[US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Plateaus

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    • 08.11.2008
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    #61
    AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

    Zitat von Savannah Beitrag anzeigen
    Mal eine Frage: Woher kommt eigentlich das klare Rinnsal am Ende, bzw. wo hat sich das fließende Wasser zuvor verborgen?
    Ich nehme an, dass es unterirdisch geflossen ist, da ich keinen Zulauf bemerkt habe. So ein Auftauchen und wieder verschwinden von fließendem Wasser habe ich ja auch im Hackberry Canyon oder im Last Chance Creek erlebt.
    http://geraldtrekkt.blogspot.de

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      • 08.11.2008
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      #62
      AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

      Als ich am nächsten Morgen damit beginne mein Lager abzubauen, beginnt es zu hageln! Der Himmel ist bedeckt und wirkt ziemlich bedrohlich. Wie war das noch mit der Wettervorhersage? Zunächst ziehe ich mich ins Zelt zurück und warte erst mal ab. Der Hagel geht in Regen über, der zwar nicht allzu stark, dafür aber stetig fällt.

      Es dauert nicht lange, bis ich Besuch erhalte. Todd, der Lehrer der in der Nähe zeltenden Gruppe und ein Schüler laden mich ein, zu ihrem etwas höher gelegenen Lager zu kommen. Offenbar sieht auch der Canyon erfahrene Lehrer das Risiko einer Flashflood.

      Ich finde das Angebot sehr nett und lasse mich daher nicht lange bitten.
      Die Gruppe aus 6 Jungen und zwei Mädchen im Alter von 16 Jahren stammt aus Durango in Colorado. Sie wird von Todd, der schon häufig solche Schulexkursionen organisiert hat und einer weiteren Lehrerin begleitet. Gestern haben sie ihre Wanderung ein Stück weiter oberhalb am Paria River begonnen, sie haben daher Buckskin Gulch nicht durchquert. Aber auch der gestrige Tag am Paria war wohl abenteuerlich genug. Sie erzählen, dass an drei Stellen das Wasser so tief war, dass sie nur mit Mühe die Rucksäcke über dem Kopf haltend den Fluss überqueren konnten. Die Gruppe hat fünf weitere Tage zur Verfügung und will ebenso wie ich den Paria abwärts bis Lees Ferry am Colorado wandern.

      Als es dann auch noch kurz in der Nähe donnert, ist uns klar, dass es wohl ziemlich unvernünftig wäre, jetzt diesen hochgelegenen, sicheren Lagerplatz zu verlassen.

      Todd und die Lehrerin wirken ziemlich angespannt, was ja auch kein Wunder ist, schließlich tragen sie die Verantwortung für die Schüler.
      Diese sehen die Situation dagegen eher entspannt und brennen sogar darauf Buckskin Gulch ein Stück weit zu erkunden, woran aber natürlich nicht zu denken ist.
      Schade, dass deutsche Schüler nie die Gelegenheit zu solch abenteuerlichen Ausflügen erhalten. Ich finde es jedenfalls ganz hervorragend, dass „Outdoor Education“ hier Teil des Lehrplans ist.

      Gegen 10 Uhr ist es zwar immer noch kühl und düster aber es sieht meiner Meinung nach nicht mehr nach einem Unwetter aus. Daher nehme ich meinen Rucksack und verabschiede mich von der Gruppe, die wahrscheinlich den ganzen Tag an ihrem Lagerplatz bleiben wird.

      Buckskin Gulch verläuft jetzt noch ein Stück weit offen mäandernd mit schlammigen Ufern bis ich schon nach kurzer Zeit die Mündung in den Paria River erreiche.
      Hier überquere ich die Grenze zwischen den beiden Bundesstaaten Utah und Arizona. Da ich damit auch in eine andere Zeitzone gelange muss ich die Uhr eine Stunde zurückstellen.

      Das Paria Tal ist hier sehr schmal und wird von hohen roten Sandsteinwänden eingefasst. An den meisten Stellen ist der Bach ziemlich flach, aber da ich häufig die Seite wechseln muss, habe ich schon bald wieder einmal nasse Füße. Da die Sonne heute nie den Durchbruch schafft, bleibt es weiterhin kühl und ich finde es unangenehm den ganzen Tag in nassen Strümpfen zu laufen.
      Über weite Strecken kann ich den vegetationslosen Kiesbänken folgen und komme daher wesentlich einfacher als im Escalante Canyon voran.
      Natürlich fühle ich mich auch nicht völlig sicher, denn ich weiß ja nicht, welche Wetterbedingungen am oberen Paria herrschen und ob nicht doch eine Welle auf mich zurollt …
      Daher versuche ich schnell vorwärts zu kommen und halte stets Ausschau nach einer Ausweichmöglichkeit zu höher gelegenem Terrain.
      Obwohl die Canyonwände häufig steil aufragen, lässt sich an vielen Stellen so ein „Sicherheitstörchen“ finden.

      An manchen Stellen finde ich frisch abgeschnittene Tamarisken. Hier ist offenbar der Kampf gegen die ausbreitungsfreudige Einwanderin noch nicht aufgegeben worden.

      Am Nachmittag gelange ich zu Judds Hollow, wo ich wieder einmal durch eine Steilwand zum Wechseln des Ufers gezwungen werde. Todd hatte mir heute Morgen schon von dieser Stelle erzählt. Er hatte gestern zwei Wanderer getroffen, die hier nur schwimmend den Paria überqueren konnten.
      Wie bereits geschrieben, meine drei dünnen, „wasserdichten“ Säcke haben schon lange einige Löcher. Daher habe ich keine Lust weder meinen Schlafsack noch meine Kameraausrüstung einer Tauchpartie auszusetzen.

      Als ich an den Pool gelange suche ich daher erst mal nach einer Möglichkeit die Stelle zu umgehen. Zwar habe ich nach einigen Versuchen eine Stelle entdeckt die mir den problemlosen Aufstieg auf eine Terrasse oberhalb des Flusses gewährt, aber ich muss ja auch wieder runter …


      Oberhalb des Paria Rivers

      Das entpuppt sich aber leider als unmöglich, überall fällt die Terrasse schließlich unpassierbar zum Paria ab.

      Mir bleibt wohl oder übel nichts anderes über, als irgendwie durch den Pool zu gelangen, der hier offenbar von einem Felssturz gebildet wurde.

      Ich lege Ausrüstung und Kleidung ab und erkunde zunächst die Tiefe des Gewässers. Nach einigen Tastversuchen gelingt es mir schließlich eine Watroute zu entdecken, auf der mir das Wasser lediglich bis zur Brust reicht. Dennoch verstaue ich alles was nicht nass werden darf in meine Trockensäcke und trete so beladen den ersten Ausflug durch den Teich an. Allerdings ist es gar nicht so einfach meine Route genau wiederzufinden. Plötzlich verliere ich den Boden unter den Füßen und befürchte schon mit meinen Säcken schwimmen zu müssen. Aber ein großer Schritt lässt mich wieder auf festem Grund landen, so dass die Trockensäcke nur ein wenig benetzt werden. Anschließend hole ich den Rucksack mit meiner restlichen Ausrüstung und habe schließlich alles auf dem richtigen Ufer.


      Der tiefe Pool

      Abends schlage ich mein Zelt an einer sandigen Stelle auf, die wie die Spuren zeigen, wohl häufiger zum Lagern genutzt wird. Obwohl es nach meinem Aufbruch heute Morgen nur noch einige Tropfen geregnet hat, ist es den ganzen Tag kühl und grau geblieben, so dass ich stets in Windshirt und langer Hose gelaufen war.
      Obwohl der Paria Canyon sicher grandios ist, habe ich mittlerweile genug von wasserreichen Schluchten in der Wüste. Daher verwerfe ich auch meinen ursprünglichen Plan, den Little Colorado als Zugang in den Grand Canyon zu nehmen und beschließe als Alternative direkt zum Nordrand dieser weltbekannten Schlucht zu trampen, um von dort meine lange Wanderung durch diese „Mutter der Schluchten“ zu beginnen.


      Lagerplatz im Paria Canyon

      Morgens hat sich das Wetter geändert und ein strahlend schöner Tag bricht an. Bald kann ich wieder mit kurzer Hose und T- Shirt laufen und auch die nassen Füße machen mir nichts mehr aus. Ich laufe viel lockerer und befreiter weil jetzt endlich das unbestimmte Gefühl gewichen ist ob nicht doch noch eine Flutwelle unterwegs zu mir ist.
      Heute kann ich auch richtig die Schönheit der Schlucht mit ihren hoch aufragenden Sandsteinwänden genießen.


      Ein schöner Tag im Paria Canyon

      Die Sonne lockt vielfältiges Leben hervor. So kann ich verschiedene Spechtarten und vor allem die wie immer häufigen Eidechsen beobachten. Neben den üblichen braunen gibt es hier auch regelrecht poppig wirkende, gelb- grün gemusterte Reptilien. Eine kleine Kröte gefällt mir besonders.


      Kleine Kröte

      Leider hinterlässt der häufige Wechsel aus nass werden und trocknen bereits deutliche Spuren an meinen Stiefeln. Einige Nähte beginnen sich aufzulösen und ich entdecke ein kleines Loch. Zunächst noch nichts Dramatisches aber ich muss die Stiefel auf jeden Fall im Auge behalten und mich auf einen Ersatz einstellen, sollten sie irgendwann tatsächlich nicht mehr der Anstrengung gewachsen sein.

      Die Umgebung des Flusses wird immer schöner. Das klare Wasser hat eine schöne, grüne Farbe und hüpft oft munter über glatt polierte Steinplatten.


      Hier ist der Paria ein munterer, grünfarbener Fluss

      Gegen Mittag nutze ich das schöne Wetter um mich und meine Wäsche im Fluss zu waschen, natürlich wie immer ohne Seife!

      Der Fluss mäandert sehr stark hin und her, so dass ich, obwohl die zurückgelegte Entfernung in Luftlinie nicht besonders groß ist, trotzdem eine ganz ordentliche Distanz hinter mich bringe.

      Später am Nachmittag treten die Schluchtwände zurück und ich kann für lange Zeit einer Art Pfad auf der rechten Schulter oberhalb des Parias folgen.
      Die Gegend hier in Coloradonähe wirkt noch trockener, dennoch wachsen noch Pappeln in Bachnähe.


      Ich folge einer Art Pfad oberhalb des Flusses

      Gegen 17.30 entdecke ich einen günstigen Lagerplatz. Dass ich nicht der erste hier bin, zeigt ein kunstvoll erbauter Steintisch!

      Die Tage sind jetzt schon sehr kurz. Bereits gegen 18.45 ist es fast dunkel.

      Am nächsten Morgen färbt die aufgehende Sonne die umliegenden Canyonwände in ein schönes Rot. Sehr ungewohnt wirken auf mich einige mächtige Dünen mit rötlichem Sand und kleinen Kakteen auf die ich bald nach meinem Aufbruch stoße.

      Meistens laufe ich heute wieder dichter am Fluss den ich auch einige Male queren muss.


      Paria River oberhalb von Lees Ferry

      Nach knapp vier Stunden erreiche ich einen Trailhead mit Holzbox. In dem darin enthaltenen Register sollen sich die Wanderer eintragen, die die Wanderung durch den Canyon machen wollen. Zu meinem Erstaunen haben sich nur relativ wenig Leute eingetragen. Ich hatte ja eigentlich auch auf dieser, nach dem Permitsystem zu urteilen, sehr beliebten Route, mit mehr Wanderern gerechnet. Aber auf der ganzen Strecke entlang des Paria habe ich niemanden getroffen, obwohl der Herbst eigentlich eine gute Zeit zum Wandern in der Schlucht ist.

      Ich gelange jetzt in den historischen Distrikt von Lonely Dells Ranch und Lees Ferry. Der polygame Mormone John D. Lee ließ sich hier 1871 mit seinen Frauen nieder. Er betrieb eine Fähre über den Colorado die hauptsächlich von den anderen einwandernden Mormonen genutzt wurde und versorgte sich praktisch selber in dem er Bewässerungskanäle anlegte und dadurch Ackerbau auf dem fruchtbaren Schwemmland an der Pariamündung betreiben konnte.

      Die historischen Gebäude wurden liebevoll restauriert und werden heute vom Nationalparkservice verwaltet. Da Lees Ferry mit dem PKW bequem erreichbar ist, finden zahlreiche Besucher hierher.

      Nun, nach der Zahl der Autos auf dem Parkplatz zu urteilen, sind heute nicht gerade viele Leute hier. So gehe ich ein Stück weiter bis zum Colorado, wo eine Straße zum Lake Powell führt, einem Stausee, der als Wassersportdorado gilt.

      Mein Glück ist unfassbar. Bereits das erste vorbeifahrende Auto hält! Caren arbeitet in dem Hotel am Nordrand des Grand Canyon und kommt gerade zurück von einem verlängerten Kajakwochenende am Lake Powell. Nachdem ich meinen Little Colorado Plan aufgegeben habe, möchte ich sowieso meine Wanderung am Grand Canyon North Rim fortsetzen, daher ergibt sich aus der Begegnung mit Caren die perfekte Mitfahrgelegenheit!

      Zunächst fahren wir lange Zeit durch öde, trockene Wüste doch dann steigt die Straße rasch an. Nachdem wir die Wacholder-Zone durchquert haben, gelangen wir auf das kühle, von Nadelwald bedeckte Kaibab Plateau. Golden leuchtende Aspen und Reste des ersten Schneesturms der Saison verraten, dass hier der Herbst bereits im vollen Gang ist.
      http://geraldtrekkt.blogspot.de

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      • berniehh
        Alter Hase
        • 31.01.2011
        • 2625
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        #63
        AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

        Mal wieder super! Buckskin Gulch & Paria Canyon zählen für mich ja mit zu den lohnensten Canyontreks in ganz Nordamerika.
        Erstaunlich wie unterschiedlich die Bedingungen dort sein können. Ich bin zweimal da durchgewandert. Beim ersten Mal war der Buckskin Gulch genauso verschlammt und voll Wasser wie bei dir, aber beim zweiten Mal war der Buckskin Gulch komplett trocken.
        www.trekking.magix.net

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        • Wildniswanderer
          Erfahren
          • 08.11.2008
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          #64
          AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

          Grand Canyon 1

          Schließlich erreichen wir den Eingang des Grand Canyon Nationalparks, wo ich keinen Eintritt zahlen muss, da ich ja bei Caren, die hier arbeitet, im Wagen sitze.
          Zwar war ich vor einigen Jahren schon mal hier am Grand Canyon, aber das was ich jetzt vorhabe, eine wochenlange Wanderung in den Tiefen der Schlucht, ist natürlich etwas anderes, als wenn man dieses grandiose Naturwunder lediglich an einigen Aussichtspunkten bewundert.

          Ich möchte e- mails checken und schreiben, allerdings hat Caren mir gesagt, dass es dazu eigentlich keine Möglichkeit auf dem Nordrand des Canyons gibt. Na ja, sie kommt nicht gleich damit raus, aber schließlich erzählt sie mir doch, dass es in der Unterkunft der Hotelangestellten drei Computer gibt, die die Bediensteten benutzen dürfen um ins Internet zu gehen.

          Offenbar herrschen dort recht strenge Sitten, denn Caren sträubt sich ziemlich dagegen, mir den Raum zu zeigen wo die PC’s stehen. Kein Problem, obwohl ich mit meiner leicht abgerissenen Erscheinung und dem vom ständigen Draußen sein sichtlich gezeichnetem Gesicht nicht gerade wie ein Hotelangestellter aussehe, steuere ich nach ihrer Beschreibung zielstrebig den Computerraum an und setze mich als ob ich dazu gehören würde an einen freien Platz. Zwar fallen leicht verwunderte Blicke auf mich, aber es herrscht wohl eine große Fluktuation unter den Bediensteten des einzigen Hotels auf dem North Rim, daher kann ich problemlos einige e- mails absetzen und empfangen.

          Wahrscheinlich steuern mehr als 90 % der Besucher des Grand Canyon den Südrand an, daher herrscht hier auf dem North Rim eine eher ruhige und entspannte Atmosphäre.

          In der Nähe des Besucherzentrums gönne ich mir eine große Pizza und suche mir dann einen Zeltplatz auf dem Campingplatz des Nationalparks. Für Wanderer und Radfahrer stehen hier spezielle Plätze zur Verfügung, die mit nur 6 $ auch recht günstig sind. Ich darf mein Zelt an einer traumhaften Stelle direkt an der Abbruchkante der Schlucht aufschlagen.

          Da ich schon morgen weiterwandern möchte, ist es wichtig mir ein Backcountry Permit zu besorgen. Das habe ich zwar auch schon von Deutschland aus erledigt, aber da ich ursprünglich erst an der Mündung des Little Colorado in den Nationalpark eintreten wollte, benötige ich ein weiteres Permit für die Strecke dorthin.

          Im Besucherzentrum erfahre ich, dass die Erlaubnisse im Backcountry Office ausgestellt werden, dass in einiger Entfernung relativ versteckt im Wald liegt.
          Da Wanderungen in den Grand Canyon nicht ungefährlich sind und es in jedem Jahr zahlreiche Unglücksfälle gibt, die meist auf die Kombination aus körperlicher Anstrengung, großer Hitze und unzureichender Wasseraufnahme zurückzuführen sind, muss jedermann der in den Canyon will, zunächst einen bürokratischen Wust ausfüllen.
          Man mag manche Angaben für übertrieben halten, aber der nette Ranger, in dessen Büro ich die Formulare ausfülle, erzählt mir, dass häufig aufgefundene Tote nur nach den gemachten Angaben identifiziert werden können…
          Man muss auch über die bisherigen Wüstenerfahrungen detailliert Auskunft geben, diese Prozedur erfolgt bei mir aber nur sehr verkürzt, als ich dem Ranger erzähle, dass ich auf dem Hayduke unterwegs bin…

          Der Nankoweap Trail den ich als Zugang in die Schlucht verwenden möchte, ist laut dem National Park Service der schwierigste und daher nur sehr selten belaufene Weg im Grand Canyon. Die Ranger sind auch nur selten dort unterwegs, aus diesem Grund werde ich gebeten, nach meiner Ankunft auf dem Südrand im dortigen Backcountry Office meine Beobachtungen zum Wegezustand kund zu tun…

          Mit dem Permit in der Tasche gehe ich meine nächste Aufgabe an, dass Einkaufen von Vorräten für 10 Wandertage.

          Der Laden beim Campingplatz ist natürlich im Wesentlichen auf die Bedürfnisse der Tagestouristen eingestellt. Dennoch gelingt es mir halbwegs nahrhafte Produkte zu erwerben. Leider entdecke ich kein vernünftiges Müsli und muss daher mit Corn-Flakes Vorlieb nehmen.

          Nach der Hitze am Colorado ist das Klima hier auf 2500 Meter Höhe schon ein ganz schöner Wechsel für meinen Körper. Zwar ist es klar und sonnig, aber es weht eine ziemlich frische Brise.

          Nach meinen Besorgungen kann ich so gerade noch den Sonnenuntergang in der Nähe meines Zeltplatzes erleben und komme dabei mit einigen Amerikanern ins Gespräch, die mein Vorhaben bewundern.

          Als es schon dunkel ist, kann ich dann noch die Münzdusche des Platzes benutzen um mich und meine Wäsche zu waschen.

          Die üppige Bewaldung des Kaibab Plateaus täuscht, es gibt auf dem Kalkstein kein Oberflächenwasser! Daher belade ich mich mal wieder mit acht Litern Wasser, die für zwei Tage reichen müssen.

          Da so allein für Nahrung und Wasser 15 kg zusammenkommen, bin ich daher mit etwa 28 Kilogramm mal wieder ziemlich schwer beladen.

          Es hat in der Nacht zwar nicht gefroren, aber trotzdem ist es morgens zunächst ziemlich frisch, so dass ich zunächst in langer Kleidung los laufe.

          Nachdem ich das ausgedehnte Waldgelände der Einrichtungen am North Rim verlassen habe, gelange ich schon bald an einen Trailhead mit großem Parkplatz. Zunächst erschrecke ich, da offenbar Massen von Leuten hier unterwegs sind, aber schon bald wird mir klar, dass alle diese Menschen den North Kaibab Trail einschlagen, der von hier direkt in das Canyoninnere führt. Ich dagegen folge dem Ken Patrick Trail durch die Wälder des Plateaus. Schon bald wird mir anhand des Zustands dieses Weges klar, dass er wohl nur äußerst selten bewandert wird. Teile des Trails sind mit fiesen Dornsträuchern zugewachsen und häufig muss ich den Wegeverlauf mehr erahnen, als dass ich einfach einer ausgetretenen Linie folgen könnte.

          Ich begegne einem kleinen Rudel Maultierhirsche, was zwar weniger vertraut ist als die Tiere in der Nähe des Besucherzentrums, aber auch nicht gerade als scheu zu bezeichnen ist.


          Maultierhirsch im dichten Wald des Kaibab Plateaus

          Man liest immer wieder, dass das Höhenprofil des Grand Canyon klimatisch einen Querschnitt von Kanada nach Mexico darstellt. Hier auf dem Nordrand, der im Schnitt 300 Meter höher als der Südrand ist, wäre ich demnach in Kanada. Zwar finde ich, dass es im Norden schon noch etwas anders aussieht, aber die dichten Nadelwälder aus verschiedenen Fichten- und Tannenarten sind tatsächlich für diese trockene Gegend ziemlich üppig. Die weißen Stämme der Aspen sorgen für schöne Kontraste.




          Nadelwald auf dem Plateau

          Es ist wieder einmal kaum zu glauben: Kaum entferne ich mich ein wenig von Straße und Einrichtungen des Nordrands, habe ich den Wald für mich allein.
          Erst später, als der Pfad sich wieder einer Straße die zum Point Imperial führt nähert, treffe ich einige Tageswanderer, die zu verschiedenen Aussichtspunkten unterwegs sind.
          Point Imperial ist mit 2683 Metern der höchste Punkt des Nordrims. Man schaut von hier über die Painted Desert bis zu Lee’s Ferry. Hier ist der Canyon noch relativ schmal, bevor er dann zum „Grand Canyon“ wird. Unter mir erstreckt sich das Tal des Nankoweap Creek, den ich morgen erreichen möchte.
          Leider ist es nicht wirklich klar, so dass keine guten Bedingungen zum Fotografieren herrschen.
          Nachdem ich den Aussichtspunkt verlassen habe, geht es weiter durch Kiefernwälder mit großen Waldbrandflächen.


          Häufig laufe ich über von Waldbränden geschaffene offene Flächen

          Nach circa 20 Kilometern erreiche ich gegen 16 Uhr mein Tagesziel, den Beginn des Nankoweap Trails. Hier stoße ich auch wieder auf die Route des Hayduke.

          Ein Feuerring aus Steinen zeigt, dass an dieser idyllischen Stelle unmittelbar an der Abbruchkante schon vor mir Leute gelagert haben.

          Der Platz liegt unmittelbar außerhalb der Grenze des Nationalparks, daher darf man mit dem Geländewagen hierher fahren. Kein Wunder, am Spätnachmittag tauchen zwei Fahrzeuge auf, bevor die Stille des Abends einkehrt.


          Ausblick vom Beginn des Nankoweap Trails


          Welch toller Lagerplatz!

          Nachdem ich mein Abendessen, wie immer mit einer guten Portion Olivenöl verfeinert, gegessen habe, beginnt das Schauspiel des Sonnenuntergangs.

          Während in die Tiefen des Canyons bereits die Schatten der Nacht eingezogen sind, werden die gegenüberliegenden Wände noch von den letzten Sonnenstrahlen in ein warmes Licht getaucht.


          Die letzten Sonnenstrahlen lassen die gegenüberliegenden Wände leuchten

          Später, als das Abendrot den Himmel färbt, treten die vom Dunst des Tages zuvor verhüllten Konturen des Grand Canyon mit der Vielzahl ihrer Gesteinsschichten klar hervor.


          Abendrot über dem Grand Canyon

          Bevor die Nacht endgültig die Oberhand gewinnt, findet noch einmal eine Farbsymphonie statt.





          Der Nankoweap Trail wurde bereits 1880 auf Anregung des berühmten Grand Canyon Erstbefahrers John Wesley Powell angelegt. Dabei folgt die Trasse einer alten Indianerroute. Später diente der Nankoweap Trail dann Viehdieben, die über den Weg Rinder von Utah nach Arizona trieben. Wenn man dem Trail allerdings heute folgt, wird man bald feststellen, dass es mittlerweile für Pferde oder Mulis völlig unmöglich ist auf dieser Route in den Canyon zu gelangen…

          Der Morgen beginnt klar und wunderschön. Durch herrlich verfärbte Eichen- und Aspenhaine gelange ich auf das Plateau des Saddle Mountain.


          Ein toller Morgen beim Abstieg zum Saddle Mountain

          Während es bis hier noch hohe Nadelbäume gibt, gelange ich bald darauf in die Zone der Wacholder und Pinyon Pines.

          Der sporadisch mit Steinmännchen markierte Pfad folgt jetzt der Flanke des Saddle Mountains. Zum Teil ist der Weg in der Steilwand lediglich fußbreit. Man sollte hier trittsicher und schwindelfrei sein, denn an manchen Stellen droht bei einem Fehltritt ein fünfzig Meter tiefer Absturz…


          Der Trail folgt der Flanke des Saddle Mountain

          Natürlich treffe ich keinen anderen Wanderer, dennoch wird die Stille der Landschaft immer wieder gestört. Hubschrauber, die reichen Touristen den Canyon aus der Vogelperspektive präsentieren, tauchen in manchmal lediglich fünfminütigem Abstand immer wieder auf.
          Zwar unterliegen die Bereiche in der Nähe der Aussichtspunkte einem Flugverbot, ein großer Teil des Grand Canyon darf aber von den knatternden Maschinen überflogen werden. Während bei der Erteilung der Permits für harmlose Wanderer sehr stark darauf geachtet wird, dass die Bestimmungen zum Schutz der Natur eingehalten werden, sind im Fall der Helikopterflüge offenbar die finanziellen Interessen viel stärker als der Schutz der Nationalparks, die ansonsten ja schon eine große Bedeutung für die Amerikaner haben.
          Was würde Edward Abbey denken?

          Eine kleine hängende Quelle die im Führer beschrieben wird, ist völlig ausgetrocknet. Lange Zeit folgt der Trail den schmalen Erosionsbändern. Ich frage mich immer wieder wo der Weg die nächste Steilstufe überwindet, aber irgendwie verliere ich doch langsam an Höhe. Schließlich fällt der Nankoweap Trail über 1735 Höhenmeter bis zum Colorado ab!

          Einmal treffe ich auf eine fette braune Schlange auf dem Pfad. Wahrscheinlich handelt es sich wieder einmal um eine Klapperschlange, aber sie schlängelt sich ohne das charakteristische Klappern davon.

          Die Landschaft wird immer trockener je weiter ich mich dem Tal des Nankoweap Creek nähere. Einige Kakteenarten die ich bis jetzt auf meiner Wanderung noch nicht kennen gelernt hatte tauchen auf.


          Bisher noch nicht kennen gelernte Kakteenarten erscheinen

          Nachdem der Pfad bislang relativ gemäßigt Höhe abgebaut hat, beginnt nun ein extrem steiler Abschnitt, durch loses, feines Geröll. Vor kurzem hat ein Bergrutsch hier einen Teil des Pfades verschüttet. Der Ranger im Backcountry Office war daran interessiert zu erfahren, ob sich der Hang stabilisiert hat, oder noch weitere Geröllmassen nachrutschen.

          Wie auf rohen Eiern balanciere ich über die heiklen Flächen. Direkt bergab zu laufen wäre unter Umständen mit einem neuen Erdrutsch verbunden, daher schlage ich einen Zick- Zack Kurs ein, bei dem ich nur langsam an Höhe verliere.

          Trotz aller Vorsicht gleite ich einmal trotzdem aus, und rutsche auf dem Hosenboden einige Meter nach unten, bevor ich zum Halten komme.


          Noch trennen mich viele Höhenmeter vom Nankoweap Creek

          Schließlich erreiche ich ein trockenes Bachbett, dem ich ohne weitere Probleme folgen kann, bis ich gegen 16 Uhr den Nankoweap Creek erreiche.
          Dieses muntere, klare Bächlein in der trockenen Landschaft kommt mir wie ein wahres Wunder vor. Gut, irgendwo muss das Wasser ja bleiben, das auf das Kaibab Plateau fällt. Es versickert im durchlässigen Kalkstein und kommt in der Tiefe des Canyons wieder an die Oberfläche,wo es diesen dauerhaft Wasser führenden Bach nährt.

          Aber natürlich täuscht der harmlose Eindruck, wie üblich sehe ich auch in diesem Tal die Spuren vergangener Überschwemmungen.

          Nachdem ich mein Lager aufgeschlagen habe, erkunde ich die Umgebung noch ein wenig.


          Nankoweap Creek

          Ich könnte dem Bach bis zum Colorado folgen und müsste dann ein Stück weit der Schlucht des mächtigen Flusses folgen, was laut Führer stellenweise ziemlich schwierig ist. Aber nach der Karte sollte es möglich sein, weglos bis zum Kwagunt Creek vorzustoßen, was die Wanderstrecke am Colorado verkürzen würde.

          Von einem kleinen Aussichtspunkt aus erscheint mir diese Variante machbar und ich beschließe morgen diese weglose Abkürzung zu verfolgen.

          Zurück im Lager genieße ich noch lange die Wärme des Abends hier fast am Grund der mächtigen Schlucht. Was für ein Gegensatz zu den Temperaturen der letzten beiden Abende!

          Während ich bis jetzt auf meiner Wanderung nie Probleme mit Mäusen hatte, bekomme ich jetzt das Gefühl regelrecht belagert zu werden. Immer wieder nehme ich herumhuschende Nager war, die von meinen Vorratsbeuteln offenbar magisch angezogen werden. Die Mäuse sind so dreist, dass sie mir beim Essen bis zu meiner Matte folgen.
          Dieses Verhalten würde ich besser verstehen, wenn dies ein Platz wäre, der häufig von Touristen genutzt wird und die Nager daher wissen, dass immer etwas für sie abfällt und keine Gefahr von den Menschen droht. Aber hier in der Wildnis?

          Aber es gibt noch weitere Tiere,die die Wüstennacht beleben: Ein kleiner Frosch lässt sich auf meinem Fuß nieder und etliche Fledermäuse sind hier in der Nähe des Gewässers auf Insektenjagd.
          http://geraldtrekkt.blogspot.de

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            #65
            AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

            Ich bin Ende April in NY und überlege mir entweder vorher oder nachher einen ca. 1-2 wöchigen Urlaub dranzuhängen. Würde zu diesem Zweck von NY nach Denver fliegen und dann einen Mietwagen zur Verfügung haben. Gibt es einen Trek (Bryce, Canyonlands, Zion etc. etc.), der ca. 7-10 reine Wandertage benötigt und besonders zu empfehlen ist? Möglichst ohne viel Kontakt zu Tageswanderern, Autos, Hubschraubern usw.? Danke!

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            • Savannah
              Erfahren
              • 16.01.2007
              • 127

              • Meine Reisen

              #66
              AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

              Ich genieße deinen Bericht weiterhin sehr, zumal du von mir heiß geliebte Landschaften durchwanderst. Herrliche Fotos vom Paria Canyon oder von der Abendstimmung am Nankoweap.

              Bin gespannt, was die Mäuschen über Nacht mit deinen Vorräten anstellen werden - hoffentlich futtern sie dir nicht alles weg?

              Jedenfalls eine superschöne Wanderung - wann geht es weiter?

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              • Wildniswanderer
                Erfahren
                • 08.11.2008
                • 402
                • Privat

                • Meine Reisen

                #67
                AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                Die Wolken, die am Morgen aufgezogen sind, sorgen für einen wunderschönen Sonnenaufgang, der die Felswände auf der North Rim Seite in rosiges Licht taucht.


                Der Sonnenaufgang färbt die Klippen des North Rim

                Ich folge zunächst einem Seitental des Nankoweap Creek, das mich zunehmend an Höhe gewinnen lässt.
                Schon bald sieht die Umgebung im Licht des Tages wieder ganz anders aus.


                Der North Rim im Morgenlicht

                Es gibt hier zwar eigentlich keinen Weg, aber vereinzelte Fußspuren verraten mir, dass auch schon andere Leute diese Route gegangen sind.
                Niedriger Blackbrush, einzelne Kakteen und Agaven mit trockenen, hohen Fruchtständen bringen etwas Leben in die trockene, steinige Einöde.

                Nachdem ich aus dem Tal gestiegen bin, kann ich meine weitere Route zu einem Pass ausmachen, der die Wasserscheide zwischen Nankoweap- und Kwagunt Creek bildet.


                Weglos zum Kwagunt Creek

                Zwar setzt mir der Anstieg keine größeren Hindernisse entgegen, dennoch ist eine sorgfältige Beurteilung des Geländes erforderlich, wenn man die einfachste, kraftschonendste Route einschlagen möchte.

                Bereits nach zwei Stunden stehe ich auf dem Pass und stelle fest, dass der Abstieg auf der anderen Seite ziemlich ähnlich ist. Eine Zeit lang rutsche ich noch die Schotterhänge herab und folge dann einem Seitental. Bevor ich den Kwagunt Creek erreiche, muss ich einmal einen hohen Absturz bewältigen, aber schließlich habe ich gegen Mittag den Bach erreicht.

                Auch Kwagunt Creek führt ständig Wasser und stellt daher eine Oase in der trockenen Umgebung dar.

                Neben der Absicht nicht länger als nötig dem Colorado Ufer folgen zu müssen, hat mich ein Buch hierher geführt: Zur Vorbereitung auf meine Wanderung habe ich zu Hause den Grand Canyon Klassiker „The man who walked through time“ von Colin Fletcher gelesen.

                Fletcher war 1963 der Erste, der die große Schlucht zu Fuß durchmessen hat. Das Buch ist noch heute durchaus lesenswert!
                Im Kwagunt Becken hatte Fletcher damals nach Resten einer Anasazi Stadt gesucht, über die er Gerüchte gehört hatte.

                Zwar gibt es hier überall Scherben und andere Hinterlassenschaften die von den Anasazi zeugen, aber schon Colin Fletcher hatte erkannt, dass es hier ganz sicher keine größere Ansiedlung gegeben hat.
                Nichts desto trotz lasse ich es mir nicht nehmen, ein Stück weit den Bach hinauf zu wandern, nachdem ich mein Lager aufgeschlagen habe. Ich genieße es ohne Gepäck unterwegs zu sein und mache immer wieder Pausen, während denen ich das Leben um mich herum beobachte. Ob kleine Frösche, Monarch- Schmetterlinge oder Libellen, immer gibt es etwas zu sehen.

                Nach dem die Sonne unter gegangen ist, wird der zweite Teil des Mäusetheaters aufgeführt: Während ich auf meiner Matte sitzend Nudeln esse, nehme ich immer wieder zwei recht große, mit ihren langen Schwänzen durchaus niedlich aussehende Mäuse war. Sie sehen mir beim Essen sozusagen über die Schulter. Als ich dann raspelnde Geräusche aus meinem Zelt höre, muss ich feststellen, dass die Nager einen Zip-Loc Beutel aufgeknabbert haben um sich an den darin befindlichen Energieriegeln gütlich zu tun! Ich verstaue alles im Rucksack und lehne mich weiterhin auf der Matte sitzend mit dem Rücken dagegen. Das stört die Mäuse aber nicht, völlig unbeeindruckt von meiner Anwesenheit versuchen sie weiterhin an den Inhalt zu gelangen. Weder mit der Stirnlampe anstrahlen, noch mit Steinen nach ihnen werfen hat einen nachhaltigen Effekt. Natürlich treffe ich die flinken Nager nicht, aber ein bischen Angst einjagen wird ja wohl erlaubt sein! Nein, nur wenige Sekunden nachdem der letzte Stein geflogen ist, schauen sie mich aus nur 30 Zentimeter Entfernung mit unschuldigen Augen so an, als ob sie kein Wässerchen trüben könnten.

                Leider ist mein Zelt ja unten an den Seiten offen, daher geht die Mäusebelagerung weiter, als ich schlafen will. Ständig huschen sie außen vorbei und lassen sich auch durch grobes an die Zeltwand schlagen nicht verjagen.
                Na ja, mein Rucksack hat ja schon Löcher genug, ich flüchte mich in die Hoffnung, dass der Stoff so schnell nicht durchgenagt ist, und ich wohl keine ernsthaften Nahrungsverluste befürchten muss. Dennoch finde ich das anfangs lustige Geschehen irgendwann gar nicht mehr komisch…

                Am nächsten Morgen möchte ich wie meistens noch vor Anbruch des Tages mit der Stirnlampe im Zelt frühstücken. Den Extra Energie- Kick zu meinen Cornflakes hole ich mir, in dem ich genüsslich einige Löffel Erdnussbutter dazu esse. Leider gibt es hier aber auch andere, die ebenso wie ich auf dass fetthaltige Zeug stehen.
                Kaum stelle ich das Glas ab, kommt auch schon eine Maus durch den Bodenspalt ins Zelt gehuscht, sieht mich aus nur wenigen Zentimetern Entfernung an, und wartet auf ihre Chance, mir etwas Erdnussbutter abzujagen. Alle Versuche sie zu vertreiben wirken nur ganz kurzfristig.

                Na ja, irgendwann denke ich mir, dass das doch witzige Fotos geben könnte, wenn ich die Maus bei dem Versuch an ihre Erdnussbuttermahlzeit zu kommen fotografiere.
                Gesagt getan, ich bringe mich in Position und schwuppdiwupp ist der kleine Nager auch schon da. Allerdings ist die Maus ziemlich flink, weshalb leider keines der Bilder richtig scharf wird.


                Meine Erdnussbutter zieht die Maus magisch an

                Irgendwann habe ich es aber doch geschafft mein Frühstück zu beenden, baue mein Lager ab und folge weiter dem Kwagunt Creek abwärts.
                Dieser tritt schon bald in eine enge Schlucht ein. Ich entdecke einen kleinen Frosch, dessen Farbe ihn im Sandsteingeröll hervorragend tarnt.


                Gut getarnter Frosch

                Es gibt zwar eine ganze Reihe kleinerer Abstürze in dem Canyon, aber diese stellen kein Problem für mich dar. Miniaturwasserfälle haben tiefe Gumpen voll mit herrlich klarem Wasser ausgewaschen.


                In der Kwagunt Schlucht

                Im luftfeuchten Schatten der Schlucht wächst eine ganz besondere Pflanze, Stechapfel oder auf Englisch Sacred Datura genannt. Sie ist sowohl für ihre Wirkung als Halluzinogen aber auch als übles Gift bekannt.
                Na ja, mir gefällt die Gegend auch ohne berauschende Substanzen sehr gut, daher belasse ich es bei einem Foto.


                Die magische Sacred Datura

                Bereits nach zwei Stunden habe ich den Colorado erreicht. Der Fluss ist hier erstaunlich schmal und fließt mit schöner grüner Farbe rasant dahin.
                Ich weiß, dass ich eine Zeit lang noch auf diesem Ufer weiter wandern kann, dann aber die Seite wechseln muss.
                Der Colorado ist erstaunlich kalt, daher wäre es auch wenn meine Sachen noch wasserdicht verpackt wären, bei der rasanten Strömung extrem gefährlich zu versuchen über den Fluss zu schwimmen. Daher ist mein Plan, eines der Rafts die den Colorado hinab fahren anzuhalten und mir so einen lift auf die andere Seite zu verschaffen.

                Leider kommt zunächst kein Gummifloß vorbei, dennoch bleibe ich hoffnungsvoll, dass mein Plan gelingt. Das Ufer des Colorado ist hier relativ breit. Sandstrände wechseln sich mit steinigen Flächen und Tamariskengebüschen ab.

                Aber ich habe Glück, nach nur einer Stunde erscheint eine Gruppe aus vier jeweils mit zwei Personen besetzten Rafts. Ich rufe und tatsächlich nimmt eines der Boote Kurs auf mich. Die Rafter sind hervorragend gelaunt und ich erfahre, dass es sich bei ihnen um eine private Gruppe aus Salt Lake City handelt, die tatsächlich 16 Jahre auf ihr Permit zur Befahrung des Flusses gewartet hat!

                Rafting auf dem Colorado ist Big Business, der Fluss wird von zahlreichen kommerziellen Unternehmen dominiert. Zwar sind auch private Befahrungen zugelassen, aber man muss halt lange auf eine Genehmigung warten.

                Da das Boot der Beiden viel Platz bietet, ist es mit allem möglichen Luxus ausgestattet, so sind gutes Essen und kühle Getränke kein Problem auf so einer Tour.

                Die Rafter bringen mich problemlos zum gegenüberliegenden Ufer und beschenken mich zu allem Überfluss noch mit einer kühlen Dose Bier und einem Energieriegel!


                Die freundlichen Rafter

                Das Vorankommen auf dieser Seite ist ziemlich langsam und mühsam. Häufig reicht eine steile Abbruchkante bis zum Ufer, daher muss ich jedes Mal einen Weg finden, wie ich die Steilstücke umgehen kann.

                Ausgedehnte Felder voll massiver Felsbrocken erfordern stetige Konzentration um ein Umknicken zu vermeiden.

                Aber es gibt auch einige traumhafte Strandabschnitte mit feinem weißen Sand.


                Sandstrand am Colorado

                Drei weitere Gruppen treiben im Laufe des Nachmittags an mir vorbei. Bei einer der Gruppen ist ein Kajaker, der allerhand Kunststücke in einer Stromschnelle vorführt.
                Andrew ist aus Vail in Colorado und arbeitet im Sommer als Kajaklehrer. Im Winter sucht er sich dann meist einen Hoteljob in einem Wintersportort.

                Der Colorado ist für seine wuchtigen Stromschnellen berühmt, aber was ich bisher vom Ufer aus sehe, ist alles auch ohne großes Können problemlos befahrbar.


                Das grüne Wasser des Colorado

                Mein Tagesziel ist der Little Colorado. Aber als ich sein türkises Wasser aus der Ferne einmünden sehe, stellt es sich als gar nicht so einfach heraus, einen geeigneten Lagerplatz zu finden. Im Bereich der Mündung des Little Colorado ist es aus Naturschutzgründen verboten ein Lager aufzuschlagen.

                Schließlich gelingt es mir aber doch einen halbwegs ebenen, schmalen Streifen oberhalb des Flusses zu finden, an dem ich mein Zelt aufschlage.

                Da es hier weit und breit weder Siedlungen noch Industrie gibt, trinke ich das Flusswasser ohne es irgendwie zu entkeimen.


                Lager am Colorado

                Ich bin schon gespannt wie hier die „Mäusesituation“ ist, aber außer einem Nager der in der Dunkelheit in Campnähe erscheint, behalte ich heute meine Ruhe.

                Am nächsten Morgen erreiche ich schon nach kurzer Zeit die Einmündung des Little Colorado. Mit über 500 Kilometern Länge ist dieser ein ziemlich bedeutender Nebenfluss des Colorado, der oberhalb der Mündung durch einen tiefen Canyon fließt. Bernd, der ebenfalls in den Outdoorseiten aktiv ist, hat die Schlucht des Little Colorado letztes Jahr in ganzer Länge durchwandert und war schwer beeindruckt von der landschaftlichen Schönheit dieses Canyons. Nun, ich hatte mich ja entschieden, diese Route nicht zu laufen, aber zumindest möchte ich ein kleines Stück des Little Colorado erkunden, daher laufe ich einige Zeit lang flussaufwärts.

                Der Little Colorado ist hier ziemlich breit, schnell fließend und erstaunlich tief, kein Rinnsal sondern ein richtiger Fluss. Immer wieder unterbrechen kleine Stromschnellen seinen Lauf.

                Als die Sonne langsam in die Schlucht fällt, ergibt sich eine schöne Stimmung.


                Morgen am Little Colorado

                Wie schon einige Male zuvor finde ich auch hier mal wieder etwas versteinertes Holz.


                Versteinertes Holz

                Nach einiger Zeit gelange ich an ein mit Tischen und Stühlen, sowie einem großen Gaskocher ziemlich luxuriös eingerichtetes Lager. Bald darauf treffe ich zwei Männer, die mich über das Camp aufklären. Es handelt sich um Leute der Wild- und Fischereibehörde Arizonas, die sich mehrere Male im Jahr per Hubschrauber hier her einfliegen lassen, um Untersuchungen an den Fischbeständen vorzunehmen. Zum Fang der Fische setzen sie Radiowellen ein.
                Der Little Colorado ist ein wichtiges Rückzugsgebiet für einige Fischarten, die ihren Lebensraum am Hauptfluss nach den Dammbauten verloren haben. Einige Arten sind als Folge der Dämme sogar komplett ausgestorben. Da früher der Wasserstand im Colorado stark schwankend war, und die Temperatur durchschnittlich viel höher als heute, konnten sich die Fische nur schwer an die veränderten Bedingungen anpassen.


                Forschungscamp

                Ich dringe noch ein Stück weiter durch unangenehmen Tamariskenbusch vor, bis ich schließlich den Rückweg antrete.

                Inzwischen hat die Sonne den Talboden erreicht, und bringt die auf Mineralien zurückzuführende, wunderbar türkise Färbung des Little Colorado schön zur Geltung.


                Das Wasser des Little Colorado hat eine schöne Farbe

                Auf dem Rückweg begegne ich einer großen Gruppe, die sich als Kunden eines kommerziellen Rafttrips herausstellen.
                Den Fluss zu durchwaten ist zwar nicht schwierig, aber um nicht in zu tiefes Wasser zu geraten, suche ich einige Zeit lang nach einer geeigneten Stelle.

                Am anderen Ufer entdecke ich eine kleine Hütte, die ein wenig an die Anasazibehausungen erinnert. Tatsächlich wurde sie aber von Ben Beamer erbaut, einem der Pioniere des Canyons, der hier um 1890 versuchte als Selbstversorger zu leben.


                Die Hütte von Ben Beamer

                Ein Stück weiter soll der Beamer Trail beginnen. Allerdings sind die Wildnistrails im Grand Canyon im Gegensatz zu den hervorragend ausgeschilderten Wegen in der Nähe der Aussichtspunkte nicht markiert. Dennoch gelingt es mir nach kurzer Suche den Anfang des Pfades zu finden. Der Weg führt nach oben hoch auf die Klippen die steil zum Colorado abfallen. Hier ergibt sich ein wunderschöner Ausblick auf den Mündungsbereich des Little Colorado. Die unterschiedlichen Farben der beiden Flüsse verschmelzen auf kurzer Länge miteinander.


                Der türkise Little Colorado mündet in seinen großen Bruder

                Wenn man die steil aufragenden Felswände sieht, könnte man glauben in einem bizarren Gebirge zu sein.


                Vom Ufer des Colorado steil aufsteigende Sandsteinfelsen

                Der Name „Palisades oft the Desert“ für die Klippen des nächsten Abschnittes trifft diese großartige Naturerscheinung sehr gut.
                Der Beamer Trail verläuft zum Teil etwas ausgesetzt hoch über dem Colorado. Jeder der halbwegs höhenverträglich ist, wird aber kein Problem mit dem Weg haben.


                Der Beamer Trail verläuft teilweise ausgesetzt über dem Colorado

                Allerdings zwingen häufige Taleinschnitte immer wieder zu steilen Ab- und Wiederaufstiegen. Der Bewuchs in den von der Sonne verbrannten Felsen ist extrem karg.


                Taleinschnitte sorgen für etliche Höhenmeter

                Manchmal sehe ich tief unter mir einige Rafts vorbeischwimmen, einmal sogar ein Motorboot, ein weiteres Zugeständnis des Nationalparks an den Kommerz, denn eigentlich sollten nur mit Muskelkraft betriebene Boote im Canyon zugelassen sein.


                Rafts tief unter mir

                Bei den Lava Canyon Rapids steige ich wieder ab zum Fluss und suche mir einen geeigneten Lagerplatz in der ausgedehnten Schotterebene. Es ist jetzt ziemlich windig, so dass es gar nicht so einfach ist, mein Zelt aufzubauen.
                Zuletzt geändert von Wildniswanderer; 14.01.2012, 18:49.
                http://geraldtrekkt.blogspot.de

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                • heron
                  Fuchs
                  • 07.08.2006
                  • 1745

                  • Meine Reisen

                  #68
                  AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                  Superschöne Bilder!

                  Das ist eine der Traumgegenden, wo ich unbedingt noch hin muss
                  Ich habe keine grossen Ambitionen. Still sitze ich und betrachte wohlgemut das Gewimmel der Welt.
                  Ich benötige nur so viel, wie ich mir ohne Anstrengung und Demütigung beschaffen kann. (György Bálint)

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                  • danke
                    Erfahren
                    • 17.11.2010
                    • 108
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #69
                    AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                    Ich finde deine Unternehmung bewundernswert, und der Bericht gehört zu meinen persönlichen Highlights hier im Forum!
                    Freue mich schon auf die Fortsetzung...
                    Das versteinerte Holz sieht eher nach einer Bioturbation aus, aber der Paläontologiekurs ist schon ne Weile her, könnte mich auch irren

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                    • Julia
                      Fuchs
                      • 08.01.2004
                      • 1384

                      • Meine Reisen

                      #70
                      AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                      Das ist einfach nur GENIAL!!!

                      Kommentar


                      • Mika Hautamaeki
                        Alter Hase
                        • 30.05.2007
                        • 4006
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #71
                        AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                        Und mal wieder eine Episode
                        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                        A. v. Humboldt.

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                        • Wildniswanderer
                          Erfahren
                          • 08.11.2008
                          • 402
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #72
                          AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                          Ein heißer, wolkenloser Tag beginnt. Zunächst folge ich dem Beamer Trail weiter in der Flussebene.


                          Morgen am Colorado

                          Bald erreiche ich die Einmündung des Tanner Trail, der hierher von der Südseite des Canyons führt. Ich treffe drei Wanderer, die noch am frühstücken sind. Sie haben eine Runde von 6 Tagen geplant und sind schwer beeindruckt, als ich ihnen von meiner Wanderung erzähle. Ab jetzt laufe ich auf der Escalante Route, einem weiteren nicht markiertem Wildnistrail im Grand Canyon. Nun ja, offizielle Markierungen gibt es zwar nicht, aber mit ziemlicher Regelmäßigkeit haben Wanderer Steinmännchen errichtet, anhand derer der Weg meist ohne großes Kartenstudium gut zu verfolgen ist.

                          Die Escalante Route verlässt schon bald den Fluss und steigt auf die Klippen oberhalb des Colorado. Dabei verläuft der Weg wesentlich höher über dem Fluss als der Beamer Trail und bietet atemberaubende Ausblicke.




                          Die Escalante Route verläuft hoch über dem Fluss und bietet atemberaubende Ausblicke

                          Schließlich erreiche ich den Escalante Creek. Laut Karte führt die Route unmittelbar über dem Colorado weiter und anfangs finde ich auch einige Steinmännchen, die das bestätigen.
                          Dann geht es jedoch nicht weiter. So sehr ich auch suche, wobei ich auch bis zu dem letzten Steinmännchen zurückkehre, ich kann den weiteren Wegeverlauf nicht finden.
                          Statt dessen entdecke ich einen offensichtlichen Trail, der sich aber offenbar weit vom Fluss entfernt, was laut der Trails Illustrated Karte nicht stimmen kann.
                          Na gut, es ist schon spät, daher halte ich es für sinnvoll heute nicht weiter zu suchen und lagere in der Nähe der Einmündung des Escalante Creeks.
                          Eine Gruppe von Raftern ist ebenfalls dabei, hier ihr Camp zu errichten.


                          Eine Gruppe von Raftern schlägt ihr Lager auf

                          Es ist bereits dunkel, als eine Abordnung der Rafter erscheint und mich in ihr Lager einlädt. Ich habe nichts dagegen mich mal wieder mit Menschen zu unterhalten, daher folge ich gerne der Einladung.

                          Im Camp der Gruppe angekommen, erfahre ich, dass sie Mormonen aus Kanab sind, die mit ihren selbstgebauten Rafts den Colorado befahren.
                          Da mich ihre Religion interessiert und ich nur das Klischee der Polygamie von den Mormonen kenne, stelle ich zahlreiche Fragen, auf die mir auf ruhige, unaufdringliche Art geantwortet wird.
                          Ich merke, dass die Religion das wichtigste im Leben dieser Menschen ist, und bin beeindruckt von ihrer herzlichen Art. Stan bietet mir sogar an, mich nach meiner Wanderung zurück nach Salt Lake City zu fahren und gibt mir seine Telefonnummer dazu!

                          Polygamie ist auch für Mormonen schon seit langem in den USA verboten. Die Männer und Frauen der Gruppe würden wohl nicht auf die Idee kommen, dass das Verheiratet sein mit mehreren Frauen ein wichtiger Bestandteil ihrer Religion ist, im Gegenteil, sie machen sich über die Bewohner einiger abgelegener Nester lustig, wo dieser Brauch wohl immer noch praktiziert wird…

                          Am nächsten Morgen stelle ich mit Entsetzen fest, dass mittlerweile auch der dritte Platyphus Behälter Löcher hat und leckt! Ein Glück, dass ich mir in Escalante Ersatz beschafft hatte. Dennoch ist es mehr als ärgerlich, dass die Container deren Haltbarkeit extrem wichtig ist, offenbar extrem fragil sind.

                          Ich schlage wieder denselben Weg wie gestern Nachmittag ein, der mich hoch oberhalb des Seventyfivemilecanyons entlang führt. Bald treffe ich drei Wanderer, die eine andere Karte mitführen. Auf der ist der Wegeverlauf der Escalante Route richtig eingezeichnet.

                          Die extrem enge Schlucht so tief unter mir ist sehr eindrucksvoll. Erst wenn man unmittelbar an ihrem Rand steht, wird einem klar, wie tief der Canyon ist.


                          Seventyfivemilecanyon

                          Am Oberlauf der Schlucht sind die Wände weniger steil, und der Trail führt in den beeindruckenden, düsteren Schlund hinab. Nun folge ich dem Canyon abwärts bis ich wieder am Colorado angelangt bin. Der direkte Weg hätte nur ein kurzes Stück ausgemacht!

                          Ab jetzt folge ich weiter dem Colorado, was sich aber aufgrund der vielen Felsen als keineswegs einfach darstellt.


                          Die Morgensonne färbt den Colorado rot

                          An eine Stelle ist eine kurze Kletterpartie über etwa zehn Meter erforderlich. Sie ist technisch auch mit schwerem Rucksack nicht besonders schwierig, aber natürlich sollte man auch hier schwindelfrei sein. Ein Vater mit seinem 16- jährigen Sohn kommen mir oben entgegen. Die Beiden zögern kurz, bewältigen den Abstieg dann aber ohne Probleme.

                          Im Red Canyon an den Hance Rapids gelange ich wieder an den Colorado und fülle meine Wasserbeutel auf, da der Tonto Trail dem ich ab hier folge an keiner Stelle mehr an den Fluss führt und auch keine sichere Wasserstelle aufweist.

                          Während ich noch am Colorado bin, erscheint der Ranger Steve Rice. Zwar ist er sehr freundlich, lässt es sich aber nicht nehmen, mein Permit zu kontrollieren. Nach dem Papier müsste ich die kommende Nacht hier verbringen, möchte aber natürlich noch gerne weiter wandern. Kein Problem, Steve ruft mit seinem Satellitentelefon das für die Permits zuständige Backcountry Office an, und erfährt, dass er meine Erlaubnis entsprechend ändern kann, da die Quote an Zeltern für den nächsten Sektor noch nicht voll ist.

                          Da mich die Arbeit des Parkaufsehers interessiert löchere ich ihn noch etwas mit meinen Fragen. Er ist mit einer Pistole bewaffnet, und hat im Nationalpark polizeiliche Befugnisse. Als Backcountry Ranger macht er im Prinzip nichts anderes als durch den Park zu wandern und Erlaubnisse zu kontrollieren. Interessanterweise trägt er Trailrunningschuhe, die in diesem Gelände immerhin sechs Monate halten.
                          An acht Arbeitstage schliessen sich bei ihm stets sechs freie Tage an, kein schlechter Rhythmus!
                          Die Hubschrauber hält er ebenso wie ich für ein großes Problem, da sie auch oft nicht die Flugverbotszonen respektieren würden. Allerdings ist wie ich schon angenommen habe, der Preis für eine Helikopterstunde nicht gerade billig, 300 Dollar seien hierfür zu zahlen, berichtet der Ranger.
                          Zwar gibt es in jedem Jahr noch Tote und Rettungsaktionen hier im Canyon, die Zahl dieser Einsätze sei aber deutlich zurückgegangen, seitdem eine prägnante Aufklärungskampagne begonnen wurde.

                          Während wir uns unterhalten erscheint eine Gruppe von Raftern, die zunächst an Land gehen und die Stromschnelle erkunden, bevor sie sich in die Hance Rapids, einen der wilderen Abschnitte des Canyons stürzen.

                          Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, die folgende Befahrung zu beobachten und zu fotografieren. Die Wellenberge sind zwar ziemlich beeindruckend, aber in den großen „Gummibussen“ scheint das Raften der Stromschnelle nicht besonders schwierig zu sein.




                          Rafting im Grand Canyon

                          Ab jetzt folge ich dem Tonto Trail, dem mit etwa 100 Kilometern längstem Wanderweg des Grand Canyons. Im Wesentlichen verläuft er auf dem Tonto Plateau, einer ausgedehnten, ebenen Stufe zwischen Canyonrand und Fluss.
                          Der Internetseite des Nationalparks zufolge ist Wasser ein großes Problem auf diesem Weg, daher bin ich gespannt was mich erwartet.

                          Der Anstieg auf das Plateau wird zwar als ziemlich anstrengend beschrieben, aber ich komme gut vorwärts. Noch einmal ergeben sich Ausblicke auf den Colorado, der jetzt in den düsteren Granit des inneren Canyons eintaucht.


                          Die düstere, innere Schlucht beginnt

                          Das Plateau ist nur spärlich mit einigen niedrigen Dornsträuchern, Agaven und Kakteen bewachsen. Dennoch ist die Aussicht auf die erodierten Massive des Grand Canyon immer wieder spektakulär. Man hat tatsächlich den Eindruck im Gebirge und nicht in einer Schlucht zu laufen.


                          Auf dem Tonto Plateau

                          Immer wieder umgeht der Weg dunkel- lila gefärbte, tiefe Seitenschluchten wie den Miners Canyon.


                          Viele Millionen Jahre Erdgeschichte

                          Bereits gegen 16 Uhr schlage ich mein Lager am Oberlauf des Hance Canyons auf. Das Wetter ist ruhig, warm und stabil, daher verzichte ich mal wieder auf den Aufbau meines Zeltes. In der Nähe campiert ein älteres Paar. Als wir uns unterhalten erfahre ich, dass Ken Paläobotaniker ist. Bereits in den Siebziger Jahren wurde er mit dem Hubschrauber auf abgelegene, ansonsten unerreichbare Zinnen im Inneren des Canyons geflogen. Aus den Hinterlassenschaften von Packratten, die sich gerne unter Felsüberhängen aufhalten, hat er die Vegetation vergangener Epochen studiert. In diesem trockenen Klima ist der Kot der Nager unter günstigen Bedingungen auch nach tausenden von Jahren noch nicht verwittert. Ehedem war es viel feuchter im Canyon und Baumarten die heute nur noch auf den hochgelegenen Rändern der großen Schlucht wachsen, kamen damals auch im Inneren des Grand Canyon vor.

                          Später gesellt sich ein anderer interessanter Wanderer zu mir und schlägt sein Lager in meiner Nähe auf. Gary Tyler ist ein 60- jähriger, pensionierter Arzt der vor drei Jahren mit seiner Frau den Pacific Crest Trail gelaufen ist. Außerdem hat er sich gerade ein Packraft zugelegt und macht auch gerne kürzere Touren wie diese hier im Canyon. Seine Ausrüstung ist nach Thruhiker- Art typisch ultraleicht und wir haben viel miteinander zu erzählen.

                          Am nächsten Morgen laufe ich zunächst lange oberhalb der tiefen Schlucht des Hance Creek. Früh morgens und spät abends sind die Zeiten zu denen es mir am Besten im Grand Canyon gefällt. Atmosphäre und Licht sind noch klar, so dass sich tolle Bilder in der grandiosen Umgebung ergeben. Später am Tag ist das Licht in der Regel zu hart, als dass gute Fotos entstehen könnten.


                          Im klaren Morgenlicht

                          Etwas später ragt hoch über mir die Horseshoe Mesa auf, eine Vorsprung des South Rim zu dem ein Weg herauf führt. Die eigentliche Route des Hayduke Trail führt auf den Tafelberg, ich setze aber meine Wanderung auf dem Tonto Trail fort.

                          Später umrundet der Trail die Schlucht des Cottonwood Canyon. Ich begegne drei jungen Wanderern, die mir berichten, dass sie dort unten Wasser gefunden haben. Nun, einstweilen habe ich noch genug von der Flüssigkeit bei mir, so dass ich keinen weiten Umweg zur Wasserbeschaffung in den Canyon unternehme.

                          Kaum denke ich, auf dem Plateau Strecke machen zu können, zwingt mich schon die nächste Schlucht, Grapevine Canyon zu einem riesigen Umweg entlang der Abbruchkanten. Die Schlucht ist so tief, dass ich nur selten einen Blick bis auf den Grund erhaschen kann. Sehr beeindruckend !


                          Immer wieder erfordern tiefe Seitencanyons große Umwege auf den Schultern der Schluchten

                          Meist ist das Vorankommen unproblematisch, aber es gibt immer wieder auch kurze, heikle Stücke, wo man sich besser keinen Fehltritt erlaubt…

                          Üppiges Grün im Oberlauf eines Seitencanyons veranlasst mich zu einer genaueren Prüfung und tatsächlich, ich entdecke erstaunlich kühles, klares Wasser!
                          Erst einmal trinke ich mich voll wie ein Kamel, dann belade ich meine verbliebenen Wassersäcke wieder einmal.

                          Seit Hance Canyon ist auch wieder Ruhe eingekehrt, offenbar beachten die meisten Hubschrauber die Flugverbotszone die hier eingerichtet ist.



                          Bevor die Dämmerung einsetzt, schlage ich mein Nachtlager wieder ohne Zelt am Beginn eines Seitentales im Schutz eines kleinen Überhangs auf. Über mir erstrahlt ein herrlicher Sternenhimmel, eine Eule ruft in meiner Nähe und ich genieße die Ruhe einer fantastischen Nacht inmitten dieses gigantischen Canyons.

                          Schon seit einiger Zeit hatte ich kein Mäuseproblem mehr, aber heute schafft es einer der Nager in den Beutel mit meinen Cornflakes zu gelangen, während ich am Essen bin. Hätte ich Hunger, wäre das die perfekte Fleischbeilage… Aber die Maus hat Glück, ich habe genug zu essen im Rucksack, daher entlasse ich sie ungeschoren wieder in die Freiheit.

                          Am nächsten Tag beobachte ich eine Maultierhirschkuh aus der Nähe. Erstaunlich, dass die Tiere sowohl in den üppigen Wäldern als auch hier in der trockenen Wüste vorkommen.


                          Maultierhirsche leben sowohl in den Wäldern als auch in der Wüste

                          Da weit und breit kein Wasser zu sehen ist, finde ich es noch erstaunlicher, als ich einer Libelle die auf einem Ast sitzt begegne.


                          Was macht die Libelle in der trockenen Wüste?

                          Obwohl der Colorado in Luftlinie nicht besonders weit entfernt ist, kann ich nur ganz selten mal erahnen, dass sich sein Lauf tief unten durch die dunkle Schlucht schlängelt.


                          Wo ist der Colorado?

                          Laut Permit soll ich am Cremation Creek übernachten, da ich dort aber schon um die Mittagszeit ankomme, beschließe ich weiter zu laufen. Auch heute führt der sporadisch mit Steinmännchen markierte Trail immer wieder um die Nebencanyons herum.


                          Oberlauf des Lonetree Canyon

                          Der Ranger hat mir erzählt, dass sich im Oberlauf des Lonetree Canyon eventuell Wasser finden lässt, daher untersuche ich diese Schlucht einige Zeit lang, finde aber nichts.

                          Der leichtsinnige Wanderer sagt sich vielleicht, dass wenn er kein Wasser findet ja jederzeit zum Colorado absteigen kann. Da all diese Nebenschluchten aber mit etlichen Stufen steil abfallen, ist das ohne Kletterausrüstung in der Regel nicht möglich.

                          Gegen 14 Uhr erreiche ich den South Kaibab Trail. Dass dieser stark belaufen ist, beweist ein Toilettenhäuschen. was hier an der Hauptroute vom South Rim zum Fluss errichtet wurde. Einige Wanderer die mit leichtem Gepäck unterwegs zur Phantom Ranch am Colorado sind, staunen ungläubig, als ich ihnen erzähle, dass ich noch heute zum South Rim aufsteigen möchte. Ich glaube zwar nicht, dass ich bei diesem Vorhaben auf Schwierigkeiten stoße, aber ich habe noch genug Wasser, so dass ich zur Not biwakieren könnte.

                          Der Trail weiter aufwärts entpuppt sich als kunstvoll angelegte „Wanderautobahn“.
                          Da der Weg auch von Maultieren zurückgelegt wird, ist die Steigung stets recht gut zu bewältigen. Jetzt am Nachmittag haben die meisten Leute ihr Ziel schon erreicht, daher hält sich der Betrieb noch in Grenzen.

                          Je höher ich steige, desto schöner wird das Panorama.


                          Wanderautobahn zum South Rim

                          An der Cedar Ridge sehe ich einen großen Vogel, der sich im Aufwind emporschraubt. Ich glaube meinen Augen kaum zu trauen, denn es handelt sich ganz eindeutig um einen Kalifornischen Kondor!

                          Diese majestätischen Vögel erreichen bis drei Meter Flügelspannweite und waren Ende der Achtziger Jahre in freier Wildbahn bereits ausgestorben. Bald danach wurde eine intensives Aufzucht- und Auswilderungsprogramm gestartet, mit dem Erfolg, dass es heute bereits wieder um die dreihundert Individuen der großen Neuweltgeierart in der Wildnis gibt. Neben einigen Orten in Kalifornien wurden sie auch hier im Grand Canyon ausgewildert und scheinen sich gut zu vermehren.


                          Ein seltener, Kalifornischer Kondor

                          Gegen 16.30 habe ich bereits den Trailhead erreicht. Zur Verkehrslenkung gibt es hier auf dem South Rim ein effektives Netz von kostenlosen Shuttlebussen mit denen alle Aussichtspunkte etc. erreicht werden können.

                          Da ich einen Ruhetag einlegen möchte, um mich hier oben etwas umzusehen, nehme ich einen Bus zu einem der zahlreichen Hotels. Mich gelüstet nach einem Bett, allerdings habe ich auch keine Lust Phantasiepreise zu bezahlen.

                          Alle Hotels hier gehören zu einer Kette. Daher kann der nette Angestellte der teuren Yavapai Lodge im PC sehen, dass es noch ein sehr günstiges Zimmer in der Bright Angel Lodge gibt. Gut, Duschen und Toiletten sind auf dem Flur, aber das stört mich nicht weiter. Ich hatte ohnehin nicht geglaubt, dass ich hier überhaupt eine günstige Unterkunft finden würde, aber jetzt in der zweiten Oktoberhälfte sind wohl eher noch Schnäppchenpreise möglich, als in der Ferienzeit.

                          Nachdem ich mich gesäubert habe, genieße ich ein Steak im Restaurant der Lodge und ein Bier in der Bar.

                          Mein erster Weg am nächsten Morgen führt zum Backcountry Office. Ich merke gleich, dass hier deutlich mehr los ist, als auf dem North Rim. Aber als ich schließlich dran komme, werde ich wie immer in Amerika freundlich behandelt. Ich hatte den Antrag für das Permit schon in Deutschland gestellt. Die Erteilung stellt auch kein Problem dar, lediglich meine erste geplante Etappe muss ich etwas ändern, da der Sektor in dem ich ursprünglich die erste Zeltnacht verbringen wollte schon voll ist. Na ja, der Ranger meint, dass die Alternative die er mir bietet sowieso schöner ist.

                          Es gibt hier ein regelrechtes Einkaufszentrum, in dem ich ohne Probleme meinen Proviant zusammen stellen kann. Selbst ein Outdoorladen existiert hier, in dem ich mal wieder neue Wassersäcke erwerbe.
                          Meine Stiefel haben mittlerweile ein fortgeschrittenes Stadium des Zerfalls erreicht, daher kaufe ich mir eine Rolle Duct Tape, um sie damit behelfsmäßig zu flicken.

                          Anschließend suche ich die Bücherei auf, in der man für wenig Geld ins Internet gehen kann.

                          Es weht den ganzen Tag ein starker, kalter Wind, dabei ist es sonnig und klar, was eine schöne Atmosphäre in dem Kiefernwald hervor bringt, in den das South Rim Village eingebettet liegt.

                          Nachdem ich meine notwendigen Erledigungen besorgt habe, kann ich mich endlich der Erkundung des South Rim widmen. Ich besuche das interessante Visitor Centre und nehme anschließend an einer von einem Ranger geleiteten Führung teil.

                          Diese ist wie immer in den amerikanischen Nationalparks sehr informativ, lebendig und humorvoll.

                          Rechtzeitig zum Sonnenuntergang sind wir am Yavapai Point, nach Meinung des Rangers ein Geheimtipp um einen besonders schönen, ruhigen Sonnenuntergang zu erleben. Dennoch finden sich eine ganze Menge Leute hier ein.

                          Obwohl es den ganzen Tag schön klar war, ist es jetzt etwas dunstig und der Sonnenuntergang ist nicht besonders spektakulär.

                          Auf dem Rückweg in der Dämmerung habe ich noch ein besonderes Erlebnis. Ein junger Wapitihirsch äst auf dem Rasen einer Lodge!
                          Mir war vorher gar nicht klar, dass es diese fast elchgroßen Hirsche hier gibt. Gut, eine Begegnung in der Wildnis wäre mir lieber, aber man kann nicht alles haben!
                          http://geraldtrekkt.blogspot.de

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                          • heron
                            Fuchs
                            • 07.08.2006
                            • 1745

                            • Meine Reisen

                            #73
                            AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                            Einfach nur grandios!
                            Ich habe keine grossen Ambitionen. Still sitze ich und betrachte wohlgemut das Gewimmel der Welt.
                            Ich benötige nur so viel, wie ich mir ohne Anstrengung und Demütigung beschaffen kann. (György Bálint)

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                            • Libertist
                              Fuchs
                              • 11.10.2008
                              • 2064
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #74
                              AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                              Wirklich großartig, Wildniswanderer.
                              Regelmäßige Updates auf Facebook: Outventurous || Galerie und Weltkarte gibt's auf der Outventurous Webseite.

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                              • Sinister
                                Erfahren
                                • 20.01.2009
                                • 109
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #75
                                AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                                Ich danke für diesen Kurzurlaub durch das Lesen deines Berichts am Ende einer anstrengenden Woche. Sehr schön geschrieben, jederzeit spannend, nicht zuviele aber dafür schöne Bilder - einfach klasse. Vor deiner Reise habe ich gehörig Respekt, sie ist nicht ungefährlich. Ich konnte nicht finden, wie lange du unterwegs warst!?
                                [Bilder & Tourenbericht Berchtesgadener Alpen ] [WHW Schottland März 09]

                                Spiegel-Blick.de

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                                • Wildniswanderer
                                  Erfahren
                                  • 08.11.2008
                                  • 402
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #76
                                  AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                                  Wieder einmal vielen Dank für die netten, motivierenden Kommentare!

                                  Ich war ziemlich genau zwei Monate unterwegs. Aber beim Schreiben kommt mir die Zeit viel länger vor
                                  http://geraldtrekkt.blogspot.de

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                                  • Wildniswanderer
                                    Erfahren
                                    • 08.11.2008
                                    • 402
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                                    #77
                                    AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                                    Grand Canyon 2

                                    Bereits um kurz nach 7 bin ich wieder unterwegs. Ich folge dem Rim Trail der unmittelbar oberhalb der Abbruchkante des Canyons verläuft. Zwar ist der Weg größtenteils sogar asphaltiert, aber es lohnt sich dennoch ihn zu laufen, denn die Aussichten sind fantastisch!


                                    Morgen am South Rim

                                    Obwohl eine Straße parallel zu dem Weg verläuft, ist es ziemlich ruhig. Das liegt daran, dass hier nur Shuttlebusse fahren dürfen. Die meisten Leute lassen sich so von einem Aussichtspunkt zum Nächsten kutschieren, laufen tuen nur wenige.

                                    So wundert es mich auch nicht, dass Leute mir anbieten mich zu fotografieren, was ich natürlich gerne annehme.


                                    Welch Hintergrund!

                                    Es ist zwar sonnig, aber ziemlich windig und frisch, so dass ich zunächst in langen Sachen laufe, und anfangs sogar meine dünnen Fingerhandschuhe überziehe.

                                    Zwar wird die Nordseite des Canyons viel weniger frequentiert und ist daher ruhiger, aber die spektakuläreren Aussichten bietet ganz klar der South Rim!



                                    Meine mit Duct Tape notdüftig reparierten Stiefel erregen einiges Aussehen, aber es ist schon interessant, wenn mich wildfremde Leute mit den Worten ansprechen „Oh, der Deutsche der vom North Rim hier her gewandert ist und seine Schuhe nur noch mit Klebestreifen zusammenhält“. So werden Legenden geboren!


                                    Man beachte den linken Schuh…

                                    Sehr interessant finde ich eine Tafel auf der die geologischen Schichten erläutert werden, die man dann in Natura in der gegenüberliegenden Wand identifizieren kann.


                                    Eine Tafel erklärt die Geologie


                                    Der Inhalt der Tafel in Natura

                                    Nach 13 Kilometern erreiche ich den Beginn des Hermit Trails, den ich zurück in den Canyon einschlagen möchte.
                                    Kaum habe ich mich ein paar Meter von der Straße entfernt, treffe ich kaum noch andere Wanderer.
                                    Der Ranger im Backcountry Office hatte recht, der Hermit Trail ist tatsächlich atemberaubend!


                                    Der Hermit Trail bietet atemberaubende Ausblicke

                                    Lange Zeit verläuft er auf der Kante des „Redwall Limestone“
                                    Dieser Kalkstein ist von den darüber liegenden Sandsteinen rot gefärbt worden.
                                    Leider ziehen Wolken auf, und es scheint sich ein Unwetter zu nähern.


                                    Ein Unwetter zieht auf

                                    Kurz nachdem der Regen eingesetzt hat, erreiche ich eine kleine Hütte an der Santa Maria Spring in der ich mich erst einmal unterstelle. Louis Boucher, einer der Pioniere des Grand Canyon, hat in der Umgebung einige Jahre gelebt. Nach diesem „Einsiedler = Hermit“ wurde der Trail auch benannt. Bald gesellt sich ein Paar aus Arizona zu mir, mit dem ich mich während der Regen niederprasselt, gut unterhalte.
                                    Ein junges Mädchen, lediglich in Shorts und T- Shirt erscheint. Da sie weder eine lange Hose noch eine Regenjacke dabei hat, ist es zu ihrem Glück ja nicht mehr besonders weit bis zum Canyonrand. Ja, man kann bei einem Wettersturz im Grand Canyon auch an Unterkühlung sterben, wenn man überhaupt keinen Schutz gegen Kälte und Regen mitführt…

                                    Nach einiger Zeit lässt der Regen nach und bald darauf erscheint ein Regenbogen über dem Canyon, wahrscheinlich kein häufiges Ereignis in dieser trockenen Gegend.




                                    Regenbogen über dem Grand Canyon

                                    Die abziehenden Wolken bewirken tolle Lichtstimmungen, und ich komme aus dem Fotografieren kaum heraus.




                                    Schöne Lichtstimmungen nachdem das Unwetter abgezogen ist

                                    In der Anfangszeit des Canyon Tourismus war der Hermit Trail ein mit Stufen versehener, gut unterhaltener Weg. Mittlerweile gilt er aber als Wildnisroute, die nicht mehr unterhalten wird. Daher machen Felsstürze und die allgemeine Erosion den Trail zunehmend schwieriger.
                                    Irgendwann stößt der Hermit Trail dann auf den Tonto Trail, den ich ja für den Aufstieg zum South Rim verlassen hatte.

                                    Erst gegen 17 Uhr, kurz vor dem Dunkel werden, erreiche ich den ausgewiesenen Zeltplatz am Hermit Creek, wo ich rasch mein Zelt aufschlage und koche.

                                    Es wimmelt hier von Mäusen die an die Vorräte der Camper gelangen möchten. Während ich mein Essen zubereite, verschwindet einer der Nager in meiner Abfalltüte. Nun, mir steht mal wieder nicht der Sinn nach einer Fleischeinlage, aber ich möchte doch dem kleinen Plünderer eine Lehre erteilen. So nehme ich die Tüte, halte sie zu und schwenke sie wild um mich. Das müsste den Nager eigentlich schwindlig machen, aber merkwürdigerweise fällt die Maus nicht schwankend um, nachdem ich sie in die Freiheit entlasse, sondern springt munter davon…

                                    Später unterhalte ich mich noch lange mit meinen Nachbarn, Michael und Janessa, die nebenan zelten. Er macht eine Ausbildung zum Kampfpiloten beim Marinecorps und schildert, dass die Grundausbildung tatsächlich so sei, wie in dem Film „Full Metal Jacket“ geschildert.

                                    Michael wirkt keineswegs wie ein durchgeknallter Redneck, ist aber durchaus bereit dazu in einen der zahlreichen von Amerika geführten Kriege zu ziehen.

                                    Als ich am nächsten Morgen aufbrechen möchte, höre ich ein gewaltiges Getöse und stelle fest, dass sich in einer naheliegenden Wand ein Felsrutsch ereignet. Bevor das Schauspiel vorüber ist, kann ich noch die mächtige Staubwolke fotografieren.


                                    Der Felsrutsch hinterlässt eine Staubwolke

                                    Erst jetzt, im Licht des Morgens nehme ich wahr, was für eine herrliche Oase, mit klarem, plätscherndem Wasser der Hermit Creek ist.


                                    Hermit Creek

                                    Der weitere Verlauf des Tonto West Trail von hier ist nicht ganz offensichtlich. Zu viele von Tageswanderern die die Umgebung erkunden, ausgetretene Pfade führen in alle Richtungen. Aber bald habe ich den richtigen Weg gefunden und befinde mich wieder in der mir bereits bekannten, trocken- grandiosen Landschaft des Tonto Plateaus.




                                    Strahlendes Morgenlicht auf dem Tontoplateau

                                    Einige Zeit lang verläuft der Weg hoch über den grünen Wassern des Colorado. Seit dem Beamer Trail war ich dem Fluss nie mehr so nahe gekommen.


                                    Eine Zeit lang verläuft der Tonto Trail unmittelbar über dem Colorado

                                    Eigentlich wäre heute ein perfekter Wandertag. Aber leider erinnert der Lärm der Helikopter mehr an einen Flughafen als an einen vermeintlich unberührten Nationalpark. Absoluter Wahnsinn!

                                    Eine große Eidechse, die ich schon häufiger kurz gesehen hatte, ist zwar blitzschnell, dennoch gelingt es mir heute einmal sie zu fotografieren.


                                    Schöne, große Eidechse

                                    Manchmal führt der Trail durch Kakteengärten, die Konzentration erfordern. Es ist bestimmt kein Vergnügen, sich die scharfen Stacheln aus dem Fleisch zu ziehen!


                                    Ausgedehnte Kakteengärten erfordern Konzentration

                                    Bereits gegen Mittag erreiche ich Boucher Creek, eine weitere Oase mit klarem, fließendem Wasser. An der Einmündung des Topaz Canyon schlage ich mein Lager auf.
                                    Während ich einige Zeit lang im Schatten döse, mache ich mir die Mühe Gewicht und Energiegehalt meiner Vorräte für diesen Abschnitt zu errechnen.
                                    Dabei komme ich auf 1kg Nahrung pro Tag, was mir 4000 Kalorien liefert. Das hört sich zwar nach ziemlich viel an, dabei muss man aber bedenken, dass ich mittlerweile ja schon einige Wochen wandere und mein Körper seine Fettreserven schon weitgehend verbraucht hat.

                                    Gegen 14 Uhr breche ich wieder auf, um den Boucher Creek abwärts bis zum Colorado zu erkunden.


                                    Oberlauf des Boucher Creek

                                    Der Bach fließt nicht ständig an der Oberfläche, taucht aber immer wieder auf. Es ist erstaunlich, wie viel Leben so ein bisschen Wasser hervorzaubern kann.
                                    Es gibt hier sogar Kaulquappen und kleine Fische.
                                    Ich genieße es nur mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein und nehme mir die Zeit in Ruhe Libellen, Schmetterlinge und Heuschrecken zu fotografieren.












                                    Boucher Creek- ein Libellenparadies

                                    Zwar ist die Schlucht mit ihrem dunklen Gestein eigentlich ziemlich düster, aber im hellen Licht der Nachmittagssonne wirkt das überhaupt nicht so.


                                    Boucher Creek

                                    Nach zwei Stunden einfacher Talwanderung erreiche ich den Colorado, der hier durch eine mächtige Stromschnelle fließt. Das ist kein Zufall, denn die Seitenbäche schwemmen bei Überschwemmungen mächtige Blöcke in den Fluss, daher finden sich die schwierigsten Abschnitte des Colorado häufig an der Einmündung von Nebentälern.


                                    Beeindruckende Stromschnelle an der Mündung des Boucher Creek

                                    Hier gelingt es mir einen der Canyon- Zaunkönige zu fotografieren, deren melodischer Gesang typisch für die Schluchten ist.


                                    Canyon- Zaunkönig

                                    Für den Rückweg zum Lager benötige ich nur die halbe Zeit und bin rechtzeitig zum Sonnenuntergang wieder am Zelt.




                                    Sonnenuntergang am Boucher Creek

                                    Gegen 18 Uhr ist es dunkel, und es beginnt mal wieder die übliche Mäusebelagerung. Auch in meinem offenen Zelt ist der Rucksack vor den Nagern nicht sicher. Obwohl es hier keine größeren Bäume gibt, mache ich mir schließlich im Licht der Stirnlampe die Mühe, meine Vorräte mäusesicher in einer mickrigen Akazie aufzuhängen.

                                    Ab Morgen stehen mir 50 wasserlose Kilometer auf dem Tontoplateau bevor. Allerdings habe ich die Hoffnung noch etwas Wasser als Hinterlassenschaft des gestrigen Regens zu finden.
                                    http://geraldtrekkt.blogspot.de

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                                    • Wildniswanderer
                                      Erfahren
                                      • 08.11.2008
                                      • 402
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #78
                                      AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                                      Der Anstieg vom Boucher Creek zurück auf das Plateau ist ziemlich steil, aber schließlich bin ich wieder zurück in Licht und Weite.


                                      Weiter führt meine Wanderung über das Tonto Plateau

                                      Leider hält das schöne Wetter nicht, schon ab 8 Uhr ziehen Wolken auf, die sich immer mehr verdichten.


                                      Wolken ziehen auf

                                      Für kurze Zeit kann ich noch etwas blauen Himmel genießen, dann ist es fast den ganzen restlichen Tag bewölkt.



                                      Wie immer komme ich auf dem steinigen Plateau rasch vorwärts. Da ich ab Agate Canyon wieder durch eine Flugverbotszone laufe, lässt der Lärm der Hubschrauber auch bald nach.

                                      Dieser Teil des Tonto Trails wird nur relativ selten begangen, was sich auch deutlich am Wegezustand zeigt. Während man vorher oft einer Art Pfad folgen konnte, zeigen jetzt nur noch vereinzelte Steinhaufen, dass man in die richtige Richtung läuft.
                                      So ist es auch kein Wunder, dass ich in den nächsten zwei Tagen keinem anderen Menschen begegne.


                                      Was solls, ich genieße die Einsamkeit und bin ein wenig erleichtert, als ich im Sapphire Canyon auf kleine Pfützen in den Einsenkungen der Felsen stoße.
                                      Wer weiß, ob noch so eine Gelegenheit kommt, daher lasse ich mich auf den Bauch nieder und trinke mich erst mal satt.

                                      Aber meine Bedenkungen sollten sich nicht verwirklichen: In einem Nebenarm des Turqoise Canyon stoße ich auf regelrechte Pools aus denen ich meinen Wasservorrat ergänzen kann.

                                      Zwar ist ein bewölkter Tag nach so viel Sonnenschein nichts außergewöhnliches, aber die Landschaft gefällt mir mit blauem Himmel doch viel besser…

                                      Mein Nachtlager ohne Zelt schlage ich oberhalb des Turqoise Canyon auf und sehe der Mondsichel beim Aufgehen zu.

                                      Da ich jetzt weit genug in der Flugverbotszone bin, stört am nächsten Tag kein lärmender Hubschrauber mehr die Ruhe des inneren Grand Canyon.
                                      Von einem Weg kann nicht mehr die Rede sein. Würde ich nicht ab und zu auf ein Steinmännchen stoßen, könnte ich fast glauben, der erste Mensch hier zu sein, was ich aber natürlich keineswegs bin. Dementsprechend muss ich auch ab und zu etwas suchen, um auf der richtigen Route zu bleiben. Zwar ist es auf dem Plateau relativ egal wo man läuft, aber für die Umgehung der noch immer zahlreichen Seitenschluchten gibt es immer eine Ideallinie, die zu finden es gilt.

                                      Mir wird langsam klar, dass es jetzt nur noch wenige Tage sind, an denen ich Weite, Sonne, blauen Himmel und die Schönheit der Canyonlandschaft genießen kann.
                                      Noch in einiger Entfernung erscheint bereits der Teil des North Rim über den ich den Canyon verlassen will.
                                      Ein gewisses Gefühl der Wehmut ergreift mich, ich könnte durchaus noch so weiter wandern!


                                      Langsam heißt es Abschied vom Grand Canyon zu nehmen

                                      In Ruby- und Serpentine Canyon finde ich kleine Wasserlöcher auf den Felsen.
                                      Gut, dass es noch vor meinem Aufbruch zu dieser Etappe geregnet hatte, sonst wäre dieser wasserlose Abschnitt relativ schwierig zu bewältigen. Kein Wunder, dass ich hier niemanden treffe! Dafür entdecke ich die Spuren einiger Wildpferde, bekomme jedoch keines zu Gesicht.

                                      Bei der Umgehung eines namenlosen Canyons gibt es dann noch einmal einige etwas ausgesetzte Stellen.


                                      Manchmal ist der Sims viel schmaler!

                                      Da heute ruhiges Wetter herrscht, schlage ich mein Nachtlager ungeschützt auf dem Plateau auf. Leider erweist sich der Sonnenuntergang nicht als besonders spektakulär. Dafür kann ich mal wieder den grandiosen Nachthimmel voll funkelnder Sterne aus dem Schlafsack bewundern.

                                      In dieser Nacht konnte ich meinen Rucksack nicht aufhängen, daher ist es auch nicht erstaunlich, dass ich am nächsten Morgen eine Maus entdecke, die es irgendwie geschafft hat in meinen Rucksack zu gelangen und eine halbe Tüte Trailmix leer zu fressen!

                                      Heute Morgen laufe ich zunächst noch eine Zeit lang auf dem Plateau hoch über dem Colorado, dann steige ich in den South Bass Canyon ab. Der hier verlaufende Trail ist wesentlich deutlicher zu erkennen, als der Tonto Trail an den vorangegangenen Tagen. Die Erklärung hierfür ist, dass der Weg eine weitere Direktverbindung vom Südrand zum Colorado darstellt.
                                      Häufig laufe ich über glatt polierte Felsen und komme gut voran. Einmal entdecke ich den Schädel eines Wüstendickhornschafs mit Hörnern.


                                      South Bass Canyon

                                      Vor Erreichen des Flusses führt der Trail wieder aus dem Canyon heraus und verläuft dann ein Stück weit unmittelbar oberhalb des Colorado.
                                      Schließlich bewältige ich noch einen sehr steilen Abstieg und habe damit bereits gegen 10 Uhr eine Minisandbucht am Ufer des Flusses erreicht.
                                      Um meinen Weg auf der anderen Seite fortzusetzen möchte ich wieder ein Raft anhalten und die Besatzung bitten mich zum anderen Ufer zu bringen.

                                      Ein Stück weit flussaufwärts mache ich ein Raftcamp aus, und hege die Hoffnung, dass mich die Leute übersetzen wenn sie losfahren.
                                      Nach einiger Zeit sehe ich auch eine größere Gruppe, leider zu Fuß!
                                      Dennoch winke ich, da ich glaube, dass sie nur einen kurzen Spaziergang machen und später mit den Rafts losfahren.

                                      Nun, zunächst bin ich nicht ungeduldig, da normalerweise heute auch noch andere Boote vorbei kommen sollten.
                                      Allerdings tut sich stundenlang überhaupt nichts. Ich klettere auf einen hohen Granitfelsen am Ufer, der mir eine gute Übersicht gewährt und auf dem ich die Sonne genießen kann. Unter mir sehe ich im klaren Wasser zwei große Welse dicht am Ufer den Boden des Flusses absuchend.

                                      Als die Wandergruppe zurückkehrt, rufen Sie mir zu, dass sie heute nicht mehr weiter fahren. Eine Hoffnung zerplatzt!


                                      Hier warte ich stundenlang auf eine „Mitfahrgelegenheit“

                                      Mittlerweile warte ich bereits seit vier Stunden und beschließe daher ein Stück weit den Colorado zurückzuwandern und dann auf Höhe des Raftcamps zum Ufer hinab zu klettern. Da die Wände hier ziemlich steil abfallen, bin ich keineswegs überzeugt, ob diese Kletterpartie machbar ist, aber zumindest möchte ich es versuchen.
                                      Tatsächlich gelingt es mir auch eine halbwegs machbare Route zu finden.
                                      Ich bin jetzt genau gegenüber dem Lager der Rafter und mache durch Winken auf mich aufmerksam.
                                      Natürlich werde ich auch gesehen, aber zunächst scheint es als würde ich lediglich ignoriert!
                                      Offenbar wird ihnen mein intensives Rufen und Winken nach einiger Zeit doch ein wenig unangenehm. Daher setzt eines der Flöße über. Leider gibt mir der Raftguide aber nur zu verstehen, dass er mich nicht an Bord nehmen darf! Immerhin erkundigt er sich ob alles bei mir in Ordnung ist!
                                      In diesem Moment erscheint eine andere Gruppe von vier Rafts. Ich ärgere mich, dass ich meinen Platz am Ufer verlassen habe, wo man wesentlich besser hätte landen können, aber ich habe Glück, eines der Boote bewerkstelligt das Landemanöver trotz der schnellen Strömung und nach kurzer Fahrt haben wir das Lower Bass Camp erreicht, an dem die Gruppe heute ihr Nachtlager aufschlagen möchte.
                                      Alle sind sehr freundlich zu mir und ich werde gleich dazu eingeladen, die Nacht bei ihnen zu verbringen. Über das Verhalten des kommerziellen Guides sind sie ziemlich entsetzt, zumal wie ich erfahre, einige von ihnen selbst im Rafting Geschäft arbeiten.


                                      Die freundlichen Rafter haben mich über den Colorado gesetzt

                                      Bald erfahre ich, dass die 12- köpfige Gruppe aus der Gegend von Seattle in Washington stammt. Zwar betreiben drei von ihnen dort ein Raftunternehmen, dieses ist aber eine private Tour.
                                      Die Boote und sonstige Ausrüstung haben sie allerdings von einem ortsansässigen Unternehmen gemietet. Für ihren dreiwöchigen Trip mussten sie lediglich 1200 Dollar pro Person dafür bezahlen. Sie sind bereits seit 9 Tagen unterwegs, daher hat sich bereits eine gewisse Lagerroutine eingestellt.

                                      Der Lagerplatz liegt an einem ausgedehnten idyllischen Sandstrand. Während einige der Rafter sich ans Kochen machen, genießen andere erst einmal ein Bier oder einen Joint. Insgesamt herrscht eine freundliche, entspannte Atmosphäre und ich kann mich mit einigen der Rafter später am Lagerfeuer gut unterhalten.


                                      Relaxtes Lagerleben

                                      Nachdem ich ein letztes Mal im Sand unter den Sternen am Colorado geschlafen habe, breche ich noch in der Morgendämmerung wieder auf.
                                      Während unter mir der Colorado langsam verschwindet, taucht die aufgehende Sonne die Umgebung in sanfte Violetttöne.


                                      Morgenrot am Colorado

                                      Bald habe ich den Einstieg zum North Bass Trail gefunden, der mich zum Nordrand des Canyons zurückführen soll. Ebenso wie der Nankoweap Trail gehört er zu den schwierigsten Routen im Grand Canyon.
                                      Über die breite Schulter des Colorado Ufers gelange ich in das Tal des Shinumo Creek. Stellenweise zeugen in den Stein gehauene Stufen davon, dass auch dieser Trail in der Pionierzeit des Grand Canyon wesentlich stärker frequentiert wurde.

                                      Bald stoße ich auf das alte Lager von William Bass, nach dem der Weg benannt wurde. Bass gefiel der Canyon so, dass er sich hier dauerhaft nieder ließ. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen probierte er alles Mögliche, von der Suche nach Erzen bis zu geführten Maultiertouren in den Canyon. Dazu hatte er sogar eine Seilbahn über den Fluss konstruiert!
                                      Sein Lager voll Töpfe und Pfannen sieht ein wenig so aus, als sei er nur kurz abwesend und würde bald wieder kommen…


                                      Das Camp von William Bass

                                      Offenbar ist der Spaziergang hierher bei den Raftern beliebt, was zahlreiche Fußspuren zeigen. Ansonsten ist bald von einem Trail praktisch nichts mehr zu erkennen, und ich muss mir die günstigste Route entlang des Baches selber suchen.

                                      Als ein weiterer Bach einmündet, begehe ich den Fehler nicht auf die Karte zu schauen, sondern folge automatisch dem viel wasserreicheren Gewässer.
                                      Das Vorankommen weiter talaufwärts ist ziemlich schwierig, oft muss ich über Steine hüpfend die Seite wechseln.
                                      Aber was solls, dieser Bach mit seinen kleinen Stromschnellen und Wasserfällen stellt ein weiteres Paradies dar. Der Unterschied zwischen der kargen Wüstenvegetation aus Kakteen und Agaven zu dem üppig- grünem Ufersaum voller Ried, Pappeln und Weiden ist frappierend.


                                      Flint Creek- ein wasserreiches Paradies

                                      Die Schlucht wird zunehmend enger und dann stehe ich vor einem hohen Wasserfall.
                                      Erst jetzt schaue ich auf die Karte und stelle fest, dass ich statt dem Shinumo, Flint Creek gefolgt bin! Zweieinhalb Stunden Umweg! Aber gut, wer es nicht im Kopf hat, muss es halt in den Beinen haben!
                                      Einmal beobachte ich zwei amerikanische Wasseramseln, die sich sogar fotografieren lassen.


                                      Amerikanische Wasseramsel

                                      Gegen Mittag bin ich zurück am Shinumo Creek. Dieser führt zwar deutlich weniger Wasser, dennoch entdecke ich kleine Fische und natürlich bezaubern mich wieder zahlreiche, bunte Libellen.
                                      Offenere Abschnitte und enge Schluchten wechseln einander ab.


                                      Shinumo Creek

                                      Nachmittags treffe ich zu meiner Überraschung auf zwei weitere Wanderer: Scott ist ehemaliger Philosophie Professor und Peter hat seine Brötchen als Nervenarzt verdient. Beide haben die 64 überschritten, sind aber noch beweglich und fit. Jedes Jahr treffen sie sich zu einer möglichst speziellen Wanderung. In diesem Jahr haben sie eine 11- tägige weitgehend weglose Tour im Grand Canyon absolviert, die auch für viel jüngere Leute mit Sicherheit sehr anspruchsvoll wäre.


                                      Scott und Peter

                                      Zunächst unterhalten wir uns nur kurz, da wir in die gleiche Richtung laufen, treffen wir uns bei Pausen aber stets wieder.
                                      Die beiden müssen übermorgen am Flughafen von Las Vegas sein und haben ihren Mietwagen im Wald des Kaibab Plateaus geparkt.
                                      Ursprünglich hatte ich geplant auf dem Plateau zurück zum North Rim Village zu laufen und dort meine Wanderung zu beenden. Allerdings erscheint die Gelegenheit verführerisch die Beiden nach einer Mitfahrgelegenheit zu fragen. Denn mir ist klar, dass auf dem Nordrand Ende Oktober das Wetter schnell umschlagen kann. Und sobald die ersten stärkeren Schneefälle niedergehen, wird die Straße zum Nordrand des Canyon nicht mehr geräumt, das heißt es gibt dann auch keinen Verkehr mehr…

                                      Nach kurzer Überlegung frage ich die Beiden bei einer weiteren Pause, ob sie mich mitnehmen können, was sie gerne zusagen.
                                      So kommt es, dass ich das letzte Stück meiner langen Wanderung in Gesellschaft laufe.

                                      Mittlerweile haben wir den Sandstein verlassen und bewegen uns jetzt durch Kalkstein. Daher gibt es auch fast höhlenartige Durchgänge und vom Wasser ausgewaschene Terrassen.
                                      Einige Zeit lang laufen wir im trockenen Bett des White Creek, bis nach einer Weile wieder etwas fließendes Wasser auftaucht.


                                      Faszinierende, glatt geschliffene Becken

                                      Erst gegen 17.30 schlagen wir unser Lager auf. Da ich mich nicht aufdrängen möchte, laufe ich noch ein Stück weiter. Aber nachdem ich meine Matte im Sand ausgerollt und gekocht habe, besuche ich die Beiden und wir plaudern unter dem hellen Licht des halben Mondes noch lange miteinander.

                                      Der Pfad entfernt sich am nächsten Morgen bald vom White Creek und steigt in Serpentinen recht steil an. Wir merken, dass wir schon einiges an Höhe gewonnen haben an den Veränderungen der Vegetation. Dichte Gebüsche aus Wacholdern und rotstämmigen Manzanitas säumen den Trail.
                                      Da ich auf meine aufgrund ihres Alters etwas langsameren Mitwanderer Rücksicht nehme, habe ich recht viel Zeit die Ausblicke ins Tal zu genießen.


                                      Ausblicke zurück in das Tal des White Creek

                                      Wir sind froh, dass der Trail jetzt recht gut zu erkennen ist, denn weglos wäre es ziemlich mühsam sich durch den dichten Busch zu kämpfen.


                                      Je höher wir steigen, desto dichter wird die Vegetation

                                      Der Nordrand des Canyon erscheint zwar schon zum Greifen nahe, aber noch liegen einige Stufen vor uns.


                                      Bevor wir den Nordrand erreichen, sind noch etliche Stufen zu erklimmen

                                      Unterhalb des Muav Saddle stoßen wir auf eine liebliche Quelle, die von Farnen, Moosen und sogar einigen Orchideen üppig eingefasst ist.
                                      Bald darauf haben wir den Sattel erreicht. Hier liegt im Kiefernwald versteckt eine offene Hütte, Teddys Cabin. Sie verfügt über Bettgestelle und sogar ein Gästebuch.

                                      Hier am Muav Saddle stoße ich auch wieder auf den Hayduke Trail, dessen Originalroute vom North Rim Village über Forstwege hierher führt.
                                      Das Zwischenstück zwischen Grand Canyon und Zion Nationalpark, wo die Route endet, führt im Wesentlichen über Nebenstraßen durch trockenes Farmland, daher hatte ich von vornherein diesen Abschnitt nicht vorgehabt zu laufen.

                                      Bevor wir den Nordrand erreichen, liegen noch einmal eineinhalb Kilometer Aufstieg vor uns, doch schließlich gelangen wir gegen 13.00 an den Trailhead des North Bass Trails am Ende einer Forststraße.
                                      Das Auto meiner neuen Freunde ist allerdings noch ziemlich weit entfernt an einem anderen Forstweg auf dem Kaibab Plateau geparkt.

                                      Da die weglose Navigation mit Karte und Kompass auf dem dicht bewaldeten Plateau nicht einfach ist, schlage ich vor, Wegpunkte aus der Karte auf mein GPS zu übertragen. Das Wandern mit GPS ist neu für Scott und Peter, aber sie sind sehr interessiert daran.
                                      Allerdings haben die Beiden gute Karten im Maßstab 1:24.000. Diese haben sie sich bei MyTopo.com individuell zusammengestellt und ausdrucken lassen. Das hat den Vorteil, dass man Ausschnitte für die man unter Umständen mehrere Karten kaufen müsste, auf einem Ausdruck unterbringen kann.

                                      Zunächst folgen wir für einige Kilometer einer Forststraße. Lediglich ein Auto begegnet uns. Der Fahrer verrät uns, dass für Morgen ein Wettereinbruch mit Schnee und Sieben Grad Kälte angesagt ist! Als ich das höre, bin ich ziemlich zufrieden mit meiner Entscheidung bei Peter und Scott mitzufahren.

                                      Schließlich verlassen wir die Piste und laufen weglos durch den Kiefernwald des Plateaus. Wir haben Glück und treffen auf keine große, ehemalige Waldbrandfläche die jetzt mit dichtem Bewuchs bewachsen wäre.
                                      Statt dessen geht es meist durch gut zu durchwandernden Hochwald.


                                      Einfach zu durchwandernder Kiefernwald auf dem Kaibab Plateau

                                      Scott beherrscht die Navigation mit Karte und Kompass ziemlich gut, daher bin ich überzeugt, dass die Beiden auch ohne GPS vermutlich fast ebenso schnell ihr Auto wiedergefunden hätten.

                                      Obwohl wir gut vorankommen, sitzt uns die Zeit im Nacken. Wenn meine neuen Freunde morgen Las Vegas erreichen wollen, müssen sie noch heute mit dem Auto das Plateau verlassen.

                                      Erst gegen 17 Uhr, etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang erreichen wir die Straße an der der Mietwagen steht. Allerdings sind es noch drei Kilometer bis dorthin.
                                      Ich biete den Beiden an, dass Sie warten, während ich ohne Gepäck rasch zum Auto jogge. Sie überlassen mir ohne zu zögern den Schlüssel und schon sprinte ich los.

                                      Ein wundervolles Abendrot begleitet uns, während wir durch den Kaibab National Forest fahren. Schließlich erreichen wir die Zufahrtsstraße zum North Rim und fahren dann weiter zu dem mir ja schon bekanntem Kanab, wo wir im selben Motel absteigen, in dem ich bei meinem ersten Aufenthalt geschlafen hatte.
                                      Während die Beiden morgen nach Las Vegas fahren, möchte ich zum Zion Nationalpark trampen, wo ich dann noch einen Tag Zeit habe, bevor ich mich auf den Rückweg nach Salt Lake City machen muss.
                                      http://geraldtrekkt.blogspot.de

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                                      • berniehh
                                        Alter Hase
                                        • 31.01.2011
                                        • 2625
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #79
                                        AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                                        Danke für den interessanten Bericht
                                        www.trekking.magix.net

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                                        • Vento
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                                          • 08.12.2009
                                          • 36
                                          • Privat

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                                          AW: [US] Hayduke Trail 2009- Zu Fuß durch Wüsten und Canyons des Colorado Platea

                                          Hallo Wildniswanderer,

                                          ich habe Deinen Bericht verschlungen wie sonst schon lange nichts mehr. Auch ich fliege im Juni mit meiner Freundin für 3 Wochen in die Region.

                                          Ich habe mal ne Frage.

                                          Mit welcher Kamera hast Du die Aufnahmen gemacht??

                                          Spiegelreflex
                                          System-Kamera
                                          Kompakt

                                          Danke nochmals für den Super-Reisebericht. Der war/ist echt jede Zeile werd.

                                          Gruß

                                          Kommentar

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