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Als ich im letzten Jahr im Rahmen meiner dreimonatigen Reise durch die Rocky Mountains in Kanada und den USA auch den Kluane National im Yukon für zwei Wochen lang durchstreifte [Reisebericht], bekam ich Lust auf mehr. Da, wo es keine Wege mehr gibt, wo man kilometerweit von der nächsten Straße, dem nächsten Dorf und dem nächsten Menschen entfernt ist, wo man 200 Kilometer gehen kann, ohne auch nur eine Fußspur zu kreuzen, wo man sich der Gefahr von wilden Tieren und reißenden Flüssen ausgesetzt fühlt und gänzlich auf die eigenen Fähigkeiten, die Ausrüstung und Erfahrung angewiesen ist… da beginnt mein Abenteuer. Aus diesem Grund sollte die große Reise in diesem Jahr nach Alaska gehen, nachdem ich den Juli im Kaukasus verbracht habe [Reisebericht].
Zunächst ein paar Bemerkungen zur Idee und Planung. Beides, die Idee sowie die Planung, entsprang meiner Feder. Mitreisende waren Christian, mit dem ich nun schon öfter unterwegs war und meine Freundin, die nicht noch einmal einen ganzen Sommer auf mich warten wollte und deshalb mitkam.
Beim näheren Beschäftigen mit der Geographie Alaskas wurde meine Aufmerksamkeit schnell auf den Wrangell St. Elias National Park gelenkt: der größte Nationalpark der USA, für dessen Erkunden keine Genehmigungen nötig sind, in dem keine Bear Canisters vorgeschrieben sind, in den man sich für eine Mehrtagestour per Bush-Plane hineinfliegen lassen müsste. Oder anders gesagt: ein Park, der aufgrund seiner Größe, seiner Wildheit und dem Fernbleiben der Touristen-Scharen (wie man sie in der Hauptsaison vom Denali kennt) für mich geradezu prädestiniert ist. Aber was kann man in dem Park machen? Zwei „Gravel Roads“ führen in den Park, beide enden nach ca. 70 Meilen und bieten keine guten Ausgangspunkte für längere Trips. Und sich irgendwo hinfliegen und zwei Wochen später woanders wieder abholen zu lassen, kam mir einerseits zu unkreativ und einfach, andererseits auch zu teuer vor. Nach stundenlangem Studieren der Gegebenheiten in dem Park (eine National Geographic Karte davon bekam ich von meiner Freundin zum Geburtstag geschenkt) kam mir die zündende Idee: warum nicht die Enden beider Straßen verbinden und von Nabesna nach McCarthy marschieren? Naja, es gab einige sehr große Flüsse zu überqueren und die Distanz von geschätzten 320 Kilometern würden wir unter den dort herrschenden Bedingungen nicht in 2 Wochen bewältigen können. Aber vielleicht gab es Lösungen.
Um nicht hetzen zu müssen und nebenbei noch genug Zeit für zwei oder drei Pausentage sowie ein paar Bergbesteigungen zu haben, schätzte ich die benötigte Zeit für die Distanz auf 4 Wochen. Das würde einen „food drop“ nötig machen: zumindest meine Freundin ist ganz sicher nicht in der Lage, Essen für 4 Wochen im <a target="blank" title="Rucksack im Outdoorwiki nachschlagen." class="wikilink" href="http://outdoorseiten.net/wiki/Rucksack">Rucksack</a> zu tragen. Also organisierten wir mit „Wrangell Mountain Air“ eine Essenslieferung per Bush-Flight: wir würden in Anchorage Essen für 2 Wochen zu denen schicken und sie bringen es uns zu einem vereinbarten Ort, so bald wir mit unserer „Custom Message“ des „SPOT GPS Messager“ das entsprechende Signal senden. Bleibt das Problem der Flussquerungen. Übers Internet und einige Weiterleitungen konnte ich Kontakt zu einem Führer dieses Parks aufnehmen, der genau die von mir angedachte Strecke schon mal gelaufen ist. Er wies mich darauf hin, dass das Überqueren einiger Flüsse (insbesondere des Nabesna und Nizina) ohne Boot unmöglich sei! Einige Wochen später gaben wir in Anchorage 3 Alpacka Rafts inklusive Zubehör in Bestellung. Außerdem schrieb der Guide: "I have since walked a continuous ring around the entire Wrangell mountains, as well as many many other adventures in the Park and in other places in Alaska. I will tell you that it is unlikely that anything you've done before will truly prepare you for a trek from Nabesna to McCarthy, and this trip may be much more than you bargained for", was meine Lust auf diese kleine Expedition noch steigerte.
So viel zu dem August-Vorhaben. Vom September erhofften wir uns, dass ein früher erster Schnee die Touristen aus dem Denali blasen würde, so dass wir uns diesen Park auch noch anschauen können. Allerdings war ich mit der Planung für den August in den Wrangells so beschäftigt, dass wir uns darauf einigten, im Denali spontan zu entscheiden, was genau wir machten. Nebenbei musste ich ja noch ein wenig studieren.
Der Plan war also einfach: August im Wrangell St. Elias NP, September im Denali. Hinflug am 1. August, Rückflug am 30. September. Und los geht’s.
Wrangell St. Elias NP Part I: Ankunft und Trampen zum Jack Lake (Ausgangspunkt), 3 Tage
Nachdem wir am ganz frühen Morgen des 1. August aus Georgien aufgebrochen sind, landeten wir in Frankfurt zwischen und fanden uns rechtzeitig im Condor Flug nach Anchorage wieder. Eine Dusche gab es zwischen den Reisen nicht, aber für wie viele Wochen der Mensch wirklich ohne Dusche auskommt, sollten wir später in Alaska erst noch erfahren … Wir flogen also über die vom Packeis noch nicht erlöste Beringsee und landeten in Anchorage. Am selben Tag noch holten wir unsere lang ersehnten Boote ab (wir bezahlten bereits im März, da der Kurs da noch besser stand). Nach einer Nacht in einem Waldstück der weitläufigen Stadt, einem Großeinkauf am nächsten Morgen (wir mussten ja Nahrung für 4 Wochen besorgen!) und einem Sub begannen wir mit dem Trampen in Richtung Slana, Nordseite des Parks. Am selben Tag schafften wir es noch weit aus Anchorage hinaus und schlugen die Zelte an einem Fluss nahe am Highway auf, wo wir den ersten richtigen Alaskaner kennenlernten: einen alleinstehenden älteren Mann, der sich als Jäger in einer abgeschiedenen Hütte 100 Meilen nördlich von Fairbanks weitgehend autark ernährt und nur hin und wieder Geld mit dem Angeln verdient. Am nächsten Tag schafften wir es mit einigen bisher ungewohnten Rides tatsächlich bis zum Jack Lake. Unser Plan war, doch nicht weiter bis zum Straßenende Nabesna (eine frühere Goldmine) zu fahren, sondern schon eher zu beginnen: am Jack Lake wollten wir uns erstmalig mit den Booten vertraut machen, bevor wir wenig später den riesigen Nabesna River zu überqueren hatten. Wir kamen spät am Abend an, ließen uns aber eine erste kurze Testfahrt mit den nigelnagelneuen Packrafts nicht nehmen.
Wrangell St. Elias NP Part II: Jack Lake – Nabesna River – Cooper Pass – Chisana, 14 Tage
Am nächsten Morgen paddelten wir über den See, der am Ende in einen breiten, langsam fließenden Bach mündete, welcher wiederum nach vielen Kilometern in den Nabesna fließt. Alles schien prima zu funktionieren. Doch der Bach wurde immer enger und es hingen immer Bäume hinein. An vielen Stellen war das Ufer ausgespült, Bäume lagen im Wasser, unter der Wasseroberfläche oder direkt darüber. Diese Gefahrenstellen waren aufgrund der engen Windungen kaum rechtzeitig zu erkennen: ich bin voraus gefahren und habe es immer geschafft an allen Hindernissen vorbeizupaddeln. Meine Freundin nicht: am späten Nachmittag stieß sie frontal gegen einen Baum: die Strömung drehte sie und ihr Boot in Sekundenschnelle um und sie ging baden. Christian, der hinter ihr war, sich ein Lachen nicht verkneifen konnte und deshalb für einen Moment lang nicht aufpasste, fuhr genau in Eva hinein und ging auch baden. Dann musste ich lachen. Und dann mussten wir alle lachen, weil die Situation einfach zu dämlich war. Einziges echtes Problem war, dass Eva dabei einen ihrer Crocs verlor, was sich bei vielen Flussquerungen der nächsten Wochen als sehr nachteilhaft herausstellte. Wir schlugen an dieser Stelle das Camp auf – genug für einen Tag. Am nächsten Morgen entschieden wir uns, den Bach zu verlassen: einige Stunden Marsch über Tundra und durch dichten Busch brachten und zurück zur Nabesna Road. Glücklicherweise gab es nach nicht allzu langer Zeit wirklich ein Ehepaar, das in die Richtung fuhr und uns mitnahm. Wir besichtigten die verlassene Mine. Es waren noch einige Kilometer bis zum Chisana River und wir versuchten unser Glück erneut im Jack Creek, der inzwischen weiter, aber auch reißender geworden ist. An der ersten größeren Stromschnelle blieb Christian im Strudel hängen. Ich war hinter ihm, stieß ihn hinaus und kam überraschenderweise auch selbst weiter. Eva blieb hängen… und kippte. Mit dem voll beladenen Boot und dem Erfahrungsmangel ist das Packraften wirklich nicht so einfach. Also wieder alles zusammengepackt und zu Fuß durch das weglose Gelände. Am nächsten Tag erreichten wir den riesigen Nabesna River, von dem wir die ersten Ströme zu Fuß durchqueren konnten und irgendwann vor einem breiten und tiefen Hauptstrom standen. Wir waren sehr angespannt: nicht unbedingt wegen der Größe des Flusses, sondern vor allem wegen der enormen Fließgeschwindigkeit und der Kälte des Wassers. Die Moräne des Nabesna-Glaciers war nur zwei oder drei Kilometer entfernt: das Wasser, in das wir fallen könnten, ist also gerade erst geschmolzen und hat ca. ein bis zwei Grad. Lange Rede, kurzer Sinn: wir setzten uns in die Boote und überquerten das Ding. Nichts ist passiert. Der Fluss war nur verdammt schnell: wir legten erst hunderte Meter weiter unten am anderen Ufer an.
In den nächsten drei Tagen gingen wir oft entlang von Flussbetten, durch dichtes Gebüsch und über die zu dem Zeitpunkt sehr nasse Tundra, was ziemlich unangenehm ist. Irgendwann waren wir über der Baumgrenze und alles wurde gut. Camp am Blue Lake, Cooper Pass, Grizzly Bär und Caribous. Auf der anderen Seite gab es dann wieder Wald und den extrem breiten Chisana River, dessen Querung uns drei Stunden und die kältesten Füße ever kostete. Dann kamen wir in Chisana an und waren überrascht, dort tatsächlich Menschen zu treffen, da alles, was hinter dem Nabesna River ist, normalerweise nur mit dem Flugzeug erreicht werden kann. Aber einige Menschen haben eben Flugzeuge … Wir wurden von einer Community, die aus Jägern und (anderen) Aussteigern besteht, zum Essen eingeladen. Unglaublich, wie diese Menschen das ganze Jahr über völlig abgeschieden von der Zivilisation leben können und doch alles haben, was sie brauchen! Und mehr als das: ihre Tätigkeit als „Hunting Guides“ bringt eine Menge Geld in die Gemeinschaft, so dass sie sich selbst alles einfliegen, was sie zu benötigen meinen. Letztendlich hat es uns dort so gut gefallen, dass wir länger bleiben wollten. Wir hatten ja keinen Termindruck, solange wir unser eigenes Essen nicht verbrauchten, ohne auch die entsprechende Strecke zu gehen. Und der food drop war nicht zeit-, sondern nur ortsgebunden. Soll heißen: solange man uns Essen gab, konnten wir bleiben ;) … Wir bleiben eine Woche. Tagsüber halfen wir beim Feuerholz machen und am Abend aßen wir gut und unterhielten uns mit den Menschen.
Und jetzt die Bilder zu Part II. Alle Flüsse, die zu sehen sind, mussten wir überqueren.
Wrangell St. Elias NP Part III: Chisana – Solo Creek (food drop!) – Upper Skolan Lake, 7 Tage
Nach dem tragischen Abschied in Chisana und dem Versprechen, irgendwann wiederzukommen, folgten wir dem Trail Creek für einige Kilometer. Nach dem Abendessen wollte ich zum Fluss, um den Topf abzuwaschen, den ich dummerweise nur an der Zange ins Wasser hielt. Da die Zange nicht mehr die jüngste war und der Trail Creek (auch Geohenda Creek) an dieser Stelle recht flott unterwegs ist, riss es mir den Topf aus der Hand. Verdammt! In diesem Strom war es aussichtslos den guten Primus-Topf jemals wiederzusehen. Also ging ich am nächsten Tag zurück und bat um einen Topf, den ich, einschließlich passenden Deckels, natürlich sofort bekam. Auch fanden wir nach dem nächsten Tagesmarsch später die versteckte Hütte, die den Jägern in Chisana gehörte und die voll mit gutem Essen ausgestattet war (der Chef der Community beschrieb uns den Weg und lud uns ein, uns in seiner Cabin ganz wie zu Hause zu fühlen). Über den Pass führte ein kleiner Trail, der uns geradewegs zu einer weiteren Hütte führte: der Caribou Cabin, die vom NPS für Wanderer bereitgestellt und gepflegt wird. Sie ist winzig.
Als wir später am Solo Creek ankamen und den kleinen Airstrip fanden, drückten wir auf den entsprechenden Knopf unseres SPOT. Im Übrigen hatten wir gut gerechnet: nach 13 Tagen Fußmarsch (Aufenthalt in Chisana also nicht mit eingerechnet) waren fast alle Reserven verbraucht. Das Flugzeug kam am nächsten Tag mit allem, was wir vorher hingeschickt hatten. Die Rucksäcke waren wieder schwer, es regnete… also weiter geht’s! Unsere Route führte uns nach Südwesten, über den schwierigen Flood Creek, vorbei an der gigantischen Moräne des Russel Glaciers, über den Skolai Pass und entlang des Upper Skolan Lakes, bis wir nach einem sehr langen und anstrengenden Tag unser <a target="blank" title="Zelt im Outdoorwiki nachschlagen." class="wikilink" href="http://outdoorseiten.net/wiki/Zelt">Zelt</a> aufschlugen.
Wrangell St. Elias NP Part IV: Goat Trail, Skolai Area – Chitistone Pass – Glacier Creek, 5 Tage
Die Tage und Nächte wurden kühler. Nach einem schönen Morgen in der Skolan Area brachen wir auf und erreichten irgendwann den Chitistone Pass und stiegen zum Chitistone River ab. Dem kann man leider nicht lange folgen, weil er durch enge Schluchten mit gigantischen Wasserfällen führt. Also ging es rechts hoch und entlang der Bergflanke. Eine ziemlich steile Angelegenheit, die aber viele tolle Aussichten und eine Menge Spaß verspricht. Wir fanden einen hervorragenden Zeltplatz hoch über dem Chitistone, den wir so schnell nicht wieder verlassen wollten. Also nahmen wir uns einen Tag Zeit und stiegen ohne Gepäck einen ganzen Tag weiter hoch und spazierten dann über die Bergkämme. Am nächsten Tag erreichten wir das Tal und schlugen die Zelte direkt am Chitistone auf, den wir am nächsten Morgen überquerten. Der Chitistone River ist ein reißender Strom und später mussten wir einem Guide in McCarthy versprechen, niemandem davon zu erzählen, weil Unerfahrene dann vielleicht leichtsinnig werden könnten. Dieser Fluss hat schon Todesopfer gefordert, aber wir waren einfach zu faul, zurück zum Gletscher zu marschieren und durch die Moräne zu laufen. Ich denke, der Wasserstand war niedrig, als wir da waren.
Weiter ging’s in Richtung Clacier Creek, allerdings nicht, ohne eine Nacht in der Glacier Creek Cabin verbracht zu haben. Diese Cabin hat (wie die meisten) einen eigenen kleinen Airstrip. Die Leute lassen sich dort hinfliegen, starten Tagestouren und werden halt irgendwann wieder abgeholt. Diese und andere Cabins stehen jedem zur Nutzung frei, es gilt das first-come-first-serve – Prinzip.
Wrangell St. Elias NP Part V: Clacier Creek – Nizina River – McCarthy, 5 Tage
Wir überquerten den Glacier Creek. Dabei wäre ich beinahe ins Wasser gestürzt, weil ein großer Stein, auf den ich trat, unter mir wegrutschte. Das war wirklich haarscharf! Alles wäre um einiges einfacher gewesen, wenn man auf den Grund solcher Ströme blicken könnte. Aber das Wasser dort oben ist nun einmal nicht klar.
Wir gingen weiter entlang des Clacier Creeks, bis er in den Chitistone River mündet. Ab dort ist eine Überquerung unmöglich. Aber wie gern hätte ich dort das Boot aufgeblasen und den Rest des Weges auf dem Wasser verbracht! Nur hatte meine Freundin aufgrund der beiden Unglücke im Jack Creek einfach zu große Angst und ein Kentern im Chitistone oder später im Nizina wäre unvergleichbar gefährlicher gewesen.
Noch ein paar Meter durch den Busch, dann befanden wir uns im riesigen Flussbett des Nizina Rivers. Wieder hab ich den Raft-Vorschlag gebracht, wieder ging es zu Fuß weiter ;) … es wurde windig und kalt. Regen, Hagel. Aber irgendwann mussten wir den Nizina überqueren. Also suchten wir eine geeignete Stelle und kamen dank unserer Rafts erfolgreich und trocken am anderen Ufer an. Meine Freundin packte in der Gewissheit, nie wieder raften zu müssen, überglücklich ihr Alpacka zusammen, welches ich vermutlich demnächst hier im Forum verkaufen werde.
Im Anschluss daran ging es für einige Kilometer durch den Wald, bis wir einen Waldweg fanden, der uns direkt nach McCarthy brachte. McCarthy ist eigentlich der einzige touristische Ort im ganzen Nationalpark. Mit einem Shuttle kann man von da aus in das 5 Kilometer entfernte Kennicott (eine frühere Kupfer-Mine) fahren. Als wir in McCarthy ankamen, fühlten wir uns irgendwie fehl am Platze. Nach über vier Wochen Wildnis und Einsamkeit (mal von Chisana abgesehen) umgab uns nun wieder der Tourismus. Ein paar Leute schienen erfahren zu haben, wo wir gerade herkamen und eine ältere Dame bezeichnete uns als „Local Heros“. Naja, wir wollten lieber raus aus McCarthy und die alten Minengebäude interessierten uns auch nicht sonderlich. Dank der Beschreibung eines Guides fanden wir im Kennicott Glacier eine Eishöhle, die wir gern besichtigten. Nach einer dicken US-Pizza, lustigen Gesprächen mit anderen Reisenden und einer weiteren Nacht in der Nähe des Dorfes verließen wir die Wrangells am 4. September per Hitchhiking auf der McCarthy Road.
Zunächst ein paar Bemerkungen zur Idee und Planung. Beides, die Idee sowie die Planung, entsprang meiner Feder. Mitreisende waren Christian, mit dem ich nun schon öfter unterwegs war und meine Freundin, die nicht noch einmal einen ganzen Sommer auf mich warten wollte und deshalb mitkam.
Beim näheren Beschäftigen mit der Geographie Alaskas wurde meine Aufmerksamkeit schnell auf den Wrangell St. Elias National Park gelenkt: der größte Nationalpark der USA, für dessen Erkunden keine Genehmigungen nötig sind, in dem keine Bear Canisters vorgeschrieben sind, in den man sich für eine Mehrtagestour per Bush-Plane hineinfliegen lassen müsste. Oder anders gesagt: ein Park, der aufgrund seiner Größe, seiner Wildheit und dem Fernbleiben der Touristen-Scharen (wie man sie in der Hauptsaison vom Denali kennt) für mich geradezu prädestiniert ist. Aber was kann man in dem Park machen? Zwei „Gravel Roads“ führen in den Park, beide enden nach ca. 70 Meilen und bieten keine guten Ausgangspunkte für längere Trips. Und sich irgendwo hinfliegen und zwei Wochen später woanders wieder abholen zu lassen, kam mir einerseits zu unkreativ und einfach, andererseits auch zu teuer vor. Nach stundenlangem Studieren der Gegebenheiten in dem Park (eine National Geographic Karte davon bekam ich von meiner Freundin zum Geburtstag geschenkt) kam mir die zündende Idee: warum nicht die Enden beider Straßen verbinden und von Nabesna nach McCarthy marschieren? Naja, es gab einige sehr große Flüsse zu überqueren und die Distanz von geschätzten 320 Kilometern würden wir unter den dort herrschenden Bedingungen nicht in 2 Wochen bewältigen können. Aber vielleicht gab es Lösungen.
Um nicht hetzen zu müssen und nebenbei noch genug Zeit für zwei oder drei Pausentage sowie ein paar Bergbesteigungen zu haben, schätzte ich die benötigte Zeit für die Distanz auf 4 Wochen. Das würde einen „food drop“ nötig machen: zumindest meine Freundin ist ganz sicher nicht in der Lage, Essen für 4 Wochen im <a target="blank" title="Rucksack im Outdoorwiki nachschlagen." class="wikilink" href="http://outdoorseiten.net/wiki/Rucksack">Rucksack</a> zu tragen. Also organisierten wir mit „Wrangell Mountain Air“ eine Essenslieferung per Bush-Flight: wir würden in Anchorage Essen für 2 Wochen zu denen schicken und sie bringen es uns zu einem vereinbarten Ort, so bald wir mit unserer „Custom Message“ des „SPOT GPS Messager“ das entsprechende Signal senden. Bleibt das Problem der Flussquerungen. Übers Internet und einige Weiterleitungen konnte ich Kontakt zu einem Führer dieses Parks aufnehmen, der genau die von mir angedachte Strecke schon mal gelaufen ist. Er wies mich darauf hin, dass das Überqueren einiger Flüsse (insbesondere des Nabesna und Nizina) ohne Boot unmöglich sei! Einige Wochen später gaben wir in Anchorage 3 Alpacka Rafts inklusive Zubehör in Bestellung. Außerdem schrieb der Guide: "I have since walked a continuous ring around the entire Wrangell mountains, as well as many many other adventures in the Park and in other places in Alaska. I will tell you that it is unlikely that anything you've done before will truly prepare you for a trek from Nabesna to McCarthy, and this trip may be much more than you bargained for", was meine Lust auf diese kleine Expedition noch steigerte.
So viel zu dem August-Vorhaben. Vom September erhofften wir uns, dass ein früher erster Schnee die Touristen aus dem Denali blasen würde, so dass wir uns diesen Park auch noch anschauen können. Allerdings war ich mit der Planung für den August in den Wrangells so beschäftigt, dass wir uns darauf einigten, im Denali spontan zu entscheiden, was genau wir machten. Nebenbei musste ich ja noch ein wenig studieren.
Der Plan war also einfach: August im Wrangell St. Elias NP, September im Denali. Hinflug am 1. August, Rückflug am 30. September. Und los geht’s.
Wrangell St. Elias NP Part I: Ankunft und Trampen zum Jack Lake (Ausgangspunkt), 3 Tage
Nachdem wir am ganz frühen Morgen des 1. August aus Georgien aufgebrochen sind, landeten wir in Frankfurt zwischen und fanden uns rechtzeitig im Condor Flug nach Anchorage wieder. Eine Dusche gab es zwischen den Reisen nicht, aber für wie viele Wochen der Mensch wirklich ohne Dusche auskommt, sollten wir später in Alaska erst noch erfahren … Wir flogen also über die vom Packeis noch nicht erlöste Beringsee und landeten in Anchorage. Am selben Tag noch holten wir unsere lang ersehnten Boote ab (wir bezahlten bereits im März, da der Kurs da noch besser stand). Nach einer Nacht in einem Waldstück der weitläufigen Stadt, einem Großeinkauf am nächsten Morgen (wir mussten ja Nahrung für 4 Wochen besorgen!) und einem Sub begannen wir mit dem Trampen in Richtung Slana, Nordseite des Parks. Am selben Tag schafften wir es noch weit aus Anchorage hinaus und schlugen die Zelte an einem Fluss nahe am Highway auf, wo wir den ersten richtigen Alaskaner kennenlernten: einen alleinstehenden älteren Mann, der sich als Jäger in einer abgeschiedenen Hütte 100 Meilen nördlich von Fairbanks weitgehend autark ernährt und nur hin und wieder Geld mit dem Angeln verdient. Am nächsten Tag schafften wir es mit einigen bisher ungewohnten Rides tatsächlich bis zum Jack Lake. Unser Plan war, doch nicht weiter bis zum Straßenende Nabesna (eine frühere Goldmine) zu fahren, sondern schon eher zu beginnen: am Jack Lake wollten wir uns erstmalig mit den Booten vertraut machen, bevor wir wenig später den riesigen Nabesna River zu überqueren hatten. Wir kamen spät am Abend an, ließen uns aber eine erste kurze Testfahrt mit den nigelnagelneuen Packrafts nicht nehmen.
Wrangell St. Elias NP Part II: Jack Lake – Nabesna River – Cooper Pass – Chisana, 14 Tage
Am nächsten Morgen paddelten wir über den See, der am Ende in einen breiten, langsam fließenden Bach mündete, welcher wiederum nach vielen Kilometern in den Nabesna fließt. Alles schien prima zu funktionieren. Doch der Bach wurde immer enger und es hingen immer Bäume hinein. An vielen Stellen war das Ufer ausgespült, Bäume lagen im Wasser, unter der Wasseroberfläche oder direkt darüber. Diese Gefahrenstellen waren aufgrund der engen Windungen kaum rechtzeitig zu erkennen: ich bin voraus gefahren und habe es immer geschafft an allen Hindernissen vorbeizupaddeln. Meine Freundin nicht: am späten Nachmittag stieß sie frontal gegen einen Baum: die Strömung drehte sie und ihr Boot in Sekundenschnelle um und sie ging baden. Christian, der hinter ihr war, sich ein Lachen nicht verkneifen konnte und deshalb für einen Moment lang nicht aufpasste, fuhr genau in Eva hinein und ging auch baden. Dann musste ich lachen. Und dann mussten wir alle lachen, weil die Situation einfach zu dämlich war. Einziges echtes Problem war, dass Eva dabei einen ihrer Crocs verlor, was sich bei vielen Flussquerungen der nächsten Wochen als sehr nachteilhaft herausstellte. Wir schlugen an dieser Stelle das Camp auf – genug für einen Tag. Am nächsten Morgen entschieden wir uns, den Bach zu verlassen: einige Stunden Marsch über Tundra und durch dichten Busch brachten und zurück zur Nabesna Road. Glücklicherweise gab es nach nicht allzu langer Zeit wirklich ein Ehepaar, das in die Richtung fuhr und uns mitnahm. Wir besichtigten die verlassene Mine. Es waren noch einige Kilometer bis zum Chisana River und wir versuchten unser Glück erneut im Jack Creek, der inzwischen weiter, aber auch reißender geworden ist. An der ersten größeren Stromschnelle blieb Christian im Strudel hängen. Ich war hinter ihm, stieß ihn hinaus und kam überraschenderweise auch selbst weiter. Eva blieb hängen… und kippte. Mit dem voll beladenen Boot und dem Erfahrungsmangel ist das Packraften wirklich nicht so einfach. Also wieder alles zusammengepackt und zu Fuß durch das weglose Gelände. Am nächsten Tag erreichten wir den riesigen Nabesna River, von dem wir die ersten Ströme zu Fuß durchqueren konnten und irgendwann vor einem breiten und tiefen Hauptstrom standen. Wir waren sehr angespannt: nicht unbedingt wegen der Größe des Flusses, sondern vor allem wegen der enormen Fließgeschwindigkeit und der Kälte des Wassers. Die Moräne des Nabesna-Glaciers war nur zwei oder drei Kilometer entfernt: das Wasser, in das wir fallen könnten, ist also gerade erst geschmolzen und hat ca. ein bis zwei Grad. Lange Rede, kurzer Sinn: wir setzten uns in die Boote und überquerten das Ding. Nichts ist passiert. Der Fluss war nur verdammt schnell: wir legten erst hunderte Meter weiter unten am anderen Ufer an.
In den nächsten drei Tagen gingen wir oft entlang von Flussbetten, durch dichtes Gebüsch und über die zu dem Zeitpunkt sehr nasse Tundra, was ziemlich unangenehm ist. Irgendwann waren wir über der Baumgrenze und alles wurde gut. Camp am Blue Lake, Cooper Pass, Grizzly Bär und Caribous. Auf der anderen Seite gab es dann wieder Wald und den extrem breiten Chisana River, dessen Querung uns drei Stunden und die kältesten Füße ever kostete. Dann kamen wir in Chisana an und waren überrascht, dort tatsächlich Menschen zu treffen, da alles, was hinter dem Nabesna River ist, normalerweise nur mit dem Flugzeug erreicht werden kann. Aber einige Menschen haben eben Flugzeuge … Wir wurden von einer Community, die aus Jägern und (anderen) Aussteigern besteht, zum Essen eingeladen. Unglaublich, wie diese Menschen das ganze Jahr über völlig abgeschieden von der Zivilisation leben können und doch alles haben, was sie brauchen! Und mehr als das: ihre Tätigkeit als „Hunting Guides“ bringt eine Menge Geld in die Gemeinschaft, so dass sie sich selbst alles einfliegen, was sie zu benötigen meinen. Letztendlich hat es uns dort so gut gefallen, dass wir länger bleiben wollten. Wir hatten ja keinen Termindruck, solange wir unser eigenes Essen nicht verbrauchten, ohne auch die entsprechende Strecke zu gehen. Und der food drop war nicht zeit-, sondern nur ortsgebunden. Soll heißen: solange man uns Essen gab, konnten wir bleiben ;) … Wir bleiben eine Woche. Tagsüber halfen wir beim Feuerholz machen und am Abend aßen wir gut und unterhielten uns mit den Menschen.
Und jetzt die Bilder zu Part II. Alle Flüsse, die zu sehen sind, mussten wir überqueren.
Wrangell St. Elias NP Part III: Chisana – Solo Creek (food drop!) – Upper Skolan Lake, 7 Tage
Nach dem tragischen Abschied in Chisana und dem Versprechen, irgendwann wiederzukommen, folgten wir dem Trail Creek für einige Kilometer. Nach dem Abendessen wollte ich zum Fluss, um den Topf abzuwaschen, den ich dummerweise nur an der Zange ins Wasser hielt. Da die Zange nicht mehr die jüngste war und der Trail Creek (auch Geohenda Creek) an dieser Stelle recht flott unterwegs ist, riss es mir den Topf aus der Hand. Verdammt! In diesem Strom war es aussichtslos den guten Primus-Topf jemals wiederzusehen. Also ging ich am nächsten Tag zurück und bat um einen Topf, den ich, einschließlich passenden Deckels, natürlich sofort bekam. Auch fanden wir nach dem nächsten Tagesmarsch später die versteckte Hütte, die den Jägern in Chisana gehörte und die voll mit gutem Essen ausgestattet war (der Chef der Community beschrieb uns den Weg und lud uns ein, uns in seiner Cabin ganz wie zu Hause zu fühlen). Über den Pass führte ein kleiner Trail, der uns geradewegs zu einer weiteren Hütte führte: der Caribou Cabin, die vom NPS für Wanderer bereitgestellt und gepflegt wird. Sie ist winzig.
Als wir später am Solo Creek ankamen und den kleinen Airstrip fanden, drückten wir auf den entsprechenden Knopf unseres SPOT. Im Übrigen hatten wir gut gerechnet: nach 13 Tagen Fußmarsch (Aufenthalt in Chisana also nicht mit eingerechnet) waren fast alle Reserven verbraucht. Das Flugzeug kam am nächsten Tag mit allem, was wir vorher hingeschickt hatten. Die Rucksäcke waren wieder schwer, es regnete… also weiter geht’s! Unsere Route führte uns nach Südwesten, über den schwierigen Flood Creek, vorbei an der gigantischen Moräne des Russel Glaciers, über den Skolai Pass und entlang des Upper Skolan Lakes, bis wir nach einem sehr langen und anstrengenden Tag unser <a target="blank" title="Zelt im Outdoorwiki nachschlagen." class="wikilink" href="http://outdoorseiten.net/wiki/Zelt">Zelt</a> aufschlugen.
Wrangell St. Elias NP Part IV: Goat Trail, Skolai Area – Chitistone Pass – Glacier Creek, 5 Tage
Die Tage und Nächte wurden kühler. Nach einem schönen Morgen in der Skolan Area brachen wir auf und erreichten irgendwann den Chitistone Pass und stiegen zum Chitistone River ab. Dem kann man leider nicht lange folgen, weil er durch enge Schluchten mit gigantischen Wasserfällen führt. Also ging es rechts hoch und entlang der Bergflanke. Eine ziemlich steile Angelegenheit, die aber viele tolle Aussichten und eine Menge Spaß verspricht. Wir fanden einen hervorragenden Zeltplatz hoch über dem Chitistone, den wir so schnell nicht wieder verlassen wollten. Also nahmen wir uns einen Tag Zeit und stiegen ohne Gepäck einen ganzen Tag weiter hoch und spazierten dann über die Bergkämme. Am nächsten Tag erreichten wir das Tal und schlugen die Zelte direkt am Chitistone auf, den wir am nächsten Morgen überquerten. Der Chitistone River ist ein reißender Strom und später mussten wir einem Guide in McCarthy versprechen, niemandem davon zu erzählen, weil Unerfahrene dann vielleicht leichtsinnig werden könnten. Dieser Fluss hat schon Todesopfer gefordert, aber wir waren einfach zu faul, zurück zum Gletscher zu marschieren und durch die Moräne zu laufen. Ich denke, der Wasserstand war niedrig, als wir da waren.
Weiter ging’s in Richtung Clacier Creek, allerdings nicht, ohne eine Nacht in der Glacier Creek Cabin verbracht zu haben. Diese Cabin hat (wie die meisten) einen eigenen kleinen Airstrip. Die Leute lassen sich dort hinfliegen, starten Tagestouren und werden halt irgendwann wieder abgeholt. Diese und andere Cabins stehen jedem zur Nutzung frei, es gilt das first-come-first-serve – Prinzip.
Wrangell St. Elias NP Part V: Clacier Creek – Nizina River – McCarthy, 5 Tage
Wir überquerten den Glacier Creek. Dabei wäre ich beinahe ins Wasser gestürzt, weil ein großer Stein, auf den ich trat, unter mir wegrutschte. Das war wirklich haarscharf! Alles wäre um einiges einfacher gewesen, wenn man auf den Grund solcher Ströme blicken könnte. Aber das Wasser dort oben ist nun einmal nicht klar.
Wir gingen weiter entlang des Clacier Creeks, bis er in den Chitistone River mündet. Ab dort ist eine Überquerung unmöglich. Aber wie gern hätte ich dort das Boot aufgeblasen und den Rest des Weges auf dem Wasser verbracht! Nur hatte meine Freundin aufgrund der beiden Unglücke im Jack Creek einfach zu große Angst und ein Kentern im Chitistone oder später im Nizina wäre unvergleichbar gefährlicher gewesen.
Noch ein paar Meter durch den Busch, dann befanden wir uns im riesigen Flussbett des Nizina Rivers. Wieder hab ich den Raft-Vorschlag gebracht, wieder ging es zu Fuß weiter ;) … es wurde windig und kalt. Regen, Hagel. Aber irgendwann mussten wir den Nizina überqueren. Also suchten wir eine geeignete Stelle und kamen dank unserer Rafts erfolgreich und trocken am anderen Ufer an. Meine Freundin packte in der Gewissheit, nie wieder raften zu müssen, überglücklich ihr Alpacka zusammen, welches ich vermutlich demnächst hier im Forum verkaufen werde.
Im Anschluss daran ging es für einige Kilometer durch den Wald, bis wir einen Waldweg fanden, der uns direkt nach McCarthy brachte. McCarthy ist eigentlich der einzige touristische Ort im ganzen Nationalpark. Mit einem Shuttle kann man von da aus in das 5 Kilometer entfernte Kennicott (eine frühere Kupfer-Mine) fahren. Als wir in McCarthy ankamen, fühlten wir uns irgendwie fehl am Platze. Nach über vier Wochen Wildnis und Einsamkeit (mal von Chisana abgesehen) umgab uns nun wieder der Tourismus. Ein paar Leute schienen erfahren zu haben, wo wir gerade herkamen und eine ältere Dame bezeichnete uns als „Local Heros“. Naja, wir wollten lieber raus aus McCarthy und die alten Minengebäude interessierten uns auch nicht sonderlich. Dank der Beschreibung eines Guides fanden wir im Kennicott Glacier eine Eishöhle, die wir gern besichtigten. Nach einer dicken US-Pizza, lustigen Gesprächen mit anderen Reisenden und einer weiteren Nacht in der Nähe des Dorfes verließen wir die Wrangells am 4. September per Hitchhiking auf der McCarthy Road.
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