AW: Reisebericht Kamtschatka 2012
Scheitern - 19.7.
Die Nacht war bescheiden, der Boden hart und unverständlicherweise habe ich gefroren. Wir schaffen es aber erstaunlicherweise, pünktlich um acht loszukommen (das einzige Mal auf der gesamten Reise). Dazu haben sich jene, die ein ausgiebiges Frühstück brauchen, bereits um sechs Uhr aus dem Schlafsack gequält.

Packchaos am frühen Morgen
Die Überwindung lohnte sich, kommen wir doch in den Genuss eines mückenfreien Frühstücks. Diese hängen noch tief gekühlt in der Nachtstarre. Leider hält die Ruhe nicht lange vor und sobald es ein paar Grad wärmer wird, fallen die altbekannten Horden wieder über uns her. Der Weg zieht sich breit und sanft entlang des Flusstals, in der Ferne locken erstmals ein paar höhere Gipfel. Leider können wir den Anblick nicht wirklich genießen, da die Mücken heute wirklich eine Qual sind. Es ist nicht ganz so heiß wie die letzten Tage, noch dazu laufen wir durch ein Sumpfgebiet. Wir sind sicher, dass sich alle Mücken der Region hier versammelt haben, um auf uns zu warten. Andere Säugetiere haben wir nämlich noch nicht gesehen, von Bären ganz zu schweigen. Dabei soll es hier doch weltweit die größte Bärendichte geben… Wir halten das langsam für ein Gerücht und sind uns sicher, dass die Armen allesamt von den Blutsaugern leergesaugt worden waren. Und nun würde uns dasselbe blühen.

Endlich kommen Berge in Sicht
Die Mücken sind so lästig, dass ich heute mit Kopfnetz und langer Kleidung laufe, obwohl es eigentlich viel zu warm ist. Ich fühle mich wie eine wandelnde Sauna und habe das Gefühl, dass alles Wasser, das ich trinke, sofort wieder verdampft. Pausen machen wir nicht wirklich, keiner hat Lust, sich länger als nötig stehend aufzuhalten. So kämpfen wir uns in der zunehmenden Hitze weiter. Die Truppe zieht sich auseinander. Wir müssen etliche Sumpfstellen mühsam umgehen. Oder besser gesagt, mühsam von Grasbüschel zu Grasbüschel hüpfen. Das ganze Tal ist ein einziger Sumpf und die Fahrspur steht völlig unter Wasser. Immer wieder lassen wir Barbara und Arne mit ihren Lundhags voraus gehen, um den Weg zu erkunden. In dem kinnhohen Gewucher ist das gar nicht so einfach. Ich bin beim Überspringen der vielen kleinen Rinnsale und beim Grasbuschhüpfen mal wieder sehr froh um meine Stöcke und gebe sie gerne an die stocklosen weiter. Immer wieder sind auch kleinere Furten zu queren, die eine willkommene Abkühlung bringen.

Eine der vielen kleinen Furten...
Am späten Vormittag erreichen wir eine kleine Raststelle mit einer größeren Furt. Wir füllen die Wasserflaschen und einer der Jungs entdeckt bei einer Erkundungstour ein Plumpsklo an einer Jagdhütte. Ein fast mückenfreier Ort! Sofort bildet sich eine lange Schlange ungeduldig trampelnder Wandersleut, die sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wollen. Mückenlose Örtchen sind hier selten und so wird der Klogang regelmäßig zur Qual…
Unterdessen unterrichte ich die Wartenden im Finden eines geeigneten Wedels: ein junger Pappelast, der weder zu dünn, noch zu dick sein darf. Es werden nur die vorderen Blätter stehen lassen und man kann sich damit wunderbar die Mücken von Gesicht, Hals und den Beinen wegwedeln. Wohl die gesündeste Art des Antimück. Zwar funktionieren auch Weidenröschen, allerdings machen die nach einer halben Stunde schlapp. Ich stehe damit jedoch vor einem Dilemma: Stöcke oder Wedel?

Der perfekte Wedel
Es ist noch zu früh für eine Mittagspause und wir verabreden, diese beim nächsten Schattenplatz mit Wasser einzulegen. So ein Platz lässt allerdings auf sich warten, da der Weg das Flussufer verlässt und auch höhere Bäume nicht in Sicht sind. Der Weg führt in trockeneres Gebiet, während die Mittagshitze steigt. Zwar gibt es deutlich weniger Mücken, ich merke jedoch, dass ich zu wenig getrunken habe und bekomme leichte Kreislaufprobleme. Zusammen mit Kati schleppe ich mich weiter, die Schnelleren der Truppe sind inzwischen weit vor uns. Schließlich erreichen wir ein paar Bäume und beschließen, eine kurze Pause zu machen, dann eben ohne Wasser. Nicht weit von uns entfernt hören wir das lockende Gurgeln eines Baches, der allerdings durch undurchdringliches Gestrüpp von uns getrennt ist. Mit sehnsuchtsvollen Gesprächen über mückenfreie Gegenden, Kühle und schöne Berge vergeht die Zeit im Fluge, bis uns die Nachzügler einholen und wir zusammen zur Vorhut aufschließen. Diese waren nur zwei Kurven weiter an einer Furt gewesen. So kanns manchmal gehen. Wir verlängern die Pause noch eine Weile, um den großen Durst zu löschen und stiefeln dann weiter. Die endgültige Entscheidung, ob wir heute noch über den Pass gehen, verschieben wir auf die nächste Furt, wo wir das letzte Mal für eine längere Strecke Wasser und damit eine Zeltmöglichkeit haben würden. Der Nachmittag neigt sich wieder dem Ende entgegen und im schönen Licht gehen wir durch ein schmaler werdendes Nebental der Bystraja. Der Weg ist angenehm zu laufen, die zu überwindenden Höhenmeter kaum spürbar, nur hin und wieder müssen Sumpfstellen mühsam und weitläufig umgangen werden. Wir wollen uns nicht ausmalen, wie der Weg bei schlechterem Wetter aussehen würde.

Der hats gut auf seinem Aussichtspunkt
Gegen 18 Uhr erreichen wir die besagte Furt und diskutieren über ein Weitergehen oder Hierbleiben. Es kommt zu einer Diskussion zwischen den langsameren der Truppe und den schnelleren, die ihren Wunsch nach dem Vulkan nun endgültig schwinden sehen. Die Enttäuschung ist groß, keine Bären, keine Fische, keine spektakulären Landschaften und nun auch noch keinen Vulkan. Es besteht das Angebot, die Truppe zu spalte, wir schnelleren sollten weitergehen und die anderen auf dem Rückweg wieder abholen. Dies wird jedoch einstimmig abgelehnt. Wir haben dies hier aber als Gruppe angefangen und es besteht keine Option einer Spaltung, vor allem nicht hier draußen. So begraben wir den Vulkan. Wir einigen uns, morgen ohne Gepäck zum Pass zu gehen, um den Vulkan wenigstens sehen zu können und danach umzukehren, um einen stressfreien Rückweg zu garantieren. Schließlich erwarten uns auch auf dem Rückweg noch „wilde“ Wegstrecken. Wir erkoren den am ersten Tag gesichteten See als unser Ziel. Wir wollten auf dieser Flussseite bis zur Rangerstation des ersten Tages gehen und hoffen, dass von dort aus ein Weg zum See führt. Im schlimmsten Fall hätten wir 8 km Wildnis, im besten Fall würden wir noch ein, zwei extra Ruhetage in Esso einlegen können. Auch die Aussicht auf schlechter werdendes Wetter in den nächsten Tagen machte den vorzeitigen Abbruch etwas leichter. Zwar ist so etwas nie schön, aber auch diese Erfahrung gehört dazu und zeigt, dass eben nicht alles vorher planbar ist. Ich persönlich fand es nicht schlimm. Ich hatte mich vorher nicht mit der Planung beschäftigt, also auch keine Erwartungen aufgebaut, die nun enttäuscht werden konnten. In den letzten Tagen hatte ich mich auch an das eher gemütlichere Gesamttempo der Truppe gewöhnt. Zwar waren die Wildnis-Tage kein Spaziergang, aber insgesamt war das bisher mein entspanntester Trekkingurlaub und den begann ich so richtig zu genießen. Das Zusammensein in der Truppe, die lustige Atmosphäre und das Lagerleben insgesamt sind wichtiger geworden, als Kilometerleistungen und das Erreichen von Zielen. Und auf der zweiten Tour würden wir hoffentlich auch eine etwas spektakulärere Landschaft haben.
In gereinigter Gruppenatmosphäre finden wir nach etwas Suchen einen einigermaßen akzeptablen Zeltplatz, begehen unser allabendliches Reinigungs- und Kochritual und fallen recht bald ins Bett.

Abendessen
Scheitern - 19.7.
Die Nacht war bescheiden, der Boden hart und unverständlicherweise habe ich gefroren. Wir schaffen es aber erstaunlicherweise, pünktlich um acht loszukommen (das einzige Mal auf der gesamten Reise). Dazu haben sich jene, die ein ausgiebiges Frühstück brauchen, bereits um sechs Uhr aus dem Schlafsack gequält.
Packchaos am frühen Morgen
Die Überwindung lohnte sich, kommen wir doch in den Genuss eines mückenfreien Frühstücks. Diese hängen noch tief gekühlt in der Nachtstarre. Leider hält die Ruhe nicht lange vor und sobald es ein paar Grad wärmer wird, fallen die altbekannten Horden wieder über uns her. Der Weg zieht sich breit und sanft entlang des Flusstals, in der Ferne locken erstmals ein paar höhere Gipfel. Leider können wir den Anblick nicht wirklich genießen, da die Mücken heute wirklich eine Qual sind. Es ist nicht ganz so heiß wie die letzten Tage, noch dazu laufen wir durch ein Sumpfgebiet. Wir sind sicher, dass sich alle Mücken der Region hier versammelt haben, um auf uns zu warten. Andere Säugetiere haben wir nämlich noch nicht gesehen, von Bären ganz zu schweigen. Dabei soll es hier doch weltweit die größte Bärendichte geben… Wir halten das langsam für ein Gerücht und sind uns sicher, dass die Armen allesamt von den Blutsaugern leergesaugt worden waren. Und nun würde uns dasselbe blühen.
Endlich kommen Berge in Sicht
Die Mücken sind so lästig, dass ich heute mit Kopfnetz und langer Kleidung laufe, obwohl es eigentlich viel zu warm ist. Ich fühle mich wie eine wandelnde Sauna und habe das Gefühl, dass alles Wasser, das ich trinke, sofort wieder verdampft. Pausen machen wir nicht wirklich, keiner hat Lust, sich länger als nötig stehend aufzuhalten. So kämpfen wir uns in der zunehmenden Hitze weiter. Die Truppe zieht sich auseinander. Wir müssen etliche Sumpfstellen mühsam umgehen. Oder besser gesagt, mühsam von Grasbüschel zu Grasbüschel hüpfen. Das ganze Tal ist ein einziger Sumpf und die Fahrspur steht völlig unter Wasser. Immer wieder lassen wir Barbara und Arne mit ihren Lundhags voraus gehen, um den Weg zu erkunden. In dem kinnhohen Gewucher ist das gar nicht so einfach. Ich bin beim Überspringen der vielen kleinen Rinnsale und beim Grasbuschhüpfen mal wieder sehr froh um meine Stöcke und gebe sie gerne an die stocklosen weiter. Immer wieder sind auch kleinere Furten zu queren, die eine willkommene Abkühlung bringen.
Eine der vielen kleinen Furten...
Am späten Vormittag erreichen wir eine kleine Raststelle mit einer größeren Furt. Wir füllen die Wasserflaschen und einer der Jungs entdeckt bei einer Erkundungstour ein Plumpsklo an einer Jagdhütte. Ein fast mückenfreier Ort! Sofort bildet sich eine lange Schlange ungeduldig trampelnder Wandersleut, die sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wollen. Mückenlose Örtchen sind hier selten und so wird der Klogang regelmäßig zur Qual…
Unterdessen unterrichte ich die Wartenden im Finden eines geeigneten Wedels: ein junger Pappelast, der weder zu dünn, noch zu dick sein darf. Es werden nur die vorderen Blätter stehen lassen und man kann sich damit wunderbar die Mücken von Gesicht, Hals und den Beinen wegwedeln. Wohl die gesündeste Art des Antimück. Zwar funktionieren auch Weidenröschen, allerdings machen die nach einer halben Stunde schlapp. Ich stehe damit jedoch vor einem Dilemma: Stöcke oder Wedel?
Der perfekte Wedel
Es ist noch zu früh für eine Mittagspause und wir verabreden, diese beim nächsten Schattenplatz mit Wasser einzulegen. So ein Platz lässt allerdings auf sich warten, da der Weg das Flussufer verlässt und auch höhere Bäume nicht in Sicht sind. Der Weg führt in trockeneres Gebiet, während die Mittagshitze steigt. Zwar gibt es deutlich weniger Mücken, ich merke jedoch, dass ich zu wenig getrunken habe und bekomme leichte Kreislaufprobleme. Zusammen mit Kati schleppe ich mich weiter, die Schnelleren der Truppe sind inzwischen weit vor uns. Schließlich erreichen wir ein paar Bäume und beschließen, eine kurze Pause zu machen, dann eben ohne Wasser. Nicht weit von uns entfernt hören wir das lockende Gurgeln eines Baches, der allerdings durch undurchdringliches Gestrüpp von uns getrennt ist. Mit sehnsuchtsvollen Gesprächen über mückenfreie Gegenden, Kühle und schöne Berge vergeht die Zeit im Fluge, bis uns die Nachzügler einholen und wir zusammen zur Vorhut aufschließen. Diese waren nur zwei Kurven weiter an einer Furt gewesen. So kanns manchmal gehen. Wir verlängern die Pause noch eine Weile, um den großen Durst zu löschen und stiefeln dann weiter. Die endgültige Entscheidung, ob wir heute noch über den Pass gehen, verschieben wir auf die nächste Furt, wo wir das letzte Mal für eine längere Strecke Wasser und damit eine Zeltmöglichkeit haben würden. Der Nachmittag neigt sich wieder dem Ende entgegen und im schönen Licht gehen wir durch ein schmaler werdendes Nebental der Bystraja. Der Weg ist angenehm zu laufen, die zu überwindenden Höhenmeter kaum spürbar, nur hin und wieder müssen Sumpfstellen mühsam und weitläufig umgangen werden. Wir wollen uns nicht ausmalen, wie der Weg bei schlechterem Wetter aussehen würde.
Der hats gut auf seinem Aussichtspunkt
Gegen 18 Uhr erreichen wir die besagte Furt und diskutieren über ein Weitergehen oder Hierbleiben. Es kommt zu einer Diskussion zwischen den langsameren der Truppe und den schnelleren, die ihren Wunsch nach dem Vulkan nun endgültig schwinden sehen. Die Enttäuschung ist groß, keine Bären, keine Fische, keine spektakulären Landschaften und nun auch noch keinen Vulkan. Es besteht das Angebot, die Truppe zu spalte, wir schnelleren sollten weitergehen und die anderen auf dem Rückweg wieder abholen. Dies wird jedoch einstimmig abgelehnt. Wir haben dies hier aber als Gruppe angefangen und es besteht keine Option einer Spaltung, vor allem nicht hier draußen. So begraben wir den Vulkan. Wir einigen uns, morgen ohne Gepäck zum Pass zu gehen, um den Vulkan wenigstens sehen zu können und danach umzukehren, um einen stressfreien Rückweg zu garantieren. Schließlich erwarten uns auch auf dem Rückweg noch „wilde“ Wegstrecken. Wir erkoren den am ersten Tag gesichteten See als unser Ziel. Wir wollten auf dieser Flussseite bis zur Rangerstation des ersten Tages gehen und hoffen, dass von dort aus ein Weg zum See führt. Im schlimmsten Fall hätten wir 8 km Wildnis, im besten Fall würden wir noch ein, zwei extra Ruhetage in Esso einlegen können. Auch die Aussicht auf schlechter werdendes Wetter in den nächsten Tagen machte den vorzeitigen Abbruch etwas leichter. Zwar ist so etwas nie schön, aber auch diese Erfahrung gehört dazu und zeigt, dass eben nicht alles vorher planbar ist. Ich persönlich fand es nicht schlimm. Ich hatte mich vorher nicht mit der Planung beschäftigt, also auch keine Erwartungen aufgebaut, die nun enttäuscht werden konnten. In den letzten Tagen hatte ich mich auch an das eher gemütlichere Gesamttempo der Truppe gewöhnt. Zwar waren die Wildnis-Tage kein Spaziergang, aber insgesamt war das bisher mein entspanntester Trekkingurlaub und den begann ich so richtig zu genießen. Das Zusammensein in der Truppe, die lustige Atmosphäre und das Lagerleben insgesamt sind wichtiger geworden, als Kilometerleistungen und das Erreichen von Zielen. Und auf der zweiten Tour würden wir hoffentlich auch eine etwas spektakulärere Landschaft haben.
In gereinigter Gruppenatmosphäre finden wir nach etwas Suchen einen einigermaßen akzeptablen Zeltplatz, begehen unser allabendliches Reinigungs- und Kochritual und fallen recht bald ins Bett.
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