Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Berge und Klöster - Armenien als Trekker und Backpacker
Allgemeines
Dass Armenien hier unter Europa eingeordnet wird, ist zwar nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch. Fragt man einen Armenier, ob das Land zur östlichen oder zur westlichen Hemisphäre gehört, wird er vielleicht antworten: natürlich zu BEIDEN - und außerdem ist es der Nabel der Welt und die Wiege der Zivilisation. An Mangel an Nationalbewusstsein leiden die Armenier nicht. Das hat diesem Volk immer wieder das Überleben gesichert. Leicht hatten sie es nicht, im Laufe der Jahrhunderte, und haben sie es auch heutzutage nicht.
Aber der Reihe nach. Ich wollte über unsere Reise berichten. Zusammen mit meiner Tochter war ich im Juni 2016 2 Wochen als Backpacker in Armenien. Die Idee der Reise war eine Mischung von Natur und Kultur: kleinere Trekkingtouren kombiniert mit der Besichtigung von Klöstern und nebenbei Land und Leute kennenlernen. Ziemlich viel Programm für 2 Wochen, zugegebenermaßen. Aus diesem Grunde habe ich mehrtägige Wildnistouren und die ganz hohen Berge gar nicht erst in Betracht gezogen. Und wir haben auch kein Zelt mitgenommen - eine Übernachtungsmöglichkeit wird sich schon finden - Schlafsack und Isomatte aber schon, und das war auch gut so.
Bevor ich über die eigentliche Reise schreibe, möchte ich aber die wichtigsten Informationen zusammenfassen. Das macht für den geneigten Leser, der auch mit dem Gedanken einer Armenientour spielt, vielleicht die eigene Planung ein bisschen einfacher.

Berge und Klöster: Das Kloster Tatev in der Provinz Syunik
Armenien als Trekkingziel
Armenien stand schon lange auf meiner ToDo-Liste. Potentiell könnte es ein ideales Ziel für Trekker und Wanderer sein. Das Land besteht zum großen Teil aus Bergen. 90% der Fläche liegen über 1000 m, mittlere Höhe 1800 m. Obwohl Armenien nicht groß ist, bietet es ganz unterschiedliche beeindruckende Landschaften mit unterschiedlicher Flora und Fauna. Im Süden sogar unerwarteterweise große Waldgebiete. Wer möchte, findet auch menschenleere Hochflächen (z.B. die Gegham-Berge), und hohe Gipfel: einen 4000er und mehrere 3000er. Der größte Teil des Landes ist frei zugänglich und man kann fast überall zelten. Zudem sind die Menschen gastfreundlich und aufgeschlossen.
Sucht man allerdings im Internet nach Trekking in Armenien, findet man nur eine Handvoll kommerzieller Anbieter. Ansonsten: nichts, keine Reiseberichte, keine Hinweise, ничего. Das hat mich dann natürlich erst recht gereizt: das muss doch auch auf eigene Faust gehen. Geht es auch, braucht aber einiges an Recherche und Vorbereitung.

Immer präsent, und dennoch unerreichbar: der große und der kleine Ararat

Berglandschaft in der Provinz Vayots Dzor
Wanderwege und Trekkingrouten
Es gibt (fast) keine. Nun ja, Wege gibt es natürlich jede Menge. Bisher aber fast keine offiziellen oder inoffiziellen Wanderwege. Fernwanderwege schon gar nicht. Man muss die Wege also selber finden. Die meisten Armenier verstehen auch gar nicht, warum man längere Strecken zu Fuß gehen sollte. Die spinnen, die Ausländer. Läuft man entlang von Straßen, hat man Mühe, NICHT mitgenommen zu werden.
Anekdote am Rande: Unserer Gastgeber in Yeghegnadzor war entsetzt über die Idee, von Shatin nach Vernashen über die Berge zu Fuß zu gehen: völlig unmöglich, viel zu weit. Es war eine gemütliche 8h-Tour. Der Weg lag im 20km-Radius von seinem Haus, der Mann war geschätzte 45 und wohnt dort schon Zeit seines Lebens - den Weg war er noch nie gelaufen.
Versuche, den indivuduellen Wandertourismus in Armenien anzukurbeln, gab es offenbar schon einige. Alle gescheitert. Da sind schon eine Menge Fördermittel versenkt worden.

Gescheitertes Tourismusprojekt: Hinweistafel für Wanderwege aus dem Jahre 2011
Es gibt aber Hoffnung - und auch Entwicklung:
Touristische Infrastruktur
Ist nur in der Hauptstadt und in der Nähe der touristischen Brennpunkte vorhanden, sowie beschränkt in den Provinzhauptstädten und an den Durchgangsstraßen. Im Rest des Landes sucht man Hotels, Übernachtungsmöglichkeiten und sogar Restaurants vergebens und ist auf private Kontakte angewiesen. Selbstversorger sollten sich in den großen Städten eindecken. Dort gibt es ein gutes Angebot, sowohl Supermärkte als auch kleine Lebensmittelläden. In den Dörfen findet man eher keine Läden. Die Dorf-Magazine aus sowjetischer Zeit sind fast alle geschlossen.

Der Dorfladen ist geschlossen
Transport
Öffentliche Verkehrsmittel über Land gibt es nicht. Die frühere Eisenbahnroute Nord-Süd führt über Aserbaidshan und ist ist daher stillgelegt. Die klassischen Sammeltaxis mit dem schönen Deutsch-Russischen Namen „Marschrutka”, die an festen Orten und zu mehr oder weniger festen Zeiten abfahren, werden offenbar auch weniger.
Die übliche Weise, über Land zu reisen, sind im Moment „shared taxis”, die man am Tag vorher frei Haus bestellt. Das ganze funktioniert über ein undurchsichtiges Netzwerk von privaten Dispatchern. Man benötigt also eine einheimische Vetrauensperson, die weiß, wen man anrufen muss. Im Zweifelsfall beim Gastgeber oder im Hotel/Hostel fragen. Ist man einmal im System drin, wird man auf Wunsch gerne weitervermittelt - sei es für weitere Fahrten oder für Übernachtungen.
Vorteil des Systems: da man quasi auf Empfehlung von Bekannten vermittelt wird, und nicht anonym, wird auch der unerfahrene Tourist nicht über's Ohr gehauen. Man ist ja sozusagen im Rahmen der Gastfreundschaft unterwegs. Das ganze ist preiswert: Jerevan-Kapan kostet pro Person ca. 6000 AMD (12€).
Auf weniger befahreren Strecken bleibt dann das Taxi als einzige Option. Aber auch das ist durchaus bezahlbar.

Fahrt über Land im „Shared Taxi”
Geld
Man bezahlt bar und in AMD, Euro werden eher nicht genommen. In Jerevan und den Provinzhauptstädten gibt es ausreichend ATMs. Vor der Reise über Land sollte man die großen Geldscheine wechseln, ansonsten kann es Probleme mit Wechselgeld geben.
Verständigung
Russischkenntnisse sind von großem Vorteil. Mit Englisch kommt man weniger weit. Da Russland für Armenien ein essentieller Verbündeter und der wichtigste Handelspartner ist, hat man auch nichts gegen Russland. Die älteren Leute können ALLE mehr oder weniger Russisch, selbst einfache Bauern in den Dörfern. Junge Leute können manche sehr gut Russisch, manche gar nicht. Passable Englischkenntnisse trifft man seltener an. Im Tourismus-Sektor natürlich schon.

Mit Russisch klappt auch die Verständigung
Mobilfunk
Wie schon erwähnt, sind persönliche Kontakte essentiell für eine Individualreise in Armenien. Persönliche Kontakte funktionieren hauptsächlich über Mobiltelefon. Unbedingt empfehlenswert ist daher eine armenische SIM-Karte. Damit hat man nebenbei auch unterwegs fast überall Internet. Die Mobilfunk-Abdeckung ist hervorragend, besser als in Deutschland. Der (russische) Anbieter Vivacell-MTS ist mit Abstand am besten. Die SIM-Karten bekommt man in den Vivacell-Läden, z.B. 3 Amiryan St. in Jerewan, 24/7 geöffnet. Die Prepaid-Angebote von 2016 beinhalteten für wenige Euro mehrere GB und mehrere 100 Freiminuten nach AM, RU und US. Für DE musste man zusätzlich Guthaben aufladen (was überall an Automaten möglich ist). Mit einer speziellen Vorwahl (770049) lag der Minutenpreis nach DE bei 90 AMD (0,18€).
Karten
Die einzige verfügbare topographische Karte von Armenien ist die alte sowjetische Militärkarte im Maßstab 1:100000. Für genaue Planung und Orientierung im Gelände ist die aber zu grob, zumal die verfügbaren Scans nicht besonders gut sind. Aktuelle und genaue Papierkarten gibt es nicht. Die besten Informationen liefert derzeit Openstreetmap. Abdeckung und Detailgrad sind erstaunlich: da sind teilweise kleinste Waldwege korrekt abgebildet. Versionen für Garmin-GPS-Empfänger gibt es z.B. auf garmin.openstreetmap.nl. Für die Planung hilfreich sind auch die Satellitenbilder von Google Maps und Microsoft Bing. Trackaufzeichnungen von erprobten Strecken gibt es z.B. bei Wikiloc oder GPSies. SRTM-Höhendaten aus den üblichen Quellen, z.B. viewfinderpanoramas.org.
Ich habe mir aus allen verfügbaren Quellen eigene Karten gebastelt und ausgedruckt, die Routen vorher am Computer geplant und zusammen mit der OSM-Karte und der Sowjet-Topo auf mein Garmin geladen. Damit war die Orientierung dann problemlos, auch in schwierigem Gelände.
Reisezeit
Im Frühjahr liegt noch Schnee, im Hochsommer wird es sehr heiß. Dem Reiseführer nach sollte daher der Juni ideal sein. Von den Temperaturen her stimmt das auch. Der Reiseführer hatte aber nicht erwähnt, dass es im Juni noch viel regnen kann. Das betrifft vor allem die südlichste Provinz Syunik. Nicht umsonst ist es dort so grün. Aber auch in Jerevan und am Sevan-See hat es heftig geregnet. Ich würde daher eher Juli/August empfehlen. Die Hitze in der Ebene muss man dann halt in Kauf nehmen.
Anreise und Hauptstadt
Direktflüge von Deutschland nach Jerewan gibt es keine. Wir sind mit Ukraine International Airlines über Kiew angereist. Zunächst blieben wir 2 Nächte bzw. 1 Tag in Jerewan. Dort hatten wir ein Doppelzimmer im Envoy Hostel gebucht. Das ist OK, professionell und preiswert. Die erhoffte Hostel-Atmosphäre, wo man mit anderen Reisenden leicht ins Gespräch kommt, hat es allerdings nicht. Den einen Tag Aufenthalt nutzten wir für die nötigen Besorgungen (Geld, SIM-Karte, Lebensmittel), zum Akklimatisieren und für ein bisschen Sightseeing. Jerewan präsentiert sich modern, westlich, bunt und weltoffen. Es hat das Flair einer südeuropäischen Hauptstadt. Wir haben uns sofort wohlgefühlt. Dass sich die Wirtschaft des Landes erst ganz allmählich erholt, ist hier nicht zu spüren. Das Zentrum kann man problemlos zu Fuß erkunden.

Jerewan von oben

Jerewan: die Kaskade bei Nacht

Jerewan zeigt sich weltoffen
Provinz Syunik: von Tatev nach Kapan
Am nächsten Morgen holt uns das bestellte „Shared Taxi” pünktlich ab. Die Reise geht nach Süden, in die Provinz Syunik, und zwar nach Tatev. Streng genommen nicht ganz bis nach Tatev, sondern nach Halidzor, zum Startpunkt einer Seilbahn, die nach Tatev hinüberführt. Tatev selbst ist nur über unbefestigte Straßen zu erreichen. Von Tatev soll uns eine 3-Tages-Wanderung bis nach Kapan führen, der Provinzhauptstadt von Syunik. Der Vorschlag stammt von ARK Armenia und war die einzige ohne Zelt machbare Mehrtagestour, die ich überhaupt gefunden habe. Tatev mit seinem berühmten Kloster, malerisch auf einem Bergsporn gelegen, ist außerdem eines der touristischen Highlights von Armenien, und gut besucht, obwohl es ziemlich abgelegen liegt. Daher auch die Seilbahn, die wie so vieles andere von einem Auslandsarmenier finanziert wurde. Zusammen mit einer Gruppe Normaltouristen schweben wir gemütlich nach Tatev hinüber.

Das Tatev-Informationszentrum
Dort begeben wir uns zum Touristeniformationszentrum (tatevinfo.com), das privat mit viel Enthusiasmus von der Familie Arshakyan betrieben wird. Anna, die hervorragend Englisch spricht (und noch ein paar andere Sprachen) hatte ich vor her per E-Mail kontaktiert, um eine Übernachtung im Dorf zu reservieren. Da der Tourismus hier funktioniert, gibt es eine Reihe privater Unterkünfte. Anna hatte uns auch das Taxi nach Halidzor organisiert. Essen gab es im Informationszentrum, von Annas Mutter mit Liebe zubereitet. Aber vorher wird natürlich das Kloster besichtigt und fotografiert.

Kloster Tatev: Peter und Paulskirche
Wir wundern uns über eine Menge eher untouristisch aussehender junger Leute, und erfahren, dass hier gerade ein internationales Base-Jumping-Festival stattfindet. Die springen vom höchsten Punkt aus der Seilbahn ins Tal. Krass, was es für Hobbies gibt. In Deutschland würde das vermutlich gleich an mehreren Gesetzen scheitern.
1. Wandertag: Tatev bis Aghvani

Endlich wandern
Am Morgen darauf geht nun endlich die Wanderung los, nach einem guten Frühstück im Informationszentrum. Von Tatev bis Kapan sind es nicht mal 50 km. Der Großteil der Strecke geht entlang einer Straße, der H-45. Das ist aber weniger unerfreulich, als man vermutet. Die „Straße” ist nicht asphaltiert, und es verkehrt dort so ca. 1 Auto pro Stunde. Man kommt aber gut voran, und würde die Strecke auch in 2 Tagen schaffen. Das Problem sind die Übernachtungen. ARK bietet eine Übernachtung in Arajadzor, wo Armen Kazaryan seine Datsche zur Verfügung gestellt hat und als Quartier ausbaut (inzwischen sind die Arbeiten abgeschlossen). Dazwischen gibt es eine schöne Zeltstelle bei Tandzaver. Da wir kein Zelt dabei hatten, hat Armen für uns eine Übernachtung im Dorf Aghvani organisiert. Es bleibt also bei den 3 Etappen. Und letzlich sind wir ganz froh darüber, denn das Wetter ist wechselhaft, und beginnt am Nachmittag regelmäßig zu regnen.

Der Weg ist einfach, wie kommen gut voran

So grün und feucht hatte ich es nicht erwartet in Armenien
Überhaupt präsentierte sich Armenien im Juni recht nass. Das hatten wir so nicht erwartet. Und speziell die südlichste Provinz Syunik erwies sich als ausgesprochen grün, was natürlich auch regelmäßige Niederschläge voraussetzt. So hatte ich mir Armenien jedenfalls nicht vorgestellt. Das hier sah eher aus wie deutsches Mittelgebirge, wenn man davon absieht, dass man auf 1500 bis 2000 m Höhe unterwegs ist. Aber egal. Geregnet hat es meist abends und nachts, so dass wir tagsüber wenigstens problemlos wandern konnten. Mit Fernsicht war es aber eher nichts.

Angekommen in Aghvani
Die Übernachtung in Aghvani war sehr einfach. Ein Sommerhaus (Datsche) einer Familie aus Kapan, mit einfachsten Verhältnissen. Eher eine Art Gartenhaus. Eine Oma mit zwei Enkeln verbrachte dort die Ferien. Wir waren heilfroh, ein Dach über dem Kopf zu haben, denn am Abend goss es wie aus Eimern. Das einzige Bett im Haus hatten sie uns überlassen und schliefen auf dem Sofa. Das war mir ziemlich unangenehm, und das völlig durchgelegene Bett fand ich am Ende auch unbenutzbar, und habe die Isomatte auf dem Fußboden ausgerollt. Jedenfalls hatten wir eine Übernachtungsgelegenheit, und ein interessantes Erlebnis, und unsere Gastgeberin war nett und hat sich alle Mühe gegeben.

Die Unterkunft in Aghvani
Fortsetzung folgt
Allgemeines
Dass Armenien hier unter Europa eingeordnet wird, ist zwar nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch. Fragt man einen Armenier, ob das Land zur östlichen oder zur westlichen Hemisphäre gehört, wird er vielleicht antworten: natürlich zu BEIDEN - und außerdem ist es der Nabel der Welt und die Wiege der Zivilisation. An Mangel an Nationalbewusstsein leiden die Armenier nicht. Das hat diesem Volk immer wieder das Überleben gesichert. Leicht hatten sie es nicht, im Laufe der Jahrhunderte, und haben sie es auch heutzutage nicht.
Aber der Reihe nach. Ich wollte über unsere Reise berichten. Zusammen mit meiner Tochter war ich im Juni 2016 2 Wochen als Backpacker in Armenien. Die Idee der Reise war eine Mischung von Natur und Kultur: kleinere Trekkingtouren kombiniert mit der Besichtigung von Klöstern und nebenbei Land und Leute kennenlernen. Ziemlich viel Programm für 2 Wochen, zugegebenermaßen. Aus diesem Grunde habe ich mehrtägige Wildnistouren und die ganz hohen Berge gar nicht erst in Betracht gezogen. Und wir haben auch kein Zelt mitgenommen - eine Übernachtungsmöglichkeit wird sich schon finden - Schlafsack und Isomatte aber schon, und das war auch gut so.
Bevor ich über die eigentliche Reise schreibe, möchte ich aber die wichtigsten Informationen zusammenfassen. Das macht für den geneigten Leser, der auch mit dem Gedanken einer Armenientour spielt, vielleicht die eigene Planung ein bisschen einfacher.

Berge und Klöster: Das Kloster Tatev in der Provinz Syunik
Armenien als Trekkingziel
Armenien stand schon lange auf meiner ToDo-Liste. Potentiell könnte es ein ideales Ziel für Trekker und Wanderer sein. Das Land besteht zum großen Teil aus Bergen. 90% der Fläche liegen über 1000 m, mittlere Höhe 1800 m. Obwohl Armenien nicht groß ist, bietet es ganz unterschiedliche beeindruckende Landschaften mit unterschiedlicher Flora und Fauna. Im Süden sogar unerwarteterweise große Waldgebiete. Wer möchte, findet auch menschenleere Hochflächen (z.B. die Gegham-Berge), und hohe Gipfel: einen 4000er und mehrere 3000er. Der größte Teil des Landes ist frei zugänglich und man kann fast überall zelten. Zudem sind die Menschen gastfreundlich und aufgeschlossen.
Sucht man allerdings im Internet nach Trekking in Armenien, findet man nur eine Handvoll kommerzieller Anbieter. Ansonsten: nichts, keine Reiseberichte, keine Hinweise, ничего. Das hat mich dann natürlich erst recht gereizt: das muss doch auch auf eigene Faust gehen. Geht es auch, braucht aber einiges an Recherche und Vorbereitung.

Immer präsent, und dennoch unerreichbar: der große und der kleine Ararat

Berglandschaft in der Provinz Vayots Dzor
Wanderwege und Trekkingrouten
Es gibt (fast) keine. Nun ja, Wege gibt es natürlich jede Menge. Bisher aber fast keine offiziellen oder inoffiziellen Wanderwege. Fernwanderwege schon gar nicht. Man muss die Wege also selber finden. Die meisten Armenier verstehen auch gar nicht, warum man längere Strecken zu Fuß gehen sollte. Die spinnen, die Ausländer. Läuft man entlang von Straßen, hat man Mühe, NICHT mitgenommen zu werden.
Anekdote am Rande: Unserer Gastgeber in Yeghegnadzor war entsetzt über die Idee, von Shatin nach Vernashen über die Berge zu Fuß zu gehen: völlig unmöglich, viel zu weit. Es war eine gemütliche 8h-Tour. Der Weg lag im 20km-Radius von seinem Haus, der Mann war geschätzte 45 und wohnt dort schon Zeit seines Lebens - den Weg war er noch nie gelaufen.
Versuche, den indivuduellen Wandertourismus in Armenien anzukurbeln, gab es offenbar schon einige. Alle gescheitert. Da sind schon eine Menge Fördermittel versenkt worden.

Gescheitertes Tourismusprojekt: Hinweistafel für Wanderwege aus dem Jahre 2011
Es gibt aber Hoffnung - und auch Entwicklung:
- In Kapan, in der Provinz Syunik ganz im Süden, ist die Initiative ARK Armenia sehr rührig (arkarmenia.com). Neben vielem anderen markieren sie Wanderwege, und versuchen die Strecke Tatev-Kapan als 3-Tages-Wanderung zu etablieren. Auf jeden Fall eine gute Adresse, falls man in der Gegend unterwegs ist. Das ist übrigens jeder, der über Armenien Richtung Iran will, z.B. die Seidenstraßen-Radler. Die fahren alle über Kapan, und ARK ist eine beliebte Anlaufstelle.
- Und dann gibt es ein interessantes Projekt für einen Trans-Kaukasus-Trail Georgien-Armenien (transcaucasiantrail.org), der auch Armenien von Nord nach Süd durchqueren soll. Das klingt ambitioniert und im ersten Moment auch wie ein Kandidat für ein weiteres gescheitertes Tourismusprojekt. Nachdem ich, wie sich im nachhinein herausstellte, das Trail Team im Juni fast in Kapan getroffen hatte, habe ich mich mit Tom Allen eine Weile per E-Mail unterhalten. Er hat mich überzeugt, dass diese Leute wissen, was sie tun, und das es eine Chance gibt für solch einen Trail. Man darf also gespannt sein.
Touristische Infrastruktur
Ist nur in der Hauptstadt und in der Nähe der touristischen Brennpunkte vorhanden, sowie beschränkt in den Provinzhauptstädten und an den Durchgangsstraßen. Im Rest des Landes sucht man Hotels, Übernachtungsmöglichkeiten und sogar Restaurants vergebens und ist auf private Kontakte angewiesen. Selbstversorger sollten sich in den großen Städten eindecken. Dort gibt es ein gutes Angebot, sowohl Supermärkte als auch kleine Lebensmittelläden. In den Dörfen findet man eher keine Läden. Die Dorf-Magazine aus sowjetischer Zeit sind fast alle geschlossen.

Der Dorfladen ist geschlossen
Transport
Öffentliche Verkehrsmittel über Land gibt es nicht. Die frühere Eisenbahnroute Nord-Süd führt über Aserbaidshan und ist ist daher stillgelegt. Die klassischen Sammeltaxis mit dem schönen Deutsch-Russischen Namen „Marschrutka”, die an festen Orten und zu mehr oder weniger festen Zeiten abfahren, werden offenbar auch weniger.
Die übliche Weise, über Land zu reisen, sind im Moment „shared taxis”, die man am Tag vorher frei Haus bestellt. Das ganze funktioniert über ein undurchsichtiges Netzwerk von privaten Dispatchern. Man benötigt also eine einheimische Vetrauensperson, die weiß, wen man anrufen muss. Im Zweifelsfall beim Gastgeber oder im Hotel/Hostel fragen. Ist man einmal im System drin, wird man auf Wunsch gerne weitervermittelt - sei es für weitere Fahrten oder für Übernachtungen.
Vorteil des Systems: da man quasi auf Empfehlung von Bekannten vermittelt wird, und nicht anonym, wird auch der unerfahrene Tourist nicht über's Ohr gehauen. Man ist ja sozusagen im Rahmen der Gastfreundschaft unterwegs. Das ganze ist preiswert: Jerevan-Kapan kostet pro Person ca. 6000 AMD (12€).
Auf weniger befahreren Strecken bleibt dann das Taxi als einzige Option. Aber auch das ist durchaus bezahlbar.

Fahrt über Land im „Shared Taxi”
Geld
Man bezahlt bar und in AMD, Euro werden eher nicht genommen. In Jerevan und den Provinzhauptstädten gibt es ausreichend ATMs. Vor der Reise über Land sollte man die großen Geldscheine wechseln, ansonsten kann es Probleme mit Wechselgeld geben.
Verständigung
Russischkenntnisse sind von großem Vorteil. Mit Englisch kommt man weniger weit. Da Russland für Armenien ein essentieller Verbündeter und der wichtigste Handelspartner ist, hat man auch nichts gegen Russland. Die älteren Leute können ALLE mehr oder weniger Russisch, selbst einfache Bauern in den Dörfern. Junge Leute können manche sehr gut Russisch, manche gar nicht. Passable Englischkenntnisse trifft man seltener an. Im Tourismus-Sektor natürlich schon.

Mit Russisch klappt auch die Verständigung
Mobilfunk
Wie schon erwähnt, sind persönliche Kontakte essentiell für eine Individualreise in Armenien. Persönliche Kontakte funktionieren hauptsächlich über Mobiltelefon. Unbedingt empfehlenswert ist daher eine armenische SIM-Karte. Damit hat man nebenbei auch unterwegs fast überall Internet. Die Mobilfunk-Abdeckung ist hervorragend, besser als in Deutschland. Der (russische) Anbieter Vivacell-MTS ist mit Abstand am besten. Die SIM-Karten bekommt man in den Vivacell-Läden, z.B. 3 Amiryan St. in Jerewan, 24/7 geöffnet. Die Prepaid-Angebote von 2016 beinhalteten für wenige Euro mehrere GB und mehrere 100 Freiminuten nach AM, RU und US. Für DE musste man zusätzlich Guthaben aufladen (was überall an Automaten möglich ist). Mit einer speziellen Vorwahl (770049) lag der Minutenpreis nach DE bei 90 AMD (0,18€).
Karten
Die einzige verfügbare topographische Karte von Armenien ist die alte sowjetische Militärkarte im Maßstab 1:100000. Für genaue Planung und Orientierung im Gelände ist die aber zu grob, zumal die verfügbaren Scans nicht besonders gut sind. Aktuelle und genaue Papierkarten gibt es nicht. Die besten Informationen liefert derzeit Openstreetmap. Abdeckung und Detailgrad sind erstaunlich: da sind teilweise kleinste Waldwege korrekt abgebildet. Versionen für Garmin-GPS-Empfänger gibt es z.B. auf garmin.openstreetmap.nl. Für die Planung hilfreich sind auch die Satellitenbilder von Google Maps und Microsoft Bing. Trackaufzeichnungen von erprobten Strecken gibt es z.B. bei Wikiloc oder GPSies. SRTM-Höhendaten aus den üblichen Quellen, z.B. viewfinderpanoramas.org.
Ich habe mir aus allen verfügbaren Quellen eigene Karten gebastelt und ausgedruckt, die Routen vorher am Computer geplant und zusammen mit der OSM-Karte und der Sowjet-Topo auf mein Garmin geladen. Damit war die Orientierung dann problemlos, auch in schwierigem Gelände.
Reisezeit
Im Frühjahr liegt noch Schnee, im Hochsommer wird es sehr heiß. Dem Reiseführer nach sollte daher der Juni ideal sein. Von den Temperaturen her stimmt das auch. Der Reiseführer hatte aber nicht erwähnt, dass es im Juni noch viel regnen kann. Das betrifft vor allem die südlichste Provinz Syunik. Nicht umsonst ist es dort so grün. Aber auch in Jerevan und am Sevan-See hat es heftig geregnet. Ich würde daher eher Juli/August empfehlen. Die Hitze in der Ebene muss man dann halt in Kauf nehmen.
Anreise und Hauptstadt
Direktflüge von Deutschland nach Jerewan gibt es keine. Wir sind mit Ukraine International Airlines über Kiew angereist. Zunächst blieben wir 2 Nächte bzw. 1 Tag in Jerewan. Dort hatten wir ein Doppelzimmer im Envoy Hostel gebucht. Das ist OK, professionell und preiswert. Die erhoffte Hostel-Atmosphäre, wo man mit anderen Reisenden leicht ins Gespräch kommt, hat es allerdings nicht. Den einen Tag Aufenthalt nutzten wir für die nötigen Besorgungen (Geld, SIM-Karte, Lebensmittel), zum Akklimatisieren und für ein bisschen Sightseeing. Jerewan präsentiert sich modern, westlich, bunt und weltoffen. Es hat das Flair einer südeuropäischen Hauptstadt. Wir haben uns sofort wohlgefühlt. Dass sich die Wirtschaft des Landes erst ganz allmählich erholt, ist hier nicht zu spüren. Das Zentrum kann man problemlos zu Fuß erkunden.

Jerewan von oben

Jerewan: die Kaskade bei Nacht
- Bemerkung 1, zur Schreibweise: es gibt verschiedene Transkriptionen aus dem Armenischen. Im Englischen schreibt man Yerevan, im Deutschen offiziell Eriwan. In der DDR schrieb man Jerewan. Ich verwende am liebsten Jerewan, bei anderen Ortsnamen geht es aber mit der Schreibweise bunt durcheinander. Bitte nicht dran stören.
- Bemerkung 2, zu „Radio Jerewan”: diese Assoziation kommt dem ehemaligen DDR-Bürger natürlich sofort. Ich habe versucht, herauszufinden, wo diese Witze herkamen und warum gerade Jerewan. Fakt ist, es gab die Witze auch in der Sowjetunion, als „Армянское радио”. Und es gab tatsächlich einen Sender in Jerewan, der sich an die armenische Diaspora richtete. Möglicherweise war diesem ein bisschen witzig verpackte Systemkritik erlaubt. In die DDR kamen die Witze vermutlich durch die Zeitschrift „Sputnik”.

Jerewan zeigt sich weltoffen
Provinz Syunik: von Tatev nach Kapan
Am nächsten Morgen holt uns das bestellte „Shared Taxi” pünktlich ab. Die Reise geht nach Süden, in die Provinz Syunik, und zwar nach Tatev. Streng genommen nicht ganz bis nach Tatev, sondern nach Halidzor, zum Startpunkt einer Seilbahn, die nach Tatev hinüberführt. Tatev selbst ist nur über unbefestigte Straßen zu erreichen. Von Tatev soll uns eine 3-Tages-Wanderung bis nach Kapan führen, der Provinzhauptstadt von Syunik. Der Vorschlag stammt von ARK Armenia und war die einzige ohne Zelt machbare Mehrtagestour, die ich überhaupt gefunden habe. Tatev mit seinem berühmten Kloster, malerisch auf einem Bergsporn gelegen, ist außerdem eines der touristischen Highlights von Armenien, und gut besucht, obwohl es ziemlich abgelegen liegt. Daher auch die Seilbahn, die wie so vieles andere von einem Auslandsarmenier finanziert wurde. Zusammen mit einer Gruppe Normaltouristen schweben wir gemütlich nach Tatev hinüber.

Das Tatev-Informationszentrum
Dort begeben wir uns zum Touristeniformationszentrum (tatevinfo.com), das privat mit viel Enthusiasmus von der Familie Arshakyan betrieben wird. Anna, die hervorragend Englisch spricht (und noch ein paar andere Sprachen) hatte ich vor her per E-Mail kontaktiert, um eine Übernachtung im Dorf zu reservieren. Da der Tourismus hier funktioniert, gibt es eine Reihe privater Unterkünfte. Anna hatte uns auch das Taxi nach Halidzor organisiert. Essen gab es im Informationszentrum, von Annas Mutter mit Liebe zubereitet. Aber vorher wird natürlich das Kloster besichtigt und fotografiert.

Kloster Tatev: Peter und Paulskirche
Wir wundern uns über eine Menge eher untouristisch aussehender junger Leute, und erfahren, dass hier gerade ein internationales Base-Jumping-Festival stattfindet. Die springen vom höchsten Punkt aus der Seilbahn ins Tal. Krass, was es für Hobbies gibt. In Deutschland würde das vermutlich gleich an mehreren Gesetzen scheitern.
1. Wandertag: Tatev bis Aghvani

Endlich wandern
Am Morgen darauf geht nun endlich die Wanderung los, nach einem guten Frühstück im Informationszentrum. Von Tatev bis Kapan sind es nicht mal 50 km. Der Großteil der Strecke geht entlang einer Straße, der H-45. Das ist aber weniger unerfreulich, als man vermutet. Die „Straße” ist nicht asphaltiert, und es verkehrt dort so ca. 1 Auto pro Stunde. Man kommt aber gut voran, und würde die Strecke auch in 2 Tagen schaffen. Das Problem sind die Übernachtungen. ARK bietet eine Übernachtung in Arajadzor, wo Armen Kazaryan seine Datsche zur Verfügung gestellt hat und als Quartier ausbaut (inzwischen sind die Arbeiten abgeschlossen). Dazwischen gibt es eine schöne Zeltstelle bei Tandzaver. Da wir kein Zelt dabei hatten, hat Armen für uns eine Übernachtung im Dorf Aghvani organisiert. Es bleibt also bei den 3 Etappen. Und letzlich sind wir ganz froh darüber, denn das Wetter ist wechselhaft, und beginnt am Nachmittag regelmäßig zu regnen.

Der Weg ist einfach, wie kommen gut voran

So grün und feucht hatte ich es nicht erwartet in Armenien
Überhaupt präsentierte sich Armenien im Juni recht nass. Das hatten wir so nicht erwartet. Und speziell die südlichste Provinz Syunik erwies sich als ausgesprochen grün, was natürlich auch regelmäßige Niederschläge voraussetzt. So hatte ich mir Armenien jedenfalls nicht vorgestellt. Das hier sah eher aus wie deutsches Mittelgebirge, wenn man davon absieht, dass man auf 1500 bis 2000 m Höhe unterwegs ist. Aber egal. Geregnet hat es meist abends und nachts, so dass wir tagsüber wenigstens problemlos wandern konnten. Mit Fernsicht war es aber eher nichts.

Angekommen in Aghvani
Die Übernachtung in Aghvani war sehr einfach. Ein Sommerhaus (Datsche) einer Familie aus Kapan, mit einfachsten Verhältnissen. Eher eine Art Gartenhaus. Eine Oma mit zwei Enkeln verbrachte dort die Ferien. Wir waren heilfroh, ein Dach über dem Kopf zu haben, denn am Abend goss es wie aus Eimern. Das einzige Bett im Haus hatten sie uns überlassen und schliefen auf dem Sofa. Das war mir ziemlich unangenehm, und das völlig durchgelegene Bett fand ich am Ende auch unbenutzbar, und habe die Isomatte auf dem Fußboden ausgerollt. Jedenfalls hatten wir eine Übernachtungsgelegenheit, und ein interessantes Erlebnis, und unsere Gastgeberin war nett und hat sich alle Mühe gegeben.

Die Unterkunft in Aghvani
Fortsetzung folgt
Kommentar