Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Land: Kanada
Reisezeit: August 2008
Region/Kontinent: Nordamerika
In den Richardson Mountains
Die Idee
Zwar hatte ich Kanada schon zweimal besucht, war dabei aber nur bis in den Norden British Columbias gelangt. Die riesigen Wildnisgebiete des Yukon oder auch Alaskas kannte ich noch nicht.
Zunächst hatten die Fernsehberichte von Andreas Kieling mein Interesse an der Region neu entfacht. Dann lernte ich im Internet Richard kennen, einen jungen Österreicher der im nördlichen Yukon bereits zwei lange, abenteuerliche Wanderungen unternommen hatte, über die er auf seiner Webseite berichtete.
Bereits nach kurzer Beschäftigung mit der Möglichkeit einer Wanderung im Yukon stellte ich fest, dass diese gar nicht so schwer zu organisieren wäre.
Seit letztem Jahr kann man alle kanadischen Landkarten bis zum Maßstab 1:50.000 kostenfrei aus dem Internet herunterladen. Mit diesen Karten und d Google Earth ist auch die konkretere Planung unkompliziert durchzuführen. Zunächst dachte ich lediglich an eine lange Wanderung in den Richardson Mountains unmittelbar südlich des Polarkreises. Diese Berge sind über den Dempster Highway einfach zu erreichen. Der Dempster Highway ist eine über 700 Kilometer lange Schotterpiste, die aus der Nähe von Dawson City bis nach Inuvik im Delta des mächtigen Mackenzie Rivers führt.
Auch mein österreichischer Internetfreund Richard war schon dort gewandert, und die Bilder die er davon auf seiner Seite präsentierte, ließen die Gegend für mich ziemlich attraktiv erscheinen.
Dann stieß ich bei meinen Recherchen im Internet auf einen Bericht, in dem es darum ging, dass die Teilnehmer eines Adventure Race durch die alaskanische Wildnis ein so genanntes Packraft mitführten, um Flüsse zu überqueren.
Ein Boot, das leicht genug ist um bei einem Rennen im Rucksack mitgeführt zu werden? Nun, ich hatte mir ein ähnliches Boot der französischen Firma Sevylor schon einmal gekauft. Beim ersten Versuch damit stellte es sich als ziemlicher Schrott heraus…
Dennoch versuchte ich mehr über Packrafts herauszufinden, und stellte fest, dass damit bereits sehr anspruchsvolle Expeditionen durchgeführt wurden. Diese nur 2 kg schweren Boote sind also offenbar robust und wildwassertauglich.
Schnell war mir klar, welche fantastischen Kombinationen aus Wanderungen und Flussbefahrungen sich mit so einem leichten „Rucksackboot“ umsetzen lassen.
Leider konnte ich das Packraft nicht in Deutschland kaufen, sondern musste es direkt bei der Herstellerfirma aus den USA bestellen. Das klappte gut, und so hatte ich noch zwei Wochen Zeit vor meiner Abreise um das Boot zu testen.
Am 14.8 begann dann meine Reise in die Weiten des Yukon.
Start mit Hindernissen
Eigentlich denkt man, eine Ferienflieger- Linie wie Condor fliegt nur an sonnige Strände oder maximal noch Kurzurlauber in aufregende Städte. Aber nein, die Fluglinie steuert im Sommer zweimal wöchentlich die Kleinstadt Whitehorse an, die nur über 26.000 Einwoher verfügt. Allerdings ist Whitehorse die Hauptstadt des kanadischen Yukon Territoriums, welches eineinhalb mal so groß wie Deutschland ist, aber insgesamt nur ca. 32.000 Einwohner hat!
Die Erklärung dafür, dass Condor dort hin fliegt, ist die Liebe der Deutschen zur kanadischen Wildnis. Insbesondere Kanutouren auf dem Yukon Fluss sind sehr beliebt. So verwundert es auch nicht, dass die Kunden vor dem Schalter etwas „wild“ aussehen, als ob sie nicht einen langen Flug vor sich haben, sondern gleich lospaddeln. Statt Lederköfferchen werden Bootstonnen und Trekkingrucksäcke als Gepäck aufgegeben.
Nach ca. 4 Stunden überfliegen wir Südgrönland. Der Himmel ist klar, daher sind die türkisen, tief eingeschnittenen Fjorde, kargen abgerundeten Berge die aus dem dominierenden Schnee ragen und später Packeisfelder sehr beeindruckend. Da ich ja leider keinen Fensterplatz habe, muss ich mich in den Gang stellen um etwas zu sehen. Die großen, kanadischen Inseln beeindrucken mit ihren Tundraweiten durch die sich mäandernde Flüsse schlängeln.
Über dem Yukon hängen leider Wolken, daher bekommen wir erst beim Landeanflug etwas von der Landschaft zu sehen. Berge mit etwas Schnee und Wälder dominieren hier, erst kurz vor der Landung zeigt sich, dass da unten tatsächlich eine Stadt liegt!
Das ist der Yukon, ein Land in dem selbst die Hauptstadt in der Wildnis verschwindet, so mein erster Eindruck. Nach 9-stündigem Flug haben wir Whitehorse erreicht.
Ein lustiger Flughafenangestellter macht Witze und muntert die Angekommenen damit auf, dass die Schlange zum Einreiseschalter nicht mehr lang sei. Er ist halt ein typischer Kanadier, offen und freundlich. Am Schalter angekommen, werde ich nur gefragt, ob ich Waffen dabei habe, für meine
12 kg Essen im Rucksack interessiert sich niemand.
Nachdem sich das Gepäckband nicht mehr dreht, machen viele der mit mir Angekommenen lange Gesichter. Auch mein Rucksack ist offenbar nicht eingetroffen. Condor hat hier keine eigene Vertretung, daher reihen wir etwa 30 „Gepäcklosen“ uns am Schalter von Air North ein, die in Whitehorse die Condor Flüge abwickelt. Für jeden wird ein Formular ausgefüllt und im Computer geschaut, ob das Gepäck schon irgendwo aufgetaucht ist. Lediglich ein Paar erfährt, das ihre Koffer in Brüssel stehen. Wie die wohl dorthin gekommen sind?
Als ich an der Reihe bin, bekomme ich zu hören, dass die Angestellte glaubt, im günstigsten Fall bekäme ich meinen Rucksack in zwei Tagen, es könnte aber auch eine Woche vergehen und in seltenen Fällen würde Gepäck auch schon mal überhaupt nicht mehr auftauchen….
Deprimiert und ohnmächtig, will ich erst einmal einige kanadische Dollar einwechseln. Allerdings gibt es hier keine Wechselstube! Den Bankautomaten übersehe ich, daher stehe ich zunächst mal ohne kanadisches Geld da.
Ich denke, dass ist kein Problem, da ich mich anderen anschließen will um mir ein Taxi zu teilen. Taxi? An diesem Flughafen steht kein Taxi, vermutlich wegen unserer dreistündigen Verspätung !
Vor dem Flughafengebäude komme ich mit zwei Österreichern ins Gespräch. Außer einem Paddel fehlt den Beiden nichts von ihrer Ausrüstung. Sie wollen sich mit ihrem Schlauchboot zum Oberlauf des Hart River einfliegen lassen und über Hart und Peel River nach Inuvik paddeln, eine Strecke von 900 Kilometern. Da auch ich eine Strecke des Hart befahren will, kommen wir leicht ins Gespräch. Zufällig wollen sie auch ins selbe Hostel wie ich.
Bald kommt ein Bus, der in die Stadt fährt. Die Fahrerin hat kein Wechselgeld, daher können wir umsonst mitfahren!
Obwohl meine neuen Freunde ihren Proviant in Whitehorse kaufen wollen, ist ihr Gepäck sehr umfangreich. Aber zu dritt schaffen wir es problemlos, die zwei Blocks zum Hostel „Hide on Jeckel“ mit dem Gepäck zurückzulegen, schließlich habe ich ja nur noch bescheidene 5 kg dabei. Für ein Bett in einem 4-Personen Zimmer zahle ich 25 kanadische Dollar, die ich aber erst einmal von einem Bankautomaten in der Stadt mit meiner EC-Karte abhebe.
Das kleine Holzhaus wirkt von außen ziemlich unscheinbar, aber innen strahlt es eine gemütliche Atmosphäre aus. Es gibt eine große Auswahl an Büchern für die Gäste, sowie kostenloses Internet und eine Gemeinschaftsküche.
Nachdem ich mich eingerichtet habe, schlage ich den Weg ins Stadtzentrum ein. Zwar zeigt das Thermometer 15 Grad an, der kalte Wind lässt die Temperatur aber viel niedriger erscheinen. Dazu erinnert der graue Himmel eher an Herbst als an Hochsommer. Das kann ja ein kaltes Vergnügen werden, wenn ich meine Tour fast am Polarkreis starte!
Zunächst habe ich den Eindruck, dass hier in der Provinzhauptstadt die „Bürgersteige hochgeklappt sind“. Kaum ein Mensch ist auf der Straße und die zahlreichen Motels wirken grau und heruntergekommen. Allerdings erscheint die Main Street schon etwas belebter und einladender.
Die Mainstreet von Whitehorse
Der dortige Bücherladen, Mac’s Bookstore ist außerordentlich gut sortiert und lädt zum Schmökern in zahlreichen Büchern über den Yukon ein, die einen guten Vorgeschmack auf meine Tour bieten. Nachdem ich einige Lebensmittel eingekauft und eine Pizza gegessen habe, gehe ich zurück zum Hostel wo ich mich früh schlafen lege.
Bereits gegen 6 Uhr am nächsten Morgen ist es hell. Ich genieße eine heiße Dusche, dann mache ich es mir in der Gemeinschaftsküche gemütlich, wo für die Gäste gratis Kaffee zur Verfügung steht. Die Österreicher sind auch schon da. Offenbar sind die Beiden erfahrene Abenteurer, einer von ihnen hatte sogar schon einmal versucht den Denali in Alaska zu besteigen, der den Ruf als „kältester Berg der Welt“ genießt.
Dann rufe ich am Flughafen an, da ich darauf brenne zu erfahren, wo mein Rucksack ist. Ortsgespräche können aus dem Hostel umsonst geführt werden.
Mir fällt ein Stein vom Herzen, als ich erfahre, dass mein Gepäckstück durchaus in der Maschine war, aber nicht in Whitehorse ausgeladen wurde. Erst bei der nächsten Landung in Fairbanks/ Alaska wurde festgestellt, dass sich noch Gepäck das für Whitehorse bestimmt war, an Bord geblieben ist. Ich erfahre, dass die Sachen mit einem Bus noch heute hierher gefahren werden sollen, und voraussichtlich am Nachmittag ankommen.
Den Tag möchte ich nicht einfach so verstreichen lassen und nütze die Gelegenheit zu einer kleinen Wanderung in die Umgebung von Whitehorse. Das Wetter ist ganz anders als gestern. Obwohl es noch kühl und windig ist, scheint die Sonne aus einem klaren blauen Himmel. An dem alten Schaufelraddampfer SS Klondike vorbei, dessen Geschichte auf Tafeln erklärt wird, gehe ich zur Brücke über den Yukon.
Bis in die fünfziger Jahre verkehrte das Schiff noch regelmäßig auf dem großen Fluss.
Am Yukon in Whitehorse
Nachdem ich den breiten, rasant fließenden Yukon überquert habe, folge ich schmalen Pfaden durch die dichten Fichten- und Aspenwälder an seinem Ufer. Immer wieder sehe ich einige gelbe Hörnchen, die durch schnarrende Geräusche auf sich aufmerksam machen. Nur eine halbe Stunde vom Stadtzentrum entfernt, ist es bereits sehr ruhig.
Zu meiner Verwunderung gelange ich zu einem Staudamm. Durch die Kraft des Yukon wird Whitehorse mit Elektrizität versorgt. Eine hölzerne Fischtreppe (offenbar die längste der Welt), ermöglicht den Lachsen dennoch den Aufstieg über das Hindernis.
Hinter dem Staudamm schießen die Wassermassen mit erstaunlicher Gewalt zurück ins Flussbett. Hier möchte ich nicht Boot fahren!
Staustufe am Yukon in Whitehorse
Auf dem Stausee Lake Schwatka liegen zahlreiche Wasserflugzeuge und Boote. Die Südhänge des Sees sind so trocken, dass auf ihnen kein Wald wächst. Daher erlauben die Gras bewachsenen Steilhänge schöne Ausblicke. In die Hügel der Umgebung liegen noch eine ganze Reihe weiterer kleiner Seen eingebettet. Einmal sehe ich einen großen Greifvogel auf der Kante eines Grashangs sitzen. Aber als ich mich mit dem Teleobjektiv anschleichen will, wird er von einem Kolkraben vertrieben und ich habe das Nachsehen.
Zahlreiche Pfade, die zum Teil auch von Mountainbikes genutzt werden, durchziehen die Hügel und erlauben schöne Rundwanderungen. Bei einem Parkplatz beobachte ich längere Zeit zwei hübsche Streifenhörnchen, die offenbar an Menschen gewöhnt sind und sich daher aus der Nähe fotografieren lassen.
Streifenhörnchen
Zurück nach Whitehorse gelange ich über einen Radweg auf dem anderen Ufer des Yukon. Der weitläufige Robert Service Campingplatz wird von vielen Kanufahrern mit ihren Booten benutzt.
Nachdem ich im Hostel einige Brote als Mittagsmahlzeit gegessen habe, gehe ich in die Stadt. In Mac’ s Bookstore nehme ich die von mir reservierten topographischen Karten im Maßstab 1:250.000 in Empfang und stöbere noch ein wenig herum. Zahlreiche Bücher beschäftigen sich mit Grizzlybären und den von den braunen Riesen ausgehenden Gefahren.
In dem benachbarten, großen Outdoorladen Coast Mountain Sports, kann man sich mit allem versorgen, was man für die Wildnis benötigt.
Nachdem ich mir den Laden angesehen habe, laufe ich bis zum Ortsende, da ich nach einem guten Platz zum Trampen Ausschau halten will. Allerdings ist Whitehorse ziemlich weitläufig, daher gebe ich schließlich auf. Wahrscheinlich wird der schwierigste Teil des per Anhalter fahrens das Verlassen der Stadt werden !
Die Sonne lädt mich ein, ein Bier in einem Restaurant an der Straße zu trinken. Allerdings muss ich erfahren, dass Bier hier nur zusammen mit Essen serviert wird!
Als ich verspreche, mein Glas schnell auszutrinken, werde ich aber doch bedient!
Anschließend werfe ich noch einen Blick in das weitläufige Besucherzentrum des Yukon Territoriums. Dort erfahre ich, dass mir tatsächlich nur das Trampen bleibt, um nach Norden zu gelangen. Zwar fährt manchmal ein Bus bis Dawson City, aber nicht morgen!
Zurück im Hostel rufe ich wieder beim Flughafen an. Mit der Ankunft des Gepäcks am Nachmittag wird es nichts, erst im Lauf der Nacht soll der Bus eintreffen!
Da am nächsten Morgen schon früh ein Flug abgefertigt werden soll, ist das Personal dann damit beschäftigt. Daher soll ich meinen Rucksack erst am späten Morgen abholen. Das kommt für mich natürlich nicht in Frage, also verabrede ich, dass ich bereits bei Öffnung des Schalters um 5.30 meinen Rucksack in Empfang nehmen kann.
Am nächsten Morgen stehe ich pünktlich am Schalter, die Frau mit dem Schlüssel für den Gepäckraum kommt jedoch eine halbe Stunde später….
Kein Problem, ich kann meinen Rucksack in Empfang nehmen und noch heute Richtung Norden starten.
Nachdem ich mich von meinen neuen Bekannten im Hostel verabschiedet habe, schultere ich meinen Rucksack, und die Reise Richtung Norden kann beginnen!
Noch lache ich trotz meinem kleinen "Paket" auf dem Rücken
35 kg sind schon ein ziemliches Gewicht, aber da mein Bergans Rucksack, der über 130 l Volumen verfügt, eine gute Lastverteilung gewährt, komme ich mit ihm zurecht. Viel schwerer dürfte er aber nicht mehr sein!
Ich denke wenn ich an einer Tankstelle die Leute direkt anspreche und um einen Lift bitte, habe ich die größte Chance mitgenommen zu werden. Leider tankt zu dieser frühen Stunde an einem Samstag offenbar noch niemand…
Mir ist klar, dass das Verlassen der engeren Umgebung der Stadt wahrscheinlich ziemlich schwierig werden wird, daher winke ich ein Taxi heran, dass zufällig vorbeikommt. Ich frage den Fahrer, welchen Platz er für günstig hält, um jemanden zu finden, der nach Norden fährt. Der Alaska Highway, der Whitehorse weiträumig umgeht, sei der beste Ort hierfür, entgegnet er. Schnell sind wir uns über den Preis einig, und für 5 Dollar setzt er mich an der Fernstraße ab.
Ich stehe noch keine 5 Minuten als ein Auto hält. Sein Fahrer, ein Amerikaner mittleren Alters aus Kansas, ist unterwegs zu seinem neuen Job in Anchorage. Zwar war er nie zuvor in Alaska, freut sich aber sehr darauf den nördlichsten Bundesstaat der USA kennen zu lernen.
Leider zweigt meine Route, der Klondike Highway schon nach wenigen Kilometern von der Straße nach Alaska ab. Nun ja, Whitehorse liegt endgültig hinter mir, und meiner Erfahrung nach sind die Chancen mitgenommen zu werden an einer einsamen Straße in der Wildnis ziemlich gut.
Klondike Highway
Und richtig, wieder dauert es nur ein Paar Minuten, bis eine junge Frau hält. Ihr Auto sieht aus, als ob sie darin wohnt. Tatsächlich bestätigt sie meinen Eindruck! Zwar will sie sich irgendwann wieder eine Wohnung in Whitehorse suchen, aber den Sommer über schläft sie im Auto. Die Frau arbeitet auf einer Ökofarm in der Nähe, daher kann sie mich nur wenige Kilometer mitnehmen, bis Takhini Hot Springs.
Obwohl ich mich immer noch im engeren Dunstkreis der Provinzhauptstadt befinde, ist es erstaunlich, wie wenig Verkehr über die Straße rollt. Immer wieder tut sich minutenlang überhaupt nichts und die Stille des Waldes hüllt mich ein. Bis jetzt bin ich gut vorangekommen, daher bin ich optimistisch bald mitgenommen zu werden. Schließlich zähle ich sogar die passierenden Autos, um die Verkehrsdichte innerhalb einer Stunde zu bestimmen….
Nach etwas mehr als einer Stunde Wartezeit hält ein großer Van mit riesigem Bootsanhänger. „Could you give me a lift north“ frage ich die Fahrerin und bin überrascht als „Klar, steig ein“ als Antwort zurückkommt. Marion aus Freiburg hat Sport in Köln studiert. Als sie einen Aushang am Schwarzen Brett ihrer Hochschule las, dass ein deutsches Unternehmen im Yukon Kanu- Guides für die Sommersaison sucht, war sie gleich Feuer und Flamme. Schließlich hatte sie auch ein Jahr in Norwegen „Friluftsliv“ studiert, ein Fach bei dem alle möglichen Outdoorsportarten und generell das Leben in der freien Natur gelehrt werden. Bereits seit Mai ist Marion jetzt hier. In erster Linie begleitet sie Kanugruppen auf dem Yukon River, betätigt sich aber auch häufig als Fahrerin. So ist sie jetzt dabei eine Gruppe abzuholen, die einige Tage lang den Pelly River runter gefahren ist. Der Job macht ihr Spass, obwohl es so scheint, als würde die Abenteuerlust der jungen Deutschen ganz schön ausgenutzt. Die Guides müssen praktisch rund um die Uhr arbeiten, erhalten dafür aber nur einen Bruchteil der Entlohnung, die ein Kanadier für dieselbe Tätigkeit erhalten würde. Zudem scheint ihr deutscher Chef ein ziemlich unangenehmer Mensch zu sein, daher will Marion noch heute zusammen mit einem Kollegen kündigen!
Die Weite der Landschaft die vom bequemen Sitz des Vans aus an mir vorbeizieht ist beeindruckend. Dunkle, spitzkronige Fichtenwälder sind mit vielen Aspen durchsetzt. Immer wieder gelangen wir durch weite Waldbrandgebiete, die sich nur langsam wieder bewalden. Einmal sehen wir im Gebüsch etwas abseits der Straße ein hundeartiges, graufarbenes Tier. Für einen Wolf ist es zu klein und für einen Fuchs zu groß. Es ist ein Coyote. Die kleinen Cousins der Wölfe kommen nur im südlichen Yukon vor, weiter im Norden nicht.
Über eine weite Strecke verläuft der Highway parallel zum Yukon. Oberhalb der berühmten Five-Finger-Rapids halten wir an einem Aussichtspunkt, der einen schönen Blick über den Fluss bietet. Auch wenn ich lange den Eindruck hatte, dass wir alleine auf der Straße sind, gibt es hier etliche Touristen, alles Deutsche, was wir sofort hören…
Der Norden Kanadas scheint es meinen Landsleuten angetan zu haben, und auch Marion bestätigt, dass die größte Touristengruppe aus Deutschland kommt, und es auch viele Ausgewanderte im Land gibt.
Als ich ihr von meinem Vorhaben erzähle, ist sie sehr interessiert. Zwar hat sie am Dempster Highway noch nie eine Tour gemacht, aber von Transfers kennt sie die Gegend und ist von der Landschaft begeistert. Allerdings hält sie es für ziemlich leichtsinnig, dass ich weder Bärenspray noch Satellitenhandy für Notfälle dabei habe.
Eine Gruppe von Kunden, die auf dem Peel River unterwegs war, verlor ihre Boote, als ein Hochwasser nachts die Insel überschwemmte, auf der sie zeltete. Die Leute mussten mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden, was natürlich ein Vermögen kostet…
Wir unterhalten uns gut, daher verfliegt die Zeit in Windeseile. Bald haben wir Pelly Crossing erreicht, wo eine Brücke über den Pelly River führt und ein Indianerdorf liegt. Ein wenig wundere ich mich ja schon über das Schild am Ortseingang „Wir wollen keine Drogendealer hier“. So etwas würde man ja eher irgendwo in einem Großstadtslum vermuten!
An der Tankstelle vorbei marschiere ich über die Brücke, die den weiten Pelly River überspannt. Ein Zeltplatz an seinem Ufer scheint ein beliebter Endpunkt für Kanufahrten zu sein.
Es kommen relativ viele Fahrzeuge vorbei, allerdings merke ich schnell, dass es sich meist um Einheimische handelt. Es scheint fast, als würden sie ständig die Dorfstraßen rauf und runter fahren, denn nach einiger Zeit habe ich realisiert, dass ich immer wieder die gleichen Autos sehe!
Nach einer Stunde hält ein Wagen um mich mitzunehmen. Es ist Etienne aus Quebec, mit dem ich mich gestern Abend im Hostel unterhalten hatte!
Offenbar haben ihn meine Erzählungen vom Dempster Highway dazu angeregt nach Norden zu fahren. Allerdings hat er Kopfschmerzen und will daher heute nicht mehr sehr weit. Am Abzweig zum Wolf Creek Campground ein Stück hinter Stewart Crossing, wo er übernachten möchte, lässt er mich raus.
Jetzt bin ich tatsächlich mitten in der Wildnis gelandet. Um mich herum nichts als dichte Nadelwälder. Immerhin, die Sonne scheint, fast würde ein T-Shirt ausreichen.
Ich bin ganz zufrieden wie weit ich bisher gekommen bin, daher warte ich recht entspannt auf den nächsten Lift. Zwar ist der Verkehr noch dünner geworden, aber schon nach 20 Minuten hält ein Pick-up. Dave, 44 ist auf dem Weg nach Dawson City, wo er lebt. Als ich von meinen Plänen erzähle ist er sehr interessiert, da er selber auch schon etliche Wildnistouren unternommen hat, unter Anderem eine Durchquerung der Banks Insel und zu Fuß von Coppermine zum Eismeer. Abgesehen davon ist er auch beruflich viel draußen. Als Prospektor sucht er Rohstofflagerstätten. Wenn diese erfolg versprechend zu sein scheinen, verpachtet oder verkauft er seinen Claim. Ein Claim ist ein Stück Land, das jedermann abstecken darf um nach Rohstoffen zu suchen. Die Anmeldung bei der dafür zuständigen Behörde kostet nur wenige Dollar. Während er die ersten Jahre in diesem Geschäft lange Durststrecken zu überstehen hatte, läuft es offenbar seit einiger Zeit ganz gut für ihn. In der Regel werden seine Leute mit dem Hubschrauber in der Wildnis abgesetzt, und auch aus der Luft versorgt. Sie entnehmen Gesteinsproben, die anschließend im Labor analysiert werden.
Beim Wandern hat er auch nie Bärenspray dabei gehabt, aber wenn seine Leute in der Wildnis sind, führen sie Pfefferspray mit. Vor allem gegen aggressive Schwarzbären mussten sie es schon einige Male einsetzen. „Die Halbwüchsigen sind manchmal wie junge Punks, sie wollen Krawall machen, ohne wirklich gefährlich zu sein“.
Als wäre er bestellt, sehen wir einen etwa dreijährigen Schwarzbären im Gebüsch an der Straße, als wir uns über Bären unterhalten!
Inzwischen wirken die Bäume schon deutlich kleiner, und die Aspen tragen zum Teil bereits gelbe Blätter, während sie weiter im Süden noch völlig grün waren. Dave erzählt, dass die Herbstfärbung am Dempster Highway, voll im Gange sei. Außerdem erfahre ich, dass dies bisher der nasseste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen ist! Ich hoffe nur, dass der Frühherbst besser wird…
Schließlich erreichen wir gegen 17 Uhr den Beginn des Dempster Highway, wo Dave nach Dawson City abbiegt. Eine bebilderte Informationstafel erläutert Details zu der Piste.
Der Dempster Highway führt über 720 Kilometer nach Inuvik im Mackenzie Delta. Erst nach 600 Kilometer gelangt man zur ersten, kleinen Indianersiedlung. Dazwischen gibt es nur eine Tankstelle auf der Hälfte der Strecke und einige Campingplätze. Unmittelbar abseits der Straße beginnt die unberührte Wildnis.
Am Beginn des Dempster Highway
Alle Touristen halten hier, daher rechne ich mir gute Chancen aus, jemanden zu finden, der mich weiter mitnimmt. Und tatsächlich, schon nach kurzer Zeit hält ein deutsches Paar an der Informationstafel. Sie fahren einen großen Leihcamper, daher wage ich nicht zu hoffen, dass sie mich an Bord nehmen. Meiner Erfahrung nach nehmen Wohnwagenfahrer höchst selten Anhalter mit. Aber da ich die Beiden direkt anspreche, laden sie mich tatsächlich ein, bei ihnen mitzufahren!
Auf der gut ausgebauten Schotterpiste rollen wir mit nur 60 Stundenkilometern durch eine atemberaubende Landschaft, die immer schöner wird. Zwar sind jetzt Wolken aufgezogen und es regnet mitunter, aber wenn die Sonne zurückkommt strahlt die Natur förmlich in gelben und roten Farben. Sogar ein Regenbogen erscheint über den schroffen Granitbergen der Tombstone Mountains.
Stets halten wir nach Wild Ausschau, aber bis auf ein Stachelschwein am Straßenrand erspähen wir nichts. Dass die Straße nicht ganz ohne Tücken ist, merken wir, als ein entgegenkommendes Auto einen Stein hochwirbelt, der in der Windschutzscheibe des Campers landet, und ein Loch im Glas hinterlässt! Glücklicherweise haben die Beiden eine Versicherung für solche Fälle abgeschlossen.
Nach 70 Kilometern haben wir den Zeltplatz des Tombstone Mountain Nationalparks erreicht. Da das kleine Informationszentrum nicht mehr besetzt ist, kann sich jeder selbstständig einen Zeltplatz auf dem weitläufigen Waldgelände suchen, durch das ein Bach fließt. Schnell habe ich eine Kiesplattform mit Holztisch- und Bänken gefunden, der typischen Ausstattung auf nordamerikanischen Campingplätzen. Kaum habe ich den Platz entdeckt, als Greg und Patricia erscheinen. Die beiden haben den langen Weg von Seattle hierher in ihrem Subaru zurückgelegt. Der Campingplatz scheint voll zu sein, daher fragen sie ob sie sich den Platz mit mir teilen können. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, zumal sie die Kosten übernehmen, in dem sie einige Dollar in einen Umschlag legen und in eine Box werfen.
Das Paar ist ausgesprochen unterhaltsam und humorvoll. Schließlich ist er zwar ernsthafter Wissenschaftler hat aber ein Buch mit einem viel versprechendem Titel geschrieben „Evolutionsbiologie für Dummies“! Das setzt wahrscheinlich einen gewissen Sinn für Humor voraus…
Großzügig werde ich zu Whisky und Bier eingeladen. Zwar regnet es mittlerweile leicht, aber unter den Bäumen bleiben wir relativ trocken. Als wir uns gegen 23 Uhr in unsere Schlafsäcke zurückziehen ist es immer noch hell.
Früh am Morgen schlafen meine neuen Freunde noch. Nachdem ich ein Brot mit Erdnussbutter gegessen habe, baue ich mein Lager ab, und stehe gegen 8 Uhr wieder an der Straße. Offenbar viel zu früh, denn lange Zeit kommt kein Auto an mir vorbei.
Ein ungemütlicher Morgen am Dempster Highway
Es ist dunstig, sehr kühl und ungemütlich. Zwei Männer aus Ontario unternehmen Fernglas bestückt ihren Morgenspaziergang auf der Piste und unterhalten sich einige Zeit lang interessiert mit mir. Zu allem Überfluss beginnt es dann auch noch zu regnen. Aber wozu habe ich denn wasserfeste Paddelsachen dabei? So geschützt bleibe ich zwar trocken, dennoch wird es mit der Zeit ziemlich kalt. Nach über einer Stunde hält schließlich ein Camper, welch Überraschung, es ist das Paar, das mich schon gestern Abend mitgenommen hatte!
Die Straße schraubt sich nach oben in die baumlose Tundra. Teilweise ist es sehr neblig, keine Spur mehr von der gestrigen Farbenpracht. Wir sehen dreimal Schneehühner an der Straße und einige Pferde, auf die schon vorher Verkehrsschilder aufmerksam machten. Zu meiner Überraschung werden hier offenbar organisierte Reitausflüge angeboten.
Schließlich führt die Straße aus den Bergen heraus, und wir gelangen in das Fichten bestandene Tal des Blackstone Rivers. Glücklicherweise hat der Regen mittlerweile aufgehört, daher steht meinem Aufbruch nichts mehr im Weg. Kurz bevor sich der Blackstone wieder vom Dempster Highway entfernt, verlasse ich das nette Paar bei Kilometer 145 und schlage den Weg zum Fluss ein. Ich höre es zwar noch einmal hupen, denke mir aber nichts dabei. Erst später wird mir klar, dass ich meinen Hut im Camper liegen gelassen habe. Schade, aber jetzt nicht mehr zu ändern. Bei dem bewölkten Himmel ist erst mal sowieso kein Sonnenschutz notwendig….
Mit dem Packraft auf den Flüssen des Yukon
Dann stehe ich am Blackstone. Der Fluss scheint ziemlich viel Wasser zu führen und fließt mit rascher Strömung dahin. Bald habe ich ein gutes Plätzchen zum Einsetzen meines Miniboots gefunden, wo das Ufer nicht zu steil ist, und ich zunächst außerhalb der Strömung bin. Zum Aufblasen des nur 2 kg schweren Packrafts Yukon Yak der amerikanischen Firma Alpacka Rafts benötigt man keine Pumpe. Statt dessen verbinde ich eine Art „Müllsack“ per Gewinde mit dem Boot. Dann geht es darum möglichst viel Luft einzufangen und in das Packraft zu pressen. Dabei hilft es natürlich, wenn man den Sack in den Wind hält, aber auch bei Windstille kann man mit etwas „herumwirbeln“ schon eine ganz nette Luftmenge einfangen. Profis schaffen es in nur 2 Minuten die eine Luftkammer des Boots zu füllen, ich benötige etwa 10. Da es kein Ventil gibt entweicht immer wieder etwas Luft, daher muss man das Aufpumpen abschließen, indem man einige Luftzüge durch das separate Mundventil bläst.
Der Platz im Boot ist so bemessen, dass man zwar bequem darin sitzen kann, aber kein Platz für Gepäck vorhanden ist. Daher schnalle ich meinen 30 kg Rucksack mit vier Spannriemen vorne auf die Wülste des Bugs. Natürlich habe ich den Inhalt durch wasserdichte Beutel geschützt. Zusätzlich packe ich den Rucksack aber noch in große Müllsäcke ein. Um den direkten Kontakt mit dem kalten Wasser durch den dünnen Boden des Packrafts zu vermeiden, verwende ich meine leichte Luftmatratze als Sitzunterlage. Die Matte habe ich mit dem Boot gekauft, daher passt sie exakt in das Packraft.
Das Boot ist beladen natürlich extrem kopflastig, daher muss ich darauf achten, hinten ausreichend abzustützen, sonst lernt mein Rucksack schon jetzt das Tauchen!
Packraft bereit zum Ablegen!
Nachdem ich Boot und Gepäck vorbereitet habe, muss ich noch mich selber paddelbereit machen. Dazu verpacke ich meine Füße in Neoprensocken. Ich will vermeiden, dass die Stiefel durchnässt werden, daher trage ich beim Paddeln nur die Socken. Darüber kommt eine wasserdichte Latzhose mit Neoprenabschlüssen. Diese sind so eng, dass es jedes Mal ein größerer Akt ist, die Hose an- und auszuziehen. Oben trage ich T-Shirt, ein dünnes Fleece, einen alten Faserpelz und die wasserdichte Paddeljacke, die am Hals mit einem engen Neoprenbund abschließt. Darüber ziehe ich meine Schwimmweste. Zu guter letzt schütze ich meine Hände mit Neoprenhandschuhen.
Solchermaßen verkleidet komme ich mir wie ein dicker Bummi vor, aber die Wassertemperatur liegt bei nur 7 Grad, daher halte ich meine Montur für angebracht. Abgesehen davon ist es immer noch ziemlich kalt, so dass ich trotz der vielen Bekleidungsschichten nicht ins Schwitzen komme.
Nachdem ich mein vierteiliges Doppelpaddel zusammengebaut habe, lege ich ab!
Zwar habe ich das Packraft zu Hause in Marburg auf der Lahn getestet, aber das ist die Jungfernfahrt in wirklich strömendem Wasser.
Schnell wird mir klar, dass ich Schlagseite habe. Offenbar ist der Rucksack nicht richtig ausbalanciert. Zwar ist es umständlich sofort wieder an Land zu gehen, aber besser jetzt das Gepäck neu justieren, als in der ersten kleinen Stromschnelle zu kentern!
Doch schließlich bin ich endgültig bereit für das Abenteuer Blackstone River im Packraft. Ich habe großen Respekt vor dem schnellen, kalten Fluss. Daher paddele ich mit voller Konzentration. Diese ist auch notwendig, da sich das Gewässer häufig verzweigt, und es wichtig ist, den wasserreichsten Arm zu erwischen. Trotz der recht hohen Wasserführung ist der Fluss aufgrund der Verzweigungen oft ziemlich flach. Obwohl das Packraft kaum Tiefgang hat, kann es leicht zu Grundberührungen kommen. Das Boot wurde aus dem Kunststoff Urethan hergestellt und ist daher ziemlich robust. Aber häufig über Steine zu scheuern ist auch für das beste Material eine Herausforderung!
Es gibt hier zwar keine Stromschnellen mit hohen Wellen, dafür aber scharfe Kurven die häufiges Manövrieren erfordern. Unbeladen ist das kleine Boot zwar extrem wendig, dies sieht mit meinem schweren Rucksack aber etwas anders aus. Da das Packraft außerdem sehr langsam ist, ist vorausschauendes Fahren unumgänglich.
Dann ist es soweit, in einer engen Linkskurve manövriere ich nicht rechtzeitig zur Innenseite und werde von der Strömung in Richtung des Ufers gepresst. Das wäre an vielen Stellen kein großes Problem, allerdings hängt hier eine Weide ins Wasser!
Ich paddle wie verrückt, aber es nützt nichts, die Strömung ist zu stark und der Busch im Wasser kommt immer näher.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Weidenzweige unnachgiebig und katapultieren mich ins Wasser, oder die biegsamen Äste geben unter dem Gewicht des von der Strömung gegen sie gepressten Boots nach und lassen mich durch.
Ich habe Glück. Es schiebt und kracht, dann bin ich durch ohne im Wasser gelandet zu sein!
Zwar wäre bei einer Kenterung wahrscheinlich nicht viel passiert, ich bin ja auf so einen Fall vorbereitet, dennoch sitzt mir der Schock tief in den Knochen!
Daher lege ich jetzt vor jeder kritischen Stelle rechtzeitig an, und ziehe das Boot zweimal im flachen Wasser an einer Engstelle vorbei, bevor ich wieder einsteige.
Das wäre zwar beide Male eigentlich nicht nötig gewesen, aber ich bin nun übervorsichtig.
Zwar hat der Regen für heute offenbar tatsächlich aufgehört, aber es ist weiterhin windig und sehr kühl. Da der Fluss meine ständige Konzentration erfordert konnte ich bisher gar nicht so richtig die Umgebung in mich aufnehmen. Häufig ragen Kalkberge mit bleichen Schuttmassen über dem bewaldeten Tal auf.
Am ersten Tag will ich es langsam angehen lassen, daher schlage ich schon am frühen Nachmittag mein Lager auf. Das GPS zeigt, dass ich nur etwas mehr als 8 Kilometer in direkter Linie zurückgelegt habe. Bedingt durch die zahlreichen Windungen ist die tatsächliche Strecke aber erheblich länger gewesen.
Hinter der dichten Fichtengalerie am Ufer erstreckt sich ein Weidengürtel mit einigen offenen Grasflächen, wo ich mein Zelt aufschlage.
Nachdem ich Spaghetti mit Carbonarasauce gegessen habe, breche ich mit Kamera und Fernglas zu einem Erkundungsgang auf. Der dichte Schwarzfichtenwald ist im Unterwuchs mit Weiden und Zwergbirken bestanden. Zwar ist diese Vegetation nicht undurchdringlich, aber man kann auch nicht so einfach dahinschlendern. An vielen Stellen entdecke ich Elchlosung, große, braune zylinderförmige Pillen, aber es gelingt mir nicht, die Giganten des Yukon aufzuspüren. Lediglich ein Schneehase steht vor mir auf und ergreift die Flucht und ein gelbes Eichhörnchen schimpft über meine Anwesenheit. Leider komme ich nicht sehr weit, da ich schon bald an einen Seitenarm des Blackstone gelange. Das Packraft habe ich natürlich nicht dabei! Also bleibt mir nichts übrig als den Rückweg anzutreten. Dabei entdecke ich einen Lagerplatz mit Stangeneinzäunung für die Pferde, Bänken, Eimern und einem in einen Baum hochgezogenen Sack. Wahrscheinlich dienen die Pferde die ich am Dempster Highway gesehen hatte, auch als Transporttiere für Jagdausflüge. Ich tippe darauf, dass von dem Lager aus Elche gejagt werden.
Zwar klart es gegen Abend etwas auf, so dass sich ich die bizarren Kalkgebilde auf einem Berg am anderen Flussufer betrachten kann, aber es ist nach wie vor windig, kalt und ungemütlich.
Gegen Abend klart es auf
Reisezeit: August 2008
Region/Kontinent: Nordamerika
In den Richardson Mountains
Die Idee
Zwar hatte ich Kanada schon zweimal besucht, war dabei aber nur bis in den Norden British Columbias gelangt. Die riesigen Wildnisgebiete des Yukon oder auch Alaskas kannte ich noch nicht.
Zunächst hatten die Fernsehberichte von Andreas Kieling mein Interesse an der Region neu entfacht. Dann lernte ich im Internet Richard kennen, einen jungen Österreicher der im nördlichen Yukon bereits zwei lange, abenteuerliche Wanderungen unternommen hatte, über die er auf seiner Webseite berichtete.
Bereits nach kurzer Beschäftigung mit der Möglichkeit einer Wanderung im Yukon stellte ich fest, dass diese gar nicht so schwer zu organisieren wäre.
Seit letztem Jahr kann man alle kanadischen Landkarten bis zum Maßstab 1:50.000 kostenfrei aus dem Internet herunterladen. Mit diesen Karten und d Google Earth ist auch die konkretere Planung unkompliziert durchzuführen. Zunächst dachte ich lediglich an eine lange Wanderung in den Richardson Mountains unmittelbar südlich des Polarkreises. Diese Berge sind über den Dempster Highway einfach zu erreichen. Der Dempster Highway ist eine über 700 Kilometer lange Schotterpiste, die aus der Nähe von Dawson City bis nach Inuvik im Delta des mächtigen Mackenzie Rivers führt.
Auch mein österreichischer Internetfreund Richard war schon dort gewandert, und die Bilder die er davon auf seiner Seite präsentierte, ließen die Gegend für mich ziemlich attraktiv erscheinen.
Dann stieß ich bei meinen Recherchen im Internet auf einen Bericht, in dem es darum ging, dass die Teilnehmer eines Adventure Race durch die alaskanische Wildnis ein so genanntes Packraft mitführten, um Flüsse zu überqueren.
Ein Boot, das leicht genug ist um bei einem Rennen im Rucksack mitgeführt zu werden? Nun, ich hatte mir ein ähnliches Boot der französischen Firma Sevylor schon einmal gekauft. Beim ersten Versuch damit stellte es sich als ziemlicher Schrott heraus…
Dennoch versuchte ich mehr über Packrafts herauszufinden, und stellte fest, dass damit bereits sehr anspruchsvolle Expeditionen durchgeführt wurden. Diese nur 2 kg schweren Boote sind also offenbar robust und wildwassertauglich.
Schnell war mir klar, welche fantastischen Kombinationen aus Wanderungen und Flussbefahrungen sich mit so einem leichten „Rucksackboot“ umsetzen lassen.
Leider konnte ich das Packraft nicht in Deutschland kaufen, sondern musste es direkt bei der Herstellerfirma aus den USA bestellen. Das klappte gut, und so hatte ich noch zwei Wochen Zeit vor meiner Abreise um das Boot zu testen.
Am 14.8 begann dann meine Reise in die Weiten des Yukon.
Start mit Hindernissen
Eigentlich denkt man, eine Ferienflieger- Linie wie Condor fliegt nur an sonnige Strände oder maximal noch Kurzurlauber in aufregende Städte. Aber nein, die Fluglinie steuert im Sommer zweimal wöchentlich die Kleinstadt Whitehorse an, die nur über 26.000 Einwoher verfügt. Allerdings ist Whitehorse die Hauptstadt des kanadischen Yukon Territoriums, welches eineinhalb mal so groß wie Deutschland ist, aber insgesamt nur ca. 32.000 Einwohner hat!
Die Erklärung dafür, dass Condor dort hin fliegt, ist die Liebe der Deutschen zur kanadischen Wildnis. Insbesondere Kanutouren auf dem Yukon Fluss sind sehr beliebt. So verwundert es auch nicht, dass die Kunden vor dem Schalter etwas „wild“ aussehen, als ob sie nicht einen langen Flug vor sich haben, sondern gleich lospaddeln. Statt Lederköfferchen werden Bootstonnen und Trekkingrucksäcke als Gepäck aufgegeben.
Nach ca. 4 Stunden überfliegen wir Südgrönland. Der Himmel ist klar, daher sind die türkisen, tief eingeschnittenen Fjorde, kargen abgerundeten Berge die aus dem dominierenden Schnee ragen und später Packeisfelder sehr beeindruckend. Da ich ja leider keinen Fensterplatz habe, muss ich mich in den Gang stellen um etwas zu sehen. Die großen, kanadischen Inseln beeindrucken mit ihren Tundraweiten durch die sich mäandernde Flüsse schlängeln.
Über dem Yukon hängen leider Wolken, daher bekommen wir erst beim Landeanflug etwas von der Landschaft zu sehen. Berge mit etwas Schnee und Wälder dominieren hier, erst kurz vor der Landung zeigt sich, dass da unten tatsächlich eine Stadt liegt!
Das ist der Yukon, ein Land in dem selbst die Hauptstadt in der Wildnis verschwindet, so mein erster Eindruck. Nach 9-stündigem Flug haben wir Whitehorse erreicht.
Ein lustiger Flughafenangestellter macht Witze und muntert die Angekommenen damit auf, dass die Schlange zum Einreiseschalter nicht mehr lang sei. Er ist halt ein typischer Kanadier, offen und freundlich. Am Schalter angekommen, werde ich nur gefragt, ob ich Waffen dabei habe, für meine
12 kg Essen im Rucksack interessiert sich niemand.
Nachdem sich das Gepäckband nicht mehr dreht, machen viele der mit mir Angekommenen lange Gesichter. Auch mein Rucksack ist offenbar nicht eingetroffen. Condor hat hier keine eigene Vertretung, daher reihen wir etwa 30 „Gepäcklosen“ uns am Schalter von Air North ein, die in Whitehorse die Condor Flüge abwickelt. Für jeden wird ein Formular ausgefüllt und im Computer geschaut, ob das Gepäck schon irgendwo aufgetaucht ist. Lediglich ein Paar erfährt, das ihre Koffer in Brüssel stehen. Wie die wohl dorthin gekommen sind?
Als ich an der Reihe bin, bekomme ich zu hören, dass die Angestellte glaubt, im günstigsten Fall bekäme ich meinen Rucksack in zwei Tagen, es könnte aber auch eine Woche vergehen und in seltenen Fällen würde Gepäck auch schon mal überhaupt nicht mehr auftauchen….
Deprimiert und ohnmächtig, will ich erst einmal einige kanadische Dollar einwechseln. Allerdings gibt es hier keine Wechselstube! Den Bankautomaten übersehe ich, daher stehe ich zunächst mal ohne kanadisches Geld da.
Ich denke, dass ist kein Problem, da ich mich anderen anschließen will um mir ein Taxi zu teilen. Taxi? An diesem Flughafen steht kein Taxi, vermutlich wegen unserer dreistündigen Verspätung !
Vor dem Flughafengebäude komme ich mit zwei Österreichern ins Gespräch. Außer einem Paddel fehlt den Beiden nichts von ihrer Ausrüstung. Sie wollen sich mit ihrem Schlauchboot zum Oberlauf des Hart River einfliegen lassen und über Hart und Peel River nach Inuvik paddeln, eine Strecke von 900 Kilometern. Da auch ich eine Strecke des Hart befahren will, kommen wir leicht ins Gespräch. Zufällig wollen sie auch ins selbe Hostel wie ich.
Bald kommt ein Bus, der in die Stadt fährt. Die Fahrerin hat kein Wechselgeld, daher können wir umsonst mitfahren!
Obwohl meine neuen Freunde ihren Proviant in Whitehorse kaufen wollen, ist ihr Gepäck sehr umfangreich. Aber zu dritt schaffen wir es problemlos, die zwei Blocks zum Hostel „Hide on Jeckel“ mit dem Gepäck zurückzulegen, schließlich habe ich ja nur noch bescheidene 5 kg dabei. Für ein Bett in einem 4-Personen Zimmer zahle ich 25 kanadische Dollar, die ich aber erst einmal von einem Bankautomaten in der Stadt mit meiner EC-Karte abhebe.
Das kleine Holzhaus wirkt von außen ziemlich unscheinbar, aber innen strahlt es eine gemütliche Atmosphäre aus. Es gibt eine große Auswahl an Büchern für die Gäste, sowie kostenloses Internet und eine Gemeinschaftsküche.
Nachdem ich mich eingerichtet habe, schlage ich den Weg ins Stadtzentrum ein. Zwar zeigt das Thermometer 15 Grad an, der kalte Wind lässt die Temperatur aber viel niedriger erscheinen. Dazu erinnert der graue Himmel eher an Herbst als an Hochsommer. Das kann ja ein kaltes Vergnügen werden, wenn ich meine Tour fast am Polarkreis starte!
Zunächst habe ich den Eindruck, dass hier in der Provinzhauptstadt die „Bürgersteige hochgeklappt sind“. Kaum ein Mensch ist auf der Straße und die zahlreichen Motels wirken grau und heruntergekommen. Allerdings erscheint die Main Street schon etwas belebter und einladender.
Die Mainstreet von Whitehorse
Der dortige Bücherladen, Mac’s Bookstore ist außerordentlich gut sortiert und lädt zum Schmökern in zahlreichen Büchern über den Yukon ein, die einen guten Vorgeschmack auf meine Tour bieten. Nachdem ich einige Lebensmittel eingekauft und eine Pizza gegessen habe, gehe ich zurück zum Hostel wo ich mich früh schlafen lege.
Bereits gegen 6 Uhr am nächsten Morgen ist es hell. Ich genieße eine heiße Dusche, dann mache ich es mir in der Gemeinschaftsküche gemütlich, wo für die Gäste gratis Kaffee zur Verfügung steht. Die Österreicher sind auch schon da. Offenbar sind die Beiden erfahrene Abenteurer, einer von ihnen hatte sogar schon einmal versucht den Denali in Alaska zu besteigen, der den Ruf als „kältester Berg der Welt“ genießt.
Dann rufe ich am Flughafen an, da ich darauf brenne zu erfahren, wo mein Rucksack ist. Ortsgespräche können aus dem Hostel umsonst geführt werden.
Mir fällt ein Stein vom Herzen, als ich erfahre, dass mein Gepäckstück durchaus in der Maschine war, aber nicht in Whitehorse ausgeladen wurde. Erst bei der nächsten Landung in Fairbanks/ Alaska wurde festgestellt, dass sich noch Gepäck das für Whitehorse bestimmt war, an Bord geblieben ist. Ich erfahre, dass die Sachen mit einem Bus noch heute hierher gefahren werden sollen, und voraussichtlich am Nachmittag ankommen.
Den Tag möchte ich nicht einfach so verstreichen lassen und nütze die Gelegenheit zu einer kleinen Wanderung in die Umgebung von Whitehorse. Das Wetter ist ganz anders als gestern. Obwohl es noch kühl und windig ist, scheint die Sonne aus einem klaren blauen Himmel. An dem alten Schaufelraddampfer SS Klondike vorbei, dessen Geschichte auf Tafeln erklärt wird, gehe ich zur Brücke über den Yukon.
Bis in die fünfziger Jahre verkehrte das Schiff noch regelmäßig auf dem großen Fluss.
Am Yukon in Whitehorse
Nachdem ich den breiten, rasant fließenden Yukon überquert habe, folge ich schmalen Pfaden durch die dichten Fichten- und Aspenwälder an seinem Ufer. Immer wieder sehe ich einige gelbe Hörnchen, die durch schnarrende Geräusche auf sich aufmerksam machen. Nur eine halbe Stunde vom Stadtzentrum entfernt, ist es bereits sehr ruhig.
Zu meiner Verwunderung gelange ich zu einem Staudamm. Durch die Kraft des Yukon wird Whitehorse mit Elektrizität versorgt. Eine hölzerne Fischtreppe (offenbar die längste der Welt), ermöglicht den Lachsen dennoch den Aufstieg über das Hindernis.
Hinter dem Staudamm schießen die Wassermassen mit erstaunlicher Gewalt zurück ins Flussbett. Hier möchte ich nicht Boot fahren!
Staustufe am Yukon in Whitehorse
Auf dem Stausee Lake Schwatka liegen zahlreiche Wasserflugzeuge und Boote. Die Südhänge des Sees sind so trocken, dass auf ihnen kein Wald wächst. Daher erlauben die Gras bewachsenen Steilhänge schöne Ausblicke. In die Hügel der Umgebung liegen noch eine ganze Reihe weiterer kleiner Seen eingebettet. Einmal sehe ich einen großen Greifvogel auf der Kante eines Grashangs sitzen. Aber als ich mich mit dem Teleobjektiv anschleichen will, wird er von einem Kolkraben vertrieben und ich habe das Nachsehen.
Zahlreiche Pfade, die zum Teil auch von Mountainbikes genutzt werden, durchziehen die Hügel und erlauben schöne Rundwanderungen. Bei einem Parkplatz beobachte ich längere Zeit zwei hübsche Streifenhörnchen, die offenbar an Menschen gewöhnt sind und sich daher aus der Nähe fotografieren lassen.
Streifenhörnchen
Zurück nach Whitehorse gelange ich über einen Radweg auf dem anderen Ufer des Yukon. Der weitläufige Robert Service Campingplatz wird von vielen Kanufahrern mit ihren Booten benutzt.
Nachdem ich im Hostel einige Brote als Mittagsmahlzeit gegessen habe, gehe ich in die Stadt. In Mac’ s Bookstore nehme ich die von mir reservierten topographischen Karten im Maßstab 1:250.000 in Empfang und stöbere noch ein wenig herum. Zahlreiche Bücher beschäftigen sich mit Grizzlybären und den von den braunen Riesen ausgehenden Gefahren.
In dem benachbarten, großen Outdoorladen Coast Mountain Sports, kann man sich mit allem versorgen, was man für die Wildnis benötigt.
Nachdem ich mir den Laden angesehen habe, laufe ich bis zum Ortsende, da ich nach einem guten Platz zum Trampen Ausschau halten will. Allerdings ist Whitehorse ziemlich weitläufig, daher gebe ich schließlich auf. Wahrscheinlich wird der schwierigste Teil des per Anhalter fahrens das Verlassen der Stadt werden !
Die Sonne lädt mich ein, ein Bier in einem Restaurant an der Straße zu trinken. Allerdings muss ich erfahren, dass Bier hier nur zusammen mit Essen serviert wird!
Als ich verspreche, mein Glas schnell auszutrinken, werde ich aber doch bedient!
Anschließend werfe ich noch einen Blick in das weitläufige Besucherzentrum des Yukon Territoriums. Dort erfahre ich, dass mir tatsächlich nur das Trampen bleibt, um nach Norden zu gelangen. Zwar fährt manchmal ein Bus bis Dawson City, aber nicht morgen!
Zurück im Hostel rufe ich wieder beim Flughafen an. Mit der Ankunft des Gepäcks am Nachmittag wird es nichts, erst im Lauf der Nacht soll der Bus eintreffen!
Da am nächsten Morgen schon früh ein Flug abgefertigt werden soll, ist das Personal dann damit beschäftigt. Daher soll ich meinen Rucksack erst am späten Morgen abholen. Das kommt für mich natürlich nicht in Frage, also verabrede ich, dass ich bereits bei Öffnung des Schalters um 5.30 meinen Rucksack in Empfang nehmen kann.
Am nächsten Morgen stehe ich pünktlich am Schalter, die Frau mit dem Schlüssel für den Gepäckraum kommt jedoch eine halbe Stunde später….
Kein Problem, ich kann meinen Rucksack in Empfang nehmen und noch heute Richtung Norden starten.
Nachdem ich mich von meinen neuen Bekannten im Hostel verabschiedet habe, schultere ich meinen Rucksack, und die Reise Richtung Norden kann beginnen!
Noch lache ich trotz meinem kleinen "Paket" auf dem Rücken
35 kg sind schon ein ziemliches Gewicht, aber da mein Bergans Rucksack, der über 130 l Volumen verfügt, eine gute Lastverteilung gewährt, komme ich mit ihm zurecht. Viel schwerer dürfte er aber nicht mehr sein!
Ich denke wenn ich an einer Tankstelle die Leute direkt anspreche und um einen Lift bitte, habe ich die größte Chance mitgenommen zu werden. Leider tankt zu dieser frühen Stunde an einem Samstag offenbar noch niemand…
Mir ist klar, dass das Verlassen der engeren Umgebung der Stadt wahrscheinlich ziemlich schwierig werden wird, daher winke ich ein Taxi heran, dass zufällig vorbeikommt. Ich frage den Fahrer, welchen Platz er für günstig hält, um jemanden zu finden, der nach Norden fährt. Der Alaska Highway, der Whitehorse weiträumig umgeht, sei der beste Ort hierfür, entgegnet er. Schnell sind wir uns über den Preis einig, und für 5 Dollar setzt er mich an der Fernstraße ab.
Ich stehe noch keine 5 Minuten als ein Auto hält. Sein Fahrer, ein Amerikaner mittleren Alters aus Kansas, ist unterwegs zu seinem neuen Job in Anchorage. Zwar war er nie zuvor in Alaska, freut sich aber sehr darauf den nördlichsten Bundesstaat der USA kennen zu lernen.
Leider zweigt meine Route, der Klondike Highway schon nach wenigen Kilometern von der Straße nach Alaska ab. Nun ja, Whitehorse liegt endgültig hinter mir, und meiner Erfahrung nach sind die Chancen mitgenommen zu werden an einer einsamen Straße in der Wildnis ziemlich gut.
Klondike Highway
Und richtig, wieder dauert es nur ein Paar Minuten, bis eine junge Frau hält. Ihr Auto sieht aus, als ob sie darin wohnt. Tatsächlich bestätigt sie meinen Eindruck! Zwar will sie sich irgendwann wieder eine Wohnung in Whitehorse suchen, aber den Sommer über schläft sie im Auto. Die Frau arbeitet auf einer Ökofarm in der Nähe, daher kann sie mich nur wenige Kilometer mitnehmen, bis Takhini Hot Springs.
Obwohl ich mich immer noch im engeren Dunstkreis der Provinzhauptstadt befinde, ist es erstaunlich, wie wenig Verkehr über die Straße rollt. Immer wieder tut sich minutenlang überhaupt nichts und die Stille des Waldes hüllt mich ein. Bis jetzt bin ich gut vorangekommen, daher bin ich optimistisch bald mitgenommen zu werden. Schließlich zähle ich sogar die passierenden Autos, um die Verkehrsdichte innerhalb einer Stunde zu bestimmen….
Nach etwas mehr als einer Stunde Wartezeit hält ein großer Van mit riesigem Bootsanhänger. „Could you give me a lift north“ frage ich die Fahrerin und bin überrascht als „Klar, steig ein“ als Antwort zurückkommt. Marion aus Freiburg hat Sport in Köln studiert. Als sie einen Aushang am Schwarzen Brett ihrer Hochschule las, dass ein deutsches Unternehmen im Yukon Kanu- Guides für die Sommersaison sucht, war sie gleich Feuer und Flamme. Schließlich hatte sie auch ein Jahr in Norwegen „Friluftsliv“ studiert, ein Fach bei dem alle möglichen Outdoorsportarten und generell das Leben in der freien Natur gelehrt werden. Bereits seit Mai ist Marion jetzt hier. In erster Linie begleitet sie Kanugruppen auf dem Yukon River, betätigt sich aber auch häufig als Fahrerin. So ist sie jetzt dabei eine Gruppe abzuholen, die einige Tage lang den Pelly River runter gefahren ist. Der Job macht ihr Spass, obwohl es so scheint, als würde die Abenteuerlust der jungen Deutschen ganz schön ausgenutzt. Die Guides müssen praktisch rund um die Uhr arbeiten, erhalten dafür aber nur einen Bruchteil der Entlohnung, die ein Kanadier für dieselbe Tätigkeit erhalten würde. Zudem scheint ihr deutscher Chef ein ziemlich unangenehmer Mensch zu sein, daher will Marion noch heute zusammen mit einem Kollegen kündigen!
Die Weite der Landschaft die vom bequemen Sitz des Vans aus an mir vorbeizieht ist beeindruckend. Dunkle, spitzkronige Fichtenwälder sind mit vielen Aspen durchsetzt. Immer wieder gelangen wir durch weite Waldbrandgebiete, die sich nur langsam wieder bewalden. Einmal sehen wir im Gebüsch etwas abseits der Straße ein hundeartiges, graufarbenes Tier. Für einen Wolf ist es zu klein und für einen Fuchs zu groß. Es ist ein Coyote. Die kleinen Cousins der Wölfe kommen nur im südlichen Yukon vor, weiter im Norden nicht.
Über eine weite Strecke verläuft der Highway parallel zum Yukon. Oberhalb der berühmten Five-Finger-Rapids halten wir an einem Aussichtspunkt, der einen schönen Blick über den Fluss bietet. Auch wenn ich lange den Eindruck hatte, dass wir alleine auf der Straße sind, gibt es hier etliche Touristen, alles Deutsche, was wir sofort hören…
Der Norden Kanadas scheint es meinen Landsleuten angetan zu haben, und auch Marion bestätigt, dass die größte Touristengruppe aus Deutschland kommt, und es auch viele Ausgewanderte im Land gibt.
Als ich ihr von meinem Vorhaben erzähle, ist sie sehr interessiert. Zwar hat sie am Dempster Highway noch nie eine Tour gemacht, aber von Transfers kennt sie die Gegend und ist von der Landschaft begeistert. Allerdings hält sie es für ziemlich leichtsinnig, dass ich weder Bärenspray noch Satellitenhandy für Notfälle dabei habe.
Eine Gruppe von Kunden, die auf dem Peel River unterwegs war, verlor ihre Boote, als ein Hochwasser nachts die Insel überschwemmte, auf der sie zeltete. Die Leute mussten mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden, was natürlich ein Vermögen kostet…
Wir unterhalten uns gut, daher verfliegt die Zeit in Windeseile. Bald haben wir Pelly Crossing erreicht, wo eine Brücke über den Pelly River führt und ein Indianerdorf liegt. Ein wenig wundere ich mich ja schon über das Schild am Ortseingang „Wir wollen keine Drogendealer hier“. So etwas würde man ja eher irgendwo in einem Großstadtslum vermuten!
An der Tankstelle vorbei marschiere ich über die Brücke, die den weiten Pelly River überspannt. Ein Zeltplatz an seinem Ufer scheint ein beliebter Endpunkt für Kanufahrten zu sein.
Es kommen relativ viele Fahrzeuge vorbei, allerdings merke ich schnell, dass es sich meist um Einheimische handelt. Es scheint fast, als würden sie ständig die Dorfstraßen rauf und runter fahren, denn nach einiger Zeit habe ich realisiert, dass ich immer wieder die gleichen Autos sehe!
Nach einer Stunde hält ein Wagen um mich mitzunehmen. Es ist Etienne aus Quebec, mit dem ich mich gestern Abend im Hostel unterhalten hatte!
Offenbar haben ihn meine Erzählungen vom Dempster Highway dazu angeregt nach Norden zu fahren. Allerdings hat er Kopfschmerzen und will daher heute nicht mehr sehr weit. Am Abzweig zum Wolf Creek Campground ein Stück hinter Stewart Crossing, wo er übernachten möchte, lässt er mich raus.
Jetzt bin ich tatsächlich mitten in der Wildnis gelandet. Um mich herum nichts als dichte Nadelwälder. Immerhin, die Sonne scheint, fast würde ein T-Shirt ausreichen.
Ich bin ganz zufrieden wie weit ich bisher gekommen bin, daher warte ich recht entspannt auf den nächsten Lift. Zwar ist der Verkehr noch dünner geworden, aber schon nach 20 Minuten hält ein Pick-up. Dave, 44 ist auf dem Weg nach Dawson City, wo er lebt. Als ich von meinen Plänen erzähle ist er sehr interessiert, da er selber auch schon etliche Wildnistouren unternommen hat, unter Anderem eine Durchquerung der Banks Insel und zu Fuß von Coppermine zum Eismeer. Abgesehen davon ist er auch beruflich viel draußen. Als Prospektor sucht er Rohstofflagerstätten. Wenn diese erfolg versprechend zu sein scheinen, verpachtet oder verkauft er seinen Claim. Ein Claim ist ein Stück Land, das jedermann abstecken darf um nach Rohstoffen zu suchen. Die Anmeldung bei der dafür zuständigen Behörde kostet nur wenige Dollar. Während er die ersten Jahre in diesem Geschäft lange Durststrecken zu überstehen hatte, läuft es offenbar seit einiger Zeit ganz gut für ihn. In der Regel werden seine Leute mit dem Hubschrauber in der Wildnis abgesetzt, und auch aus der Luft versorgt. Sie entnehmen Gesteinsproben, die anschließend im Labor analysiert werden.
Beim Wandern hat er auch nie Bärenspray dabei gehabt, aber wenn seine Leute in der Wildnis sind, führen sie Pfefferspray mit. Vor allem gegen aggressive Schwarzbären mussten sie es schon einige Male einsetzen. „Die Halbwüchsigen sind manchmal wie junge Punks, sie wollen Krawall machen, ohne wirklich gefährlich zu sein“.
Als wäre er bestellt, sehen wir einen etwa dreijährigen Schwarzbären im Gebüsch an der Straße, als wir uns über Bären unterhalten!
Inzwischen wirken die Bäume schon deutlich kleiner, und die Aspen tragen zum Teil bereits gelbe Blätter, während sie weiter im Süden noch völlig grün waren. Dave erzählt, dass die Herbstfärbung am Dempster Highway, voll im Gange sei. Außerdem erfahre ich, dass dies bisher der nasseste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen ist! Ich hoffe nur, dass der Frühherbst besser wird…
Schließlich erreichen wir gegen 17 Uhr den Beginn des Dempster Highway, wo Dave nach Dawson City abbiegt. Eine bebilderte Informationstafel erläutert Details zu der Piste.
Der Dempster Highway führt über 720 Kilometer nach Inuvik im Mackenzie Delta. Erst nach 600 Kilometer gelangt man zur ersten, kleinen Indianersiedlung. Dazwischen gibt es nur eine Tankstelle auf der Hälfte der Strecke und einige Campingplätze. Unmittelbar abseits der Straße beginnt die unberührte Wildnis.
Am Beginn des Dempster Highway
Alle Touristen halten hier, daher rechne ich mir gute Chancen aus, jemanden zu finden, der mich weiter mitnimmt. Und tatsächlich, schon nach kurzer Zeit hält ein deutsches Paar an der Informationstafel. Sie fahren einen großen Leihcamper, daher wage ich nicht zu hoffen, dass sie mich an Bord nehmen. Meiner Erfahrung nach nehmen Wohnwagenfahrer höchst selten Anhalter mit. Aber da ich die Beiden direkt anspreche, laden sie mich tatsächlich ein, bei ihnen mitzufahren!
Auf der gut ausgebauten Schotterpiste rollen wir mit nur 60 Stundenkilometern durch eine atemberaubende Landschaft, die immer schöner wird. Zwar sind jetzt Wolken aufgezogen und es regnet mitunter, aber wenn die Sonne zurückkommt strahlt die Natur förmlich in gelben und roten Farben. Sogar ein Regenbogen erscheint über den schroffen Granitbergen der Tombstone Mountains.
Stets halten wir nach Wild Ausschau, aber bis auf ein Stachelschwein am Straßenrand erspähen wir nichts. Dass die Straße nicht ganz ohne Tücken ist, merken wir, als ein entgegenkommendes Auto einen Stein hochwirbelt, der in der Windschutzscheibe des Campers landet, und ein Loch im Glas hinterlässt! Glücklicherweise haben die Beiden eine Versicherung für solche Fälle abgeschlossen.
Nach 70 Kilometern haben wir den Zeltplatz des Tombstone Mountain Nationalparks erreicht. Da das kleine Informationszentrum nicht mehr besetzt ist, kann sich jeder selbstständig einen Zeltplatz auf dem weitläufigen Waldgelände suchen, durch das ein Bach fließt. Schnell habe ich eine Kiesplattform mit Holztisch- und Bänken gefunden, der typischen Ausstattung auf nordamerikanischen Campingplätzen. Kaum habe ich den Platz entdeckt, als Greg und Patricia erscheinen. Die beiden haben den langen Weg von Seattle hierher in ihrem Subaru zurückgelegt. Der Campingplatz scheint voll zu sein, daher fragen sie ob sie sich den Platz mit mir teilen können. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, zumal sie die Kosten übernehmen, in dem sie einige Dollar in einen Umschlag legen und in eine Box werfen.
Das Paar ist ausgesprochen unterhaltsam und humorvoll. Schließlich ist er zwar ernsthafter Wissenschaftler hat aber ein Buch mit einem viel versprechendem Titel geschrieben „Evolutionsbiologie für Dummies“! Das setzt wahrscheinlich einen gewissen Sinn für Humor voraus…
Großzügig werde ich zu Whisky und Bier eingeladen. Zwar regnet es mittlerweile leicht, aber unter den Bäumen bleiben wir relativ trocken. Als wir uns gegen 23 Uhr in unsere Schlafsäcke zurückziehen ist es immer noch hell.
Früh am Morgen schlafen meine neuen Freunde noch. Nachdem ich ein Brot mit Erdnussbutter gegessen habe, baue ich mein Lager ab, und stehe gegen 8 Uhr wieder an der Straße. Offenbar viel zu früh, denn lange Zeit kommt kein Auto an mir vorbei.
Ein ungemütlicher Morgen am Dempster Highway
Es ist dunstig, sehr kühl und ungemütlich. Zwei Männer aus Ontario unternehmen Fernglas bestückt ihren Morgenspaziergang auf der Piste und unterhalten sich einige Zeit lang interessiert mit mir. Zu allem Überfluss beginnt es dann auch noch zu regnen. Aber wozu habe ich denn wasserfeste Paddelsachen dabei? So geschützt bleibe ich zwar trocken, dennoch wird es mit der Zeit ziemlich kalt. Nach über einer Stunde hält schließlich ein Camper, welch Überraschung, es ist das Paar, das mich schon gestern Abend mitgenommen hatte!
Die Straße schraubt sich nach oben in die baumlose Tundra. Teilweise ist es sehr neblig, keine Spur mehr von der gestrigen Farbenpracht. Wir sehen dreimal Schneehühner an der Straße und einige Pferde, auf die schon vorher Verkehrsschilder aufmerksam machten. Zu meiner Überraschung werden hier offenbar organisierte Reitausflüge angeboten.
Schließlich führt die Straße aus den Bergen heraus, und wir gelangen in das Fichten bestandene Tal des Blackstone Rivers. Glücklicherweise hat der Regen mittlerweile aufgehört, daher steht meinem Aufbruch nichts mehr im Weg. Kurz bevor sich der Blackstone wieder vom Dempster Highway entfernt, verlasse ich das nette Paar bei Kilometer 145 und schlage den Weg zum Fluss ein. Ich höre es zwar noch einmal hupen, denke mir aber nichts dabei. Erst später wird mir klar, dass ich meinen Hut im Camper liegen gelassen habe. Schade, aber jetzt nicht mehr zu ändern. Bei dem bewölkten Himmel ist erst mal sowieso kein Sonnenschutz notwendig….
Mit dem Packraft auf den Flüssen des Yukon
Dann stehe ich am Blackstone. Der Fluss scheint ziemlich viel Wasser zu führen und fließt mit rascher Strömung dahin. Bald habe ich ein gutes Plätzchen zum Einsetzen meines Miniboots gefunden, wo das Ufer nicht zu steil ist, und ich zunächst außerhalb der Strömung bin. Zum Aufblasen des nur 2 kg schweren Packrafts Yukon Yak der amerikanischen Firma Alpacka Rafts benötigt man keine Pumpe. Statt dessen verbinde ich eine Art „Müllsack“ per Gewinde mit dem Boot. Dann geht es darum möglichst viel Luft einzufangen und in das Packraft zu pressen. Dabei hilft es natürlich, wenn man den Sack in den Wind hält, aber auch bei Windstille kann man mit etwas „herumwirbeln“ schon eine ganz nette Luftmenge einfangen. Profis schaffen es in nur 2 Minuten die eine Luftkammer des Boots zu füllen, ich benötige etwa 10. Da es kein Ventil gibt entweicht immer wieder etwas Luft, daher muss man das Aufpumpen abschließen, indem man einige Luftzüge durch das separate Mundventil bläst.
Der Platz im Boot ist so bemessen, dass man zwar bequem darin sitzen kann, aber kein Platz für Gepäck vorhanden ist. Daher schnalle ich meinen 30 kg Rucksack mit vier Spannriemen vorne auf die Wülste des Bugs. Natürlich habe ich den Inhalt durch wasserdichte Beutel geschützt. Zusätzlich packe ich den Rucksack aber noch in große Müllsäcke ein. Um den direkten Kontakt mit dem kalten Wasser durch den dünnen Boden des Packrafts zu vermeiden, verwende ich meine leichte Luftmatratze als Sitzunterlage. Die Matte habe ich mit dem Boot gekauft, daher passt sie exakt in das Packraft.
Das Boot ist beladen natürlich extrem kopflastig, daher muss ich darauf achten, hinten ausreichend abzustützen, sonst lernt mein Rucksack schon jetzt das Tauchen!
Packraft bereit zum Ablegen!
Nachdem ich Boot und Gepäck vorbereitet habe, muss ich noch mich selber paddelbereit machen. Dazu verpacke ich meine Füße in Neoprensocken. Ich will vermeiden, dass die Stiefel durchnässt werden, daher trage ich beim Paddeln nur die Socken. Darüber kommt eine wasserdichte Latzhose mit Neoprenabschlüssen. Diese sind so eng, dass es jedes Mal ein größerer Akt ist, die Hose an- und auszuziehen. Oben trage ich T-Shirt, ein dünnes Fleece, einen alten Faserpelz und die wasserdichte Paddeljacke, die am Hals mit einem engen Neoprenbund abschließt. Darüber ziehe ich meine Schwimmweste. Zu guter letzt schütze ich meine Hände mit Neoprenhandschuhen.
Solchermaßen verkleidet komme ich mir wie ein dicker Bummi vor, aber die Wassertemperatur liegt bei nur 7 Grad, daher halte ich meine Montur für angebracht. Abgesehen davon ist es immer noch ziemlich kalt, so dass ich trotz der vielen Bekleidungsschichten nicht ins Schwitzen komme.
Nachdem ich mein vierteiliges Doppelpaddel zusammengebaut habe, lege ich ab!
Zwar habe ich das Packraft zu Hause in Marburg auf der Lahn getestet, aber das ist die Jungfernfahrt in wirklich strömendem Wasser.
Schnell wird mir klar, dass ich Schlagseite habe. Offenbar ist der Rucksack nicht richtig ausbalanciert. Zwar ist es umständlich sofort wieder an Land zu gehen, aber besser jetzt das Gepäck neu justieren, als in der ersten kleinen Stromschnelle zu kentern!
Doch schließlich bin ich endgültig bereit für das Abenteuer Blackstone River im Packraft. Ich habe großen Respekt vor dem schnellen, kalten Fluss. Daher paddele ich mit voller Konzentration. Diese ist auch notwendig, da sich das Gewässer häufig verzweigt, und es wichtig ist, den wasserreichsten Arm zu erwischen. Trotz der recht hohen Wasserführung ist der Fluss aufgrund der Verzweigungen oft ziemlich flach. Obwohl das Packraft kaum Tiefgang hat, kann es leicht zu Grundberührungen kommen. Das Boot wurde aus dem Kunststoff Urethan hergestellt und ist daher ziemlich robust. Aber häufig über Steine zu scheuern ist auch für das beste Material eine Herausforderung!
Es gibt hier zwar keine Stromschnellen mit hohen Wellen, dafür aber scharfe Kurven die häufiges Manövrieren erfordern. Unbeladen ist das kleine Boot zwar extrem wendig, dies sieht mit meinem schweren Rucksack aber etwas anders aus. Da das Packraft außerdem sehr langsam ist, ist vorausschauendes Fahren unumgänglich.
Dann ist es soweit, in einer engen Linkskurve manövriere ich nicht rechtzeitig zur Innenseite und werde von der Strömung in Richtung des Ufers gepresst. Das wäre an vielen Stellen kein großes Problem, allerdings hängt hier eine Weide ins Wasser!
Ich paddle wie verrückt, aber es nützt nichts, die Strömung ist zu stark und der Busch im Wasser kommt immer näher.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Weidenzweige unnachgiebig und katapultieren mich ins Wasser, oder die biegsamen Äste geben unter dem Gewicht des von der Strömung gegen sie gepressten Boots nach und lassen mich durch.
Ich habe Glück. Es schiebt und kracht, dann bin ich durch ohne im Wasser gelandet zu sein!
Zwar wäre bei einer Kenterung wahrscheinlich nicht viel passiert, ich bin ja auf so einen Fall vorbereitet, dennoch sitzt mir der Schock tief in den Knochen!
Daher lege ich jetzt vor jeder kritischen Stelle rechtzeitig an, und ziehe das Boot zweimal im flachen Wasser an einer Engstelle vorbei, bevor ich wieder einsteige.
Das wäre zwar beide Male eigentlich nicht nötig gewesen, aber ich bin nun übervorsichtig.
Zwar hat der Regen für heute offenbar tatsächlich aufgehört, aber es ist weiterhin windig und sehr kühl. Da der Fluss meine ständige Konzentration erfordert konnte ich bisher gar nicht so richtig die Umgebung in mich aufnehmen. Häufig ragen Kalkberge mit bleichen Schuttmassen über dem bewaldeten Tal auf.
Am ersten Tag will ich es langsam angehen lassen, daher schlage ich schon am frühen Nachmittag mein Lager auf. Das GPS zeigt, dass ich nur etwas mehr als 8 Kilometer in direkter Linie zurückgelegt habe. Bedingt durch die zahlreichen Windungen ist die tatsächliche Strecke aber erheblich länger gewesen.
Hinter der dichten Fichtengalerie am Ufer erstreckt sich ein Weidengürtel mit einigen offenen Grasflächen, wo ich mein Zelt aufschlage.
Nachdem ich Spaghetti mit Carbonarasauce gegessen habe, breche ich mit Kamera und Fernglas zu einem Erkundungsgang auf. Der dichte Schwarzfichtenwald ist im Unterwuchs mit Weiden und Zwergbirken bestanden. Zwar ist diese Vegetation nicht undurchdringlich, aber man kann auch nicht so einfach dahinschlendern. An vielen Stellen entdecke ich Elchlosung, große, braune zylinderförmige Pillen, aber es gelingt mir nicht, die Giganten des Yukon aufzuspüren. Lediglich ein Schneehase steht vor mir auf und ergreift die Flucht und ein gelbes Eichhörnchen schimpft über meine Anwesenheit. Leider komme ich nicht sehr weit, da ich schon bald an einen Seitenarm des Blackstone gelange. Das Packraft habe ich natürlich nicht dabei! Also bleibt mir nichts übrig als den Rückweg anzutreten. Dabei entdecke ich einen Lagerplatz mit Stangeneinzäunung für die Pferde, Bänken, Eimern und einem in einen Baum hochgezogenen Sack. Wahrscheinlich dienen die Pferde die ich am Dempster Highway gesehen hatte, auch als Transporttiere für Jagdausflüge. Ich tippe darauf, dass von dem Lager aus Elche gejagt werden.
Zwar klart es gegen Abend etwas auf, so dass sich ich die bizarren Kalkgebilde auf einem Berg am anderen Flussufer betrachten kann, aber es ist nach wie vor windig, kalt und ungemütlich.
Gegen Abend klart es auf
Kommentar