Der Wald der Affen
Unser letzter Fluss sollte sowohl der längste, schönste und interessanteste sein.
Nach anderthalb Tagen am großen Strom fanden wir die Mündung des Flusses. Hier im Mündungsbereich hatten wir gerade die Angel ausgeworfen vom Boot aus, als wir eine sehr schön Begegnung hatten und ein (oder mehrere) Amazonasdelfine regelmäßig um unser Boot auftauchten.
Tatsächlich ist es recht schwer, so Einen mal zu fotografieren, da sie nur sehr kurze Zeit auftauchen und dann immer woanders. Versuche sie anzufüttern, haben leider nicht gefruchtet. Ich denke, die Tiere müssen schon eine längerfristige Bindung aufbauen, dass sie dann letztlich zu einem kommen.
Das beste, was wir von dem Delfin zu sehen bekamen
Hier gelang es uns auch noch einen netten Wels zu fangen, der ein tolles Abendessen abgeben sollte.
Wieder fuhren wir den breiten Schwarzwasserfluss, praktisch ohne jede Strömung hinauf. Die Tierwelt war hier schon deutlich reicher als in den anderen Flussläufen. Etliche male sahen wir Aras verschiedener Farben, Tukane und auch einen Adler. Ebenso merkte man im Wasser mehr Bewegung.
Riesiges Wespennest
Schwarzbussard (Buteogallus urubitinga)
Allerdings sind die Ufer hier schwierig, da es schlammige Steilhänge sind, die auch ordentlich bewachsen waren, also mussten wir für unser Camp erst mal schwer mit der Machete einen Weg frei schlagen und dann die Ausrüstung Stück für Stück hochhieven, teilweise mit dem Seil hochziehen. Das Boot blieb für diese Nacht in einem ausgetrockneten Nebenarm versteckt.
Hier blieben wir nur eine Nacht, hatten aber das mit Abstand köstlichste Fischmahl von allen. Dieser Wels hatte ein zartes buttriges Fleisch und wir konnten ihn am Stück braten, nachdem wir aus Ästen einen provisorischen Grillrost anfertigten.
Am kommenden Tag hatten wir einige großartige Tierbegegnungen angefangen mit einigen Schildkröten und einem versteckten Kaiman.
Sehr kurios war das Riesengürteltier, welches wir aufspürten.
Als wir den Fluss weiter hoch fuhren, hörten wir plötzlich ein lautes Scharren und auch durch die Gegen fliegende Erde aus einer Uferböschung.
Als wir näher kamen, entdeckten wir ein riesiges Gürteltier, das in aller Seelenruhe dabei war, einen Bau in die weiche Erde zu bauen.
Es war derart mit seiner Arbeit beschäftigt, dass es uns absolut nicht bemerkte und wir ruhig daneben stehen konnten, fotografieren und sogar noch reden konnten.
Wären wir Bösewichte gewesen, hätten wir das Gürteltier ohne große Probleme fangen und schlachten können.
Nachdem das Gürteltier endgültig in seinem neuen Bau verschwunden war, haben wir uns weiter auf den Weg gemacht und paddelten so weit, bis die Strömung im Oberlauf kein vorankommen mehr zuließ. Hier ließen wir uns wieder ein bisschen runter treiben, denn wir wollten zu einer schönen Sandbank, die perfekt für das nächste Lager wäre.
Die Routinen waren hier schon gut eingespielt und Feuer sowie Camp standen in Windeseile.
Wir verbrachten den nächsten Tag damit, die unmittelbare Umgebung zu erkunden und zu fischen. Ich war mit Istvan wieder im Wald und Fabian versuchte sich am Fischen.
Der amüsanteste Moment des Tages war mit Sicherheit der, als wir zum Camp zurück kamen und Fabian vergeblich, den ganzen Tag über versucht hatte irgendwas zu fangen und ich die Angel in die Hand nahm und halbherzig auswarf und Sekunden später einen riesen Piranha am Haken hatte.
Ich habe das dann mit meiner Lebensphilosophie erklärt, :”Man darf einfach nicht wollen und dann kommt das Glück von selbst”
Unser Basecamp von der anderen Seite aus gesehen
Warum gucke ich so böse ? Ich weiß es nicht
Da will man keinen Finger drin verlieren
Piranha mit Stockbrot
Ab diesem Zeitpunkt bissen auch die Viecher, aber verglichen mit dem Rio Tunia von unserer ersten Tour, war das Angeln schon mühseliger. Das liegt zuerst an der Jahreszeit, denn je höher der Wasserstand, desto schwieriger ist das klassische Fischen mit Rute, Haken und Köder/Blinker. Die Fische sind weiter verteilt und das Angebot an Nahrung ist sehr viel höher, aber auch daran, dass dieser Fluss zwar abgelegen ist, aber dennoch regelmäßig Indios herkommen und eine gewisse Gewöhnung an die Fischerei existiert.
Der Rio Tunia wird so gut wie nie mit Booten befahren und die Natur befindet sich dort noch in einem nahezu jungfräulichen Zustand. Otter und Affen scheren sich nicht um die seltsamen Menschen in ihren Booten und Fische, gerade Piranhas beißen geradezu im Minutentakt.
Von diesem Unterschied von, regelmäßig von Menschen frequentierter Wildnis und “absoluter Wildnis” liest man immer wieder aus allen Teilen der Welt.
In diesen Wäldern hörten wir mit Abstand die meisten Brüllaffen und so beschlossen wir uns explizit auf die Suche zu machen und wir führten in den kommenden Tagen mehrere Expeditionen an beiden Ufern aus.
Dem Brüllaffen Geschrei folgend, stießen wir auf unserem ersten Ausflug allerdings zuerst auf Totenkopfäffchen.
Gerade die kleinen Affenarten in der neuen Welt hält man beim unaufmerksamen Vorbeigehen oft für Vögel, weil ihr Gezwitscher sehr an Vögel erinnert. Beim zweiten Blick entdeckt man aber die ungewöhnliche Bewegung in den Ästen. Kein Vogel würde die Äste beim Abfliegen so biegen und solche Geräusche erzeugen.
Hat man den ersten entdeckt, dann sieht man es plötzlich und mehr und mehr tauchen aus dem Astwerk auf.
Auch die Äffchen stellten sich offenbar langsam auf uns ein und je länger wir verweilen, desto näher kamen sie an uns heran, vollführten tollkühne Stunts, oder liefen um uns herum durch das Astwerk.
Wir waren regelrecht von einer ganzen Totenkopf Affenbande umzingelt.
Erkundung des Regenwaldes
Humboldt Totenkopfäffchen (Saimiri cassiquiarensis)
Weit oben im Geäst bewegte sich aber noch etwas größeres, schwereres. Dies war kein Totenkopfäffchen, sondern es stellte sich als Wollaffe heraus und er war nicht alleine, sondern es war eine Mutter mit Jungtier. Diese Affen sind noch weitaus seltener und auch heimlicher als die recht verspielten Totenkopfaffen oder die lauten Brüllaffen.
Dass wir diese Mutter hier erwischen konnten, war mit Sicherheit einer der schönsten Momente der ganzen Tour.
Brauner Klammeraffe (Lagothrix lagotricha)
Die Brüllaffen, wegen derer wir eigentlich ursprünglich hierher kamen, haben sich aber nicht gezeigt, sondern man hörte sie nur in weiter Ferne.
Enttäuscht mussten wir uns aber keinesfalls zeigen, denn was Tierbegegnungen angeht, war dies der beste Tag bisher. Dennoch wollten wir auch noch die Brüllaffen aufspüren, was sich tatsächlich als die schwierigste Aufgabe herausstellte.
Zwar machen die Männchen einen Mordslärm, einen der lautesten im ganzen Tierreich und man müsste daher meinen, dass sie leicht aufzuspüren sind, aber tatsächlich sind diese Affen die vorsichtigsten, die ich kennengelernt habe. Zumindest in Zonen, in denen sie regelmäßig Kontakt mit Menschen haben.
Wann immer man sich den Affen nähert, bemerken sie einen, die Männchen verstummen und wechseln rasch die Bäume. Wir müssten schon ausgesprochen langsam und unauffällig am Boden schleichen, um ihnen im Schneckentempo näher zu kommen.
Letztlich haben wir es dann doch geschafft, einer Familie so nah zu kommen, dass wir schöne Fotos und Filmaufnahmen machen könnten. Da sie uns eine ganze Weile nicht bemerkten, konnten wir einiges an ihrem Familienleben mitbekommen. Weibchen, die ihre Jungtiere säugten, andere tobten durch das Astwerk, während das große Männchen von einer erhöhten Position aus den Überblick über all die anderen Tiere der Gruppe hatte.
Die Brüllaffen im Geäst
Das dominante Männchen
Wir wurden auch beobachtet
Im Wald entdeckten wir dann noch einen der größten Bäume, die wir jemals sahen. Es handelte sich um einen riesigen Kapokbaum (Ceiba Petandra) und vor allem die Kronenweite war enorm. Das muss ein halbes Fußballfeld gewesen sein.
Leider zeigen sich die Dimensionen auf Fotos schlecht
Zwar wäre es toll gewesen, auch noch einen der großen Drei, Jaguar, Anakonda oder Tapir zu erwischen, aber auch so hatten wir nun mitlerweile einige großartige Tiererlebnisse und das ist nun mal auch der Unterschied, wenn man auf eine Safari geht oder sich die ganzen Tiere selbst “erarbeiten” und zweiteres macht mir sehr viel mehr Spaß und es sind Erlebnisse, die sich viel tiefer einprägen.
Nun ging es nach fast einer Woche an diesem Camp langsam wieder zurück.
Wir paddelten auf den Hauptstrom und dort Stromaufwärts um ein kleines Indiodorf zu erreichen, wo wir uns auf unserem Hinweg schon angekündigt hatten und von wo wir einen Lift zurück nach Aracuara kriegen könnten.
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