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Vorbemerkung
Ich werde hier keinen Reisebericht in Tagebuchform schreiben. Der Ostseeküsten-Radweg ist im Netz gut dokumentiert. Vielmehr möchte ich meine Erfahrungen allgemein zusammenfassen. Vielleicht kann der Eine oder die Andere davon profitieren.
Fotos wird es nur wenige geben. Mir ist es eher lästig, ständig in “Fotobereitschaft” zu sein. So gibt es nur ein paar eher zufällig entstandene, unbearbeitete Handy-Bilder.
Da ich zusammen mit Freunden im Frühjahr eine Radtour von Prag nach Berlin und mit Giulia eine Wanderung auf der Via Claudia Augusta von Meran ins Valsugana gemacht habe, stand mir dieses Mal der Sinn danach, allein unterwegs zu sein.
Ich bin letztendlich ziemlich unvorbereitet nach Polen gefahren. Ich hatte mittel- und südeuropäische Verhältnisse erwartet. Dem war nicht so. In Polen fängt nach meiner Ansicht „der Osten“ an. Es war eine tolle Tour, die ich jederzeit wiederholen würde. Gedanken über die Fortsetzung durch die Baltischen Staaten schwirren mir bereits durch den Kopf.
Reisezeitraum und Wetter
Ich war vom 2. bis zum 13. September 2016 auf Tour, um den polnischen Schulferien auszuweichen, die landesweit bis Ende August dauern. Denn aus dem Netz hatte ich erfahren, dass es während der Ferien an der Küste schwierig sein soll, Unterkünfte zu finden.
Viel Glück hatte ich mit dem Wetter. Ich erwischte eine Schönwetterperiode mit Temperaturen bis zu 30°. Lediglich einen halben Tag mit Dauerregen und einen weiteren mit vormittäglichem Nieselregen musste ich überstehen.
Ausrüstung
Mein Rad war ein „Gudereit SX-75 Sport Edition“. Ich war zu faul, meine “Slicks” auszutauschen und Stollenreifen aufzuziehen. Zugegeben, etwas sup-optimal, aber ich kam auch im unwegsamen Gelände gut durch. Denn ich hatte nur recht wenig Gepäck (ca. 15 Kilo) dabei, das in den beiden Hinterradtaschen von Ortlieb und der Lenkertasche von Connandale problemlos Platz fand. An Werkzeug hatte ich nur das Allernötigste mit.
Zelt und die entsprechende Zusatzausrüstung ließ ich zuhause.
Anreise
Als Berliner hatte ich es relativ einfach. Es gibt es eine recht gute Verbindung per Regionalzug (mit Umstieg in Angermünde) nach Stettin. Ein paar Mal am Tag fahren Züge auch direkt nach Stettin. Da ich Besitzer einer ÖPNV-Gesamtnetzkarte für Berlin-Brandenburg bin, kostete mich die Anreise nur 2 Euro für den Meck-Pomm-Ergänzungsfahrschein und 3,30 Euro für das Rad. Aber auch das normale Berlin-Stettin-Ticket für 10 Euro (mit BahnCard 7,50 Euro) ist preislich günstig.
Seit dem Frühjahr 2016 ist der Umbau des Stettiner Hauptbahnhofs abgeschlossen. Das mühsame Schleppen der Räder über steile Treppen ist vorbei, denn nun stehen geräumige Fahrstühle zu den Bahnsteigen zur Verfügung. Mit einer Ausnahme: Zum Bahnsteig 4, von dem offenbar alle Züge in Richtung nach Świnoujście (Swinemünde) abfahren, gelangt man weiterhin nur über die Straße und über steile Stufen. Nach Swinemünde werden moderne Zuggarnituren mit breitem, ebenerdigen Einstieg und großem Radabteil eingesetzt.

Infos zur polnischen Bahn mit Verbindungssuche auf Deutsch (die Ortsnamen müssen in polnischer Schreibweise eingegeben werden):
http://rozklad-pkp.pl/de
Mein Zielbahnhof war bereits Międzyzdroje (Misdroy), da ich den Anfangsabschnitt von Swinemünde gen Osten bereits kannte.
Reiseführer
An „Bikeline“ führt kein Weg vorbei. Der Radführer ist ziemlich konkurrenzlos. Ich hatte die 3. Auflage des “Ostseeküsten-Radweg, Teil 3, von Ahlbeck/Usedom nach Danzig” von 2015 mit. Von der Homepage des Verlages hatte ich mir zusätzlich das update (mit Infos von 2016) heruntergeladen und ausgedruckt. Auch einen GPS Track könnte man downloaden, auf den ich aber verzichtet habe. Ich bevorzuge weiterhin die Papierform. Zu Recht offenbar. Radfernwanderer, die ich unterwegs traf, standen mit ihrem Smartphone und der GPS-Navigation recht hilflos an einem mehrdeutigen Abzweig. Mit Hilfe meines Bikeline-Führers konnten wir gemeinsam den weiteren Tourenverlauf richtig lokalisieren.
Im Großen und Ganzen kam ich mit dem Bikeline-Radführer gut zurecht. Okay, einige Fehler und Ungenauigkeiten hat er. Manchmal erfordert es etwas Interpretationsfähigkeit, die richtige Route zu finden. Auffällig ist, dass der Radführer ungenauer wird, je weiter man nach Osten kommt. Offenbar ist hier – trotz update – schon längere Zeit Niemand mehr aus dem Verlag nachgeradelt. Das merkt man besonders daran, dass Änderungen (zumeist Verbesserungen) im Straßenbelag und die im Schlussteil viel besser gewordene Ausschilderung noch nicht erwähnt werden.
Bikeline weist durchaus auf die teilweise sehr schlechten Wegeverhältnisse hin, aber in meinen Augen noch viel zu zurückhaltend. So schreibt Bikeline zum Beispiel für die Strecke von Bialogóra nach Karvia lapidar und völlig verharmlosend: “...auf dem breiten Waldweg durch den Wald, vorbei an ursprünglichen Feuchtgebieten...” (S. 72). Dass dieser Waldweg immer schmaler wird und schließlich mitten durch ein morastiges Sumpfgebiet führt, in dem jedes Radeln unmöglich wird, erwähnt Bikeline nicht. Oder habe ich die falsche Route erwischt?
Gut gefallen haben mir auf jeden Fall die wasserabweisenden Seiten. Sonst hätte ich nach meinem (zum Glück einzigen) Regentag nur noch einen Papierbrei gehabt.
Sprache
Ich spreche kein Polnisch. Auch von anderen slawischen Sprachen habe ich keine Ahnung. Dabei hatte ich das Buch “Polnisch – Wort für Wort” aus der “Kauderwelsch”-Reihe des Reise Know-How Verlages. Jeden Tag wollte ich mir ein paar Worte/Sätze beibringen. Das Ergebnis war aber eher bescheiden. Über ein paar Floskeln kam ich nicht hinaus. Wer fleißiger als ich ist, erfährt aus dem guten Sprachführer nicht nur die Grundlagen der polnischen Sprache, sondern auch Einiges über die Besonderheiten der polnischen Gesellschaft. Über QR-Codes im Buch oder über die Verlagshomepage lassen sich Aussprachebeispiele auf dem Smartphone anhören.
Verständigt habe ich mich mit der einheimischen Bevölkerung – nach der Begrüßung auf Polnisch – auf Englisch und Deutsch. Wobei bei ich stets mit Englisch anfing. Wenn ich selbst nicht die Sprache des Landes spreche, möchte ich den Einheimischen nicht meine eigene Muttersprache aufzwingen, sondern wähle lieber eine „neutrale“ Sprache. In den Touristenorten war dies nie ein Problem (im westlichen Polen wird eher Deutsch verstanden und gesprochen, je weiter man nach Osten kommt, Englisch). Im Landesinneren musste ich meine wenigen polnischen Brocken bemühen. Mit anderen (polnischen) Fernradlern parlierte ich auf Englisch.
Unterkunft
Wie stets auf meinen Reisen hatte ich die erste Nacht vorgebucht, um nach einer mehr oder weniger anstrengenden Anreise (hier weniger) dem Stress der Unterkunftssuche zu entgehen.
In den Folgetagen habe ich einige Zeit gebraucht, um mich an das Unterkunftssystem in Polen zu gewöhnen. Normalerweise bevorzuge ich Hotels. Die sind an der polnischen Küste eher rar. Die wenigen 4- und 5-Sterne-Hotels sind hermetisch eingezäunt, und dicke Karossen füllen auch in der Nebensaison die Parkplätze. Nicht gerade einladend für mich. Hotels mit 3 Sternen, in die ich sonst gerne gehe, sind kaum vorhanden. Dafür alte große Hotelanlagen im sozialistischen Plattenbaustil, die auch heute noch ausschließlich von Gruppen belegt werden. Bleiben die unzähligen Privatunterkünfte, auf die mit dem Schild “Wolne Pokoje” (= Zimmer frei) hingewiesen wird. Zumeist steht eine Telefonnummer dabei. Da ich mir Telefonate auf Polnisch nicht zutraue, habe ich es nur dort versucht, wo Jemand anwesend war. Meine erste “freie” Suche in Dziwnòw war frustrierend. Offenbar war die Hauptsaison doch noch nicht zu lange vorbei. Bei den ersten Pokoje hob man bei “für eine Nacht” nur die Augenbrauen oder rümpfte die Nase. Oder es war Niemand zuhause. Leicht in Panik akzeptierte ich beim 6. oder 7. Versuch das kleine, düstere Zimmer bei einer eher unfreundlichen Familie. Okay, billig war es: 100 Zloty = 25 Euro. Mit Frühstück.
Apropos Frühstück. Dies ist bei polnischen Privatunterkünften in aller Regel nicht mit dabei (wie zumeist auch keine Handtücher). Dafür steht irgendwo im Zimmer ein Wasserkocher plus Tassen, Gläser, Teller und etwas Besteck. So hatte ich es mir schnell angewöhnt, am Vorabend Kaffee, Brot, Wurst und Butter fürs Frühstück zu kaufen.
Manchmal vermieten die Eigentümer von Einfamilienhäusern nur ein oder zwei Zimmer. Oft sind es aber eigens gebaute große Häuser mit 10 bis 20 Unterkunftseinheiten, die dann eher den Charakter einer Pension haben. Die Eigentümer haben dann nur noch im Erdgeschoss eine Einliegerwohnung. Ich bevorzugte die großen Häuser, da sie neuer waren und zumeist einen höheren Komfort boten, wie zum Beispiel einen Balkon (schöner fürs Frühstücken). Problemlos konnte man sich die Zimmer vorher anschauen. Die Qualität war höchst unterschiedlich. Vom Zimmer, wo das eine der beiden Betten sofort zusammenbrach, bis zu angenehmen hotelähnlichen Unterkünften war alles dabei. Dementsprechend reichte die Preisspanne von 50 bis zu 170 Zloty. Also insgesamt für mitteleuropäische Verhältnisse sehr billig. Ab und an gab es auch freies WLAN. Ein geschütztes Plätzchen für das Rad fand sich immer.

Sieht doch von Außen recht flott aus. Aber das eine Bett in meinem Zimmer brach bald zusammen
Ich habe zwar nicht sonderlich darauf geachtet, aber jeder Badeort hat wenigstens einen, zumeist mehrere Campingplätze (oft auch mit Miet-Holzhütchen) . Über Standard und Preise kann ich nichts sagen, da ich dort nicht übernachtet habe. Andere Radler schwärmten von ihren (Zelt-) Erlebnissen an den einsamen kilometerlangen Stränden.
Würde ich die Tour noch einmal machen, würde ich meine Übernachtungsorte anders planen und Städte/Städtchen wie Kołobrzeg (Kolberg), Darłowo (Rügenwalde), Ustka (Stolpmünde), Łeba und Puck (Putzig) mit einbeziehen. In den Badeorten, in denen ich hauptsächlich übernachtete, kam ich mir doch eher wie ein Exot vor. Die Ostsee ist das Urlaubsgebiet für polnische Familien. Schon lange nicht mehr hatte ich so viele Kinder auf einen Haufen gesehen. Auf andere Fernradfahrer trifft man dagegen selten. Mir kamen pro Tag vielleicht fünf andere Fernradler entgegen, und ungefähr weitere fünf überholten mich. Informelle Treffpunkte für Radler gibt es nicht.

Eine schöne Abwechslung zu den Badeorten: Der Marktplatz von Rügenwalde
Die Badeorte ähneln einander stark. Böse ausgedrückt: Hast du einen gesehen, kennst du alle. Zudem sind die Orte alle ziemlich hässlich. Aus den ehemals winzigen Fischerdörfchen sind langgezogene Feriensiedlungen geworden, die an den Rändern ausfransen und ausufern. Anders als in Tschechien ist die Globalisierung und Westeuropäisierung in Polen offenbar noch nicht vollends angekommen. Es herrscht eine Art Wildwuchs. Imbiss-Restaurant reiht sich an Eisstand, reiht sich an „Drink-Bar“, reiht sich Badeartikel-Verkaufshüttchen, reiht sich an Sklep, der polnischen Variante des Tante-Emma-Ladens. Dazwischen Spielgeräte wie air-hockey etc. für die Kids. Es ist die polnische Ausprägung eines Billigtourismus. Ohne jeglichen Charme und Stil.
Fortsetzung folgt
Ich werde hier keinen Reisebericht in Tagebuchform schreiben. Der Ostseeküsten-Radweg ist im Netz gut dokumentiert. Vielmehr möchte ich meine Erfahrungen allgemein zusammenfassen. Vielleicht kann der Eine oder die Andere davon profitieren.
Fotos wird es nur wenige geben. Mir ist es eher lästig, ständig in “Fotobereitschaft” zu sein. So gibt es nur ein paar eher zufällig entstandene, unbearbeitete Handy-Bilder.
Da ich zusammen mit Freunden im Frühjahr eine Radtour von Prag nach Berlin und mit Giulia eine Wanderung auf der Via Claudia Augusta von Meran ins Valsugana gemacht habe, stand mir dieses Mal der Sinn danach, allein unterwegs zu sein.
Ich bin letztendlich ziemlich unvorbereitet nach Polen gefahren. Ich hatte mittel- und südeuropäische Verhältnisse erwartet. Dem war nicht so. In Polen fängt nach meiner Ansicht „der Osten“ an. Es war eine tolle Tour, die ich jederzeit wiederholen würde. Gedanken über die Fortsetzung durch die Baltischen Staaten schwirren mir bereits durch den Kopf.
Reisezeitraum und Wetter
Ich war vom 2. bis zum 13. September 2016 auf Tour, um den polnischen Schulferien auszuweichen, die landesweit bis Ende August dauern. Denn aus dem Netz hatte ich erfahren, dass es während der Ferien an der Küste schwierig sein soll, Unterkünfte zu finden.
Viel Glück hatte ich mit dem Wetter. Ich erwischte eine Schönwetterperiode mit Temperaturen bis zu 30°. Lediglich einen halben Tag mit Dauerregen und einen weiteren mit vormittäglichem Nieselregen musste ich überstehen.
Ausrüstung
Mein Rad war ein „Gudereit SX-75 Sport Edition“. Ich war zu faul, meine “Slicks” auszutauschen und Stollenreifen aufzuziehen. Zugegeben, etwas sup-optimal, aber ich kam auch im unwegsamen Gelände gut durch. Denn ich hatte nur recht wenig Gepäck (ca. 15 Kilo) dabei, das in den beiden Hinterradtaschen von Ortlieb und der Lenkertasche von Connandale problemlos Platz fand. An Werkzeug hatte ich nur das Allernötigste mit.
Zelt und die entsprechende Zusatzausrüstung ließ ich zuhause.
Anreise
Als Berliner hatte ich es relativ einfach. Es gibt es eine recht gute Verbindung per Regionalzug (mit Umstieg in Angermünde) nach Stettin. Ein paar Mal am Tag fahren Züge auch direkt nach Stettin. Da ich Besitzer einer ÖPNV-Gesamtnetzkarte für Berlin-Brandenburg bin, kostete mich die Anreise nur 2 Euro für den Meck-Pomm-Ergänzungsfahrschein und 3,30 Euro für das Rad. Aber auch das normale Berlin-Stettin-Ticket für 10 Euro (mit BahnCard 7,50 Euro) ist preislich günstig.
Seit dem Frühjahr 2016 ist der Umbau des Stettiner Hauptbahnhofs abgeschlossen. Das mühsame Schleppen der Räder über steile Treppen ist vorbei, denn nun stehen geräumige Fahrstühle zu den Bahnsteigen zur Verfügung. Mit einer Ausnahme: Zum Bahnsteig 4, von dem offenbar alle Züge in Richtung nach Świnoujście (Swinemünde) abfahren, gelangt man weiterhin nur über die Straße und über steile Stufen. Nach Swinemünde werden moderne Zuggarnituren mit breitem, ebenerdigen Einstieg und großem Radabteil eingesetzt.

Infos zur polnischen Bahn mit Verbindungssuche auf Deutsch (die Ortsnamen müssen in polnischer Schreibweise eingegeben werden):
http://rozklad-pkp.pl/de
Mein Zielbahnhof war bereits Międzyzdroje (Misdroy), da ich den Anfangsabschnitt von Swinemünde gen Osten bereits kannte.
Reiseführer
An „Bikeline“ führt kein Weg vorbei. Der Radführer ist ziemlich konkurrenzlos. Ich hatte die 3. Auflage des “Ostseeküsten-Radweg, Teil 3, von Ahlbeck/Usedom nach Danzig” von 2015 mit. Von der Homepage des Verlages hatte ich mir zusätzlich das update (mit Infos von 2016) heruntergeladen und ausgedruckt. Auch einen GPS Track könnte man downloaden, auf den ich aber verzichtet habe. Ich bevorzuge weiterhin die Papierform. Zu Recht offenbar. Radfernwanderer, die ich unterwegs traf, standen mit ihrem Smartphone und der GPS-Navigation recht hilflos an einem mehrdeutigen Abzweig. Mit Hilfe meines Bikeline-Führers konnten wir gemeinsam den weiteren Tourenverlauf richtig lokalisieren.
Im Großen und Ganzen kam ich mit dem Bikeline-Radführer gut zurecht. Okay, einige Fehler und Ungenauigkeiten hat er. Manchmal erfordert es etwas Interpretationsfähigkeit, die richtige Route zu finden. Auffällig ist, dass der Radführer ungenauer wird, je weiter man nach Osten kommt. Offenbar ist hier – trotz update – schon längere Zeit Niemand mehr aus dem Verlag nachgeradelt. Das merkt man besonders daran, dass Änderungen (zumeist Verbesserungen) im Straßenbelag und die im Schlussteil viel besser gewordene Ausschilderung noch nicht erwähnt werden.
Bikeline weist durchaus auf die teilweise sehr schlechten Wegeverhältnisse hin, aber in meinen Augen noch viel zu zurückhaltend. So schreibt Bikeline zum Beispiel für die Strecke von Bialogóra nach Karvia lapidar und völlig verharmlosend: “...auf dem breiten Waldweg durch den Wald, vorbei an ursprünglichen Feuchtgebieten...” (S. 72). Dass dieser Waldweg immer schmaler wird und schließlich mitten durch ein morastiges Sumpfgebiet führt, in dem jedes Radeln unmöglich wird, erwähnt Bikeline nicht. Oder habe ich die falsche Route erwischt?
Gut gefallen haben mir auf jeden Fall die wasserabweisenden Seiten. Sonst hätte ich nach meinem (zum Glück einzigen) Regentag nur noch einen Papierbrei gehabt.
Sprache
Ich spreche kein Polnisch. Auch von anderen slawischen Sprachen habe ich keine Ahnung. Dabei hatte ich das Buch “Polnisch – Wort für Wort” aus der “Kauderwelsch”-Reihe des Reise Know-How Verlages. Jeden Tag wollte ich mir ein paar Worte/Sätze beibringen. Das Ergebnis war aber eher bescheiden. Über ein paar Floskeln kam ich nicht hinaus. Wer fleißiger als ich ist, erfährt aus dem guten Sprachführer nicht nur die Grundlagen der polnischen Sprache, sondern auch Einiges über die Besonderheiten der polnischen Gesellschaft. Über QR-Codes im Buch oder über die Verlagshomepage lassen sich Aussprachebeispiele auf dem Smartphone anhören.
Verständigt habe ich mich mit der einheimischen Bevölkerung – nach der Begrüßung auf Polnisch – auf Englisch und Deutsch. Wobei bei ich stets mit Englisch anfing. Wenn ich selbst nicht die Sprache des Landes spreche, möchte ich den Einheimischen nicht meine eigene Muttersprache aufzwingen, sondern wähle lieber eine „neutrale“ Sprache. In den Touristenorten war dies nie ein Problem (im westlichen Polen wird eher Deutsch verstanden und gesprochen, je weiter man nach Osten kommt, Englisch). Im Landesinneren musste ich meine wenigen polnischen Brocken bemühen. Mit anderen (polnischen) Fernradlern parlierte ich auf Englisch.
Unterkunft
Wie stets auf meinen Reisen hatte ich die erste Nacht vorgebucht, um nach einer mehr oder weniger anstrengenden Anreise (hier weniger) dem Stress der Unterkunftssuche zu entgehen.
In den Folgetagen habe ich einige Zeit gebraucht, um mich an das Unterkunftssystem in Polen zu gewöhnen. Normalerweise bevorzuge ich Hotels. Die sind an der polnischen Küste eher rar. Die wenigen 4- und 5-Sterne-Hotels sind hermetisch eingezäunt, und dicke Karossen füllen auch in der Nebensaison die Parkplätze. Nicht gerade einladend für mich. Hotels mit 3 Sternen, in die ich sonst gerne gehe, sind kaum vorhanden. Dafür alte große Hotelanlagen im sozialistischen Plattenbaustil, die auch heute noch ausschließlich von Gruppen belegt werden. Bleiben die unzähligen Privatunterkünfte, auf die mit dem Schild “Wolne Pokoje” (= Zimmer frei) hingewiesen wird. Zumeist steht eine Telefonnummer dabei. Da ich mir Telefonate auf Polnisch nicht zutraue, habe ich es nur dort versucht, wo Jemand anwesend war. Meine erste “freie” Suche in Dziwnòw war frustrierend. Offenbar war die Hauptsaison doch noch nicht zu lange vorbei. Bei den ersten Pokoje hob man bei “für eine Nacht” nur die Augenbrauen oder rümpfte die Nase. Oder es war Niemand zuhause. Leicht in Panik akzeptierte ich beim 6. oder 7. Versuch das kleine, düstere Zimmer bei einer eher unfreundlichen Familie. Okay, billig war es: 100 Zloty = 25 Euro. Mit Frühstück.
Apropos Frühstück. Dies ist bei polnischen Privatunterkünften in aller Regel nicht mit dabei (wie zumeist auch keine Handtücher). Dafür steht irgendwo im Zimmer ein Wasserkocher plus Tassen, Gläser, Teller und etwas Besteck. So hatte ich es mir schnell angewöhnt, am Vorabend Kaffee, Brot, Wurst und Butter fürs Frühstück zu kaufen.
Manchmal vermieten die Eigentümer von Einfamilienhäusern nur ein oder zwei Zimmer. Oft sind es aber eigens gebaute große Häuser mit 10 bis 20 Unterkunftseinheiten, die dann eher den Charakter einer Pension haben. Die Eigentümer haben dann nur noch im Erdgeschoss eine Einliegerwohnung. Ich bevorzugte die großen Häuser, da sie neuer waren und zumeist einen höheren Komfort boten, wie zum Beispiel einen Balkon (schöner fürs Frühstücken). Problemlos konnte man sich die Zimmer vorher anschauen. Die Qualität war höchst unterschiedlich. Vom Zimmer, wo das eine der beiden Betten sofort zusammenbrach, bis zu angenehmen hotelähnlichen Unterkünften war alles dabei. Dementsprechend reichte die Preisspanne von 50 bis zu 170 Zloty. Also insgesamt für mitteleuropäische Verhältnisse sehr billig. Ab und an gab es auch freies WLAN. Ein geschütztes Plätzchen für das Rad fand sich immer.

Sieht doch von Außen recht flott aus. Aber das eine Bett in meinem Zimmer brach bald zusammen
Ich habe zwar nicht sonderlich darauf geachtet, aber jeder Badeort hat wenigstens einen, zumeist mehrere Campingplätze (oft auch mit Miet-Holzhütchen) . Über Standard und Preise kann ich nichts sagen, da ich dort nicht übernachtet habe. Andere Radler schwärmten von ihren (Zelt-) Erlebnissen an den einsamen kilometerlangen Stränden.
Würde ich die Tour noch einmal machen, würde ich meine Übernachtungsorte anders planen und Städte/Städtchen wie Kołobrzeg (Kolberg), Darłowo (Rügenwalde), Ustka (Stolpmünde), Łeba und Puck (Putzig) mit einbeziehen. In den Badeorten, in denen ich hauptsächlich übernachtete, kam ich mir doch eher wie ein Exot vor. Die Ostsee ist das Urlaubsgebiet für polnische Familien. Schon lange nicht mehr hatte ich so viele Kinder auf einen Haufen gesehen. Auf andere Fernradfahrer trifft man dagegen selten. Mir kamen pro Tag vielleicht fünf andere Fernradler entgegen, und ungefähr weitere fünf überholten mich. Informelle Treffpunkte für Radler gibt es nicht.

Eine schöne Abwechslung zu den Badeorten: Der Marktplatz von Rügenwalde
Die Badeorte ähneln einander stark. Böse ausgedrückt: Hast du einen gesehen, kennst du alle. Zudem sind die Orte alle ziemlich hässlich. Aus den ehemals winzigen Fischerdörfchen sind langgezogene Feriensiedlungen geworden, die an den Rändern ausfransen und ausufern. Anders als in Tschechien ist die Globalisierung und Westeuropäisierung in Polen offenbar noch nicht vollends angekommen. Es herrscht eine Art Wildwuchs. Imbiss-Restaurant reiht sich an Eisstand, reiht sich an „Drink-Bar“, reiht sich Badeartikel-Verkaufshüttchen, reiht sich an Sklep, der polnischen Variante des Tante-Emma-Ladens. Dazwischen Spielgeräte wie air-hockey etc. für die Kids. Es ist die polnische Ausprägung eines Billigtourismus. Ohne jeglichen Charme und Stil.
Fortsetzung folgt
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