Beginn dieser Etappe an plagte mich der Gedanke an die sich zu Ende neigende Ladung meiner Powerbank, die nur mehr zu 30% geladen war. Ich setzte meine Hoffnung, wie bereits erwähnt, in die Existenz eines Campingplatzes namens "Kamp yeri 2" etwa auf der Höhe von Çatalköy. Immerhin war mir ja von "Cafehaus Dhan" zugesichert worden, dass dieser Campingplatz existiere.
Mit diesem Ziel vor Augen startete ich den 4. Tag, der gleich mit einigen Höhenmetern über abermals schlecht markierte Wege startete. Ohne andere Wanderer zu sehen ging ich hauptsächlich über schmale Trampelpfade und freute mich, einige kleinere, verlassene Gebäude zu entdecken, über deren früheren Zweck zu rätseln ich immer interessant finde. Nachdem ich den Trampelpfad verließ, wieder auf eine Forststraße (juhu!) stieß und einige Minuten in die provisorische Reparatur der Spitzen meiner Komperdell-Gehstöcke stecken musste, klärte sich rasch auf, was für einem Zweck alle Gebäude hier einst gedient hatten: es waren militärische Posten gewesen, vermutlich aus der Zeit des Zypernkonfliktes 1974. Die Anordnung der Gebäude (darunter Wachposten), das Vorhandensein zahlreicher Einschusslöcher und von Warnschildern, die vor noch immer im Erdreich befindlichen Fliegerbomben in Sperrgebieten warnten, sprachen für mich eine eindeutige Sprache.
Morgen an Tag 4
Einschusslöcher am Wachposten
Höhenstraßen wie diese ziehen sich über weite Teile des Beşparmak-Gebirges
Von diesen detaillierteren Wegweisern gibt es am Beşparmak-Trail nicht viele
Relativ lange und relativ unspektakulär zog sich die genannte Forststraße so dahin. Ich entschied mich, den höhen- und kilometerintensiven Umweg zum Bellapais-Kloster in Beylerbeyi nicht zu nehmen (ich hab's nicht so mit Klöstern) und stattdessen direkt den ersehnten Campingplatz anzusteuern. So richtig vertraut habe ich auf Dhans Auskunft zwar nicht. Dennoch saß die Enttäuschung tief, als sich der Google Maps Eintrag des "Kamp yeri" am Nachmittag des 4. Tages als Blindgänger entpuppte. Es handelt es sich lediglich um eine Campingstelle im Wald ohne jegliche Infrastruktur, nicht um einen Campingplatz. Nichts also mit Strom, Nichts mit Wasser. Es hieß weitergehen und kalkulieren, wie weit ich noch mit meinem Strom und Wasser kommen könnte.
Das "Kamp yeri", von dem ich mir Wasser und Strom versprochen hatte
Bei einer kurzen Rast überdachte ich meinen ganzen planerischen Zugang zum Trail, denn jetzt war klar, dass es zu Nichts führte, auf ausreichende Wasserstellen, schon gar nicht auf ausreichende Einkehrmöglichkeiten samt Elektrizität zu vertrauen. Der Trail ist schlicht und einfach nicht darauf ausgelegt, am Stück begangen zu werden und wie ich später auf Nachfrage erfahren habe, versteckt sich sogar der Ersteller des Trails Tuğberk selbst an mehreren Stellen Wasserflaschen am Wegesrand, bevor er den gesamten Trail abwandert. Ich erkannte also, dass ich eine Stadt anpeilen musste, um wieder an Strom zu kommen. Auf mein Handy als Navigationsmittel war ich ja wie gesagt angewiesen.
Etwas enttäuscht von dieser Einsicht verließ ich also den Weg, indem ich nach links talwärts Richtung Çatalköy ging. Im Ort angekommen passierte ich abermals ein Villenviertel, danach einen Schafhirten und mitten im Ort stieß ich auf einen Imbiss, in dem ich mir erstmal einen Adana Kebab reinstellte und Schwarztee schlürfte. Daraufhin quartierte ich mich ein Hotel ein und frönte für einen Abend den "Vorzügen" des "zivilisierten" Lebens: Zucker- und Fettfraß von der Tankstelle, Dopamin-Überdosis aus diversen Sozialen Netzwerken. Doch der verhängnisvollste Schritt für die eigene Psyche war ein anderer: ich machte mir mit dem Rezeptionisten aus, er möge mir für den nächsten Tag ein Taxi zurück zum Gebirge bestellen, und zwar zur "Buffavento Sucuk Bar", was bedeutete, dass ich einige Kilometer der Strecke überspringen würde. Verhängnisvoll war dieser Schritt deshalb, weil ich gerne nach dem Prinzip "Punkt A nach Punkt B, keine Kompromisse, keine Erleichterungen" wandere und von nun an bei der weiteren Reise ständig das Gefühl hatte, dass ich am Ende "sowieso nicht die ganze Strecke gemacht haben würde", da ich mir ja eben ein Stück durchs Taxi abnehmen ließ.
Schafhirte in Çatalköy
Adana Kebab als Stärkung
Meryems Hotel
Während meines Hotelaufenthaltes grübelte ich über dieses Dilemma, das für viele wahrscheinlich wie eine absolute Nichtigkeit klingen mag, für mich als sturen Prinzipienreiter bei solchen Sachen aber wichtig war. Vor Ablauf des Tages konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich die Taxifahrt vielleicht doch noch absagen und damit meinen Seelenfrieden bewahren würde. Dagegen sprach, dass der Weg zurück zum Trail teils an einer stark befahrenen Schnellstraße entlangging. Mit dieser Ungewissheit ging ich also schlafen.
Tag 5
Ein fauler Pragmatismus siegte leider über meine Gewissheit, dass mich eben beschriebenes Dilemma sicher die restliche Tour lang wurmen würde. Ich sagte die Taxifahrt also nicht ab. Nachdem ich mich von dem etwas falsch wirkenden Rezeptionisten, der mir das Taxi geordert hatte, noch in einem türkischen Fes vor der prachtvollen Stiege im Inneren des Hotels ablichten ließ, wurde ich also abgeholt und um den "Spezialpreis" von 20€ zur Buffavento Sucuk Bar gebracht (Fahrzeit 10 Minuten). Trotz siebensüß bekundetem Interesse seitens des Fahrers an meiner Tour sind 10 Minuten Fahrzeit niemals 20€ wert. Als Tourist sollte man bei Taxis wie es aussieht stets aufpassen und eher vorher einen Fixpreis vereinbaren. Die Buffavento Sucuk Bar wählte ich deshalb aus, weil man hier ideal wieder in den Trail einsteigen konnte, wodurch ich allerdings wegen des Überspringens eines kleinen Abschnitts des Trails das Buffavento Castle nicht zu Gesicht bekam.
"Buffavento Sucuk Bar" wurde für mich zum geflügelten Wort
Gleich nachdem ich abgesetzt wurde befand sich zu meiner Linken der für das gesamte Gebirge namensgebende Gipfel "Beşparmak" (dt.: fünf Finger). Ich marschierte von dort aus weiter durch - wenn man den Schildern glaubt - militärisches Sperrgebiet, das hier aber offenbar keiner der vorbeifahrenden Auto- und Radfahrer so wirklich ernst nehmen will. Auf Asphaltstraßen und später schmalen Trampelpfaden kam ich danach zu einem Aussichtspunkt und schließlich zu dem dahinvegetierenden und mitten im Wald gelegenen St. Makarios Kloster. Etwa eine halbe Stunde brachte ich damit zu, das verlassene Areal dieses lost places abzuschreiten, mir mit einem Wanderstock eine (leider noch unreife) Orange von einem Baum herabzuschlagen und die diversen armenischen Inschriften anzusehen.
Rohstoffrecycling auf Nordzypern-Art
Der namensgebende Gipfel
Aussichtspunkt
Kloster St. Makarios
Das Kloster ist frei erkundbar und nicht eingezäunt
Ich ließ das Kloster hinter mir und kam bald zu einem Besucherzentrum für die Gegend um den Beşparmak-Gipfel. Hier konnte man eine alte, verblichene Karte bestaunen, auf der kurze Wanderrouten vorgeschlagen wurden. Das ganze kam etwas lustlos rüber und die größte Attraktion im Besucherzentrum schien mir eine Atatürk-Büste zu sein, die man aber auch in fast jedem anderen nordzyprischen Dorf sehen kann. Kurios fand ich aber, dass eine (entschärfte?) Fliegerbombe einfach so am Wegesrand herumlag.
Als ich mich von dem Besucherzentrum wieder entfernte begann ein einigermaßen einschläfernder Abschnitt (Forststraße), der sich ohne viele Gefälle oder Steigungen bis zur Antiphonitis Kirche zog, in deren Nähe sich ein größerer Wasserspeicher befand, bei dem ich mein Zelt aufbaute. Spannend auf dem Weg dahin fand ich eine Infotafel, die über ein Versteck türkischer Kriegsgefangener der Briten aus der Schlacht von Gallipoli aufklärte. Diese waren den Briten auf Zypern nach 1915 entkommen und hatten sich im markierten Areal in einer Höhle versteckt, wo sie von türkischen Zyprern mit Essen versorgt wurden. Die Höhle selbst konnte ich leider nicht finden.
Einkehr- oder Einkaufsmöglichkeiten sucht man im Besucherzentrum vergebens
Schlafplatzsuche bis zur Dämmerung
Tag 6
Die Nacht war windig und vom Meer her erhellten immer wieder Blitzschläge mein Zelt, sodass ich dachte, ein Auto musste an mir vorbei gefahren sein oder jemand leuchtete mit seiner Taschenlampe mein Zelt an. Offenbar waren die Blitze so weit weg gewesen, dass ich das Donnergrollen nicht hören konnte. Nach dieser durchwachsenen Nacht wollte ich zuerst die Antiphonitis Kirche besuchen, für die der Google Maps Trail extra einen Umweg in Kauf nimmt. Die Kirche war zwar ganz nett anzusehen und angeblich beherberg sie eine einzigartige Deckenmalerei. Betreten konnte ich das Gelände ohne Führung aber nicht, weshalb des Gesamterlebnis der Besichtigung meinen Schlaf in Sachen Bescheidenheit noch toppen konnte.
Antiphonitis Kloster
Auf das Kloster folgte ein langer, ebener Höhenstraßenabschnitt, der leider in die Fußstapfen der letzten Kilometer des Vortages trat und nicht viel zu bieten hatte. Ich beschloss, mir wieder Musik einzuschalten, um die Monotonie mit etwas Gesang aufzupeppen. Ich wählte Landsknechtmusik vom Botho Lucas Chor und gab mitsingend die ein oder andere Zeile zum Besten bis mir auch das zu monoton wurde.
Abwechslung zur Monotonie brachte schließlich das Kreuzen einer Schnellstraße nähe Arıdamı, das zum nicht wenig riskanten Unterfangen wurde, nicht zuletzt wegen dem Steilhang, den es abwärts Richtung Straße zu bewältigen gab. Abermals wegen wirklich schlechter Markierungen kam ich vom Weg ab und fand mich auf dem falschen, weglosen Hang wieder, den ich nur behutsam und im Anschluss mit einiger Akrobatik durch buschiges Dickicht bewältigen konnte.
Der gegenüberliegende Hang beschäftigte mich die nächsten Stunden
Schotterhang vor der Schnellstraße
Einmal an der Straße angekommen führt der Weg einige hundert Meter Richtung Norden und biegt dann nach rechts ab. Dies war der Einstieg zu dem mühsamsten Stück der gesamten Wanderung, das ich auch nicht weiterempfehlen würde. Es geht steil und weglos los, Markierungen muss man buchstäblich mit der Lupe suchen. Ich fragte mich wann dieser Weg wohl das letzte Mal begangen wurde, geschweige denn die Markierungen zuletzt erneuert wurden. Umgestürzte Bäume mitten auf dem Weg und der Schädel einer Ziege zeugten von der relativen Unberührtheit dieses Abschnittes. Bald ließ die Steigung zwar nach, aber die Sucherei nach dem Weg setzte sich fort. Dies führte so weit, dass ich kurzfristig vom Weg abkam und im Dickicht etwa eine halbe Stunde lang nach einem Weg suchen musste, der auf der Karte zwar eingezeichnet war, aber einfach nicht auftauchen wollte. Mein Handy drohte zudem leer zu werden, weil der anhaltende Nieselregen es dermaßen durchnässt hatte, dass ich es nicht mehr aufladen konnte (Feuchtigkeit im USB-Port). Gerade rechtzeitig konnte ich den Weg noch aufspüren und nahm diesen bis nach Tatlısu.
Der "Pfad" auf dem beschriebenen Abschnitt
Dieses Dickicht lässt sich nur mit Geduld durchqueren
Tatlısu steuerte ich deshalb an, weil wieder Mal die Wasserrationen knapp geworden waren und auf dem Trail weit und breit keine Wasserquelle auftauchte, als ich die Karten studierte. Ich plante nun, zumindest für 2-3 Tage überhaupt auf den Trail zu verzichten und wenig frequentierte Straßen an der Küste zu nehmen, die mich zumindest hin und wieder an Geschäften zum Aufstocken vorbeiführen würden oder eventuell auch wieder - zwecks Elektrizität - zu einem Hotel. Das Ziel "Kap Zafer" blieb also, das Mittel "Beşparmak-Trail" war mir dazu aber schon beinahe egal geworden: von der schlechten Versorgungslage und dem undankbaren Wechselspiel zwischen monotonen Forststraßen und völlig verwildertem Dickicht hatte sich mein Bild vom Trail bedeutend verschlechtert.
Kurz bevor ich in Tatlısu ankam, setzte ein stärkerer Regen ein, was der Moral auch nicht gerade zuträglich war. Als ich den Wald endlich verließ, kam ich bei einem griechisch-christlichen Friedhof vorbei, der von den Türken nach dem Krieg 1974, wahrscheinlich im Zuge der gezielten Ansiedelung anatolischer Türken in den vormals mehrheitlich griechischen Ort, völlig zerstört wurde und noch immer in diesem Zustand betrachtet werden kann. Ich schoss davon ein paar Fotos, ging weiter ins Ortszentrum und war sehr glücklich dort ein kleines Geschäft vorzufinden bei dem ich mich gleich mit Snacks und Wasser ausstattete. Bei einer überdachten Sitzgelegenheit wartete ich das Ende des Regenschauers ab und nahm schließlich die Straße weiter Richtung Küste und von dort zu einem Campingplatz namens "Rose's Country Club".
Zerstörter Friedhof am Rand von Tatlısu
Einst orthodoxe Kirche, heute Moschee - statt einem Abriss wurde umgebaut
Ab meiner Rast in Tatlısu ließ sich die Sonne wieder blicken
Rose's Country Club
Bei Rose's Country Club handelt es sich um ein besonderes Lokalkolorit der nordzyprischen Küste: schon beim Eintreten in das Klublokal vernahm ich starken schottischen und britischen Akzent, die Wände waren mit englischen Fußball-Fanschals dekoriert und die plaudernden Männer am Tresen tranken begeistert ein Bier nach dem anderen. Ich war also in einem original britischen Pub gelandet, das die türkische Zyprin "Rose" (ich bin mir sicher sie heißt in echt anders) zusammen mit dem glatzköpfigen britischen Original Chris betreibt. Mit beiden führte ich zu späterer Stunde und nach zwei Bier ein interessantes Gespräch, das sich um Fußball, ungehaltene Gäste auf ihrem Campingplatz und meine angestrebte Route drehte.
Die beiden rieten mir davon ab, bis zum Kap Zafer zu gehen. Erstens sei es nicht so besonders, zudem werde die Gegend hin zum Kap gefährlicher und auch mit Bussen oder Taxis bräuchte ich dort nicht mehr rechnen, was die Rückreise vom Endpunkt sehr schwierig gestalten würde. Ich solle mir doch einfach die Städte anschauen und nicht im sinnlosen Niemandsland Richtung Kap herumgurken, so der Tenor. Ich allerdings war noch immer guter Dinge, es bis ans Kap zu schaffen und tat die Tipps der beiden zunächst als Tipps solcher Personen ab, die noch nie so eine Wanderung gemacht hatten, und nicht wussten, dass man auch hin und wieder mal - auf gut österreichisch - "die Krot fressen" muss, um am Ende den "Punkt B" zu erreichen.
Frustriert davon, dass aus der Duschbrause am Campingplatz nur eiskaltes Wasser kam (weshalb ich aufs Duschen gleich ganz verzichtete), legte ich mich in mein Zelt und machte mich mental bereit führ mehrere Tage "Straßenhatsch" entlang der Küste.
Tag 7
Mein Tag startete früh, weil ich durch das hektische Gekläffe der Hunde von Rose und Chris und ebenso durch das Gezwitscher aus dem nahe an meinem Zelt gelegenen Vogelkäfig aufgeweckt wurde. Laut Rose' Worten vom Vortag hatte ich aber überhaupt Glück auf ihrem Campingplatz schlafen zu dürfen, denn sie nehme nicht jeden. Konkret die ruhige Reaktion ihrer Hunde auf mein Eintreten in das Clublokal habe sie aber überzeugt, dass ich kein Gauner bin. Also konnte ich bleiben.
Wie dem auch sei: in der Früh war mir eigentlich nicht weiter nach Reden zu Mute, denn ich wollte ja einige Kilometer an der Küste bewältigen (genauer: "erledigen"). Also packte ich meinen Krempel ein, verabschiedete mich mit einer Geste von Rose und fand mich auf der rechten Straßenseite der Schnellstraße (Linksverkehr) Richtung Osten ein, wo ich auch für einige Zeit bleiben sollte. Hier ist die Schnellstraße noch stärker befahren, etwa im Halbminutentakt rauschen also Kfz und LKW an einem vorbei. Erst nach etwa fünf Kilometern dann die Erlösung: der Beginn der "Old coastal road". Hier kann man von der Schnellstraße nach links abbiegen und von da an parallel zu dieser und direkt am Wasser entlang wandern. Zwar geht man auch hier auf Asphalt und meist schnurstracks geradeaus, aber immerhin rauschen hier keine Autos vorbei und man kann bei vollkommener Stille und Einsamkeit den Ausblick auf das Meer genießen.
Klares Wasser an der Nordküste
Mit vorbeifahrenden Autos braucht man hier nur im Einzelfall rechnen
An der Küstenstraße ging es also nun einige Stunden so dahin, vorbei an ein paar im Bau befindlichen Wohnprojekten (wohl für wohlhabende Ausländer), mich ankläffenden, nicht angeleinten Hunden (etwa das 5. Mal auf dieser Reise) und an Stränden, die laut Infotafeln jährlich ab April Brutstätten von Meeresschildkröten sind (was die Strände aber nicht daran hindert, völlig verdreckt zu sein).
Die nächste größere Stadt, die ich erreichte, war Kaplıca. Der Badeort ist eindeutig auf Sommertourismus ausgelegt, hier schlief also alles. Da meine Vorräte zu Ende gingen und auch die Motivation irgendwo im Bereich 1-2/10 herumgrundelte, stach ich wieder hoch zur Schnellstraße und versorgte mich bei einem "Off License"-Shop bei einer äußerst demotivierten Dame mit Wasser als auch Nervennahrung für die nächsten Kilometer auf der Schnellstraße.
Kaplıca
Genervt von der Schnellstraße stieg ich aber bald über die Leitplanke und kehrte querfeldein wieder auf die old coastal road zurück. Auf ihr erreichte ich bald die D10-Schnellstraßenkreuzung, wo sich all die oben beschriebenen Zweifel an der Tour im Allgemeinen zu einem handfesten Unwillen meinerseits entwickelten: ich sah einfach nicht mehr ein, warum ich zum Trotz an einer Tour festhalten sollte, die mich doch in einigen Belangen enttäuscht hat (zur Erinnerung: schlechte Wasserversorgung, kaum Einkehrmöglichkeiten, großer Anteil an Forststraßen, teilweise sehr schlechte Markierungen) und die in meinen Augen auch nicht darauf ausgelegt ist, sie ohne Unterstützung von außen oder vorheriges Deponieren von Wasservorräten am Stück zu gehen. Mein aktuellster Plan hätte nun bedeutet, sich drei Tage Lang die Füße auf Straßen plattzugehen, nur um dann wieder auf diesen fragwürdigen Trail zurückzukommen und am Ende sagen zu können, man habe wenigstens das Kap Zafer erreicht, wenn auch nicht immer über die offiziellen Wege des Trails. Erschwerend kam außerdem meine "Taxifahrt-Sünde" bei Çatalköy hinzu, die mir selbst bei Erreichen des Kaps noch im Magen gelegen hätte.
Alles in Allem war also der Punkt erreicht, wo das Projekt "Beşparmak-Trail" für mich keinen Sinn mehr ergab. Bei aller Liebe zum sturen "A nach B" und einer aufgrund dessen bei mir vorhandenen Toleranz gegenüber "mal nicht so schönen" Abschnitten hatte ich hier dennoch das Gefühl, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung zu meinen Ungunsten ausfiel. Ich rief Rose an, erzählte ihr von meinem Umdenken und sie charterte mir ein Taxi. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, denn das Auftreiben eines Taxis in Nordzyperns entlegeneren Gegenden kann zu einer sehr mühsamen Angelegenheit werden, wie ich bei meinen eigenen diesbezüglichen Versuchen, bevor ich Rose anrief, feststellte. Um stolze 30€ wurde ich nach Yeni İskele gebracht. Die Wanderung war beendet und ich fühlte mich eigentlich mehr erleichtert als enttäuscht.
In Yeni İskele wurde ich Zeuge davon, was israelische Investoren einem russischen Publikum unter einem 5-Sterne Erlebnis verkaufen
Städtetourismus und Kap Aspro Trail
Auf meinen Abbruch folgten interessante Aufenthalte in Yeni İskele, Famagusta, Nikosia, Limassol, Paphos und Larnaka. Da ich hier den Rahmen eines Reiseberichtes über eine Weitwanderung nicht sprengen will, will ich nur zwei Destinationen hervorheben, die für Outdoor-Interessierte von Interesse sein könnten: Einerseits den Geister-Stadtteil Maraş (Varosha) der Hafenstadt Famagusta, wo man wunderschön beobachten kann, wie sich die Natur über Jahrzehnte einen ganzen Stadtteil zurückerobert hat. Zweitens den Kap Aspro Trail zwischen Paphos und Limassol, der in drei bis vier Stunden zu bewältigen ist und wunderschöne Ausblicke auf hohe Sandsteinklippen liefert.
Die Geisterstadt Maraş (Varosha) ist erst seit kurzem für Besucher geöffnet
Kap Aspro Trail
Fazit zum Beşparmak-Trail
Wie dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein wird, kann ich den Beşparmak-Trail nur sehr eingeschränkt weiterempfehlen. Die Versorgungslage (Wasser, Elektrizität) ist mangelhaft und auch der Weg selbst macht stellenweise nicht viel her. Neben sehr sehenswerten Stücken gibt es einfach zu viele Abschnitte, auf denen man sich mit monotonen, wenig lohnenden Forststraßenabschnitten zufriedengeben muss. Es hat daher meines Erachtens schon seinen Grund, warum renommierte Wanderführerherausgeber wie der Cicerone-Verlag und auch zig andere Reiseanbieter nur Tageswanderungen darstellen bzw. anbieten. Wer sich das Abenteuer dennoch antun will, sollte genauestens planen, wo er vom Weg abgehen will, um an Wasser oder Elektrizität zu kommen und er sollte nicht enttäuscht sein, dass ein 100%iges Befolgen des markierten Weges schwer möglich ist.
Anhang
Link zum gesamten Beşparmak-Trail auf Google Maps:
https://www.google.com/maps/d/viewer...5150000001&z=9
Link zum Cyprus Outdoor Shop:
https://cyprusoutdoorshop.com/en/
Ablauf:
Bustransfers Larnaka-Nikosia-Karşıyaka
Autostoppen und Fußmarsch zum Ausgangspunkt Kap Koruçam
Tag 1: Kap Koruçam - Geçitköy
Tag 2: Geçitköy - Gebirge Höhe Alsancak
Tag 3: Gebirge Höhe Alsancak - Schnellstraße Nikosia-Girne
Tag 4: Schnellstraße Nikosia-Girne - Çatalköy (Hotel)
Taxitransfer vom Hotel zu Buffavento Sucuk Bar
Tag 5: Buffavento Sucuk Bar - Antiphonitis Kloster
Tag 6: Antiphonitis Kloster - Tatlısu (Rose's Country Club)
Tag 7: Tatlısu (Rose's Country Club) - D10 Kreuzung
Abbruch und Taxitransfer nach Yeni İskele
Städtetourismus in Yeni İskele, Famagusta, Nikosia, Limassol, Paphos, Larnaka
Wanderung des "Kap Aspro Trail" zwischen Limassol und Paphos (etwa 4 Stunden)
Gesamtdistanz: rund 160 Kilometer
Karte:
Allgemeines
Die Motive für diese Reise waren ähnliche wie die für alle meine Reisen der letzten Jahre. Der Erkundungsinstinkt wollte wieder befriedigt werden, diesmal sollte etwas Neues her, etwas, wo noch keiner meiner Bekannten und Freunde vorher zum Wandern gewesen war. Dazu befand ich mich - wiedermal - in der Lage, monatelang für eine anspruchsvolle Prüfung gelernt zu haben. Die Recherche zu und die Buchung dieser Reise fungierte in dieser Situation also auch als eine Art im Vorhinein fixierte Belohnung für die Strapazen der mentalen Zermürbung durch wochenlanges Fallstudium, die dem Tag der Buchung des Fluges noch folgen sollten.
Ich fing also an, nach europäischen Staaten zu recherchieren, in denen es im Februar warm genug für Übernachtungen im Zelt ist. Von den Kandidaten Türkei (Lykischer Weg), Portugal und Zypern entschied ich mich schließlich eindeutig für letzteren, da ich über diese Fernwanderdestination mit Abstand am wenigsten Information im Internet finden konnte und diese Ungewissheit einen gewissen Reiz auf mich ausübt. Ein weiterer Grund für diese Wahl war die politische Situation Zyperns, das ja seit geraumer Zeit in den türkischen Norden und den griechischen Süden geteilt ist. Zu wenig hatte ich über dieses Schicksal Zyperns noch erfahren, um nicht neugierig zu werden und mir die Gegebenheiten selbst vor Ort anschauen zu wollen. Besonders die nur von der Türkei anerkannte "Türkische Republik Nordzypern" (TRNC) weckte hier - als "Antagonist" zumindest der westlichen Erzählung - mein Interesse. Sie sollte mein Ziel werden.
Bei meiner Suche konnte ich zwar nicht viel Information zu Wanderrouten in Zypern finden, aber immerhin einen ODS-Bericht zu einer Wanderung auf der Karpaz-Halbinsel im Nordosten der Insel, als auch einen vollständigen GPS-Track (Link ganz unten im Anhang) samt spärlichen Informationen zum Besparmak-Trail (von Kap Korucam bis Kap Zafer) auf einer anderen Website. Etwa 230 Kilometer sollte der Trail also haben, das Wetter wäre laut der diversen Berichte ausgezeichnet zum Wandern. Ich gab mich mit diesen Eckdaten zufrieden und wollte den Rest meinen Improvisationsfähigkeiten überlassen. Klar war, dass die Route rein streckenmäßig in 2 Wochen Gehzeit zu bewältigen war und dass ich mit der Kälte wohl kein Problem bekommen würde. Problemfelder, die mir vor der Reise durch die Recherche bewusst wurden, waren: 1) die Festigkeit des Untergrunds (zwecks Zelt aufstellen), 2) die Trinkwassersituation (Fließgewässer mit glasklarem Wasser an jeder Ecke, wie ich es zuletzt in Norwegen erlebt hatte, habe ich mir in Zypern - zu Recht - nicht erwartet) und 3) die öffentlichen Verkehrsmittel, die laut Berichten in Nordzypern nur rudimentär vorhanden seien.
Da zumindest ich, als jemand, der das ODS Forum nicht sehr häufig nutzt, noch keine anderen Berichte zu einer Wanderung entlang des Beşparmak-Trails gefunden habe (bis auf, wie gesagt, einen Bericht über den Ostteil auf der Karpaz-Halbinsel), gehe ich lieber etwas mehr ins Detail um möglichen Interessierten die Entscheidung zu erleichtern, den Weg zu begehen oder eben nicht zu begehen.
Anreise zu Kap Koruçam
Wer in Nordzypern wandern gehen will, der kann entweder direkt in den türkischen Teil Nikosias fliegen (ausschließlich über die Türkei möglich), oder im südzyprischen Larnaka landen und einen der Grenzposten passieren, wo es zumindest für EU-Bürger keinerlei Probleme zu befürchten gibt. Ich wählte letztere Variante, fuhr im Anschluss an meine Landung mit einem der günstigen Intercity Busse (im Regelfall etwa 4€ zwischen den größeren Städten) nach Nikosia und quartierte mich in eine billige Einzelunterkunft ein. Eine Einzelunterkunft wurde es spontan deshalb, weil ich beim Warten auf den Intercity Bus in Larnaka ein dermaßen mieses Bild bezüglich der allgemeinen Sicherheit in zyprischen Städten (zumindest bei Nacht) bekam, dass ich an diesem Abend keine dubiosen Begegnungen mit der üblichen Schlafsaalklientel haben wollte. Zypern ist jener Staat der EU, der die höchste Zahl an Asylanträgen aufzuweisen hat. Demensprechend viele Leute ohne Perspektive halten sich vorwiegend in den Großstädten auf, was entsprechend unangenehm werden kann, etwa wenn man bereits nach einstündigem Aufenthalt in Larnaka aus nächster Nähe von einer Obdachlosen angebrüllt wird, so wie es mir widerfahren ist.
Eben Beschriebenes beschäftigte mich allerdings nicht lange, da es am nächsten Tag galt, einiges Organisatorisches und zudem natürlich die Anreise zum Ausgangspunkt Kap Koruçam zu erledigen. Ich machte mich mit Sack und Pack auf den Weg von meiner Unterkunft zur Grenzübergangsstelle in der Ledra Street.
Nach dem Grenzübergang musste dringend eine türkische Simkarte her, da der Nordteil des Landes nicht vom EU-Roamingbereich erfasst ist. Allgemein war das Smartphone war für die gesamte Tour (leider) nicht wegzudenken, da vernünftiges physisches Kartenmaterial für diese Wanderung meines Wissens nicht existiert (ausgenommen der Cicerone Guide, der allerdings nur ausgewählte Tagestouren in Nordzypern behandelt). Mein Hauptnavigationsmittel war daher die oben erwähnte GPS-Karte des Beşparmak-Trails bzw. meine digitale Offlinekarte in der Garmin Explore App, in die ich einzelne Wegpunkte des Trails manuell übertrug.
Neben der Simkarte musste ich auch noch an Campinggas gelangen, ebenso wollte ich mir noch ein Messer zu Verteidigungszwecken anschaffen. Wer in Nordzypern Outdoorzubehör kaufen will, geht am besten zu "Cyprus Outdoor Shop". In dem älteren ODS-Bericht zu Nordzypern wird noch der "Agama Outdoor Shop" des Beşparmak-Trail Erstellers Tuğberk Emirzade empfohlen, der nun aber leider schon pleite gegangen ist, wie ich auf Nachfrage beim Inhaber selbst erfahren habe.
Nachdem ich Simkarte, Gas und Messer eingesackt hatte, trottete ich bei nicht zu vernachlässigender Hitze vom Outdoorgeschäft wieder zurück zum wichtigsten Busbahnhof der Stadt, der sich gleich neben dem Girne Kapısı (Girne-Tor) befindet.
Kleinbusse am Busbahnhof Girne Kapısı
Die Kleinbusse in Nordzypern fahren nicht nach fixen Fahrplänen, schon gar nicht kann man deren Routen oder Abfahrtzeiten im Internet einsehen. Man zahlt bar (ausschließlich türkische Lira) und der Preis wächst je angefahrener Station, bleibt aber dennoch sehr günstig. Auch das Ein- und Aussteigen abseits fixierter Stationen ist kein Problem.
Mit solchen Bussen schaffte ich es über Girne bis Karşıyaka zu gelangen, von wo um diese Tageszeit (etwa 16:00 Uhr) aber keine weiteren Busse Richtung Kap Koruçam fuhren. Also machte ich mich zu Fuß auf, um das Kap vor Sonnenuntergang zu erreichen. Dies mit dem Hintergedanken, wenn es vielleicht zu knapp werden würde, aufs Autostoppen zurückzugreifen.
Auf der Schnellstraße Richtung Westen
Die Stunden zogen ins Land und er wollte nicht so recht näherkommen, der Startpunkt meiner Tour. Ich realisierte, dass das mit dem Ankommen vor Einbruch der Dunkelheit wohl nichts werden würde. Sich auf das spontane Entdecken und Aufspüren von Bussen oder Taxis zu verlassen, insbesondere in den entlegeneren Ecken, konnte ich mir von nun an abschminken. Immerhin gelang es mir, ein Auto zu stoppen, dessen Fahrer mich etwa 4 Kilometer bis zu seinem Heimatdorf Kayalar mitnahm.
Von dort an legte ich im Anschluss nochmal 11 Kilometer bis Sadrazamköy zurück. Mehrfach wurde mir auf diesem Abschnitt klar, dass man als Weitwanderer in Nordzypern auffällt wie ein bunter Hund: Vorbeifahrende Autos hupten regelmäßig, die Insassen lachten, winkten begeistert aus den Gefährten oder riefen gar irgendwelche (vermutlich aufmunternden, affirmativen) Sprüche zu. Ich merkte dass die Türken Leute wie mich in meiner Wanderausrüstung offenbar kaum zu Gesicht bekommen. Eine Gruppe junger Burschen auf einer Baustelle mitten auf einer entlegenen Landstraße wollte mich auch nicht einfach kommentarlos passieren lassen und fragte nach einem einleitenden "hello, my friend" mit fast schon verdutzt-vorwurfsvollem Gesicht, was ich denn hier überhaupt mache. Die Worte "Koruçam Burnu" (Kap Koruçam) bzw. "Beşparmak-Trail" konnten sie einigermaßen zufriedenstellen.
Von Erfolg gekrönt sollte der Abend meines Anreisetages leider nur bedingt sein: es war bereits stockdunkel als ich Sadrazamköy erreichte. Während ich kurz vor der Ortschaft noch den Klängen des Muezzin aus den Lautsprechern der örtlichen Moschee lauschen konnte, was in der fortgeschrittenen Dämmerung mit dem Blick aufs Meer eine sehr besondere Stimmung erzeugte, musste ich mich gleich am Ortsbeginn über lästige, streunende Hunde aufregen, die einander nachstellten und auch mich scheinbar wahrnahmen und zu bellen begannen. Ich entzog mich der Situation indem ich Schutz im Vorgarten eines Einfamilienhauses suchte. Dem verdutzten Hausbesitzer erklärte ich mittels "Unterhaltung"-Funktion von Google Übersetzer was ich hier mache und wo ich überhaupt hin wolle. Er zeigte sich verständnisvoll und riet mir ab, weiterzugehen, weil es in der Freifläche jenseits des Dorfes noch mehr Hunde gäbe. Als Zeltplatz schlug er eine Stelle direkt gegenüber seinem Haus vor.
Ich sah ein, dass es besser wäre, jetzt in die Waagrechte zu kommen und baute mein Zelt mehr schlecht als recht mitten in der Ortschaft auf. Der Boden war zu hart, sodass die Heringe meines Zeltes kaum Halt fanden. Insgesamt muss mein Lager von außen einen wohl eher erbärmlichen Eindruck gemacht haben, was auch erklären würde, warum bereits 10 Minuten nach Aufbau des Zelts die ersten türkischen Bewohnerinnen der Ortschaft kichernd ihre Urteile über den seltsamen Europäer mit seinem windschiefen Zelt zu fällen schienen. Das war mir anders als die bellenden Köter eigentlich herzlich egal und ich war froh, wenigstens Erholung zu bekommen.
In der Früh Packte ich meine Sachen und bahnte mir den Weg zum Ausgangspunkt der Wanderung.
Tag 1
Der Startpunkt der Wanderung, das Kap Koruçam, hatte für mich eine ganz besondere Atmosphäre. Zu der exponierten Lage, die ein jedes Kap nun mal hat, kam dazu, dass sich dort kein einziger Mensch aufgehalten hat, bis auf verlassene, alte Bruchbuden weit und breit kein Gebäude zu sehen war und dass mir ein schwarzer, streunender Hund seelenruhig etwa eine halbe Stunde lang auf meinen Wegen folgte.
Der Hund weckte in mir irgendwie die Assoziation, eine verständige, alte Seele zu sein, die von meiner bevorstehenden Tour wüsste und mir zumindest für ein paar Meter das Geleit geben wollte.
Bevor ich die Tour startete, testete ich die Schneidfähigkeit meines neu erworbenen Messers an einer heimischen, saftigen Orange, die ich am Vortag in Nikosia gekauft hatte. Bei bestem Wetter, beinahe die gesamte Nordküste Zyperns im Blickfeld, besann ich mich noch einmal auf das bevorstehende Projekt. Schließlich aktivierte ich mein Trackinggerät und startete auf einem kleinen, schlecht markierten Pfad Richtung Osten.
Etwa 2 Stunden verbrachte ich damit, mir über den etwas unwegsamen, aber schönen Küstenweg wieder meinen Weg zurück nach Sadrazamköy zu bahnen, wo ich die letzte Nacht verbracht hatte. Ich passierte dabei ein paar Leute, die an die Küste gekommen waren um zu tauchen und ebenfalls ein kleines Rudel streunender Hunde, das mich sofort wahrnahm und mir aus der Entfernung zubellend ein paar hundert Meter folgte. Das mussten also die Hunde sein, die meine Bekanntschaft vom Vortag gemeint hat und die das Kap in der Nacht scheinbar etwas unsicherer machen. Erstmals begann ich über Szenarien zu grübeln, in denen ich von Hunden angegriffen werde und war froh, mir wenigstens noch ein Messer für den Ernstfall besorgt zu haben.
Im Ortsgebiet Sadrazamköys wurde es mühsam, dem Trail zu folgen. Der Trail führt einmal beispielsweise unnötig Nahe an Privatgrundstücken entlang, an denen stets auch aufgebrachte Hunde zu erwarten sind und wodurch neugierige Blicke der Einwohner unvermeidbar werden, ohne aber dass sich diese Wege für die Tour irgendwie auszahlen. Ich empfehle daher nach dem Erreichen Sadrazamköys einfach die Hauptstraße zu nehmen und dann vor der lokalen Moschee rechts abzubiegen, sodass man wieder auf den offiziellen Trail gelangt.
Nachdem ich den Ort verlassen hatte bekam der Weg erstmals eine spürbare Steigung. Auf einem Karrenweg passierte ich scherzende Bauern mit ihrem Traktor, einige verstreute Bauernhöfe und nicht zuletzt bemerkte ich an einigen Stellen horrende Mengen an Müll, die leider in ganz Nordzypern oft einfach in der Natur landen.
Eher unspektakulär gestalteten sich die nächsten Kilometer, denn der Karrenweg führte einfach schnurstracks durch einen Wald, ohne irgendwelche besonderen Anblicke zu bieten. Als ich einen Blick auf das Höhenprofil der kommenden Strecke bis nach Koruçam warf, entschied ich mich für die erste Abweichung vom offiziellen Trail: anstatt Links abzubiegen, einige Höhenmeter wieder bergab zu gehen, nur um an der Küste wieder zur St. Georgios Kirche zu kommen, einem eher hässlichen Bau, der nicht wirklich einer Kirche ähnelt und den ich außerdem schon bei der Anreise zum Startpunkt gesehen hatte, schien mir überhaupt nicht lohnend. Ich wählte daher den direkten Weg nach Koruçam, der über eine Landstraße führte. In Koruçam setzte ich mich einigermaßen ermüdet in das Restaurant "Yorgo" und bekam ein sättigendes "Kup Kebab" serviert.
Das Restaurant war für mich aber in Koruçam nicht das Wichtigste. Unbehagen machte mir nun erstmals die Wassersituation und ich war daher froh, als mir die Kellnerin bestätigte, dass sich gleich um die Ecke ein Geschäft befinde. Ich sah mir die Karte an und wusste, dass ich erstens bald mein Lager aufschlagen würde und dass ich zweitens am nächsten Tag erstmalig höher gelegenes Terrain betreten würde und dann nicht mehr so leicht an Wasser kommen würde. Ich kaufte also so viel Wasser, dass ich insgesamt 6 Liter am Mann hatte.
Als ich Koruçam verließ, sorgten diese 6 Liter Wasser ob ihrer großen Last auf dem Rücken für einiges an Grübeln: es könne doch nicht sein, dass ich jetzt jedes mal auf derartige Hamsterkäufe angewiesen wäre, nur weil der Trail nie an geeigneten Orten zum Aufstocken vorbeiführt. Doch, im Wesentlichen war es genau so (wie später noch gezeigt wird).
Nach dem Verlassen der Stadt machte der Weg nochmal ein paar Höhemeter ehe er in ein ruhiges und zu dieser Jahreszeit saftig grünes Tal voller Rapsfelder führte. Ich wusste, dass ich hier, noch vor Geçitköy, mein Lager aufschlagen würde.
Tag 2
Eine wunderschöne Kulisse am Morgen des zweiten Tages sorgte für einen Motivationskick, den ich angesichts des Wissens über das Bevorstehen einiger Höhenmeter in Verbindung mit der Last an meinem Rücken auch ganz gut brauchen konnte. In den Morgenstunden musste bereits leichter Nieselregen eingesetzt haben, denn der Feldweg war an manchen Stellen nun zur Schlammgrube geworden.
Abermals vorbei an kläffenden Hunden passierte ich Geçitköy, ging einige hundert Meter die Landstraße entlang und fand schließlich den Einstieg zu dem Gebirgspfad, auf dem ich die nächsten Stunden zubrachte.
Am Ende des steilen Anstieges bemerkte ich, dass ich mein neu erstandenes Messer verloren hatte. Nur einige Sekunden dachte ich daran umzukehren und es am Fuße des gerade erklommenen Berges zu suchen, ehe die Gedanken überwogen, einem zufälligen Einwohner der Gegend lieber einen erfreulichen Fund zu bescheren und keine Zeit liegen zu lassen. Schließlich wird der Trail im Internet oft mit 16 empfohlenen Etappen dargestellt und ich hatte grob 10-12 Tage eingeplant.
Der folgende Abschnitt bis zum "Kozan Restaurant" lieferte diverse hübsche Anblicke, etwa auf den türkisblauen Stausee bei Geçitköy, auf im Wald und auf Fels herummarschierende Ziegen und auf die Küste. Phasenweise verwandelte sich der Karrenweg in sehr unwegsames Gelände, in dem besonders mit schwerem Gepäck Vorsicht geboten ist.
Schließlich kam ich zum Restaurant und der dazugehörigen Picknickstätte, die beide an einer das Gebirge querenden Straße gelegen sind. Ich bemerkte russische Jugendliche beim Grillen - erstmalig hatte sich mein Vorwissen bestätigt, dass Zypern eine beliebte Urlaubs- und auch Reisedestination ist. Noch an vielen anderen Orten Zyperns fiel mir ein auffallend hoher Anteil an ostslawischen Touristen/Bewohnern auf, den ich als Freund dieser Kulturen aber keineswegs als unangenehm empfinde.
Nach dem Kozan Restaurant folgte ein sehr naturbelassener, schlecht markierter Abschnitt bis zum Sina Kloster, der aber eine der besten Atmosphären der ganzen Strecke bot. Für mich als Zentraleuropäer gab es teilweise unbekannte Vegetation zu sehen. Zudem glänze der Pfad mit einer perfekten Abwechslung von Meerblick und schroffem Fels.
Nach einer kurzen Mittagspause beim Sina Kloster zeigte der Trail leider eine seiner hässlicheren Seiten, die mir auch die nächsten Tage leider oft nicht erspart bleiben sollte: Forststraßen. Forststraßen über Forststraßen. Als Österreicher bin ich es gewohnt, Wanderungen mit einem zu großen Anteil an Forststraße sofort als "uninteressant" zu schubladisieren. Entsprechend muss also auch mein Urteil über den restlichen zweiten Wandertag ausfallen, den ich ausschließlich, also mehrere Stunden lang, auf ewig gleich aussehenden Forststraßen verbrachte. Ich kann mir diese Streckenwahl des Erstellers nur durch Alternativlosigkeit erklären. Es gibt oft an Stellen des Gebirges, die einiges an Schönheit zu bieten hätten, schlicht und einfach keine Wanderpfade, weshalb auf schnöde Forststraßen zurückgegriffen werden muss, die meiner Vorstellung nach vermutlich historischen Kriegszwecken - etwa für die Luftabwehr - dienten.
Als der Weg kurz die Stadt Lapta striff, wurde eine durch einen Hangrutsch ruinierte Straße zu einem handfesten Hindernis, das ich nur durch eine mühsame Kletterpartie auf den angrenzenden Hang umgehen konnte.
Am Abend konnte ich es kaum erwarten, meinen ermüdeten Kadaver endlich in mein Zelt zu betten und baute deshalb mein Zelt in der Pampa zwischen Lapta und Malatya auf, obwohl ich noch nicht ganz mein festgelegtes Ziel erreicht hatte.
Beim Zeltaufbau bekam ich Gesellschaft durch einen Fuchs, der neugierig mein Schaffen betrachtete. Als das Zelt aufgebaut war, bespaßte ich mich in den zahlreichen, dunklen Abendstunden (die Sonne ging ja schon um etwa 17:30 unter) vor allem mit dem Lesen von Nietzsches "Der Antichrist" auf meinem E-Reader (genial fürs Weitwandern) und dem chatten mit diversen Freunden aus der Heimat, wovon man sich gerade letzteres auf diesem Trail sparen sollte (Stromverbrauch).
Tag 3
Wie Tag 2 endete, fing Tag 3 an. Sprich: mit Forststraßen. Bald gab es immerhin einige kleine, beschauliche Ortschaften zu sehen, die auf mich eher den Eindruck machten, Heimat oder Zweitwohnsitz gut betuchter Ausländer zu sein als Heimat türkischer Einheimischer. Ich kam an mehreren schicken Unterkünften und Hotels vorbei und schließlich, nach Malatya und Ilgaz in den heimeligen Ort "Karaman".
Von den 6 Litern Wasser in meiner Wasserblase war nicht mehr viel übrig gewesen und ich machte mir bereits ernsthafte Gedanken, wie ich bald wieder an Wasser kommen könnte. In Karaman freute ich mich aber erst einmal sehr, ein Cafehaus gefunden zu haben, das glücklicher Weise auch noch offen hatte. Bei einem Toast und einem Chili con Carne sinnierte ich über die kommende Strecke, nachdem ich den asiatischen Betreiber des Cafes, Dhan, über mögliche Einkaufsmöglichkeiten ausgefragt hatte. Er war begeistert von meiner Idee, das ganze Beşparmak-Gebirge abwandern zu wollen, erzählte, dass er sonst lediglich einen Brasilianer als Wanderer getroffen hatte, der offenbar aber nur Tageswanderungen gemacht hatte und fragte schließlich interessiert nach meinem Namen auf Instagram. Bezüglich Einkaufsmöglichkeiten konnte er mir leider nicht weiterhelfen, bestätigte mir aber auf meine Frage hin, dass für die übernächste Nacht sicher ein Campingplatz auf dem Gebirge existiere, der wahrscheinlich auch offen hätte.
Etwas beruhigt ob dieser Information verließ ich das Lokal wieder, an dem mich am meisten begeisterte, wie behände Dhan die zig streunenden Katzen der Ortschaft von den Tischen mit einer eigens dafür abgestellten Wassersprühflasche verscheuchte.
Ohne neues Wasser zog ich weiter gen Osten und verließ zum Glück bald das Mischmasch aus Forststraßen und asphaltierten Straßen zugunsten eines schmalen Höhenpfades, der wieder den Hang hinauf aufs Gebirge führte. Auf dem schönen, steinigen Pfad, der sich übrigens auch hervorragend für eine Tagestour eignen würde, beschallte ich mich selbst mit Musik um einem kleinen Energietief (Verdauung von Dhans Essen) zu entkommen. Schwarzmetallische Klänge erfüllten diese Aufgabe mit Bravour und peitschten mich den Hang hinauf. Ich hielt mich hier an die offizielle Route und kam deshalb leider nicht am Hilarion Castle vorbei, das ex post betrachtet wahrscheinlich sehenswert gewesen wäre.
Kurz vorm Erreichen der höchsten Stelle dieses Abschnitts kam mir eine 5-köpfige Gruppe russischer oder ukrainischer Touristinnen entgegen, die sichtlich nicht so recht wussten, was sie von meinem Auftritt als keuchender, ungewaschener und bärtiger Waldschrat, der noch dazu gerade Black Metal Gekeife über seine Handyboxen abspielte, halten sollen. Dieses Gefühl macht mir aber nichts und es gehört für mich zum Urlaub als "Landstreicher" - wie ich das Weitwandern gerne betitle - dazu wie Blasen auf den Füßen oder nasse Socken.
Am Sattel angekommen eröffnete sich mir ein wunderschöner Fernblick auf die Schnellstraße zwischen Girne und Nikosia, auf der ich per Bus an die Nordküste gefahren war. Es folgte ein steiler, leider Gottes mies markierter Abstieg in die Ortschaft Ağırdağ, von wo ich mir meinen Weg wieder westwärts bahnte.
Hier eine Empfehlung: der offizielle Weg führt hier einige hundert Meter vor dem Kreuzen der Schnellstraße von dem bisherigen Schotterweg nach links und hangaufwärts weg. Dieser Weg ist absolut nicht(!) begehbar, weil er völlig zugewuchert ist und dient augenscheinlich der Entsorgung von Ziegenkadavern durch lokale Bauern. Es ist besser auf dem Schotterweg zu bleiben und anschließend einfach einige hundert Meter mehr am Rand der Schnellstraße zurückzulegen.
Der Schotterweg führt vorbei an riesigen Kakteen zur Schnellstraße, wo man am besten einige hundert Meter nordwärts geht, um dann die Straße zu überqueren und zur "Boğaz" Picknickstation zu gelangen. Dieser Ort dient grundsätzlich dem Grillen mitgebrachter Grillwaren. In einer kleinen Verkaufsstelle konnte ich aber bei einer äußerst wortkargen jungen Türkin immerhin Wasser kaufen (nachdem 2 ganze Tage seit Koruçam vergangen waren).
Vorbei an verdutzt dreinschauenden türkischen Großfamilien verließ ich den recht verdreckten Grillplatz wieder, ließ mich etwas abseits der Schnellstraße auf einem grasigen Hügel nieder und bereitete mir eine meiner gefriergetrockneten Fertigmahlzeiten zu, ehe ich nach einer kurzen Verdaupause abermals einen Karrenweg bergauf marschierte, der Wind mir die immer lauter werdende türkische Volksmusik vom Grillplatz zu Ohren trug und ich mir schließlich im Dämmerlicht einen geeigneten Schlafplatz suchte.
Tag 4
Vom Beginn dieser Etappe an plagte mich der Gedanke an die sich zu Ende neigende Ladung meiner Powerbank, die nur mehr zu 30% geladen war. Ich setzte meine Hoffnung, wie bereits erwähnt, in die Existenz eines Campingplatzes namens "Kamp yeri 2" etwa auf der Höhe von Çatalköy. Immerhin war mir ja von "Cafehaus Dhan" zugesichert worden, dass dieser Campingplatz existiere.
Mit diesem Ziel vor Augen startete ich den 4. Tag, der gleich mit einigen Höhenmetern über abermals schlecht markierte Wege startete. Ohne andere Wanderer zu sehen ging ich hauptsächlich über schmale Trampelpfade und freute mich, einige kleinere, verlassene Gebäude zu entdecken, über deren früheren Zweck zu rätseln ich immer interessant finde. Nachdem ich den Trampelpfad verließ, wieder auf eine Forststraße (juhu!) stieß und einige Minuten in die provisorische Reparatur der Spitzen meiner Komperdell-Gehstöcke stecken musste, klärte sich rasch auf, was für einem Zweck alle Gebäude hier einst gedient hatten: es waren militärische Posten gewesen, vermutlich aus der Zeit des Zypernkonfliktes 1974. Die Anordnung der Gebäude (darunter Wachposten), das Vorhandensein zahlreicher Einschusslöcher und von Warnschildern, die vor noch immer im Erdreich befindlichen Fliegerbomben in Sperrgebieten warnten, sprachen für mich eine eindeutige Sprache.
Relativ lange und relativ unspektakulär zog sich die genannte Forststraße so dahin. Ich entschied mich, den höhen- und kilometerintensiven Umweg zum Bellapais-Kloster in Beylerbeyi nicht zu nehmen (ich hab's nicht so mit Klöstern) und stattdessen direkt den ersehnten Campingplatz anzusteuern. So richtig vertraut habe ich auf Dhans Auskunft zwar nicht. Dennoch saß die Enttäuschung tief, als sich der Google Maps Eintrag des "Kamp yeri" am Nachmittag des 4. Tages als Blindgänger entpuppte. Es handelt es sich lediglich um eine Campingstelle im Wald ohne jegliche Infrastruktur, nicht um einen Campingplatz. Nichts also mit Strom, Nichts mit Wasser. Es hieß weitergehen und kalkulieren, wie weit ich noch mit meinem Strom und Wasser kommen könnte.
Bei einer kurzen Rast überdachte ich meinen ganzen planerischen Zugang zum Trail, denn jetzt war klar, dass es zu Nichts führte, auf ausreichende Wasserstellen, schon gar nicht auf ausreichende Einkehrmöglichkeiten samt Elektrizität zu vertrauen. Der Trail ist schlicht und einfach nicht darauf ausgelegt, am Stück begangen zu werden und wie ich später auf Nachfrage erfahren habe, versteckt sich sogar der Ersteller des Trails Tuğberk selbst an mehreren Stellen Wasserflaschen am Wegesrand, bevor er den gesamten Trail abwandert. Ich erkannte also, dass ich eine Stadt anpeilen musste, um wieder an Strom zu kommen. Auf mein Handy als Navigationsmittel war ich ja wie gesagt angewiesen.
Etwas enttäuscht von dieser Einsicht verließ ich also den Weg, indem ich nach links talwärts Richtung Çatalköy ging. Im Ort angekommen passierte ich abermals ein Villenviertel, danach einen Schafhirten und mitten im Ort stieß ich auf einen Imbiss, in dem ich mir erstmal einen Adana Kebab reinstellte und Schwarztee schlürfte. Daraufhin quartierte ich mich ein Hotel ein und frönte für einen Abend den "Vorzügen" des "zivilisierten" Lebens: Zucker- und Fettfraß von der Tankstelle, Dopamin-Überdosis aus diversen Sozialen Netzwerken. Doch der verhängnisvollste Schritt für die eigene Psyche war ein anderer: ich machte mir mit dem Rezeptionisten aus, er möge mir für den nächsten Tag ein Taxi zurück zum Gebirge bestellen, und zwar zur "Buffavento Sucuk Bar", was bedeutete, dass ich einige Kilometer der Strecke überspringen würde. Verhängnisvoll war dieser Schritt deshalb, weil ich gerne nach dem Prinzip "Punkt A nach Punkt B, keine Kompromisse, keine Erleichterungen" wandere und von nun an bei der weiteren Reise ständig das Gefühl hatte, dass ich am Ende "sowieso nicht die ganze Strecke gemacht haben würde", da ich mir ja eben ein Stück durchs Taxi abnehmen ließ.
Während meines Hotelaufenthaltes grübelte ich über dieses Dilemma, das für viele wahrscheinlich wie eine absolute Nichtigkeit klingen mag, für mich als sturen Prinzipienreiter bei solchen Sachen aber wichtig war. Vor Ablauf des Tages konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich die Taxifahrt vielleicht doch noch absagen und damit meinen Seelenfrieden bewahren würde. Dagegen sprach, dass der Weg zurück zum Trail teils an einer stark befahrenen Schnellstraße entlangging. Mit dieser Ungewissheit ging ich also schlafen.
Tag 5
Ein fauler Pragmatismus siegte leider über meine Gewissheit, dass mich eben beschriebenes Dilemma sicher die restliche Tour lang wurmen würde. Ich sagte die Taxifahrt also nicht ab. Nachdem ich mich von dem etwas falsch wirkenden Rezeptionisten, der mir das Taxi geordert hatte, noch in einem türkischen Fes vor der prachtvollen Stiege im Inneren des Hotels ablichten ließ, wurde ich also abgeholt und um den "Spezialpreis" von 20€ zur Buffavento Sucuk Bar gebracht (Fahrzeit 10 Minuten). Trotz siebensüß bekundetem Interesse seitens des Fahrers an meiner Tour sind 10 Minuten Fahrzeit niemals 20€ wert. Als Tourist sollte man bei Taxis wie es aussieht stets aufpassen und eher vorher einen Fixpreis vereinbaren. Die Buffavento Sucuk Bar wählte ich deshalb aus, weil man hier ideal wieder in den Trail einsteigen konnte, wodurch ich allerdings wegen des Überspringens eines kleinen Abschnitts des Trails das Buffavento Castle nicht zu Gesicht bekam.
Gleich nachdem ich abgesetzt wurde befand sich zu meiner Linken der für das gesamte Gebirge namensgebende Gipfel "Beşparmak" (dt.: fünf Finger). Ich marschierte von dort aus weiter durch - wenn man den Schildern glaubt - militärisches Sperrgebiet, das hier aber offenbar keiner der vorbeifahrenden Auto- und Radfahrer so wirklich ernst nehmen will. Auf Asphaltstraßen und später schmalen Trampelpfaden kam ich danach zu einem Aussichtspunkt und schließlich zu dem dahinvegetierenden und mitten im Wald gelegenen St. Makarios Kloster. Etwa eine halbe Stunde brachte ich damit zu, das verlassene Areal dieses lost places abzuschreiten, mir mit einem Wanderstock eine (leider noch unreife) Orange von einem Baum herabzuschlagen und die diversen armenischen Inschriften anzusehen.
Ich ließ das Kloster hinter mir und kam bald zu einem Besucherzentrum für die Gegend um den Beşparmak-Gipfel. Hier konnte man eine alte, verblichene Karte bestaunen, auf der kurze Wanderrouten vorgeschlagen wurden. Das ganze kam etwas lustlos rüber und die größte Attraktion im Besucherzentrum schien mir eine Atatürk-Büste zu sein, die man aber auch in fast jedem anderen nordzyprischen Dorf sehen kann. Kurios fand ich aber, dass eine (entschärfte?) Fliegerbombe einfach so am Wegesrand herumlag.
Als ich mich von dem Besucherzentrum wieder entfernte begann ein einigermaßen einschläfernder Abschnitt (Forststraße), der sich ohne viele Gefälle oder Steigungen bis zur Antiphonitis Kirche zog, in deren Nähe sich ein größerer Wasserspeicher befand, bei dem ich mein Zelt aufbaute. Spannend auf dem Weg dahin fand ich eine Infotafel, die über ein Versteck türkischer Kriegsgefangener der Briten aus der Schlacht von Gallipoli aufklärte. Diese waren den Briten auf Zypern nach 1915 entkommen und hatten sich im markierten Areal in einer Höhle versteckt, wo sie von türkischen Zyprern mit Essen versorgt wurden. Die Höhle selbst konnte ich leider nicht finden.
Tag 6
Die Nacht war windig und vom Meer her erhellten immer wieder Blitzschläge mein Zelt, sodass ich dachte, ein Auto musste an mir vorbei gefahren sein oder jemand leuchtete mit seiner Taschenlampe mein Zelt an. Offenbar waren die Blitze so weit weg gewesen, dass ich das Donnergrollen nicht hören konnte. Nach dieser durchwachsenen Nacht wollte ich zuerst die Antiphonitis Kirche besuchen, für die der Google Maps Trail extra einen Umweg in Kauf nimmt. Die Kirche war zwar ganz nett anzusehen und angeblich beherberg sie eine einzigartige Deckenmalerei. Betreten konnte ich das Gelände ohne Führung aber nicht, weshalb des Gesamterlebnis der Besichtigung meinen Schlaf in Sachen Bescheidenheit noch toppen konnte.
Auf das Kloster folgte ein langer, ebener Höhenstraßenabschnitt, der leider in die Fußstapfen der letzten Kilometer des Vortages trat und nicht viel zu bieten hatte. Ich beschloss, mir wieder Musik einzuschalten, um die Monotonie mit etwas Gesang aufzupeppen. Ich wählte Landsknechtmusik vom Botho Lucas Chor und gab mitsingend die ein oder andere Zeile zum Besten bis mir auch das zu monoton wurde.
Abwechslung zur Monotonie brachte schließlich das Kreuzen einer Schnellstraße nähe Arıdamı, das zum nicht wenig riskanten Unterfangen wurde, nicht zuletzt wegen dem Steilhang, den es abwärts Richtung Straße zu bewältigen gab. Abermals wegen wirklich schlechter Markierungen kam ich vom Weg ab und fand mich auf dem falschen, weglosen Hang wieder, den ich nur behutsam und im Anschluss mit einiger Akrobatik durch buschiges Dickicht bewältigen konnte.
Einmal an der Straße angekommen führt der Weg einige hundert Meter Richtung Norden und biegt dann nach rechts ab. Dies war der Einstieg zu dem mühsamsten Stück der gesamten Wanderung, das ich auch nicht weiterempfehlen würde. Es geht steil und weglos los, Markierungen muss man buchstäblich mit der Lupe suchen. Ich fragte mich wann dieser Weg wohl das letzte Mal begangen wurde, geschweige denn die Markierungen zuletzt erneuert wurden. Umgestürzte Bäume mitten auf dem Weg und der Schädel einer Ziege zeugten von der relativen Unberührtheit dieses Abschnittes. Bald ließ die Steigung zwar nach, aber die Sucherei nach dem Weg setzte sich fort. Dies führte so weit, dass ich kurzfristig vom Weg abkam und im Dickicht etwa eine halbe Stunde lang nach einem Weg suchen musste, der auf der Karte zwar eingezeichnet war, aber einfach nicht auftauchen wollte. Mein Handy drohte zudem leer zu werden, weil der anhaltende Nieselregen es dermaßen durchnässt hatte, dass ich es nicht mehr aufladen konnte (Feuchtigkeit im USB-Port). Gerade rechtzeitig konnte ich den Weg noch aufspüren und nahm diesen bis nach Tatlısu.
Tatlısu steuerte ich deshalb an, weil wieder Mal die Wasserrationen knapp geworden waren und auf dem Trail weit und breit keine Wasserquelle auftauchte, als ich die Karten studierte. Ich plante nun, zumindest für 2-3 Tage überhaupt auf den Trail zu verzichten und wenig frequentierte Straßen an der Küste zu nehmen, die mich zumindest hin und wieder an Geschäften zum Aufstocken vorbeiführen würden oder eventuell auch wieder - zwecks Elektrizität - zu einem Hotel. Das Ziel "Kap Zafer" blieb also, das Mittel "Beşparmak-Trail" war mir dazu aber schon beinahe egal geworden: von der schlechten Versorgungslage und dem undankbaren Wechselspiel zwischen monotonen Forststraßen und völlig verwildertem Dickicht hatte sich mein Bild vom Trail bedeutend verschlechtert.
Kurz bevor ich in Tatlısu ankam, setzte ein stärkerer Regen ein, was der Moral auch nicht gerade zuträglich war. Als ich den Wald endlich verließ, kam ich bei einem griechisch-christlichen Friedhof vorbei, der von den Türken nach dem Krieg 1974, wahrscheinlich im Zuge der gezielten Ansiedelung anatolischer Türken in den vormals mehrheitlich griechischen Ort, völlig zerstört wurde und noch immer in diesem Zustand betrachtet werden kann. Ich schoss davon ein paar Fotos, ging weiter ins Ortszentrum und war sehr glücklich dort ein kleines Geschäft vorzufinden bei dem ich mich gleich mit Snacks und Wasser ausstattete. Bei einer überdachten Sitzgelegenheit wartete ich das Ende des Regenschauers ab und nahm schließlich die Straße weiter Richtung Küste und von dort zu einem Campingplatz namens "Rose's Country Club".
Bei Rose's Country Club handelt es sich um ein besonderes Lokalkolorit der nordzyprischen Küste: schon beim Eintreten in das Klublokal vernahm ich starken schottischen und britischen Akzent, die Wände waren mit englischen Fußball-Fanschals dekoriert und die plaudernden Männer am Tresen tranken begeistert ein Bier nach dem anderen. Ich war also in einem original britischen Pub gelandet, das die türkische Zyprin "Rose" (ich bin mir sicher sie heißt in echt anders) zusammen mit dem glatzköpfigen britischen Original Chris betreibt. Mit beiden führte ich zu späterer Stunde und nach zwei Bier ein interessantes Gespräch, das sich um Fußball, ungehaltene Gäste auf ihrem Campingplatz und meine angestrebte Route drehte.
Die beiden rieten mir davon ab, bis zum Kap Zafer zu gehen. Erstens sei es nicht so besonders, zudem werde die Gegend hin zum Kap gefährlicher und auch mit Bussen oder Taxis bräuchte ich dort nicht mehr rechnen, was die Rückreise vom Endpunkt sehr schwierig gestalten würde. Ich solle mir doch einfach die Städte anschauen und nicht im sinnlosen Niemandsland Richtung Kap herumgurken, so der Tenor. Ich allerdings war noch immer guter Dinge, es bis ans Kap zu schaffen und tat die Tipps der beiden zunächst als Tipps solcher Personen ab, die noch nie so eine Wanderung gemacht hatten, und nicht wussten, dass man auch hin und wieder mal - auf gut österreichisch - "die Krot fressen" muss, um am Ende den "Punkt B" zu erreichen.
Frustriert davon, dass aus der Duschbrause am Campingplatz nur eiskaltes Wasser kam (weshalb ich aufs Duschen gleich ganz verzichtete), legte ich mich in mein Zelt und machte mich mental bereit führ mehrere Tage "Straßenhatsch" entlang der Küste.
Tag 7
Mein Tag startete früh, weil ich durch das hektische Gekläffe der Hunde von Rose und Chris und ebenso durch das Gezwitscher aus dem nahe an meinem Zelt gelegenen Vogelkäfig aufgeweckt wurde. Laut Rose' Worten vom Vortag hatte ich aber überhaupt Glück auf ihrem Campingplatz schlafen zu dürfen, denn sie nehme nicht jeden. Konkret die ruhige Reaktion ihrer Hunde auf mein Eintreten in das Clublokal habe sie aber überzeugt, dass ich kein Gauner bin. Also konnte ich bleiben.
Wie dem auch sei: in der Früh war mir eigentlich nicht weiter nach Reden zu Mute, denn ich wollte ja einige Kilometer an der Küste bewältigen (genauer: "erledigen"). Also packte ich meinen Krempel ein, verabschiedete mich mit einer Geste von Rose und fand mich auf der rechten Straßenseite der Schnellstraße (Linksverkehr) Richtung Osten ein, wo ich auch für einige Zeit bleiben sollte. Hier ist die Schnellstraße noch stärker befahren, etwa im Halbminutentakt rauschen also Kfz und LKW an einem vorbei. Erst nach etwa fünf Kilometern dann die Erlösung: der Beginn der "Old coastal road". Hier kann man von der Schnellstraße nach links abbiegen und von da an parallel zu dieser und direkt am Wasser entlang wandern. Zwar geht man auch hier auf Asphalt und meist schnurstracks geradeaus, aber immerhin rauschen hier keine Autos vorbei und man kann bei vollkommener Stille und Einsamkeit den Ausblick auf das Meer genießen.
An der Küstenstraße ging es also nun einige Stunden so dahin, vorbei an ein paar im Bau befindlichen Wohnprojekten (wohl für wohlhabende Ausländer), mich ankläffenden, nicht angeleinten Hunden (etwa das 5. Mal auf dieser Reise) und an Stränden, die laut Infotafeln jährlich ab April Brutstätten von Meeresschildkröten sind (was die Strände aber nicht daran hindert, völlig verdreckt zu sein).
Die nächste größere Stadt, die ich erreichte, war Kaplıca. Der Badeort ist eindeutig auf Sommertourismus ausgelegt, hier schlief also alles. Da meine Vorräte zu Ende gingen und auch die Motivation irgendwo im Bereich 1-2/10 herumgrundelte, stach ich wieder hoch zur Schnellstraße und versorgte mich bei einem "Off License"-Shop bei einer äußerst demotivierten Dame mit Wasser als auch Nervennahrung für die nächsten Kilometer auf der Schnellstraße.
Genervt von der Schnellstraße stieg ich aber bald über die Leitplanke und kehrte querfeldein wieder auf die old coastal road zurück. Auf ihr erreichte ich bald die D10-Schnellstraßenkreuzung, wo sich all die oben beschriebenen Zweifel an der Tour im Allgemeinen zu einem handfesten Unwillen meinerseits entwickelten: ich sah einfach nicht mehr ein, warum ich zum Trotz an einer Tour festhalten sollte, die mich doch in einigen Belangen enttäuscht hat (zur Erinnerung: schlechte Wasserversorgung, kaum Einkehrmöglichkeiten, großer Anteil an Forststraßen, teilweise sehr schlechte Markierungen) und die in meinen Augen auch nicht darauf ausgelegt ist, sie ohne Unterstützung von außen oder vorheriges Deponieren von Wasservorräten am Stück zu gehen. Mein aktuellster Plan hätte nun bedeutet, sich drei Tage Lang die Füße auf Straßen plattzugehen, nur um dann wieder auf diesen fragwürdigen Trail zurückzukommen und am Ende sagen zu können, man habe wenigstens das Kap Zafer erreicht, wenn auch nicht immer über die offiziellen Wege des Trails. Erschwerend kam außerdem meine "Taxifahrt-Sünde" bei Çatalköy hinzu, die mir selbst bei Erreichen des Kaps noch im Magen gelegen hätte.
Alles in Allem war also der Punkt erreicht, wo das Projekt "Beşparmak-Trail" für mich keinen Sinn mehr ergab. Bei aller Liebe zum sturen "A nach B" und einer aufgrund dessen bei mir vorhandenen Toleranz gegenüber "mal nicht so schönen" Abschnitten hatte ich hier dennoch das Gefühl, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung zu meinen Ungunsten ausfiel. Ich rief Rose an, erzählte ihr von meinem Umdenken und sie charterte mir ein Taxi. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, denn das Auftreiben eines Taxis in Nordzyperns entlegeneren Gegenden kann zu einer sehr mühsamen Angelegenheit werden, wie ich bei meinen eigenen diesbezüglichen Versuchen, bevor ich Rose anrief, feststellte. Um stolze 30€ wurde ich nach Yeni İskele gebracht. Die Wanderung war beendet und ich fühlte mich eigentlich mehr erleichtert als enttäuscht.
Städtetourismus und Kap Aspro Trail
Auf meinen Abbruch folgten interessante Aufenthalte in Yeni İskele, Famagusta, Nikosia, Limassol, Paphos und Larnaka. Da ich hier den Rahmen eines Reiseberichtes über eine Weitwanderung nicht sprengen will, will ich nur zwei Destinationen hervorheben, die für Outdoor-Interessierte von Interesse sein könnten: Einerseits den Geister-Stadtteil Maraş (Varosha) der Hafenstadt Famagusta, wo man wunderschön beobachten kann, wie sich die Natur über Jahrzehnte einen ganzen Stadtteil zurückerobert hat. Zweitens den Kap Aspro Trail zwischen Paphos und Limassol, der in drei bis vier Stunden zu bewältigen ist und wunderschöne Ausblicke auf hohe Sandsteinklippen liefert.
Fazit zum Beşparmak-Trail
Wie dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein wird, kann ich den Beşparmak-Trail nur sehr eingeschränkt weiterempfehlen. Die Versorgungslage (Wasser, Elektrizität) ist mangelhaft und auch der Weg selbst macht stellenweise nicht viel her. Neben sehr sehenswerten Stücken gibt es einfach zu viele Abschnitte, auf denen man sich mit monotonen, wenig lohnenden Forststraßenabschnitten zufriedengeben muss. Es hat daher meines Erachtens schon seinen Grund, warum renommierte Wanderführerherausgeber wie der Cicerone-Verlag und auch zig andere Reiseanbieter nur Tageswanderungen darstellen bzw. anbieten. Wer sich das Abenteuer dennoch antun will, sollte genauestens planen, wo er vom Weg abgehen will, um an Wasser oder Elektrizität zu kommen und er sollte nicht enttäuscht sein, dass ein 100%iges Befolgen des markierten Weges schwer möglich ist.
Anhang
Link zum gesamten Beşparmak-Trail auf Google Maps:
https://www.google.com/maps/d/viewer...5150000001&z=9
Link zum Cyprus Outdoor Shop:
https://cyprusoutdoorshop.com/en/
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