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Der Segeltörn (SKS)
Reisebericht als PDF?
Weitere Bilder und Kartenmaterial?
Hallo zusammen,
vor kurzem habe ich meine Tagebuch- und Logbuchaufzeichnungen zur SKS-Ausbildung (Sportküstenschifferschein) und dem zweiwöchigen Prüfungstörn niedergeschrieben. Entstanden ist dabei ein ausführlicher Reisebericht zu unserem Segeltörn, bei dem wir von Elba nach Korsika und die gesamte Ostküste entlang bis nach Bonifacio und zurück gesegelt sind. Vielleicht plant der eine oder andere einen ähnlichen Törn oder überlegt sich eine Segel-Ausbildung?
Viel Spaß beim Lesen!
Eckdaten
Gebiet: Elba (Italien) und Korsika (Frankreich)
Zeitraum: 30. März bis 14. April 2012
Route: Portoferraio • Marciana Marina • Bastia • Campoloro • Porto-Vecchio • Bonifacio • Porto Azzurro • Cavo • Portoferraio
Anspruch: Ausbildungstörn zum amtlichen Sportküstenschifferschein (SKS) beim Hochschul-Segelclub Freiburg.
Höhepunkte: 560 Sm, davon 400 unter Segel • Wellen bis 4 m Höhe • Sturmböen bis 9 Bft • Nachtwache • Bonifacio
Eine Idee wird geboren
Der folgende Bericht setzt sich zum Teil aus meinen Erinnerungen, privaten Aufzeichnungen und dem von der Mannschaft geführten Logbuch zusammen.
Segeln: Die Fortbewegung eines Segelschiffs oder eines Segelboots unter Nutzung der Windenergie. (Quelle: Wikipedia)
Bisher war ich ja immer zu Fuß unterwegs, per pedes wie man so schön sagt. Allein durch den Wind 300 Seemeilen voran zu kommen muss eine halbe Ewigkeit dauern, aber warum nicht? Wie lang ist überhaupt eine Seemeile? Was hat es mit diesen ganzen Knoten auf sich und wie wird eigentlich navigiert wenn das GPS ausfällt? Achterstag, Spiefall, Großbaum und Genua, von diesen Begriffen war noch lange nichts zu hören, als mein Interesse für das Segeln aufkam. Begonnen hat alles auf dem Dresdner Inselfest 2010, als man für 5 Euro auf einem Speedboot die Elbe hinauf und wieder runter fahren durfte. Zusammen mit Freunden habe ich mir diesen Spaß gegönnt, sind wir unter Führung der Laubegaster Wasserwacht über Wellen gesprungen und bei Haarnadelkurven fast ins Wasser gefallen, ein Riesenspaß bis in die Nacht hinein. Der krönende Abschluss war die Beobachtung des Laubegaster Feuerwerks direkt vom Wasser aus - ein Eindruck welcher in mir die Sympathie zur Seefahrt weckte, auch wenn dieses Erlebnis fast nichts mit dem späteren Törn auf dem Meer gemeinsam hatte. Aber egal, die Idee war geboren und ich musste unbedingt wissen wie das geht.
Wieder daheim in Freiburg suchte ich nach einer Yachtschule und meldete mich für den Sportbootführerschein (SBF) See und Binnen an, welcher die Zugangsvoraussetzung für weitere Scheine, Patente und das Segeln auf Yachten ist. Viel Theorie, wenig Praxis und dennoch mit viel Spaß auf dem Rhein lernten wir die Grundlagen der Schifffahrt bei unserem Ex-Luftwaffenpiloten Horst, ähnlich wie beim PKW-Schein von Anfang an. Als wir dann nach ca. vier Monaten endlich unseren SBF See/Binnen in der Hand hielten wurden wir auf den Hochschul-Segelclub Freiburg (HSCF) aufmerksam gemacht. Besonders groß war das Segel-Interesse in unserer SBF-Gruppe leider nicht, so dass die meisten von uns mit dem Führen von kleinen Motorbooten zufrieden waren und anschließend wieder eigene Wege gingen. Das konnte es doch aber noch nicht gewesen sein. Nicht für mich! Und so sammelte ich Informationen zur Segelyachtausbildung beim HSCF und trat ein halbes Jahr später zusammen mit meinem Kollegen Björn dem Freiburger Segelverein bei.
Theoretische Ausbildung

Sportküstenschifferschein (SKS): Die erste Lizenz für das Führen von Segelyachten.
SKS war unser Stichwort für das nächste halbe Jahr. Der Sportküstenschifferschein ist der erste große amtliche Schein für das Führen von Yachten unter Motor oder sogar unter Segel. Nachdem wir uns angemeldet hatten spürten wir sogleich die angenehme und lockere Atmosphäre in der ersten von Klaus gehaltenen Theoriestunde. Themen wie Navigation, Wetter- und Meereskunde, Seemannschaft, Schiffsbautechnik und Seerecht standen für sechs Monate auf der Tagesordnung und es hat nicht lange gedauert bis wir die ersten Kartenaufgaben vorgesetzt bekamen. Knifflig waren sie von Beginn an, das Arbeiten mit Kursdreieck und Marinezirkel auf Seekarten in A0 ist schon etwas anderes. Man fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit in der das große Abenteuer auf dem Ozean lauerte und hegt eine Menge Respekt vor den früheren Navigatoren und Kapitänen, welche ohne elektronische Hilfen wie GPS, Radar oder Echolot in See stachen. Und diese manuelle Navigation gehört auch heute noch zur Grundausbildung zum Skipper, wie auch die Einschätzung der Wetterlage, das Arbeiten mit dem Kompass, Orientierung nach Befeuerung und Betonnung, Kursbeschickung und so weiter, schon waren wir inmitten einer neuen Sprache gelandet, dem Seefahrtsjargon, der bereits seit Jahrhunderten gebraucht wird und größtenteils von den Niederländern und den Portugiesen stammt. Die Navigation kann bedenkenlos als der schwierigste Teil der Theorieprüfung gesehen werden und genau bei diesem Thema war ich dankbar vieles davon bereits in meinem Vermessungsstudium gehört zu haben. Die meisten Kapitel habe ich als verdammt interessant empfunden, vom Seerecht einmal abgesehen. An dieser Stelle also auch ein Dankeschön an die gut organisierten und meist kurzweiligen Vorlesungen der Referenten beim HSCF, insbesondere an Klaus Biehler.
Langsam aber sicher rückte der Prüfungstörn näher, zwei Wochen über Ostern sollten es sein. Es gab Angebote in der Nord- und Ostsee, dem Ijsselmeer und dem Mittelmeerraum, für den Björn und ich uns letztlich entschieden haben, genauer gesagt für den Elba-Korsika-Törn. Dort ist es bereits im April recht warm, die See ist nicht so stürmisch wie in der Nordsee und die Ausbildungsskipper, welche sich für das Mittelmeer bereitstellen, sind wahrscheinlich von der weniger stressigen Sorte, die auch was für Erholung und Urlaub übrig haben. Kurz gesagt, in allen Punkten haben wir uns geirrt! Doch das merkten wir erst während der zwei Wochen auf See und so war die Vorfreude groß, gemischt mit dem Gefühl des Unbekannten, etwas komplett Neues kam auf uns zu, vor allem auf mich. Als Einziger der Mannschaft war ich noch nie auf einem Segelboot unterwegs, damit hatte ich nicht gerechnet. Wie genau unsere achtköpfige Mannschaft aussah, das erfuhren wir dann im Januar 2012, als unser Skipper ein erstes Treffen organisierte und die verschiedenen Posten aufteilte. Die wichtigsten waren der Proviantmeister (Herbert) und der Schatzmeister (Björn), weitere Verantwortung wurde in den Bereichen Kultur und Fotografie an die Mannschaft übertragen, wobei ich mich zu letzterem zählen durfte. Neben Björn und mir gehörten noch Rainer, Klaus, Peter, Andre, unser Co-Skipper Herbert und Skipper Thomas zum Team. Der erste Eindruck war: Tolles Team, tolle Männer und ein Skipper, der aufgrund seiner Aktivitäten im Yachtsport (aktives Regattenmitglied) eine Menge Erfahrung vorweisen konnte, das beruhigte uns zunächst.
Schon bald wurde es ernst, es ging ans Packen: Was wird benötigt? Auf was kann verzichtet werden? Die Vorgabe vom Skipper war maximal ein zusammenfaltbares Gepäckstück pro Person, der Platz an Bord ist bei acht Personen auf einer 15 Meter Yacht sehr begrenzt. Dank meiner Trekkingtouren in den vorangegangenen Jahren besaß ich bereits recht kompakte Kleidung und Ausrüstung, so dass ich vor allem dem Kapitel Medikamente etwas mehr Zeit widmen konnte. Von Anfang an schwirrte der Gedanke an die Seekrankheit chronisch in meinem Kopf herum, den ich mit ein wenig Optimismus immer gut verdrängen konnte, doch jetzt war der Punkt gekommen an dem ich mir ernsthafte Gedanken darüber machen musste. Als jemand, der noch nie bisher auf See gewesen ist, wollte ich eine möglicherweise auftretende Seekrankheit nicht dem Zufall überlassen, zumal mir schon auf kurvigen Autofahrten recht schnell unwohl wird und auch die von vielen geliebte und von mir gehasste Schiffsschaukel auf dem Jahrmarkt ein Quell der Übelkeit für mich darstellt. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mir sogut wie von jedem Medikament gegen Seekrankheit ein Exemplar besorgt. Von der schwachen Reisetablette über homöopathische Mittel wie Ingwer und Ginkgo-Kügelchen bis zu starken Vitamin C Präparaten und (nicht mehr in Deutschland zugelassenen) Stugeron-Kapseln. Übertrieben? Wahrscheinlich, aber es beruhigt ungemein ein solches Arsenal im Gepäck zu haben, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Am Ende hatte nichts von dem geholfen, einzig unser Skipper hatte ein sehr starkes Mittel im Gepäck, von dem die Bedürftigsten etwas ab bekamen.
Es wird ernst

Kurze Pause auf der Fahrt nach Piombino: Klaus, Andre, Thomas und Peter (v.l.n.r.).
Schnell war die Zeit ran und wir alle trafen uns am Freitag, den 30. März 2012 gegen 22 Uhr vor dem Konzerthaus in Freiburg. Wir teilten uns auf die zwei Autos von Peter und Rainer auf: Björn, Herbert und ich saßen in Rainers VW-Bus und der Rest kam in Peters Mercedes unter. Schon zu Beginn der Fahrt ereilte uns ein mittlerer Schreck als wir bemerkten, dass einige ihre Prüfungsunterlagen nicht bei sich hatten. Ursache war ein Mißverständnis mit Claudia, der Geschäftsstellenleitung des HSCF, und so fuhren wir noch am Abend bei ihr vorbei und holten die Unterlagen ab, ohne denen wir nicht zur Prüfung zugelassen worden wären. Eine Nachtfahrt sollte es also sein, über Basel - Mailand - Livorno bis hinunter nach Piombino, wo wir am nächsten Morgen 8 Uhr ankamen und mit der Fähre auf Elba übersetzten. Das frühe Tageslicht im April zeigte uns wunderschöne Landschaften entlang der italienischen Mittelmeerküste während der Himmel begann sich blau zu färben und die Sonne den Horizont Minute für Minute auf das Meer hinaus trug. Und dann waren wir in Piombino! Ein ziemliches Drecksloch dieser von Kohlekraftwerken umgebene Ort, anders kann man es nicht bezeichnen. Dennoch hätte das Wetter nicht besser sein können: 25°C am Hafen, auf der Fähre dann nur noch 15°C und sehr windig. Was ich bei der Überfahrt auf Elba überhaupt nicht wahrhaben wollte war das leichte Gefühl von Übelkeit auf der Fähre, einer recht großen Fähre mit 4 bis 5 Etagen. Das konnte doch nicht wahr sein! Wie soll das erst auf unserer kleinen Yacht sein?

Portoferraio: Hier begann unsere Segelausbildung und hier verabschiedeten wir uns für zwei Wochen vom Alltag. Ein neuer Alltag auf See begann!
Nach einer Stunde Fahrzeit legten wir im Hafen von Portoferraio an, Hauptstadt der zur Toskana gehörenden Insel Elba und Winterresidenz des Exils von Napoleon Bonaparte. Typisch für diesen Ort ist die Lage an einem Steilhang, sehr beschaulich und südländisch, kein Vergleich mit Piombino und seinen Kraftwerken. Kurz nach unserer Ankunft sind wir mit unseren beiden PKW's vom Stadthafen zum viel gemütlicheren Yachthafen gefahren, setzten uns in ein nahe gelegenes Eiscafe und schauten uns die hier liegenden Segelyachten an. Die Zeit bis zur Übernahme unserer für die nächsten 14 Tage bewohnten Yacht war noch nicht reif. Vor allem Thomas lief begeistert die Anlegestellen auf und ab und zeigte uns die verschiedenen Schiffsklassen, Rennyachten, Luxussegler, sogar ein Zweimaster lag seelenruhig im Hafen. Überhaupt war es hier sehr ruhig, fast schon wie ausgestorben. Ein Blick auf die Uhr verriet es uns: Siesta! So läuft das hier im Süden, da bewegt sich nichts und niemand zu viel, und inzwischen waren auch wir aufgrund der Nachtfahrt etwas ausgelaugt.

Edil Nautica: Trockengelegte Segelyacht und Dienstauto unserer Vercharterin.
Als dann unsere Siesta vorbei war, nahmen wir das letzte Ziel für heute in Angriff: Die Ankunft an der Edil Nautica am südwestlichen Ende von Portoferraio! Hier liegt der von einer deutschen Unternehmerin geführte Vercharterer namens Buechi-Yachting und hier lag unsere Bavaria 46 zur Übergabe bereit. Die Zahl steht dabei für die Länge von 46 Fuß, der Name zur Identifikation über Schiffsfunk lautet TOSCA. Die Inspektion aller relevanten Punkte dauerte 3 bis 4 Stunden und wurde von Thomas als Skipper mit unserer Vercharterin und ihrem Schiffsingenieur (Typ: Vin Diesel) durchgeführt. Alles wurde penibel überprüft, von der Takelage über die Motoren, den Zustand der Segel bis hin zu den Notsignalmitteln. Währenddessen war ich mit Rainer, Björn und Herbert (Proviantmeister) ganz groß einkaufen. Stundenlang schoben wir unsere Wagen durch die Gänge und arbeiteten unsere seitenlangen Einkaufslisten ab. Keiner wusste ob es später noch einmal solch eine gute Einkaufsgelegenheit geben würde und so stellten wir den Großteil der für die nächsten beiden Wochen benötigten Speisen und Getränke zusammen, dazu gehörte natürlich auch Bier, Wein, Whisky und vor allem Limoncello für unseren Skipper.

Andre und Björn helfen Proviantmeister Herbert beim Verstauen der Verpflegung.
Die Bavaria 46 hat eine voll ausgestattete Küche mit einem freischwingenden Herd an Bord. Es war also möglich auf See und bei Seegang zu Kochen, was wir dann auch genutzt haben. 14 Tage bei 8 Personen abzüglich dem Skipper, der wird bekocht, durfte jeder zweimal seine Kochkünste bei mehr oder weniger starkem Seegang beweisen, und fast jeder hoffte auf weniger Seegang. Wir kamen zurück und sahen wie sich der Rest der Mannschaft auf dem Bug liegend sonnte - die Übergabe war also erfolgreich. Allerdings war unser Großeinkauf von so großem Interesse, dass alle sofort ihre zweite Siesta beendeten und, zunächst misstrauisch ob auch ihre Wünsche berücksichtigt worden waren, dann verheißungsvoll in unsere bis zum Rand mit Lebensmittel vollgestopften Autos schauten. Es ist erstaunlich wie viele Schränke, Klappen, Regale und Schieber wir beim Verstauen auf unserer Yacht fanden, sogar die Bodenbretter konnten entnommen und der unterste Teil des Bootskörpers mit Bier aufgefüllt werden. Anschließend bezogen wir unsere Kabinen von denen es vier an der Zahl gab: Zwei am Heck, eine größere am Bug und die kleinste mittschiffs an Backbord (links) mit Tendenz zum Bug. In der letztgenannten befand sich das einzige Doppelstockbett und die relativ mittige Lage sollte Schaukelbewegungen etwas abschwächen, hier haben Björn und ich uns einquartiert und was soll man sagen: Wer schon einmal das im Hamburger Hafen liegende U-Boot besichtigt hat und über die winzigen Kajüten, selbst für die Offiziere, verwundert war, der hat eine ungefähre Vorstellung von unserem ersten Eindruck, denn viel größer waren unsere auch nicht. Unser Segelboot war für maximal acht Seemänner ausgelegt und keine noch so zierliche Meerjungfrau hätte mehr reingepasst, theoretisch! Jedenfalls war jetzt allen klar weshalb jeder nur ein einziges zusammenfaltbares Gepäckstück mitnehmen durfte, für diverse Koffer wäre einfach kein Platz mehr gewesen.

Ausrüstungscheck: Auch die Automatik-westen wurden einer Prüfung unterzogen.
Unser Skipper, ab sofort nur noch Thomas genannt, legte sogleich los mit der Schiffs- und Sicherheitseinweisung, den ersten Erläuterungen zum Aufbau unseres Schiffes, seinen Durchlässen und der Kontrolle unserer Automatikwesten, welche wir über Nacht aufgeblasen im Gemeinschaftsraum liegen lassen und die am nächsten Morgen auch aufgeblasen vorgefunden werden sollten. Ein langer Tag war das und langsam lief er dem Ende entgegen, der vorerst letzte Tag in der uns bekannten Welt, dem Festland. Die Sonne ging unter und trotz ausnahmslos männlicher Gruppenmitglieder konnte man eine gewisse Romantik beim Blick auf das ins Wasser abtauchende Abendrot nicht abstreiten. Wir saßen gemeinsam an Deck, tranken Bier und Wein, aßen Spaghetti - für die erste warme Mahlzeit aus der bordeigenen Kombüse hatte sich Peter bereiterklärt - und Thomas erzählte uns die ersten Witze, Witze von denen wir im Laufe der nächsten Wochen mehr als genug hören sollten. Die Autos wurden abgeschlossen, die Duschräume von Buechi-Yachting ein letztes Mal benutzt und alsbald begann es ruhig zu werden, nur das Anschlagen von kleinen Wellen am Rumpf war zu hören, unsere Yacht schaukelte leicht vor sich hin und ich verspürte weder Übelkeit noch Unbehagen, im Gegenteil, ich bin selten schneller eingeschlafen als in dieser Nacht. Der Wecker wurde auf 7 Uhr gestellt und auf der Tagesordnung standen Einweisungen, verschiedene Manöver unter Motor und die Fahrt nach Marciana Marina. Ob wir morgen schon Segel setzen werden? Kreuzen, Halsen oder Wenden? Hol dicht die Großschot!, Rund Achtern!, Fier auf die Schoten!, Stützruder!!!!! ...was auch immer das alles bedeutete.
Unter Motor

Optimistischer Blick kurz nach unserem ersten Ablegemanöver.
Die Nacht war schnell vorbei und zum ersten Mal bin ich auf dem Wasser aufgewacht. Irgendwo auf dem Boot rumorten erste Stimmen und kurz darauf sprudelte der Kaffeeautomat vor sich hin, Aufstehen war angesagt! Noch während des Frühstücks, Thomas hatte leckeres Rührei gemacht, wärmte uns die Sonne kräftig auf, das würde ein heißer Tag werden. Es wurden die Tanks für Trinkwasser und Schiffsdiesel aufgefüllt, ein letzter Check und schon hieß es: Ablegen! Wir lernten die notwendigen Handgriffe und die dazugehörigen Befehle. Da wir mit dem Heck zum Land standen war das Manöver sehr einfach. Leinen lösen, an Deck springen und vorsichtig Gas geben, dabei genügend Abstand zu den anderen Booten halten, notfalls mit dem Bootshaken wegdrücken, zuletzt Fender einholen und aus dem Hafen navigieren. Schwieriger ist da schon das Ablegen bei einem längsseitig festgemachten Boot, Eindampfen in die Vorspring (Bugleine) genannt, bei dem die Wirkung des Radeffekts (Drehimpuls des Propellers) genutzt wird um das Heck vom Steg weg zu bekommen. Aber das haben wir erst einige Tage später bei einem Auftankmanöver gezeigt bekommen.
Ein merkwürdiges Gefühl wenn zum ersten Mal die letzte Verbindung zum Land gekappt wird. Als wir dann die Edil Nautica hinter uns ließen fanden wir uns in der vor Portoferraio liegenden Bucht wieder und hier haben wir die bereits beim SBF gelernten Techniken mit unserer Yacht geübt. Dazu gehörte das An- und Ablegen, Wendemanöver und das wichtige Mann-über-Bord-Manöver. Der Unterschied im Fahrverhalten zu unserem kleinen SBF-Boot war riesig, in etwa vergleichbar mit dem Wechsel von einem VW Polo zu einem ausgewachsenen Wohnmobil. Kursänderungen sind um ein Vielfaches träger, der Wenderadius deutlich größer, die Lage stabiler, alles in allem ein beruhigendes Gefühl. Allerdings wehte nur ein ganz kleines Lüftchen und die Segel waren noch nicht gesetzt. Dass sich unser großer Kahn auch wie eine Nussschale in der Badewanne beim Ablassen des Wassers verhalten kann, das haben wir etwa fünf Tage später herausgefunden.

Rainer hilft dem Schiffsingenieur unseres Vercharterers bei der Reparatur eines gerissenen Schaltzugs.
Panne! Ich weiß nicht mehr wer von uns gerade am Ruder stand aber es wurde von einer Sekunde zur nächsten keine Motorleistung mehr auf den Propeller übertragen. Der Schaltzug war gerissen! Glücklicherweise waren wir noch in der Bucht von Portoferraio und nicht mitten auf dem Meer und Gott sei Dank war gerade sehr wenig Bewegung auf dem Wasser, denn genaues Manövrieren war nun nicht mehr möglich. Mit Andre am Getriebeschalter und Peter, der die Befehle des Steuermanns in den Maschinenraum weitergab, konnten wir wieder zurück in die Edil Nautica steuern. Noch während der Fahrt eilte uns der über Funk informierte Schiffsingenieur auf seinem Sportboot zu Hilfe und nach seiner Diagnose war eine Reparatur auf dem Wasser unmöglich, also ging es wieder zurück an Land. Hier überließen wir die Sache dem Ingenieur unter Zuarbeit von Thomas und Rainer, der sich im Motorenbereich als handwerklich begabt herausstellte. Die anderen machten es sich derweil auf dem Vorschiff gemütlich, aßen zu Mittag, sonnten sich und überhaupt war es inzwischen an der Zeit für eine Siesta. Ich schmierte mir ein Nutellabrötchen und legte mich ebenfalls auf das Vorschiff, den Kopf an unser Rettungsboot gelehnt ruhte ich eine Weile. Zwei Stunden später pfeifte uns Thomas zusammen, der Motor war wieder einsatzbereit, nur die Mannschaft noch nicht. Einigen von uns war etwas träge zumute, der frühe Nachmittag zollte seinen Tribut, es war der 1. April 2012 und wir hatten bereits bis zu 30°C.
Als wir wieder in der Bucht ankamen setzten wir mit dem Mann-über-Bord-Manöver fort. Es galt eine Boje über Bord zu werfen und diese unter Nutzung der vorgeschriebenen Kommandos und eines Manövers entsprechend der Windrichtung wieder an Bord zu holen. Gar nicht so einfach die Windrichtung bei 1 bis 2 Windstärken am Verklicker (Fähnchen am Ende des Großmast) zu ermitteln, doch Thomas gab uns den Tipp den Blick auf das Wasser zu richten und das winzige Wellenmuster zu studieren, je nach Windrichtung hat es einen eigenen Charakter. Wir fuhren noch immer unter Motor und erst jetzt wurde mir bewusst wie kompliziert die Systematik wird wenn wir dann unter Segel fahren würden. Diese Übung war hervorragend geeignet um ein Gefühl für die schwere und träge Yacht zu bekommen und zu guter Letzt ist dieses Manöver prüfungsrelevant für den SKS.
Unter Segel

Marciana Marina: Letzter Stopp auf Elba vor der Überfahrt nach Korsika.
Am späten Nachmittag war es endlich soweit, wir setzten Segel! Den Weg zu unserem Zielhafen Marciana Marina würden wir unter Segel zurücklegen. Thomas wies die bereits erfahrenen Mitglieder Andre und Herbert an das Großsegel loszubinden, auszupacken und klar zu machen. Macht die Lazyjacks frei!, Lose für Großschot und Baumniederholer!, Kurs im Wind halten! und so weiter... Inzwischen hielt ich mit den anderen noch unerfahrenen zukünftigen Skippern verschiedene Leinen in der Hand, dessen Namen mir noch nichts sagten. Auf Kommando von Thomas ziehten wir an einer Leine und setzten damit das Großsegel, zogen es mit aller Kraft hoch. Während dieser Zeit musste der Mann am Ruder peinlich genau darauf achten den Kurs im Wind zu halten (Wind von vorn) damit das Großsegel beim Setzen nicht ausschlägt oder sich verhakt. Erst jetzt wurde der Motor abgestellt und plötzlich herrschte einsame Ruhe, wie auf einem Floß dahintreibend. Als nächstes war die Genua an der Reihe, dabei handelt es sich um ein vergrößertes, anstelle der Fock gesetztes Vorsegel und ist zumeist auf Segelyachten anzutreffen. Je nach Windrichtung wird es an Backbord oder Steuerbord ausgefahren und bei Kursen hart am Wind (Wind kommt fast von vorn) mit Hilfe einer Winsch dichtgeholt, wobei hier bei starker Windkraft trotz 2-Gang-Getriebe ordentlich Manpower gefragt ist. Als beide Segel gesetzt und an die Kurs-, Wind- und Seegangsverhältnisse angepasst waren, segelten wir entlang der Küste von Elba bis nach Marciana Marina und lernten dabei die Wende kennen, ein Manöver das zum Kurswechsel führt und bei dem die Yacht mit dem Bug durch den Wind geht. Dabei weht der Wind kurzzeitig auch von vorn und nach Abschluss des Manövers von der anderen Schiffsseite, die Segel wechseln also ihre Stellung. Der Steuermann muss dafür die Yacht immer näher in den Wind bringen, so weit bis die Windwirkung nachlässt und die Segel kurz vorm Einfallen sind, jetzt kann das Vorsegel geführt übergeben werden und das Großsegel auf die andere Seite schwingen.

Torre dei Appiani: Ein im 12. Jahrhundert erbauter pisanischer Wehrturm.
Als wir gegen 19 Uhr im Hafen von Marciana Marina einliefen weckte ein alter Leuchtturm mit einer historischen Kaimauer unsere Aufmerksamkeit. Der ganze Hafen versprühte ein wunderbar südländisches Flair, doch zunächst musste sich jeder auf das Anlegemanöver konzentrieren. Der Motor wurde wieder angeworfen, Fender wurden ausgelegt und zwei Springer machten sich bereit zum Sprung. Thomas versuchte das Heck möglichst nah an den Steg zu manövrieren und damit den Sprung an Land zu verkürzen. Ich gehörte zu den Werfern, welche die Achterleinen vorbereiteten um sie anschließend den Springern an Land zuzuwerfen. Schnell musste es jetzt gehen: Achterleine werfen und um einen Poller legen, kurz anziehen und das Ende dem Werfer zurückwerfen, der es durch eine am Heck befestigte Klampe ziehen und mit einem Kopfschlag belegen muss, für größere Knoten ist keine Zeit. Zuletzt wird die Mooringleine, eine fest im Wasser verankerte Kette, aus dem Hafenbecken gefischt und am Bug befestigt, damit die Yacht auch längsseitig stabilisiert ist. Nun war es geschafft! Das erste Bier wartete bereits und wir erkundeten den kleinen Hafen und vor allem den Leuchtturm aus der Nähe.

Die Kaimauer von Marciana Marina schützt den Hafen vor Sturmwellen und war alles, was uns noch von Korsika trennte.
Der Blick über die Kaimauer war atemberaubend: Die Küste verlief sehr schroff und steinig fast bis zum Horizont und schloss an die scheinbar endlose Weite des Meeres im Licht der untergehenden Sonne an. Zum Abend gab es eine Spezialität vom Skipper: Grießklößchen-Eintopf! Zunächst skeptisch ob das für acht Männer denn ausreiche ließen wir ihn ohne größere Einwände gewähren. Und es hatte sich gelohnt, der Eintopf war einfach nur ein Genuss. Ob das an der körperlichen Anstrengung oder am Seeklima lag war uns dabei egal! Abends saßen wir noch eine Weile an Deck, tranken Limoncello, wobei alle bis auf Thomas schnell wieder auf Bier umgestiegen sind, viel zu süß der Limoncello. Die zweite Nacht auf dem Wasser stand an, wieder schlugen kleine Wellen gegen die Bordwand und ließen uns sehr schnell einschlafen. Am nächsten Tag stand die Überfahrt nach Korsika an, eine Entfernung von 35 Seemeilen bzw. 60 Kilometern war zu überwinden, oder mehr wenn der Wind ungünstig liegen würde und wir zum Kreuzen gezwungen werden.
Auf nach Korsika

Guten Morgen: Frühstück an Bord der TOSCA gegen 7 Uhr 30, ein langer Tag steht bevor.
Der Montag begann ähnlich früh wie der Sonntag. Gegen 7 Uhr hörte ich Stimmen und Kaffeekochergeräusche aus der Kombüse, also schnell angezogen, Katzenwäsche in der Hafendusche gemacht und schon saßen wir alle am Tisch unter Deck und frühstückten während Thomas uns mit erheiternden Reden bzw. seiner Art von Humor beglückte. Als wir die Leinen los machten standen erst einmal verschiedene Manöver wie Wende und Mann-über-Bord-Manöver auf dem Lehrplan bevor wir am frühen Nachmittag Richtung Korsika segelten. In den Pausen zwischen den Übungen verzehrten wir Unmengen an Müsli- und Schokoladenriegeln während Thomas uns theoretisches Wissen vermittelte, zum Beispiel über Rettungs- und Seenotsignalmittel oder die Möglichkeiten der Segeltrimm oder die verschiedenen Sensoren der Yacht oder die Eigenarten von Motor und Getriebe, wobei uns letzteres zwangsweise aufgrund der Panne am Vortag beschäftigt hat.

Gute Krängung (Schräglage) bei gutem Wind während der Fahrt nach Bastia.
Windstärke 3 von Süd-Ost bei leichtem Seegang und mittlerer Wolkenbedeckung bei fallendem Luftdruck, das waren die Wetterparameter als wir uns nun endlich auf nach Bastia machten. Der Wind kam fast optimal und so konnten wir direkten Kurs nach Le Vieux Port nehmen, dem alten Stadthafen von Bastia. Wir machten ordentlich Fahrt bei deutlicher Krängung, wir saßen fast alle in Luv, also auf der dem Wind zugewandten Seite, nur Andre lag auf der Bank oder besser gesagt auf der Lehne der Bank, so stark war die Krängung bereits. Es war ein herrliches Gefühl von Freiheit wenn einem der Wind ins Gesicht bläst und mit 7 bis 10 Knoten auch die Geschwindigkeit stimmt, wenn der Steuermann jede einzelne Welle am Ruder spürt und dagegenhält ohne die stabile Lage im Wasser zu riskieren, ab und zu bricht die Sonne durch die Wolken und lässt die Segel in einem blendenden Silber erstrahlen. Und so segelten wir Richtung Westen und entfernten uns vom Toskanischen Archipel.
Eigentlich war alles wunderbar, aber: Der Wind und damit die Wellen kamen von achtern, also von schräg hinten, damit macht die Yacht bei jeder Welle eine Rollbewegung über drei Achsen und diese hat für viele Landratten einen gewaltigen Nachteil: Das flaue Gefühl im Magen meldet sich zu Wort! Klaus sprang auf einmal nach Lee, also zur dem Wind abgeneigten Seite, und ließ geschehen was nicht zu verhindern war. Etwa eine Stunde später konnte die Mannschaft dieses Schauspiel erneut verfolgen, diesmal mit mir im Rampenlicht. Da muss man wohl einfach durch! Das ganze wiederholte sich noch ein paar Mal. Der Umgang mit den Seekranken an Bord war vorbildlich. Ohne große Erregung wurde es fast schon zur Normalität, es gehörte einfach mit dazu und war zu akzeptieren. Das einzige No-Go war der Navigationstisch mit den Instrumenten und Seekarten. Thomas hätte uns Kielholen lassen wäre dieser Ort eingesaut worden! Von der an diesem Tag erstmals gezeigten und prüfungsrelevanten Halse, einem Manöver bei dem nicht der Bug sondern das Heck durch den Wind dreht, haben wir nicht mehr viel mitbekommen. Klaus lag in der Koje und ich auf der Bank an Deck. Für den Rest des Tages lauschten wir den Kommandos, die irgendwo aus der Ferne zu kommen schienen. Nach drei Tagen hat sich der Körper daran gewöhnt, meinte Thomas, und so ging es mit uns weiter bis zur Hafeneinfahrt in Bastia.

Le Vieux Port: Der alte Stadthafen von Bastia beeindruckt bei Tag und Nacht.
Erstaunlicherweise fühlt man sich schon beim ersten Sichtkontakt zum Hafen spürbar besser und sobald der erste Fuß wieder auf festem Boden steht schwebt man wie auf Wolken. Von der ganzen Übelkeit keine Spur mehr, ein kräftiger, gesunder Appetit überkommt einen. Sobald der zweite Fuß mit dem Land Kontakt aufgenommen hat dreht sich das Karussel weiter, nicht innerlich sondern äußerlich schwankt der Körper gut 10 Zentimeter hin und her, ohne, dass man diese Bewegung kontrollieren kann. Das erste Bier in Bastia auf den bisher wohl nüchternsten Magen überhaupt gab es nach einer Kletterpartie auf einer wackeligen Leiter hinauf zur Kaimauer. Etwa 20 Uhr war es bereits und die Sonne tauchte erneut ein ins gold-rot schimmernde Mittelmeer. Wir fühlten uns alle wohl und schliefen zwei Stunden später tief und fest.
Wettervorhersage um 0600 von Meteo France für Seegebiet östlich von Korsika: Wind von Süd-Ost bei 2 bis 3 Beaufort, also eine schwache Brise, Regen und vereinzelt Gewitter, nichts Weltbewegendes, könnte aber nass werden. Das war an diesem Tag der Job von Klaus und das gehörte zu den Aufgaben, die ein Tagesskipper so zu erledigen hatte. Jedem wurde zweimal während des gesamten Törns die Verantwortung für Schiff und Mannschaft übergeben, einmal in der ersten Woche in Korsika und das zweite Mal während der Prüfungsvorbereitung auf Elba. Dazu gehörte auch das Einholen des Wetterberichtes, was ohne Französischkenntnisse anfangs etwas schwierig war. Es galt die Aufgaben für das Klarmachen der Yacht vor dem Auslaufen zu verteilen, die Technik wie Motor und Navigationsinstrumente zu überprüfen, Durchlässe zu kontrollieren, die Planung der täglichen Route am Navigationstisch vorzubereiten und so weiter. Wir wollten bis Ende der Woche an der Südspitze der Insel in Bonifacio sein, das bedeutet, wir würden heute bei Wind von Süd-Ost einen Kurs hart am Wind halten und teilweise Kreuzen müssen. Klaus berechnete die zu steuernden Kurse zum heutigen Ziel Port de Taverna in Campoloro und schon stachen wir erneut in See.

Navigationstisch mit GPS, Seefunkanlage, Kartenmaterial und Schiffselektronik.
Aufgrund meiner Seekrankheit vom Vortag war ich heute größtenteils am Ruder anzutreffen, der bevorzugte Ort an dem die Beschwerden gering bleiben. Die Tätigkeit am Ruder erfordert ständige Aufmerksamkeit, vor allem bei stärkerem Seegang, denn jede Welle muss ausgeglichen werden ohne dabei an Fahrt zu verlieren und hier habe ich mich wohl gefühlt. Neuer Kurs 085!, tönte es aus dem Unterdeck. Also ein Wende-Manöver durchführen und anschließend 085 Grad am Steuerkompass einstellen. Die Befehle dafür saßen inzwischen recht sicher und so befahl ich den Männern an Groß und Genua sich vorzubereiten (Klar zum Wenden! - Ist klar!) und luvte an bzw. drehte den Bug durch den Wind (Ree! - Halt back die Genua!). Sobald ich die Genua einfallen sah gab ich das Kommando an die Vorschoter das Segel auf die andere Seite zu ziehen (Über die Genua!), das Groß wanderte daraufhin selbstständig hinüber und schlug die Yacht über die Längsachse auf die andere Seite, der Wind kam jetzt von Steuerbord. Zur besseren Beurteilung der Segelstellung wechselte ich ebenfalls auf die andere Seite, nahm das zweite Steuerrad in Beschlag und stellte den neuen Kurs 085 ein. Jetzt mussten nur noch die Segel so weit geöffnet werden, bis der Wind optimal greifen konnte (Schoten auf Am-Wind-Kurs!) und es konnte wieder Ruhe an Deck einkehren.

Die schroffe Küste Korsikas: Lange weiße Sandstrände findet man hier eher selten.
Wir segelten jetzt also Richtung Osten um damit den Abstand zur Insel vergrößern und anschließend wieder einen günstigen Kurs Richtung Süden einnehmen zu können. Dieses Spiel wiederholten wir so oft es notwendig war. Die Wegstrecke verlängert sich durch das Kreuzen natürlich immens, aber es bewahrt einem davor zu hart am Wind zu segeln und dadurch an Fahrt zu verlieren. Wegen der unzähligen Manöver, wir hatten an diesem Tag intensiv Halse und Q-Wende geübt, kamen wir erst zur Dämmerung in Campoloro an. Ich weiß nicht mehr wer an diesem Abend für uns gekocht hat aber es war lecker und wir waren jetzt aufeinander eingestimmt. In der anfänglichen Aufregung war mir die Schönheit Korsikas noch gar nicht richtig aufgefallen, doch mein Bewusstsein dafür änderte sich von Mal zu Mal und stieg bis zur Südspitze immer weiter an. Schroffe Klippen und weiße Strände gepaart mit abendlicher Hafenromantik und dem Rauschen des Meeres; Und hebt man seinen Blick so füllen riesige Berge den Horizont aus und tauchen ein in Wolkenformationen um darin in einer gemeinsamen Silhouette zu verschwimmen. Was für ein Kontrast, diese Insel muss auch einmal zu Fuß erkundet werden!
Zum alten Hafen

Manchmal hat uns Thomas sogar verwöhnt: Frisches Rührei zum Frühstück!
Der Wecker klingelte kurz nach 6 Uhr während sanfte Wellen einen zum Weiterschlafen überreden wollten; Kaffee brodelt und heisere rauhe Stimmen tönen - die Seeluft machts möglich; Müsli und Rührei zum Frühstück inklusive einer dreiviertel Portion Witz; Dabei kurze Tagesplanung: Manöver optimieren, jeder muss jede Position einnehmen und verantworten können, anschließend Weiterfahrt nach Porto-Vecchio. Das ist unser neuer Alltag, Überraschungen gibts keine mehr, dachten wir zumindest. Innerhalb von fünf Tagen wurde unser Rhythmus komplett auf den Kopf gestellt, acht Männer zusammen auf einer winzigen Nussschale in einem großen Teich. Wir hatten gutes italienisches Essen, Wasser und Wein, jeden Tag frische Luft und meistens Sonne, alles fühlte sich gut an, naja fast alles, doch die Seekrankheit hatte ich endlich überwunden.

Schwer zu fotografieren: Delphine liefern sich ein Wettrennen mit unserer Yacht.
Bereits 7 Uhr 30 waren wir auf See, viel Zeit zum Üben blieb an diesem Tag dennoch nicht, am Abend sollten wir 86 Seemeilen auf dem Log stehen haben, aber bis dahin war es noch ein weiter Weg. Wir wechselten uns gegenseitig am Ruder ab während die anderen bei Kursänderungen die Segel bedienten, um kurz danach wieder ihren Beschäftigungen nachzugehen. Die beliebtesten waren: Delphine beobachten! Eigentlich war das Meer ziemlich tot, von den unzähligen Seeigeln an der südlichen Steilküste bei Bonifacio einmal abgesehen, und eben den Delphinen. Meist kamen sie im Doppelpack auf uns zu, motiviert, sich ein Wettrennen mit uns zu liefern das wir gnadenlos verlierten, schwammen sie pfeilschnell vor unserem Bug daher und sprangen immer wieder aus dem Wasser. Kaum hatten sich Peter und Rainer aufgemacht ihre Kameras zu holen um das Schauspiel festzuhalten, hatten sich auf den wackeligen und Wasser aufschlagenden Bug vorgekämpft, waren die Delphine auch schon wieder fort. Ein paar wenige Aufnahmen sind uns trotzdem geglückt, auch dank des Skippers Trick die Delphine mit Schlägen auf den Bootsrumpf anzulocken. Die zweite beliebte Beschäftigung war das Sonnen auf der Luv-Seite der Yacht, je stärker die Schräglage desto entspannter das Sonnen.

Bei Regen reißt sich niemand um das Ruder! Doch die Crew hat einen versorgt.
Die Winde wehten abermals aus Süd-Ost, so dass wir erneut Kreuzen mussten was auch den hohen Seemeilenstand am Ende des Tages erklärte. Leider wurde das Wetter immer schlechter, es zogen dichte Wolken auf, die das Sonnen an Deck schnell ungemütlich werden ließen. Inzwischen war ich an der Reihe und löste Björn am Ruder ab, versuchte den dunklen Wolken davonzusegeln. Man bekommt recht schnell ein Gefühl dafür wie nah am Wind man eine Yacht segeln kann bei der der Wind noch gut und kräftig greift ohne eine zu starke Krängung zu riskieren. Zur Bestätigung hielten wir ständig das Log mit der Anzeige der Knoten (Seemeilen pro Stunde) im Blick. Es wurde zu einem regelrechten Wettrennen wer unserem Kahn die höchste Geschwindigkeit entlocken kann, bei einer Windstärke von 3 Beaufort war aber noch nicht so viel los, wir erreichten etwa 7 Knoten. Auch der später einsetzende Regen, der mir aufgrund des Gegenwindkurses ins Gesicht peitschte, konnte die Laune nicht mindern, während sich der Rest der Crew im Windschutz des Bimini-Verdecks aufhielt und mich mit Schokoladenriegeln und heißem Tee über Wasser hielt. Nach zwei Stunden am Ruder war ich gut durchgeweicht, aber zumindest die Füße waren trocken auch wenn Wanderschuhe eigentlich nichts auf einem Boot zu suchen haben und mehr als einmal für belustigende Kommentare aus den eigenen Reihen sorgten. Es war der nasseste und kälteste Tag der gesamten zwei Wochen, und auch der längste, von der Übernachtfahrt einmal abgesehen.

Geschmacksache: Kochen bei guter Fahrt will gelernt sein.
An diesem Abend war ich mit Kochen an der Reihe. Wegen der langen Wegstrecke musste das Essen gegen 18 Uhr noch bei Fahrt unter Segel zubereitet werden, was bedeutete, dass der gesamte Herd von der Krängung entkoppelt wurde und frei in der Bordküche umherschwang während man bei einer Neigung von etwa 30 Grad vor den Töpfen stand oder das Gemüse schnitt. Keine besonders angenehme Tätigkeit vor allem durch die schneller aufkommende Übelkeit bei Arbeiten unter Deck. Hält man aber hin und wieder den Kopf aus dem Niedergang und lässt sich frischen Wind ins Gesicht blasen geht es einem schnell wieder besser. Das Feierabendbier musste zunächst ausgelassen werden denn auch auf dem Wasser gilt eine Grenze von 0,5 Promille. Als es zunehmend dunkler wurde kam Thomas auf die Idee noch ein paar Übungsmanöver bei Nacht zu fahren. Gerade das schon bis zum Erbrechen geübte Mann-über-Bord-Manöver erstrahlte in neuem Glanz als wir eine Leuchtboje über Bord warfen und nach dem einstudierten Ablauf wieder einsammelten. Der Mann am Ruder vergab die Befehle: Andre Ausguck!, Klaus Bootshaken!, Bereit machen zur Halse! ...und wir machten uns bereit, denn weit war unser Ziel nicht mehr entfernt.

Abendliche Hafenromantik: Porto-Vecchio bei Nacht und Vollmond.
Gegen 21 Uhr kamen wir endlich dem Hafen von Porto-Vecchio näher und begannen mit der Ansteuerung auf Sicht. Wir erlebten unsere erste Ansteuerung bei Nacht, eine spannende und hochinteressante Erfahrung! Es galt die unterschiedlichen Sektorenfeuer zu identifizieren und den Regeln entsprechend zu navigieren. Die einzelnen Feuer waren deutlich schwerer auszumachen als in unserem Lehrbuch, wie so oft ist die Praxis eben anders. Leitfeuer, Quermarkenfeuer, auf der Sektorengrenze bleiben, das Feuer mit der Blitzkennung an Backbord lassen und so weiter, das internationale Regelwerk für die Navigation bei Nacht ist einfallsreich. Nunmehr unter Motor und inzwischen allesamt müde liefen wir in den Hafen ein und suchten uns eine passende Liegestelle. Wie gewonnen, so zerronnen! Als wir endlich einen freien Platz fanden und das Anlegemanöver durchführten mussten wir kurz darauf feststellen, dass keine Mooringleine vorhanden war, der Bug konnte so nicht festgemacht werden. Erneut hieß es abzulegen und einen anderen Platz zu finden, was um diese Uhrzeit nicht einfach war, denn wir waren mit Sicherheit die letzte einlaufende Yacht und mussten nehmen was übrig bleibt. Laut Logbuch wurde um 22 Uhr 50 der Motor abgeschaltet, wir waren in Porto-Vecchio (italienisch für "Alter Hafen"), einer französischen Gemeinde im Süden von Korsika. Zeit für einen kurzen Landgang würden wir am nächsten Morgen haben.
Reisebericht als PDF?
Weitere Bilder und Kartenmaterial?
Hallo zusammen,
vor kurzem habe ich meine Tagebuch- und Logbuchaufzeichnungen zur SKS-Ausbildung (Sportküstenschifferschein) und dem zweiwöchigen Prüfungstörn niedergeschrieben. Entstanden ist dabei ein ausführlicher Reisebericht zu unserem Segeltörn, bei dem wir von Elba nach Korsika und die gesamte Ostküste entlang bis nach Bonifacio und zurück gesegelt sind. Vielleicht plant der eine oder andere einen ähnlichen Törn oder überlegt sich eine Segel-Ausbildung?
Viel Spaß beim Lesen!
Eckdaten
Gebiet: Elba (Italien) und Korsika (Frankreich)
Zeitraum: 30. März bis 14. April 2012
Route: Portoferraio • Marciana Marina • Bastia • Campoloro • Porto-Vecchio • Bonifacio • Porto Azzurro • Cavo • Portoferraio
Anspruch: Ausbildungstörn zum amtlichen Sportküstenschifferschein (SKS) beim Hochschul-Segelclub Freiburg.
Höhepunkte: 560 Sm, davon 400 unter Segel • Wellen bis 4 m Höhe • Sturmböen bis 9 Bft • Nachtwache • Bonifacio
Eine Idee wird geboren
Der folgende Bericht setzt sich zum Teil aus meinen Erinnerungen, privaten Aufzeichnungen und dem von der Mannschaft geführten Logbuch zusammen.
Segeln: Die Fortbewegung eines Segelschiffs oder eines Segelboots unter Nutzung der Windenergie. (Quelle: Wikipedia)
Bisher war ich ja immer zu Fuß unterwegs, per pedes wie man so schön sagt. Allein durch den Wind 300 Seemeilen voran zu kommen muss eine halbe Ewigkeit dauern, aber warum nicht? Wie lang ist überhaupt eine Seemeile? Was hat es mit diesen ganzen Knoten auf sich und wie wird eigentlich navigiert wenn das GPS ausfällt? Achterstag, Spiefall, Großbaum und Genua, von diesen Begriffen war noch lange nichts zu hören, als mein Interesse für das Segeln aufkam. Begonnen hat alles auf dem Dresdner Inselfest 2010, als man für 5 Euro auf einem Speedboot die Elbe hinauf und wieder runter fahren durfte. Zusammen mit Freunden habe ich mir diesen Spaß gegönnt, sind wir unter Führung der Laubegaster Wasserwacht über Wellen gesprungen und bei Haarnadelkurven fast ins Wasser gefallen, ein Riesenspaß bis in die Nacht hinein. Der krönende Abschluss war die Beobachtung des Laubegaster Feuerwerks direkt vom Wasser aus - ein Eindruck welcher in mir die Sympathie zur Seefahrt weckte, auch wenn dieses Erlebnis fast nichts mit dem späteren Törn auf dem Meer gemeinsam hatte. Aber egal, die Idee war geboren und ich musste unbedingt wissen wie das geht.
Wieder daheim in Freiburg suchte ich nach einer Yachtschule und meldete mich für den Sportbootführerschein (SBF) See und Binnen an, welcher die Zugangsvoraussetzung für weitere Scheine, Patente und das Segeln auf Yachten ist. Viel Theorie, wenig Praxis und dennoch mit viel Spaß auf dem Rhein lernten wir die Grundlagen der Schifffahrt bei unserem Ex-Luftwaffenpiloten Horst, ähnlich wie beim PKW-Schein von Anfang an. Als wir dann nach ca. vier Monaten endlich unseren SBF See/Binnen in der Hand hielten wurden wir auf den Hochschul-Segelclub Freiburg (HSCF) aufmerksam gemacht. Besonders groß war das Segel-Interesse in unserer SBF-Gruppe leider nicht, so dass die meisten von uns mit dem Führen von kleinen Motorbooten zufrieden waren und anschließend wieder eigene Wege gingen. Das konnte es doch aber noch nicht gewesen sein. Nicht für mich! Und so sammelte ich Informationen zur Segelyachtausbildung beim HSCF und trat ein halbes Jahr später zusammen mit meinem Kollegen Björn dem Freiburger Segelverein bei.
Theoretische Ausbildung

Sportküstenschifferschein (SKS): Die erste Lizenz für das Führen von Segelyachten.
SKS war unser Stichwort für das nächste halbe Jahr. Der Sportküstenschifferschein ist der erste große amtliche Schein für das Führen von Yachten unter Motor oder sogar unter Segel. Nachdem wir uns angemeldet hatten spürten wir sogleich die angenehme und lockere Atmosphäre in der ersten von Klaus gehaltenen Theoriestunde. Themen wie Navigation, Wetter- und Meereskunde, Seemannschaft, Schiffsbautechnik und Seerecht standen für sechs Monate auf der Tagesordnung und es hat nicht lange gedauert bis wir die ersten Kartenaufgaben vorgesetzt bekamen. Knifflig waren sie von Beginn an, das Arbeiten mit Kursdreieck und Marinezirkel auf Seekarten in A0 ist schon etwas anderes. Man fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit in der das große Abenteuer auf dem Ozean lauerte und hegt eine Menge Respekt vor den früheren Navigatoren und Kapitänen, welche ohne elektronische Hilfen wie GPS, Radar oder Echolot in See stachen. Und diese manuelle Navigation gehört auch heute noch zur Grundausbildung zum Skipper, wie auch die Einschätzung der Wetterlage, das Arbeiten mit dem Kompass, Orientierung nach Befeuerung und Betonnung, Kursbeschickung und so weiter, schon waren wir inmitten einer neuen Sprache gelandet, dem Seefahrtsjargon, der bereits seit Jahrhunderten gebraucht wird und größtenteils von den Niederländern und den Portugiesen stammt. Die Navigation kann bedenkenlos als der schwierigste Teil der Theorieprüfung gesehen werden und genau bei diesem Thema war ich dankbar vieles davon bereits in meinem Vermessungsstudium gehört zu haben. Die meisten Kapitel habe ich als verdammt interessant empfunden, vom Seerecht einmal abgesehen. An dieser Stelle also auch ein Dankeschön an die gut organisierten und meist kurzweiligen Vorlesungen der Referenten beim HSCF, insbesondere an Klaus Biehler.
Langsam aber sicher rückte der Prüfungstörn näher, zwei Wochen über Ostern sollten es sein. Es gab Angebote in der Nord- und Ostsee, dem Ijsselmeer und dem Mittelmeerraum, für den Björn und ich uns letztlich entschieden haben, genauer gesagt für den Elba-Korsika-Törn. Dort ist es bereits im April recht warm, die See ist nicht so stürmisch wie in der Nordsee und die Ausbildungsskipper, welche sich für das Mittelmeer bereitstellen, sind wahrscheinlich von der weniger stressigen Sorte, die auch was für Erholung und Urlaub übrig haben. Kurz gesagt, in allen Punkten haben wir uns geirrt! Doch das merkten wir erst während der zwei Wochen auf See und so war die Vorfreude groß, gemischt mit dem Gefühl des Unbekannten, etwas komplett Neues kam auf uns zu, vor allem auf mich. Als Einziger der Mannschaft war ich noch nie auf einem Segelboot unterwegs, damit hatte ich nicht gerechnet. Wie genau unsere achtköpfige Mannschaft aussah, das erfuhren wir dann im Januar 2012, als unser Skipper ein erstes Treffen organisierte und die verschiedenen Posten aufteilte. Die wichtigsten waren der Proviantmeister (Herbert) und der Schatzmeister (Björn), weitere Verantwortung wurde in den Bereichen Kultur und Fotografie an die Mannschaft übertragen, wobei ich mich zu letzterem zählen durfte. Neben Björn und mir gehörten noch Rainer, Klaus, Peter, Andre, unser Co-Skipper Herbert und Skipper Thomas zum Team. Der erste Eindruck war: Tolles Team, tolle Männer und ein Skipper, der aufgrund seiner Aktivitäten im Yachtsport (aktives Regattenmitglied) eine Menge Erfahrung vorweisen konnte, das beruhigte uns zunächst.
Schon bald wurde es ernst, es ging ans Packen: Was wird benötigt? Auf was kann verzichtet werden? Die Vorgabe vom Skipper war maximal ein zusammenfaltbares Gepäckstück pro Person, der Platz an Bord ist bei acht Personen auf einer 15 Meter Yacht sehr begrenzt. Dank meiner Trekkingtouren in den vorangegangenen Jahren besaß ich bereits recht kompakte Kleidung und Ausrüstung, so dass ich vor allem dem Kapitel Medikamente etwas mehr Zeit widmen konnte. Von Anfang an schwirrte der Gedanke an die Seekrankheit chronisch in meinem Kopf herum, den ich mit ein wenig Optimismus immer gut verdrängen konnte, doch jetzt war der Punkt gekommen an dem ich mir ernsthafte Gedanken darüber machen musste. Als jemand, der noch nie bisher auf See gewesen ist, wollte ich eine möglicherweise auftretende Seekrankheit nicht dem Zufall überlassen, zumal mir schon auf kurvigen Autofahrten recht schnell unwohl wird und auch die von vielen geliebte und von mir gehasste Schiffsschaukel auf dem Jahrmarkt ein Quell der Übelkeit für mich darstellt. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mir sogut wie von jedem Medikament gegen Seekrankheit ein Exemplar besorgt. Von der schwachen Reisetablette über homöopathische Mittel wie Ingwer und Ginkgo-Kügelchen bis zu starken Vitamin C Präparaten und (nicht mehr in Deutschland zugelassenen) Stugeron-Kapseln. Übertrieben? Wahrscheinlich, aber es beruhigt ungemein ein solches Arsenal im Gepäck zu haben, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Am Ende hatte nichts von dem geholfen, einzig unser Skipper hatte ein sehr starkes Mittel im Gepäck, von dem die Bedürftigsten etwas ab bekamen.
Es wird ernst

Kurze Pause auf der Fahrt nach Piombino: Klaus, Andre, Thomas und Peter (v.l.n.r.).
Schnell war die Zeit ran und wir alle trafen uns am Freitag, den 30. März 2012 gegen 22 Uhr vor dem Konzerthaus in Freiburg. Wir teilten uns auf die zwei Autos von Peter und Rainer auf: Björn, Herbert und ich saßen in Rainers VW-Bus und der Rest kam in Peters Mercedes unter. Schon zu Beginn der Fahrt ereilte uns ein mittlerer Schreck als wir bemerkten, dass einige ihre Prüfungsunterlagen nicht bei sich hatten. Ursache war ein Mißverständnis mit Claudia, der Geschäftsstellenleitung des HSCF, und so fuhren wir noch am Abend bei ihr vorbei und holten die Unterlagen ab, ohne denen wir nicht zur Prüfung zugelassen worden wären. Eine Nachtfahrt sollte es also sein, über Basel - Mailand - Livorno bis hinunter nach Piombino, wo wir am nächsten Morgen 8 Uhr ankamen und mit der Fähre auf Elba übersetzten. Das frühe Tageslicht im April zeigte uns wunderschöne Landschaften entlang der italienischen Mittelmeerküste während der Himmel begann sich blau zu färben und die Sonne den Horizont Minute für Minute auf das Meer hinaus trug. Und dann waren wir in Piombino! Ein ziemliches Drecksloch dieser von Kohlekraftwerken umgebene Ort, anders kann man es nicht bezeichnen. Dennoch hätte das Wetter nicht besser sein können: 25°C am Hafen, auf der Fähre dann nur noch 15°C und sehr windig. Was ich bei der Überfahrt auf Elba überhaupt nicht wahrhaben wollte war das leichte Gefühl von Übelkeit auf der Fähre, einer recht großen Fähre mit 4 bis 5 Etagen. Das konnte doch nicht wahr sein! Wie soll das erst auf unserer kleinen Yacht sein?

Portoferraio: Hier begann unsere Segelausbildung und hier verabschiedeten wir uns für zwei Wochen vom Alltag. Ein neuer Alltag auf See begann!
Nach einer Stunde Fahrzeit legten wir im Hafen von Portoferraio an, Hauptstadt der zur Toskana gehörenden Insel Elba und Winterresidenz des Exils von Napoleon Bonaparte. Typisch für diesen Ort ist die Lage an einem Steilhang, sehr beschaulich und südländisch, kein Vergleich mit Piombino und seinen Kraftwerken. Kurz nach unserer Ankunft sind wir mit unseren beiden PKW's vom Stadthafen zum viel gemütlicheren Yachthafen gefahren, setzten uns in ein nahe gelegenes Eiscafe und schauten uns die hier liegenden Segelyachten an. Die Zeit bis zur Übernahme unserer für die nächsten 14 Tage bewohnten Yacht war noch nicht reif. Vor allem Thomas lief begeistert die Anlegestellen auf und ab und zeigte uns die verschiedenen Schiffsklassen, Rennyachten, Luxussegler, sogar ein Zweimaster lag seelenruhig im Hafen. Überhaupt war es hier sehr ruhig, fast schon wie ausgestorben. Ein Blick auf die Uhr verriet es uns: Siesta! So läuft das hier im Süden, da bewegt sich nichts und niemand zu viel, und inzwischen waren auch wir aufgrund der Nachtfahrt etwas ausgelaugt.

Edil Nautica: Trockengelegte Segelyacht und Dienstauto unserer Vercharterin.
Als dann unsere Siesta vorbei war, nahmen wir das letzte Ziel für heute in Angriff: Die Ankunft an der Edil Nautica am südwestlichen Ende von Portoferraio! Hier liegt der von einer deutschen Unternehmerin geführte Vercharterer namens Buechi-Yachting und hier lag unsere Bavaria 46 zur Übergabe bereit. Die Zahl steht dabei für die Länge von 46 Fuß, der Name zur Identifikation über Schiffsfunk lautet TOSCA. Die Inspektion aller relevanten Punkte dauerte 3 bis 4 Stunden und wurde von Thomas als Skipper mit unserer Vercharterin und ihrem Schiffsingenieur (Typ: Vin Diesel) durchgeführt. Alles wurde penibel überprüft, von der Takelage über die Motoren, den Zustand der Segel bis hin zu den Notsignalmitteln. Währenddessen war ich mit Rainer, Björn und Herbert (Proviantmeister) ganz groß einkaufen. Stundenlang schoben wir unsere Wagen durch die Gänge und arbeiteten unsere seitenlangen Einkaufslisten ab. Keiner wusste ob es später noch einmal solch eine gute Einkaufsgelegenheit geben würde und so stellten wir den Großteil der für die nächsten beiden Wochen benötigten Speisen und Getränke zusammen, dazu gehörte natürlich auch Bier, Wein, Whisky und vor allem Limoncello für unseren Skipper.

Andre und Björn helfen Proviantmeister Herbert beim Verstauen der Verpflegung.
Die Bavaria 46 hat eine voll ausgestattete Küche mit einem freischwingenden Herd an Bord. Es war also möglich auf See und bei Seegang zu Kochen, was wir dann auch genutzt haben. 14 Tage bei 8 Personen abzüglich dem Skipper, der wird bekocht, durfte jeder zweimal seine Kochkünste bei mehr oder weniger starkem Seegang beweisen, und fast jeder hoffte auf weniger Seegang. Wir kamen zurück und sahen wie sich der Rest der Mannschaft auf dem Bug liegend sonnte - die Übergabe war also erfolgreich. Allerdings war unser Großeinkauf von so großem Interesse, dass alle sofort ihre zweite Siesta beendeten und, zunächst misstrauisch ob auch ihre Wünsche berücksichtigt worden waren, dann verheißungsvoll in unsere bis zum Rand mit Lebensmittel vollgestopften Autos schauten. Es ist erstaunlich wie viele Schränke, Klappen, Regale und Schieber wir beim Verstauen auf unserer Yacht fanden, sogar die Bodenbretter konnten entnommen und der unterste Teil des Bootskörpers mit Bier aufgefüllt werden. Anschließend bezogen wir unsere Kabinen von denen es vier an der Zahl gab: Zwei am Heck, eine größere am Bug und die kleinste mittschiffs an Backbord (links) mit Tendenz zum Bug. In der letztgenannten befand sich das einzige Doppelstockbett und die relativ mittige Lage sollte Schaukelbewegungen etwas abschwächen, hier haben Björn und ich uns einquartiert und was soll man sagen: Wer schon einmal das im Hamburger Hafen liegende U-Boot besichtigt hat und über die winzigen Kajüten, selbst für die Offiziere, verwundert war, der hat eine ungefähre Vorstellung von unserem ersten Eindruck, denn viel größer waren unsere auch nicht. Unser Segelboot war für maximal acht Seemänner ausgelegt und keine noch so zierliche Meerjungfrau hätte mehr reingepasst, theoretisch! Jedenfalls war jetzt allen klar weshalb jeder nur ein einziges zusammenfaltbares Gepäckstück mitnehmen durfte, für diverse Koffer wäre einfach kein Platz mehr gewesen.

Ausrüstungscheck: Auch die Automatik-westen wurden einer Prüfung unterzogen.
Unser Skipper, ab sofort nur noch Thomas genannt, legte sogleich los mit der Schiffs- und Sicherheitseinweisung, den ersten Erläuterungen zum Aufbau unseres Schiffes, seinen Durchlässen und der Kontrolle unserer Automatikwesten, welche wir über Nacht aufgeblasen im Gemeinschaftsraum liegen lassen und die am nächsten Morgen auch aufgeblasen vorgefunden werden sollten. Ein langer Tag war das und langsam lief er dem Ende entgegen, der vorerst letzte Tag in der uns bekannten Welt, dem Festland. Die Sonne ging unter und trotz ausnahmslos männlicher Gruppenmitglieder konnte man eine gewisse Romantik beim Blick auf das ins Wasser abtauchende Abendrot nicht abstreiten. Wir saßen gemeinsam an Deck, tranken Bier und Wein, aßen Spaghetti - für die erste warme Mahlzeit aus der bordeigenen Kombüse hatte sich Peter bereiterklärt - und Thomas erzählte uns die ersten Witze, Witze von denen wir im Laufe der nächsten Wochen mehr als genug hören sollten. Die Autos wurden abgeschlossen, die Duschräume von Buechi-Yachting ein letztes Mal benutzt und alsbald begann es ruhig zu werden, nur das Anschlagen von kleinen Wellen am Rumpf war zu hören, unsere Yacht schaukelte leicht vor sich hin und ich verspürte weder Übelkeit noch Unbehagen, im Gegenteil, ich bin selten schneller eingeschlafen als in dieser Nacht. Der Wecker wurde auf 7 Uhr gestellt und auf der Tagesordnung standen Einweisungen, verschiedene Manöver unter Motor und die Fahrt nach Marciana Marina. Ob wir morgen schon Segel setzen werden? Kreuzen, Halsen oder Wenden? Hol dicht die Großschot!, Rund Achtern!, Fier auf die Schoten!, Stützruder!!!!! ...was auch immer das alles bedeutete.
Unter Motor

Optimistischer Blick kurz nach unserem ersten Ablegemanöver.
Die Nacht war schnell vorbei und zum ersten Mal bin ich auf dem Wasser aufgewacht. Irgendwo auf dem Boot rumorten erste Stimmen und kurz darauf sprudelte der Kaffeeautomat vor sich hin, Aufstehen war angesagt! Noch während des Frühstücks, Thomas hatte leckeres Rührei gemacht, wärmte uns die Sonne kräftig auf, das würde ein heißer Tag werden. Es wurden die Tanks für Trinkwasser und Schiffsdiesel aufgefüllt, ein letzter Check und schon hieß es: Ablegen! Wir lernten die notwendigen Handgriffe und die dazugehörigen Befehle. Da wir mit dem Heck zum Land standen war das Manöver sehr einfach. Leinen lösen, an Deck springen und vorsichtig Gas geben, dabei genügend Abstand zu den anderen Booten halten, notfalls mit dem Bootshaken wegdrücken, zuletzt Fender einholen und aus dem Hafen navigieren. Schwieriger ist da schon das Ablegen bei einem längsseitig festgemachten Boot, Eindampfen in die Vorspring (Bugleine) genannt, bei dem die Wirkung des Radeffekts (Drehimpuls des Propellers) genutzt wird um das Heck vom Steg weg zu bekommen. Aber das haben wir erst einige Tage später bei einem Auftankmanöver gezeigt bekommen.
Ein merkwürdiges Gefühl wenn zum ersten Mal die letzte Verbindung zum Land gekappt wird. Als wir dann die Edil Nautica hinter uns ließen fanden wir uns in der vor Portoferraio liegenden Bucht wieder und hier haben wir die bereits beim SBF gelernten Techniken mit unserer Yacht geübt. Dazu gehörte das An- und Ablegen, Wendemanöver und das wichtige Mann-über-Bord-Manöver. Der Unterschied im Fahrverhalten zu unserem kleinen SBF-Boot war riesig, in etwa vergleichbar mit dem Wechsel von einem VW Polo zu einem ausgewachsenen Wohnmobil. Kursänderungen sind um ein Vielfaches träger, der Wenderadius deutlich größer, die Lage stabiler, alles in allem ein beruhigendes Gefühl. Allerdings wehte nur ein ganz kleines Lüftchen und die Segel waren noch nicht gesetzt. Dass sich unser großer Kahn auch wie eine Nussschale in der Badewanne beim Ablassen des Wassers verhalten kann, das haben wir etwa fünf Tage später herausgefunden.

Rainer hilft dem Schiffsingenieur unseres Vercharterers bei der Reparatur eines gerissenen Schaltzugs.
Panne! Ich weiß nicht mehr wer von uns gerade am Ruder stand aber es wurde von einer Sekunde zur nächsten keine Motorleistung mehr auf den Propeller übertragen. Der Schaltzug war gerissen! Glücklicherweise waren wir noch in der Bucht von Portoferraio und nicht mitten auf dem Meer und Gott sei Dank war gerade sehr wenig Bewegung auf dem Wasser, denn genaues Manövrieren war nun nicht mehr möglich. Mit Andre am Getriebeschalter und Peter, der die Befehle des Steuermanns in den Maschinenraum weitergab, konnten wir wieder zurück in die Edil Nautica steuern. Noch während der Fahrt eilte uns der über Funk informierte Schiffsingenieur auf seinem Sportboot zu Hilfe und nach seiner Diagnose war eine Reparatur auf dem Wasser unmöglich, also ging es wieder zurück an Land. Hier überließen wir die Sache dem Ingenieur unter Zuarbeit von Thomas und Rainer, der sich im Motorenbereich als handwerklich begabt herausstellte. Die anderen machten es sich derweil auf dem Vorschiff gemütlich, aßen zu Mittag, sonnten sich und überhaupt war es inzwischen an der Zeit für eine Siesta. Ich schmierte mir ein Nutellabrötchen und legte mich ebenfalls auf das Vorschiff, den Kopf an unser Rettungsboot gelehnt ruhte ich eine Weile. Zwei Stunden später pfeifte uns Thomas zusammen, der Motor war wieder einsatzbereit, nur die Mannschaft noch nicht. Einigen von uns war etwas träge zumute, der frühe Nachmittag zollte seinen Tribut, es war der 1. April 2012 und wir hatten bereits bis zu 30°C.
Als wir wieder in der Bucht ankamen setzten wir mit dem Mann-über-Bord-Manöver fort. Es galt eine Boje über Bord zu werfen und diese unter Nutzung der vorgeschriebenen Kommandos und eines Manövers entsprechend der Windrichtung wieder an Bord zu holen. Gar nicht so einfach die Windrichtung bei 1 bis 2 Windstärken am Verklicker (Fähnchen am Ende des Großmast) zu ermitteln, doch Thomas gab uns den Tipp den Blick auf das Wasser zu richten und das winzige Wellenmuster zu studieren, je nach Windrichtung hat es einen eigenen Charakter. Wir fuhren noch immer unter Motor und erst jetzt wurde mir bewusst wie kompliziert die Systematik wird wenn wir dann unter Segel fahren würden. Diese Übung war hervorragend geeignet um ein Gefühl für die schwere und träge Yacht zu bekommen und zu guter Letzt ist dieses Manöver prüfungsrelevant für den SKS.
Unter Segel

Marciana Marina: Letzter Stopp auf Elba vor der Überfahrt nach Korsika.
Am späten Nachmittag war es endlich soweit, wir setzten Segel! Den Weg zu unserem Zielhafen Marciana Marina würden wir unter Segel zurücklegen. Thomas wies die bereits erfahrenen Mitglieder Andre und Herbert an das Großsegel loszubinden, auszupacken und klar zu machen. Macht die Lazyjacks frei!, Lose für Großschot und Baumniederholer!, Kurs im Wind halten! und so weiter... Inzwischen hielt ich mit den anderen noch unerfahrenen zukünftigen Skippern verschiedene Leinen in der Hand, dessen Namen mir noch nichts sagten. Auf Kommando von Thomas ziehten wir an einer Leine und setzten damit das Großsegel, zogen es mit aller Kraft hoch. Während dieser Zeit musste der Mann am Ruder peinlich genau darauf achten den Kurs im Wind zu halten (Wind von vorn) damit das Großsegel beim Setzen nicht ausschlägt oder sich verhakt. Erst jetzt wurde der Motor abgestellt und plötzlich herrschte einsame Ruhe, wie auf einem Floß dahintreibend. Als nächstes war die Genua an der Reihe, dabei handelt es sich um ein vergrößertes, anstelle der Fock gesetztes Vorsegel und ist zumeist auf Segelyachten anzutreffen. Je nach Windrichtung wird es an Backbord oder Steuerbord ausgefahren und bei Kursen hart am Wind (Wind kommt fast von vorn) mit Hilfe einer Winsch dichtgeholt, wobei hier bei starker Windkraft trotz 2-Gang-Getriebe ordentlich Manpower gefragt ist. Als beide Segel gesetzt und an die Kurs-, Wind- und Seegangsverhältnisse angepasst waren, segelten wir entlang der Küste von Elba bis nach Marciana Marina und lernten dabei die Wende kennen, ein Manöver das zum Kurswechsel führt und bei dem die Yacht mit dem Bug durch den Wind geht. Dabei weht der Wind kurzzeitig auch von vorn und nach Abschluss des Manövers von der anderen Schiffsseite, die Segel wechseln also ihre Stellung. Der Steuermann muss dafür die Yacht immer näher in den Wind bringen, so weit bis die Windwirkung nachlässt und die Segel kurz vorm Einfallen sind, jetzt kann das Vorsegel geführt übergeben werden und das Großsegel auf die andere Seite schwingen.

Torre dei Appiani: Ein im 12. Jahrhundert erbauter pisanischer Wehrturm.
Als wir gegen 19 Uhr im Hafen von Marciana Marina einliefen weckte ein alter Leuchtturm mit einer historischen Kaimauer unsere Aufmerksamkeit. Der ganze Hafen versprühte ein wunderbar südländisches Flair, doch zunächst musste sich jeder auf das Anlegemanöver konzentrieren. Der Motor wurde wieder angeworfen, Fender wurden ausgelegt und zwei Springer machten sich bereit zum Sprung. Thomas versuchte das Heck möglichst nah an den Steg zu manövrieren und damit den Sprung an Land zu verkürzen. Ich gehörte zu den Werfern, welche die Achterleinen vorbereiteten um sie anschließend den Springern an Land zuzuwerfen. Schnell musste es jetzt gehen: Achterleine werfen und um einen Poller legen, kurz anziehen und das Ende dem Werfer zurückwerfen, der es durch eine am Heck befestigte Klampe ziehen und mit einem Kopfschlag belegen muss, für größere Knoten ist keine Zeit. Zuletzt wird die Mooringleine, eine fest im Wasser verankerte Kette, aus dem Hafenbecken gefischt und am Bug befestigt, damit die Yacht auch längsseitig stabilisiert ist. Nun war es geschafft! Das erste Bier wartete bereits und wir erkundeten den kleinen Hafen und vor allem den Leuchtturm aus der Nähe.

Die Kaimauer von Marciana Marina schützt den Hafen vor Sturmwellen und war alles, was uns noch von Korsika trennte.
Der Blick über die Kaimauer war atemberaubend: Die Küste verlief sehr schroff und steinig fast bis zum Horizont und schloss an die scheinbar endlose Weite des Meeres im Licht der untergehenden Sonne an. Zum Abend gab es eine Spezialität vom Skipper: Grießklößchen-Eintopf! Zunächst skeptisch ob das für acht Männer denn ausreiche ließen wir ihn ohne größere Einwände gewähren. Und es hatte sich gelohnt, der Eintopf war einfach nur ein Genuss. Ob das an der körperlichen Anstrengung oder am Seeklima lag war uns dabei egal! Abends saßen wir noch eine Weile an Deck, tranken Limoncello, wobei alle bis auf Thomas schnell wieder auf Bier umgestiegen sind, viel zu süß der Limoncello. Die zweite Nacht auf dem Wasser stand an, wieder schlugen kleine Wellen gegen die Bordwand und ließen uns sehr schnell einschlafen. Am nächsten Tag stand die Überfahrt nach Korsika an, eine Entfernung von 35 Seemeilen bzw. 60 Kilometern war zu überwinden, oder mehr wenn der Wind ungünstig liegen würde und wir zum Kreuzen gezwungen werden.
Auf nach Korsika

Guten Morgen: Frühstück an Bord der TOSCA gegen 7 Uhr 30, ein langer Tag steht bevor.
Der Montag begann ähnlich früh wie der Sonntag. Gegen 7 Uhr hörte ich Stimmen und Kaffeekochergeräusche aus der Kombüse, also schnell angezogen, Katzenwäsche in der Hafendusche gemacht und schon saßen wir alle am Tisch unter Deck und frühstückten während Thomas uns mit erheiternden Reden bzw. seiner Art von Humor beglückte. Als wir die Leinen los machten standen erst einmal verschiedene Manöver wie Wende und Mann-über-Bord-Manöver auf dem Lehrplan bevor wir am frühen Nachmittag Richtung Korsika segelten. In den Pausen zwischen den Übungen verzehrten wir Unmengen an Müsli- und Schokoladenriegeln während Thomas uns theoretisches Wissen vermittelte, zum Beispiel über Rettungs- und Seenotsignalmittel oder die Möglichkeiten der Segeltrimm oder die verschiedenen Sensoren der Yacht oder die Eigenarten von Motor und Getriebe, wobei uns letzteres zwangsweise aufgrund der Panne am Vortag beschäftigt hat.

Gute Krängung (Schräglage) bei gutem Wind während der Fahrt nach Bastia.
Windstärke 3 von Süd-Ost bei leichtem Seegang und mittlerer Wolkenbedeckung bei fallendem Luftdruck, das waren die Wetterparameter als wir uns nun endlich auf nach Bastia machten. Der Wind kam fast optimal und so konnten wir direkten Kurs nach Le Vieux Port nehmen, dem alten Stadthafen von Bastia. Wir machten ordentlich Fahrt bei deutlicher Krängung, wir saßen fast alle in Luv, also auf der dem Wind zugewandten Seite, nur Andre lag auf der Bank oder besser gesagt auf der Lehne der Bank, so stark war die Krängung bereits. Es war ein herrliches Gefühl von Freiheit wenn einem der Wind ins Gesicht bläst und mit 7 bis 10 Knoten auch die Geschwindigkeit stimmt, wenn der Steuermann jede einzelne Welle am Ruder spürt und dagegenhält ohne die stabile Lage im Wasser zu riskieren, ab und zu bricht die Sonne durch die Wolken und lässt die Segel in einem blendenden Silber erstrahlen. Und so segelten wir Richtung Westen und entfernten uns vom Toskanischen Archipel.
Eigentlich war alles wunderbar, aber: Der Wind und damit die Wellen kamen von achtern, also von schräg hinten, damit macht die Yacht bei jeder Welle eine Rollbewegung über drei Achsen und diese hat für viele Landratten einen gewaltigen Nachteil: Das flaue Gefühl im Magen meldet sich zu Wort! Klaus sprang auf einmal nach Lee, also zur dem Wind abgeneigten Seite, und ließ geschehen was nicht zu verhindern war. Etwa eine Stunde später konnte die Mannschaft dieses Schauspiel erneut verfolgen, diesmal mit mir im Rampenlicht. Da muss man wohl einfach durch! Das ganze wiederholte sich noch ein paar Mal. Der Umgang mit den Seekranken an Bord war vorbildlich. Ohne große Erregung wurde es fast schon zur Normalität, es gehörte einfach mit dazu und war zu akzeptieren. Das einzige No-Go war der Navigationstisch mit den Instrumenten und Seekarten. Thomas hätte uns Kielholen lassen wäre dieser Ort eingesaut worden! Von der an diesem Tag erstmals gezeigten und prüfungsrelevanten Halse, einem Manöver bei dem nicht der Bug sondern das Heck durch den Wind dreht, haben wir nicht mehr viel mitbekommen. Klaus lag in der Koje und ich auf der Bank an Deck. Für den Rest des Tages lauschten wir den Kommandos, die irgendwo aus der Ferne zu kommen schienen. Nach drei Tagen hat sich der Körper daran gewöhnt, meinte Thomas, und so ging es mit uns weiter bis zur Hafeneinfahrt in Bastia.

Le Vieux Port: Der alte Stadthafen von Bastia beeindruckt bei Tag und Nacht.
Erstaunlicherweise fühlt man sich schon beim ersten Sichtkontakt zum Hafen spürbar besser und sobald der erste Fuß wieder auf festem Boden steht schwebt man wie auf Wolken. Von der ganzen Übelkeit keine Spur mehr, ein kräftiger, gesunder Appetit überkommt einen. Sobald der zweite Fuß mit dem Land Kontakt aufgenommen hat dreht sich das Karussel weiter, nicht innerlich sondern äußerlich schwankt der Körper gut 10 Zentimeter hin und her, ohne, dass man diese Bewegung kontrollieren kann. Das erste Bier in Bastia auf den bisher wohl nüchternsten Magen überhaupt gab es nach einer Kletterpartie auf einer wackeligen Leiter hinauf zur Kaimauer. Etwa 20 Uhr war es bereits und die Sonne tauchte erneut ein ins gold-rot schimmernde Mittelmeer. Wir fühlten uns alle wohl und schliefen zwei Stunden später tief und fest.
Wettervorhersage um 0600 von Meteo France für Seegebiet östlich von Korsika: Wind von Süd-Ost bei 2 bis 3 Beaufort, also eine schwache Brise, Regen und vereinzelt Gewitter, nichts Weltbewegendes, könnte aber nass werden. Das war an diesem Tag der Job von Klaus und das gehörte zu den Aufgaben, die ein Tagesskipper so zu erledigen hatte. Jedem wurde zweimal während des gesamten Törns die Verantwortung für Schiff und Mannschaft übergeben, einmal in der ersten Woche in Korsika und das zweite Mal während der Prüfungsvorbereitung auf Elba. Dazu gehörte auch das Einholen des Wetterberichtes, was ohne Französischkenntnisse anfangs etwas schwierig war. Es galt die Aufgaben für das Klarmachen der Yacht vor dem Auslaufen zu verteilen, die Technik wie Motor und Navigationsinstrumente zu überprüfen, Durchlässe zu kontrollieren, die Planung der täglichen Route am Navigationstisch vorzubereiten und so weiter. Wir wollten bis Ende der Woche an der Südspitze der Insel in Bonifacio sein, das bedeutet, wir würden heute bei Wind von Süd-Ost einen Kurs hart am Wind halten und teilweise Kreuzen müssen. Klaus berechnete die zu steuernden Kurse zum heutigen Ziel Port de Taverna in Campoloro und schon stachen wir erneut in See.

Navigationstisch mit GPS, Seefunkanlage, Kartenmaterial und Schiffselektronik.
Aufgrund meiner Seekrankheit vom Vortag war ich heute größtenteils am Ruder anzutreffen, der bevorzugte Ort an dem die Beschwerden gering bleiben. Die Tätigkeit am Ruder erfordert ständige Aufmerksamkeit, vor allem bei stärkerem Seegang, denn jede Welle muss ausgeglichen werden ohne dabei an Fahrt zu verlieren und hier habe ich mich wohl gefühlt. Neuer Kurs 085!, tönte es aus dem Unterdeck. Also ein Wende-Manöver durchführen und anschließend 085 Grad am Steuerkompass einstellen. Die Befehle dafür saßen inzwischen recht sicher und so befahl ich den Männern an Groß und Genua sich vorzubereiten (Klar zum Wenden! - Ist klar!) und luvte an bzw. drehte den Bug durch den Wind (Ree! - Halt back die Genua!). Sobald ich die Genua einfallen sah gab ich das Kommando an die Vorschoter das Segel auf die andere Seite zu ziehen (Über die Genua!), das Groß wanderte daraufhin selbstständig hinüber und schlug die Yacht über die Längsachse auf die andere Seite, der Wind kam jetzt von Steuerbord. Zur besseren Beurteilung der Segelstellung wechselte ich ebenfalls auf die andere Seite, nahm das zweite Steuerrad in Beschlag und stellte den neuen Kurs 085 ein. Jetzt mussten nur noch die Segel so weit geöffnet werden, bis der Wind optimal greifen konnte (Schoten auf Am-Wind-Kurs!) und es konnte wieder Ruhe an Deck einkehren.

Die schroffe Küste Korsikas: Lange weiße Sandstrände findet man hier eher selten.
Wir segelten jetzt also Richtung Osten um damit den Abstand zur Insel vergrößern und anschließend wieder einen günstigen Kurs Richtung Süden einnehmen zu können. Dieses Spiel wiederholten wir so oft es notwendig war. Die Wegstrecke verlängert sich durch das Kreuzen natürlich immens, aber es bewahrt einem davor zu hart am Wind zu segeln und dadurch an Fahrt zu verlieren. Wegen der unzähligen Manöver, wir hatten an diesem Tag intensiv Halse und Q-Wende geübt, kamen wir erst zur Dämmerung in Campoloro an. Ich weiß nicht mehr wer an diesem Abend für uns gekocht hat aber es war lecker und wir waren jetzt aufeinander eingestimmt. In der anfänglichen Aufregung war mir die Schönheit Korsikas noch gar nicht richtig aufgefallen, doch mein Bewusstsein dafür änderte sich von Mal zu Mal und stieg bis zur Südspitze immer weiter an. Schroffe Klippen und weiße Strände gepaart mit abendlicher Hafenromantik und dem Rauschen des Meeres; Und hebt man seinen Blick so füllen riesige Berge den Horizont aus und tauchen ein in Wolkenformationen um darin in einer gemeinsamen Silhouette zu verschwimmen. Was für ein Kontrast, diese Insel muss auch einmal zu Fuß erkundet werden!
Zum alten Hafen

Manchmal hat uns Thomas sogar verwöhnt: Frisches Rührei zum Frühstück!
Der Wecker klingelte kurz nach 6 Uhr während sanfte Wellen einen zum Weiterschlafen überreden wollten; Kaffee brodelt und heisere rauhe Stimmen tönen - die Seeluft machts möglich; Müsli und Rührei zum Frühstück inklusive einer dreiviertel Portion Witz; Dabei kurze Tagesplanung: Manöver optimieren, jeder muss jede Position einnehmen und verantworten können, anschließend Weiterfahrt nach Porto-Vecchio. Das ist unser neuer Alltag, Überraschungen gibts keine mehr, dachten wir zumindest. Innerhalb von fünf Tagen wurde unser Rhythmus komplett auf den Kopf gestellt, acht Männer zusammen auf einer winzigen Nussschale in einem großen Teich. Wir hatten gutes italienisches Essen, Wasser und Wein, jeden Tag frische Luft und meistens Sonne, alles fühlte sich gut an, naja fast alles, doch die Seekrankheit hatte ich endlich überwunden.

Schwer zu fotografieren: Delphine liefern sich ein Wettrennen mit unserer Yacht.
Bereits 7 Uhr 30 waren wir auf See, viel Zeit zum Üben blieb an diesem Tag dennoch nicht, am Abend sollten wir 86 Seemeilen auf dem Log stehen haben, aber bis dahin war es noch ein weiter Weg. Wir wechselten uns gegenseitig am Ruder ab während die anderen bei Kursänderungen die Segel bedienten, um kurz danach wieder ihren Beschäftigungen nachzugehen. Die beliebtesten waren: Delphine beobachten! Eigentlich war das Meer ziemlich tot, von den unzähligen Seeigeln an der südlichen Steilküste bei Bonifacio einmal abgesehen, und eben den Delphinen. Meist kamen sie im Doppelpack auf uns zu, motiviert, sich ein Wettrennen mit uns zu liefern das wir gnadenlos verlierten, schwammen sie pfeilschnell vor unserem Bug daher und sprangen immer wieder aus dem Wasser. Kaum hatten sich Peter und Rainer aufgemacht ihre Kameras zu holen um das Schauspiel festzuhalten, hatten sich auf den wackeligen und Wasser aufschlagenden Bug vorgekämpft, waren die Delphine auch schon wieder fort. Ein paar wenige Aufnahmen sind uns trotzdem geglückt, auch dank des Skippers Trick die Delphine mit Schlägen auf den Bootsrumpf anzulocken. Die zweite beliebte Beschäftigung war das Sonnen auf der Luv-Seite der Yacht, je stärker die Schräglage desto entspannter das Sonnen.

Bei Regen reißt sich niemand um das Ruder! Doch die Crew hat einen versorgt.
Die Winde wehten abermals aus Süd-Ost, so dass wir erneut Kreuzen mussten was auch den hohen Seemeilenstand am Ende des Tages erklärte. Leider wurde das Wetter immer schlechter, es zogen dichte Wolken auf, die das Sonnen an Deck schnell ungemütlich werden ließen. Inzwischen war ich an der Reihe und löste Björn am Ruder ab, versuchte den dunklen Wolken davonzusegeln. Man bekommt recht schnell ein Gefühl dafür wie nah am Wind man eine Yacht segeln kann bei der der Wind noch gut und kräftig greift ohne eine zu starke Krängung zu riskieren. Zur Bestätigung hielten wir ständig das Log mit der Anzeige der Knoten (Seemeilen pro Stunde) im Blick. Es wurde zu einem regelrechten Wettrennen wer unserem Kahn die höchste Geschwindigkeit entlocken kann, bei einer Windstärke von 3 Beaufort war aber noch nicht so viel los, wir erreichten etwa 7 Knoten. Auch der später einsetzende Regen, der mir aufgrund des Gegenwindkurses ins Gesicht peitschte, konnte die Laune nicht mindern, während sich der Rest der Crew im Windschutz des Bimini-Verdecks aufhielt und mich mit Schokoladenriegeln und heißem Tee über Wasser hielt. Nach zwei Stunden am Ruder war ich gut durchgeweicht, aber zumindest die Füße waren trocken auch wenn Wanderschuhe eigentlich nichts auf einem Boot zu suchen haben und mehr als einmal für belustigende Kommentare aus den eigenen Reihen sorgten. Es war der nasseste und kälteste Tag der gesamten zwei Wochen, und auch der längste, von der Übernachtfahrt einmal abgesehen.

Geschmacksache: Kochen bei guter Fahrt will gelernt sein.
An diesem Abend war ich mit Kochen an der Reihe. Wegen der langen Wegstrecke musste das Essen gegen 18 Uhr noch bei Fahrt unter Segel zubereitet werden, was bedeutete, dass der gesamte Herd von der Krängung entkoppelt wurde und frei in der Bordküche umherschwang während man bei einer Neigung von etwa 30 Grad vor den Töpfen stand oder das Gemüse schnitt. Keine besonders angenehme Tätigkeit vor allem durch die schneller aufkommende Übelkeit bei Arbeiten unter Deck. Hält man aber hin und wieder den Kopf aus dem Niedergang und lässt sich frischen Wind ins Gesicht blasen geht es einem schnell wieder besser. Das Feierabendbier musste zunächst ausgelassen werden denn auch auf dem Wasser gilt eine Grenze von 0,5 Promille. Als es zunehmend dunkler wurde kam Thomas auf die Idee noch ein paar Übungsmanöver bei Nacht zu fahren. Gerade das schon bis zum Erbrechen geübte Mann-über-Bord-Manöver erstrahlte in neuem Glanz als wir eine Leuchtboje über Bord warfen und nach dem einstudierten Ablauf wieder einsammelten. Der Mann am Ruder vergab die Befehle: Andre Ausguck!, Klaus Bootshaken!, Bereit machen zur Halse! ...und wir machten uns bereit, denn weit war unser Ziel nicht mehr entfernt.

Abendliche Hafenromantik: Porto-Vecchio bei Nacht und Vollmond.
Gegen 21 Uhr kamen wir endlich dem Hafen von Porto-Vecchio näher und begannen mit der Ansteuerung auf Sicht. Wir erlebten unsere erste Ansteuerung bei Nacht, eine spannende und hochinteressante Erfahrung! Es galt die unterschiedlichen Sektorenfeuer zu identifizieren und den Regeln entsprechend zu navigieren. Die einzelnen Feuer waren deutlich schwerer auszumachen als in unserem Lehrbuch, wie so oft ist die Praxis eben anders. Leitfeuer, Quermarkenfeuer, auf der Sektorengrenze bleiben, das Feuer mit der Blitzkennung an Backbord lassen und so weiter, das internationale Regelwerk für die Navigation bei Nacht ist einfallsreich. Nunmehr unter Motor und inzwischen allesamt müde liefen wir in den Hafen ein und suchten uns eine passende Liegestelle. Wie gewonnen, so zerronnen! Als wir endlich einen freien Platz fanden und das Anlegemanöver durchführten mussten wir kurz darauf feststellen, dass keine Mooringleine vorhanden war, der Bug konnte so nicht festgemacht werden. Erneut hieß es abzulegen und einen anderen Platz zu finden, was um diese Uhrzeit nicht einfach war, denn wir waren mit Sicherheit die letzte einlaufende Yacht und mussten nehmen was übrig bleibt. Laut Logbuch wurde um 22 Uhr 50 der Motor abgeschaltet, wir waren in Porto-Vecchio (italienisch für "Alter Hafen"), einer französischen Gemeinde im Süden von Korsika. Zeit für einen kurzen Landgang würden wir am nächsten Morgen haben.
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