Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
September 2013, 4 Wochen
Tour 1: Healy – Black Rapids (Richardson Highway)
Tour 2: Hütte in den Wrangells + Ausflug in die Talkeetna Mountains
Wichtig: Diesen Reisebericht habe nicht ich geschrieben, sondern meine Reisepartnerin Katharina. Nur die mit „Anmerkung Libertist“ gekennzeichneten Abschnitte sowie alle Bilder und Bildunterschriften stammen von mir.
Warum habe ich den Bericht nicht selbst geschrieben? Naja, zum einen ist es eine Menge Arbeit. Zum anderen aber weiß ich, dass einige User hier schon sehr an meinen „unaufgeregten“ Schreibstil gewöhnt sind und es befürworten, so einen Bericht mal aus der Sicht einer Person zu lesen, für die die Strapazen einer Trekkingreise in Alaska noch nicht zur Routine geworden sind und da vielleicht ein wenig mehr Schwung in den Schilderungen liegt. Danke an Katharina fürs Schreiben.
Geplant hatte ich die Route von Healy nach Tok schon länger: ich wollte in Healy losmarschieren, am Richardson Highway (also nach etwa 250 km) einen Essensnachschub aufsammeln und weiter bis zur Robertson River Bridge in der Nähe von Tok gehen. Dass Katharina mitkommt, ergab sich dann wirklich recht kurzfristig. Kennengelernt habe ich sie, als ich mit dem Firmenauto in Innsbruck unterwegs war und eine Mitfahrgelegenheit angeboten habe, rein zufällig also. Als wir uns am 3. September am Flughafen in Anchorage trafen, hatte ich schon 9 ½ Wochen Arbeit in Alaska hinter mir und freute mich nun umso mehr auf die bevorstehende Zeit mit Katharina. Wir hatten eine tolle Zeit in Alaska, aber genug davon, ich übergebe das Wort jetzt an sie.
Vorbereitung
Eine, von einigen meiner Freunde, als „verrückte Reise“ beschriebene Tour hat natürlich auch eine „verrückte“ Vorgeschichte. Kennengelernt hab ich Gabriel nämlich nicht vor vielen Jahren, wie man denken könnte, sondern letzten November bei einer Mitfahrgelegenheit von Innsbruck nach Salzburg. Wir haben zwei Stunden lang über Reisen, Wissenschaft und Glaube diskutiert. Danach wurden wir Facebook Freunde und ich bin erst mal für ein Monat nach Südamerika geflogen. Als ich wieder da war und einige Bilder gepostet hatte, haben wir über meine Reise gesprochen. Ich war zwar noch voll von schönen Erinnerungen an Patagonien, dachte aber schon an meinen noch unverplanten Sommer.
So kam dann eines zum anderen. Gabriel bot mir an, zuerst scherzhaft, dass ich doch mit auf seine September Tour in Alaska kommen könnte. Ich war mir nicht sicher ob ich mir das alles leisten könnte, habe dann aber aus dem Bauch heraus einfach JA gesagt. Der Gedanke an diese Reise hat sich ganz einfach richtig angefühlt und ich war von so einer Euphorie gepackt, dass ich einige Tage mit einem breiten Grinsen auf der Uni herum lief. Als dann auch noch die Ärzte grünes Licht wegen meiner Achillessehne gaben, war es fix. Gabriel hat daraufhin vergeblich versucht, mir mit diversen „knallharten Fakten“ über Kälte, Regen, enorme Anstrengung, usw., die Realität vor Augen zu halten, doch all das hat meine Lust darauf noch mehr anwachsen lassen.
Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt erst einmal im Auto gesehen, also hat Gabriel vorgeschlagen, dass ich zu seiner Schwester und ihrem Freund nach Wien komme, da sie dort gemeinsam ein Baumhaus bauen wollten.
Mhhh Baumhaus bauen, spätestens jetzt dachten alle, dass ich voll durchgeknallt sei. Egal, ich bin nach Wien und wir hatten alle ein super Wochenende zusammen. Ich habe gewusst, dass uns auf der Reise niemals der Gesprächsstoff ausgehen wird, aber ich war mir auch sicher, dass wir uns ordentlich streiten könnten. Daraufhin habe ich meinen Flug gebucht.
Eine gute Planung ist wichtig, wir haben öfter bezüglich der Packliste geskyped und ich habe mit meiner Physiotherapeutin einen Trainingsplan erstellt, damit ich auch fit bin und nicht schon am ersten Tag Gabriel fragen muss: „Wann sind wir eeeendlich da?“ Um die Routenführung hat sich, Gott sei Dank, Gabriel gekümmert, sonst wären wir vermutlich nach Russland gelaufen.
Kurz vor meinem Abflug hatte ich dann noch einmal kurz Zweifel, ob ich auch fit genug bin und ob ich mich da nicht in irgendetwas verrannt habe. Mein Umfeld war sehr unterstützend und hat sich für mich gefreut, auch wenn sich einige nicht vorstellen konnten, wie ich ein Monat lang durchhalten sollte.
Dann ging es los, 03. September, Flughafen Salzburg. Schnell noch ein Bierchen mit der Familie und nach 16 Stunden war ich auch schon in Anchorage. Gabriel und sein Gastvater, Keith, haben mich herzlich empfangen und nach einigen Minuten in der frischen Luft Alaskas war mir klar: das wird eine geile Reise.
Am letzten Tag vor der Tour stand „nur“ noch einkaufen und packen auf dem Programm. Also auf zu Walmart und Sportsmans Wearhouse. Ich war leicht überfordert mit der Planung wie viel Essen ich genau brauchen werde. Viel, das stand fest, aber ich wollte auch nicht zu viel mitnehmen.
1x Frühstück: 3 Päckchen (a 37g=140 kcal) Oatmeal + eine Scheibe Mango, 3 Aprikosen, eine Hand voll Cranberrys und 2 Dörrpflaumen (ca. 200 kcal)
1x tagsüber: 80g Trailmix (ca. 350 kcal)+ 3 Müsliriegel (a 250 kcal)
1x Abendessen: Mountain House verschiedene Geschmacksrichtungen, besonders gut wenn man noch Chili dazu gibt (a 640-890 kcal)
Mädels, nicht abschrecken lassen von der Menge, denn bei so viel Bewegung nimmt man trotz dem ganzen Essen sehr schnell ab.
All das Essen haben wir dann aufgeteilt, einmal für die ersten 14 Tage und für die zweite Tour, als Food Cash. Auf den zweiten Teil der Reise (Richardson Highway – Tok) wollte uns Keith begleiten und unseren Essensnachschub mit zum Treffpunkt bringen.
Nun die nächste Challenge: Ich packe meinen Koffer und nehme….mhhh ja was nehm ich denn mit? Gabriel hat mir gleich mal 75% meiner mitgebrachten Klamotten weggenommen. Ok, wenn er meint. Ich hab gleich angekündigt, dass ich dann sein Zeug anziehen werde, wenn mir kalt wird.
Was hab ich dann eingepackt:
Klamotten:
Zum gehen: 3 T-Shirts (2 hätten auch gereicht), 1 langärmliges Shirt (Fjällräven), enge Laufhose (Odlo), Regenhose (Millet), Regenjacke (nie mehr wieder Jack Wolfskin, nach 20 Minuten war alles nass), 2 Paar Merino Wollsocken, Stirnband (Odlo), Windstopper Handschuhe
Schlafen: 2-mal lange Unterwäsche (Odlo), Fleecejacke (Jack Wolfskin), Merino Wollsocken, Fäustlinge, Haube, Daunenjacke (Rap)
Gear:
65+15 l Rucksack (Lowe Alpin), Wanderstöcke (Sea to Summit), Trinkflasche 1l (Nalgene), Seideninlet, Schlafsack (Cumulus Teneqa 850), Exped Downmat, 2 MSR Handtücher, 6 Drybags (versch. Gr.), Satellitentelefon, Stirnlampe, Feuerzeug, Medi-Pack, Wanderschuhe (Hanwag Ferrata GTX), Crocs (Camp/Flussquerung), Klopapier, Tagebuch, Gas
Foto:
Wasserdichte Fototasche (Ortlieb V-Shot), Canon 70D mit 18-135mm Objektiv, 4 Akkus
Gesamtgewicht für 14 Tage: 24 kg +1 kg (Foto)
Ich hab alles in den Rucksack verstaut, erster Erfolg, jetzt war ich total entspannt und es konnte losgehen.
Teil 1: Healy – Black Rapids (Richardson Highway)
1. Tag 05.09.13
Nach einem riesigen, köstlichen Frühstück hat uns Keith etwas aus der Stadt hinausgefahren, von wo aus wir mit vier verschiedenen Mitfahrgelegenheiten zum Trailhead, etwas außerhalb von Healy, gefahren sind. Es waren spannende Personen und Geschichten die wir in den 6 Autostunden kennengelernt haben. Der letzte konnte nicht glauben, was wir vorhatten. Immer wieder fragte er: „Are you sure? Do you have enough food? Are you sure? I can drive you back.“ Er wollte uns gar nicht mehr aussteigen lassen.
Dann war es so weit, von seinem Auto war nur noch eine Staubwolke zu sehen und ich fing schon an zu schlottern, weil der Wind ziemlich pfiff und ich noch nicht wirklich auf Herbst eingestellt war. Ich kam ja direkt aus dem Sommer. Gabriel konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn das jetzt schon so anfängt, muss er gedacht haben. Wir mussten uns nun entscheiden, Bachbett oder Bergkamm. Langsam gewöhnen ans Gehen und dafür weniger Aussicht oder steil den Berg rauf und konstant auf und ab, dafür aber tolle Aussicht. Es war schnell klar, dass wir den Kamm nehmen. Nach einigen Kurven, auf einer Zufahrtsstraße zu einem großen Tagebau, wurde es auch zum ersten Mal spannend. Ein Bär, nein, ein Wolf, nein doch vielleicht nur ein Hund? Schlussendlich war es ein Mensch. Wir mussten beide ziemlich lachen.
Unser Ziel war es, weg von der Straße und fast ganz auf den Kamm hinauf zu kommen. Das hatten wir relativ zügig erreicht und Gabriel hat eine schöne Lichtung für unser erstes Camp gefunden. Es gab nur kein fließendes Wasser und so putze ich, zum ersten Mal, meine Zähne mit Wasser aus einer gelblichen Lache, wenig weiter fand ich danach „Caribou droppings“, lecker.
Im Zelt haben wir darüber gesprochen wie es bis jetzt so läuft zwischen uns. Ich war fast erstaunt darüber, wie friedlich es war.
2. Tag 06.09.13
Die Entscheidung für den Kamm war perfekt. Das ganze Tal entlang des Healy Rivers war zu sehen und wir konnten uns ein gutes Bild machen, wie der Weg weiter verläuft. Leider begann es mittags zu regnen und der Weg entlang des Kammes war in den Wolken verschwunden. Daher entschieden wir uns doch zum Fluss abzusteigen. Bei diesem starken Regen waren die Pausen schnell ungemütlich und kalt, aber die selbst gebackenen Müsliriegel von Gabriel hoben die Stimmung wieder. Dazu muss ich auch sagen, dass ich hungrig ungenießbar sein kann. „Hangry“ trifft das perfekt, hungry und angry.
Der Tag war lang, aber es machte Spaß, weil wir sehr gut vorankamen. Wenn wir einige Zeit bei mittlerer Anstrengung gelaufen sind, habe ich total vergessen, dass ich gehe und bin total abgedriftet in meine Gedankenwelt. Nur Gabriels rufe: „hey bear, hey bear“ rissen mich gelegentlich aus den Tagträumen. Meine Angst vor Schmerzen in der Achillessehne, wie bei früheren Touren, war bis zu diesem Zeitpunkt unbegründet. All das trug dazu bei, dass ich in einer leicht euphorischen Stimmung war und alles locker und entspannt sah.
Ach, das hätt ich fast vergessen, wenn nicht so eine schöne Zeichnung in meinem Tagebuch wäre. Gabriel hat mir exzellenten Fotounterricht gegeben. Jeden Tag eine Lektion und beim Frühstück wurde wiederholt.
3. Tag 07.09.13
Aufwachen zu strahlendem Sonnenschein, blauen Himmel und einer warmen Brise, einfach traumhaft. Es war sogar so warm, dass ich im T-Shirt marschiert bin und Gabriel froh war, dass ich doch nicht so eine extreme Frostbeule bin, wie am ersten Tag.
Dann stand auch die erste Flussquerung an – da ich keine kurze Hose dabei hatte, ging es in Unterhose durch den Fluss. Saukalt war es, aber auch nicht besonders tief, perfekt für den Anfang. Das Aus- und Anziehen war nervig und hat immer gedauert, aber Gabriel war ein sehr geduldiger Lehrer und Reisepartner und hat mich nicht gestresst.
Es ging gut voran und wir trafen Jäger, die auf Pferden ein riesengroßes Caribou-Geweih transportierten. Ich war total fasziniert und hab sofort von einer Pferdejagdtour zu träumen begonnen. Sie hatten nützliche Informationen für unsere bevorstehende Strecke und erzählten uns von einem Trail, der den Pass hoch ging und einem Bus der im Talschluss stand. Hörte sich spannend an.
Das GPS zeigte fast 18 km Luftlinie an, als wir unser Zelt in einem Meer von Blaubeeren aufschlugen. Zufrieden mit dem Tag aßen wir unser Mountain House Abendessen, das absolut köstlich war und mir zusätzlich in der Garzeit als Wärmeflasche diente. Gabriel musste wieder schmunzeln, weil es draußen noch nicht einmal Minusgrade hatte. Ein Geräusch störte die gemütliche Essensrunde. „Wo zum Teufel ist mein Bearspray?“ Entwarnung, denn es waren „nur“ zwei große Elche.
4. Tag 08.09.13
„Ahhh Gabriel mein Schlafsack ist nass“, waren meine ersten Worte, vor „guten Morgen Nebelsuppe“. Die Nässe hat mich beunruhigt, aber Gabriel meinte, mein Schlafsack hat noch viele Reserven. Ok, er muss es ja wissen.
Sichtweite waren ca. 3 Meter und so gingen wir, fast im Stechschritt, in die Richtung, wo wir den Pass vermuteten. Gabriels Navigation auf seiner selbst gemachten Karte war immer goldrichtig. So haben wir auch den alten Schulbus gefunden, der sehr mystisch im Nebel lag, jedoch nicht zum Verweilen einlud, da er innen sehr dreckig war.
Also rauf auf den Pass. Puh, da hab ich ordentlich geschnauft. Dieser fette Rucksack da hinten hängt sich ordentlich an und ich war ganz stolz wie zügig wir bei diesem Wetter da hinauf sind. Oben pfiff der Wind und ich wollte nur noch ins Tal und etwas essen. Es war schon zu spüren, dass der Appetit immer größer und Blaubeerfelder immer unwiderstehlicher wurden.
Vom Pass aus dachten wir an Camp um 16:30, daraus wurde dann 18:30, da dichte Vegetation und zwei größere Flüsse das Fortkommen zum Wood River erschwerten. Dafür lief uns eine Herde Karibus über den Weg, deren Bast sich gerade von den Hörnern schälte.
Cody Pass.
5. Tag 09.09.13
Ziemlich ereignisreicher Morgen, Gott sei Dank, wieder bei strahlendem Sonnenschein. Wir waren erst kurze Zeit unterwegs als Gabriel, beim Versuch einen kleinen Strom zu überqueren, am Rand im Sand versankt. Es ging nicht vor, nicht zurück und er war schon fast bis zum Knie im Sand. Die Stöcke kamen zum Einsatz, doch ein lautes „KNACK“ kündigte das Ende eines Karbonstocks an. Nach einer Zwangsreparaturpause, die einem chirurgischen Eingriff glich, war der Stock wieder einsatzfähig. Wenige Schritte später, nahm ich ein Bad im Fluss. Einmal aus dem Gleichgewicht und dann zieht einen der Rucksack zu Boden. Nasse Hose, Schuhe voll Wasser und ein paar blaue Flecken waren das Ergebnis.
Nach so viel Pech am Morgen, hatten wir Glück am Rest des Tages. Wir haben für den größten Teil der Strecke einen dieser Horse Trails gefunden, der leicht über dem Wood River entlang führte. Gabriel machte sich Sorgen über die Flussquerung, da der Fluss doch mehr Wasser führte als gedacht. Ich musste mich schon konzentrieren und war mir bei einem Strom nicht sicher ob ich da so einfach rüberkommen würde. Ich fragte Gabriel, der schon auf der anderen Seite war: „Ist das dein Ernst?“ und er lachte und nickte mit dem Kopf. Ich schaffte es dann auch. Wieder ein Moment in dem ich mich selbst überraschte. Das laute Rauschen und das eisige Wasser haben mir immer wieder Respekt eingejagt, aber ich habe jeden Tag dazu gelernt, das alles auszublenden und die Angst, was passieren könnte, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Langsam, Schritt für Schritt und geht schon.
Das frühe Camp an der Mündung zum Kansas Creek war eine absolute Belohnung, doch das hieß auch WASCHEN. Oh nein, ausziehen, zwei Grad kaltes Wasser, nasse Haare… nicht sehr motivierend, doch Gabriel war zuerst dran und hat dann in der Zeit, als ich am „Duschen“ war, ein richtig großes Lagerfeuer gemacht. Wieder in trockenen, warmen Klamotten hab ich mich wie neu geboren gefühlt. Wenn ich vor Müdigkeit nicht fast im Sitzen eingeschlafen wäre, hätte ich die ganze Nacht am Feuer verbracht, um auf Nordlichter zu warten, aber ich musste ins Zelt.
6. Tag 10.09.13
Von der Sonne geweckt, startete der Tag schon wunderbar. Doch plötzliche Schmerzen in der Achillessehne trübten meine Stimmung. Es ging bergauf, durch einen dichten Dschungel, entlang des Flusslaufs. Ausrutschen wäre sehr ungünstig gewesen, aber ich konnte nicht richtig aufsteigen, wegen meiner Sehne. Eine 600 mg Ibuprofen später und meine Schmerzen waren weg. Puh, Glück gehabt, aber ich hab schon das Schlimmste kommen sehen.
Nach dem kräfteraubenden Dschungel, der uns viel Zeit gekostet hat, ging es am Nachmittag viel besser voran. Die Vegetation war wunderbar zum Gehen und im warmen Licht der Nachmittagssonne sah das Tal atemberaubend aus. Um 17 Uhr entschieden wir uns noch den Pass hochzugehen. Ich dachte, noch eine Stunde und dann essen. Doch es wurde ein seeehr langer Tag. Der Pass war nämlich gar noch nicht sichtbar. Wir waren mittlerweile in hochalpinem Gelände, weit über der Baumgrenze, unterwegs und kräftemäßig war ich schon in der Reserve. Zudem fiel die Temperatur stark ab, als die Sonne im Dunst verschwand und der Wind am Kamm auffrischte. Mir war kalt, ich hatte Hunger und ich war müde… eine schlechte Kombination für meine Stimmung und ich musste wirklich kämpfen mit mir. Gabriel hat dann angefangen mit einem neuen Kapitel im Fotounterricht. Wie spielen Blende, Verschlusszeit und ISO zusammen. Damit konnte ich mich etwas ablenken. Direkt am Pass oben konnten wir nicht campen, daher mussten wir ins nächste Tal absteigen. Ich konnte die wunderbaren rosa Wolken am Himmel gar nicht mehr genießen, da ich schon den Tränen nahe war. Meine Füße und Finger waren taub und ich konnte meine Tränen dann auch nicht mehr zurückhalten. Ich konnte nicht einmal auf Gabriel sauer sein, denn er kannte den Weg ja auch nicht. Ein paar Meter bin ich ziemlich lustlos dahin gestapft, ohne etwas zu sehen und dann hab ich mich noch einmal zusammengerissen. Gabriel hat das Zelt alleine aufgebaut und Wasser geholt, ich hatte ein schlechtes Gewissen aber mir war so kalt, dass ich nicht zu gebrauchen war. Rein in die Daunenjacke und sofort einen Bissen Notschokolade, dann ging es auch schon wieder. Gabriel hat mich noch mal fest umarmt, weil er sich Sorgen um mich gemacht hat und schnell Wasser fürs Essen gekocht, denn es war schon 21:30 Uhr. Ja das war der anstrengendste, aber auch einer der schönsten Tage bis jetzt. Nach 11 Stunde Gehen und all den Höhenmetern auch nicht so verwunderlich.
7. Tag 11.09.13
Nach der eisigen und kurzen Nacht, ging es gleich ziemlich anstrengend weiter. Aus dem Plan, die Höhe zu halten, wurde nichts. Wir mussten absteigen und wieder neu aufsteigen. Im Tal hing der Nebel und am nächsten Pass schreckten wir eine Gruppe Karibus auf, die sehr aufgeregt den Berg auf und ab liefen, bis wir außer Sicht waren. Es war schön anzusehen, wie elegant und stark diese Tiere mit ihrem Geweih rennen können. Der Abstieg zum West Fork Little Delta war sehr steil, sumpfig und je weiter wir abstiegen desto höher und dichter wurde die Vegetation. Wir hatten beide keine besonders gute Stimmung, es regnete und Gabriel machte sich über die Strecke, die noch vor uns lag, Sorgen. Wir wollten nur noch ins Zelt und so war um 18 Uhr Feierabend.
Es ist spannend im Nachhinein zu lesen, wie sehr man sich über ein paar gemütliche Stunden im Zelt, etwas zu essen und Musikhören, freuen kann. Wir waren leicht überdreht im Zelt und haben „Ich sehe was, was du nicht siehst“ gespielt und ich hatte Bauchweh vor lauter Lachen. Also Stimmung war wieder gerettet.
8. Tag 12.09.13
Guten Morgen Sonne, Regenbogen und Nebelschleier, traumhaft. Ich musste immer wieder anhalten um zu schauen, weil keine Wolke am Himmel war, wir den verschneiten Bergen immer näher kamen und der Fluss an dem wir entlang liefen wunderschöne Blautöne hatte. Fast zu schön, um wahr zu sein. Es wurde ziemlich kalt, obwohl die Sonne schien und ich hatte großes Glück, denn die Steine im Bachbett waren mit einer dünnen Eisschicht überzogen, was dazu führte, dass ich fast auf die Nase fiel. Wir waren schnell am Pass oben und von dort hatten wir eine traumhafte Aussicht. Es war einfach perfekt und vielleicht können die Fotos das noch besser rüber bringen.
Der weitere Weg führte über Schotterhänge und Geröllfelder mit großen wackligen Steinen. Meine Feinde, denn ich dachte immer, dass mein Fuß dazwischen stecken bleiben könnte und ich ihn, wie in diesem Film, abschneiden müsste. Das sind genau die Gedanken, die man nicht braucht, wenn man über so ein Feld geht.
Auch wenn wir unser gewünschtes Tagesziel schon mittags gesehen haben, dauerte es für mich ewig bis wir dort waren. Mir war wieder einmal kalt, meine Füße waren nass und ich hatte extremen Hunger. Es fühlte sich an als würde mein Magen sich selbst verdauen. Gabriel hatte fest vor, wegen der besonders tollen Aussicht auf die Gletscher, zu diesem Punkt zu kommen. Ich hoffte, dass es sich wirklich lohnt und das hat es sich auch. Türkisblaue Gletscherzungen, verschneite Berge und rosa Wolken begrüßten uns am Ziel. Stimmung war wieder top.
9. Tag 13.09.13
Windig war die Nacht, nicht sehr erholsam, aber das (heilige) Zelt hat gehalten. Wie man ein Zelt richtig öffnet und schließt, hat mir Gabriel genau erklärt. Beim Schließen des Reisverschlusses wegen der hohen Spannung immer beide Hände benutzen, ganz wichtig.
Der Abstieg zum Fluss, der direkt unter dem Gletscher heraus quoll, war wieder einmal eine Dschungelwanderung. Äste die einem ins Gesicht schnalzten; Gestrüpp am Boden, das die Füße fesselte und plötzlich steil abfallende Felswände. Gabriel war der Meinung, dass wir den Fluss gleich am Gletschersee überqueren sollten, da er weiter unten zu reißend sein könnte. Zuvor haben wir aber noch den Gletschersee erkundet. Alles nur in Unterhose und Crocs, bei frischem Wind und Wolken. Der See war sehr tückisch, sumpfiger Sand in dem man schnell bis zum Knie versank und eisiges Wasser. Wir mussten leider umdrehen, da es zu gefährlich war, im Sand steckenzubleiben. Am Ausfluss des Sees war der Fluss extrem tief und als wir endlich eine Stelle zum Queren gefunden hatten, waren meine Füße taub vor Kälte. Ich konnte nicht einmal mehr fühlen ob ich Steine in den Crocs hatte. Hunger meldete sich auch schon wieder und ich wollte weiter unten über den Fluss. Gabriel war aber entschlossen und so querten wir den Fluss. Nach einem Strom schossen mir die Tränen in die Augen, da ich Schmerzen von den kalten Füßen hatte und das war erst der Anfang. Das war wirklich hart und ich hab einige Zeit gebraucht um mich danach wieder zu fangen.
Der Rest des Tages war sehr gemütlich und sonnig. Wir haben viele Fotopausen eingelegt und um 18 Uhr das Camp aufgeschlagen. Jetzt stand wieder einmal Waschen an. Doch dieses Mal wusste ich, wie das Gefühl danach ist und ich hab es nicht als ganz so schlimm empfunden.
Die Angel haben wir auch noch ausgeworfen, doch bei großem Hunger und Dämmerung war die Ausdauer und Motivation, auf einen Fisch zu warten, nicht mehr so groß. Daher war schon nach 30 Minuten die Angel verstaut und es duftete nach Spagetti with Meatsauce.
10. Tag 14.09.13
Ahhh es hat geschneit... Nein, doch nicht, musste mich Gabriel ernüchtern. Es war „nur“ Raureif, der in der Morgensonne glitzerte. Doch das wunderschöne Wetter hielt nicht lange und kurz nach dem ersten beschwerlichen Anstieg im dichten, nassen Moos, in das man ziemlich tief einsank, verschluckten uns die Wolken. Genau jetzt war das äußerst ungünstig, da wir uns nicht genau auf der GPS Route befanden, da dort zu dichte Vegetation wuchs. So stapften wir weiter im Moos, welches lustige Schlürfgeräusche von sich gab. Das Wetter blieb unverändert und ich war bis auf die Haut nass. Meine Schuhe haben sich in Fußbäder verwandelt und so sank die Motivation. Es machte keinen Sinn weiter zu gehen, da wir nicht wussten wo genau wir waren, daher machten wir Camp.
Tour 1: Healy – Black Rapids (Richardson Highway)
Tour 2: Hütte in den Wrangells + Ausflug in die Talkeetna Mountains
Wichtig: Diesen Reisebericht habe nicht ich geschrieben, sondern meine Reisepartnerin Katharina. Nur die mit „Anmerkung Libertist“ gekennzeichneten Abschnitte sowie alle Bilder und Bildunterschriften stammen von mir.
Warum habe ich den Bericht nicht selbst geschrieben? Naja, zum einen ist es eine Menge Arbeit. Zum anderen aber weiß ich, dass einige User hier schon sehr an meinen „unaufgeregten“ Schreibstil gewöhnt sind und es befürworten, so einen Bericht mal aus der Sicht einer Person zu lesen, für die die Strapazen einer Trekkingreise in Alaska noch nicht zur Routine geworden sind und da vielleicht ein wenig mehr Schwung in den Schilderungen liegt. Danke an Katharina fürs Schreiben.
Geplant hatte ich die Route von Healy nach Tok schon länger: ich wollte in Healy losmarschieren, am Richardson Highway (also nach etwa 250 km) einen Essensnachschub aufsammeln und weiter bis zur Robertson River Bridge in der Nähe von Tok gehen. Dass Katharina mitkommt, ergab sich dann wirklich recht kurzfristig. Kennengelernt habe ich sie, als ich mit dem Firmenauto in Innsbruck unterwegs war und eine Mitfahrgelegenheit angeboten habe, rein zufällig also. Als wir uns am 3. September am Flughafen in Anchorage trafen, hatte ich schon 9 ½ Wochen Arbeit in Alaska hinter mir und freute mich nun umso mehr auf die bevorstehende Zeit mit Katharina. Wir hatten eine tolle Zeit in Alaska, aber genug davon, ich übergebe das Wort jetzt an sie.
Vorbereitung
Eine, von einigen meiner Freunde, als „verrückte Reise“ beschriebene Tour hat natürlich auch eine „verrückte“ Vorgeschichte. Kennengelernt hab ich Gabriel nämlich nicht vor vielen Jahren, wie man denken könnte, sondern letzten November bei einer Mitfahrgelegenheit von Innsbruck nach Salzburg. Wir haben zwei Stunden lang über Reisen, Wissenschaft und Glaube diskutiert. Danach wurden wir Facebook Freunde und ich bin erst mal für ein Monat nach Südamerika geflogen. Als ich wieder da war und einige Bilder gepostet hatte, haben wir über meine Reise gesprochen. Ich war zwar noch voll von schönen Erinnerungen an Patagonien, dachte aber schon an meinen noch unverplanten Sommer.
So kam dann eines zum anderen. Gabriel bot mir an, zuerst scherzhaft, dass ich doch mit auf seine September Tour in Alaska kommen könnte. Ich war mir nicht sicher ob ich mir das alles leisten könnte, habe dann aber aus dem Bauch heraus einfach JA gesagt. Der Gedanke an diese Reise hat sich ganz einfach richtig angefühlt und ich war von so einer Euphorie gepackt, dass ich einige Tage mit einem breiten Grinsen auf der Uni herum lief. Als dann auch noch die Ärzte grünes Licht wegen meiner Achillessehne gaben, war es fix. Gabriel hat daraufhin vergeblich versucht, mir mit diversen „knallharten Fakten“ über Kälte, Regen, enorme Anstrengung, usw., die Realität vor Augen zu halten, doch all das hat meine Lust darauf noch mehr anwachsen lassen.
Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt erst einmal im Auto gesehen, also hat Gabriel vorgeschlagen, dass ich zu seiner Schwester und ihrem Freund nach Wien komme, da sie dort gemeinsam ein Baumhaus bauen wollten.
Mhhh Baumhaus bauen, spätestens jetzt dachten alle, dass ich voll durchgeknallt sei. Egal, ich bin nach Wien und wir hatten alle ein super Wochenende zusammen. Ich habe gewusst, dass uns auf der Reise niemals der Gesprächsstoff ausgehen wird, aber ich war mir auch sicher, dass wir uns ordentlich streiten könnten. Daraufhin habe ich meinen Flug gebucht.
Eine gute Planung ist wichtig, wir haben öfter bezüglich der Packliste geskyped und ich habe mit meiner Physiotherapeutin einen Trainingsplan erstellt, damit ich auch fit bin und nicht schon am ersten Tag Gabriel fragen muss: „Wann sind wir eeeendlich da?“ Um die Routenführung hat sich, Gott sei Dank, Gabriel gekümmert, sonst wären wir vermutlich nach Russland gelaufen.
Kurz vor meinem Abflug hatte ich dann noch einmal kurz Zweifel, ob ich auch fit genug bin und ob ich mich da nicht in irgendetwas verrannt habe. Mein Umfeld war sehr unterstützend und hat sich für mich gefreut, auch wenn sich einige nicht vorstellen konnten, wie ich ein Monat lang durchhalten sollte.
Dann ging es los, 03. September, Flughafen Salzburg. Schnell noch ein Bierchen mit der Familie und nach 16 Stunden war ich auch schon in Anchorage. Gabriel und sein Gastvater, Keith, haben mich herzlich empfangen und nach einigen Minuten in der frischen Luft Alaskas war mir klar: das wird eine geile Reise.
Am letzten Tag vor der Tour stand „nur“ noch einkaufen und packen auf dem Programm. Also auf zu Walmart und Sportsmans Wearhouse. Ich war leicht überfordert mit der Planung wie viel Essen ich genau brauchen werde. Viel, das stand fest, aber ich wollte auch nicht zu viel mitnehmen.
1x Frühstück: 3 Päckchen (a 37g=140 kcal) Oatmeal + eine Scheibe Mango, 3 Aprikosen, eine Hand voll Cranberrys und 2 Dörrpflaumen (ca. 200 kcal)
1x tagsüber: 80g Trailmix (ca. 350 kcal)+ 3 Müsliriegel (a 250 kcal)
1x Abendessen: Mountain House verschiedene Geschmacksrichtungen, besonders gut wenn man noch Chili dazu gibt (a 640-890 kcal)
Mädels, nicht abschrecken lassen von der Menge, denn bei so viel Bewegung nimmt man trotz dem ganzen Essen sehr schnell ab.
Anmerkung Libertist: …was allerdings nicht Sinn der Sache sein sollte!
Nun die nächste Challenge: Ich packe meinen Koffer und nehme….mhhh ja was nehm ich denn mit? Gabriel hat mir gleich mal 75% meiner mitgebrachten Klamotten weggenommen. Ok, wenn er meint. Ich hab gleich angekündigt, dass ich dann sein Zeug anziehen werde, wenn mir kalt wird.
Was hab ich dann eingepackt:
Klamotten:
Zum gehen: 3 T-Shirts (2 hätten auch gereicht), 1 langärmliges Shirt (Fjällräven), enge Laufhose (Odlo), Regenhose (Millet), Regenjacke (nie mehr wieder Jack Wolfskin, nach 20 Minuten war alles nass), 2 Paar Merino Wollsocken, Stirnband (Odlo), Windstopper Handschuhe
Schlafen: 2-mal lange Unterwäsche (Odlo), Fleecejacke (Jack Wolfskin), Merino Wollsocken, Fäustlinge, Haube, Daunenjacke (Rap)
Gear:
65+15 l Rucksack (Lowe Alpin), Wanderstöcke (Sea to Summit), Trinkflasche 1l (Nalgene), Seideninlet, Schlafsack (Cumulus Teneqa 850), Exped Downmat, 2 MSR Handtücher, 6 Drybags (versch. Gr.), Satellitentelefon, Stirnlampe, Feuerzeug, Medi-Pack, Wanderschuhe (Hanwag Ferrata GTX), Crocs (Camp/Flussquerung), Klopapier, Tagebuch, Gas
Foto:
Wasserdichte Fototasche (Ortlieb V-Shot), Canon 70D mit 18-135mm Objektiv, 4 Akkus
Gesamtgewicht für 14 Tage: 24 kg +1 kg (Foto)
Ich hab alles in den Rucksack verstaut, erster Erfolg, jetzt war ich total entspannt und es konnte losgehen.
Teil 1: Healy – Black Rapids (Richardson Highway)
1. Tag 05.09.13
Nach einem riesigen, köstlichen Frühstück hat uns Keith etwas aus der Stadt hinausgefahren, von wo aus wir mit vier verschiedenen Mitfahrgelegenheiten zum Trailhead, etwas außerhalb von Healy, gefahren sind. Es waren spannende Personen und Geschichten die wir in den 6 Autostunden kennengelernt haben. Der letzte konnte nicht glauben, was wir vorhatten. Immer wieder fragte er: „Are you sure? Do you have enough food? Are you sure? I can drive you back.“ Er wollte uns gar nicht mehr aussteigen lassen.
Dann war es so weit, von seinem Auto war nur noch eine Staubwolke zu sehen und ich fing schon an zu schlottern, weil der Wind ziemlich pfiff und ich noch nicht wirklich auf Herbst eingestellt war. Ich kam ja direkt aus dem Sommer. Gabriel konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn das jetzt schon so anfängt, muss er gedacht haben. Wir mussten uns nun entscheiden, Bachbett oder Bergkamm. Langsam gewöhnen ans Gehen und dafür weniger Aussicht oder steil den Berg rauf und konstant auf und ab, dafür aber tolle Aussicht. Es war schnell klar, dass wir den Kamm nehmen. Nach einigen Kurven, auf einer Zufahrtsstraße zu einem großen Tagebau, wurde es auch zum ersten Mal spannend. Ein Bär, nein, ein Wolf, nein doch vielleicht nur ein Hund? Schlussendlich war es ein Mensch. Wir mussten beide ziemlich lachen.
Unser Ziel war es, weg von der Straße und fast ganz auf den Kamm hinauf zu kommen. Das hatten wir relativ zügig erreicht und Gabriel hat eine schöne Lichtung für unser erstes Camp gefunden. Es gab nur kein fließendes Wasser und so putze ich, zum ersten Mal, meine Zähne mit Wasser aus einer gelblichen Lache, wenig weiter fand ich danach „Caribou droppings“, lecker.
Im Zelt haben wir darüber gesprochen wie es bis jetzt so läuft zwischen uns. Ich war fast erstaunt darüber, wie friedlich es war.
2. Tag 06.09.13
Die Entscheidung für den Kamm war perfekt. Das ganze Tal entlang des Healy Rivers war zu sehen und wir konnten uns ein gutes Bild machen, wie der Weg weiter verläuft. Leider begann es mittags zu regnen und der Weg entlang des Kammes war in den Wolken verschwunden. Daher entschieden wir uns doch zum Fluss abzusteigen. Bei diesem starken Regen waren die Pausen schnell ungemütlich und kalt, aber die selbst gebackenen Müsliriegel von Gabriel hoben die Stimmung wieder. Dazu muss ich auch sagen, dass ich hungrig ungenießbar sein kann. „Hangry“ trifft das perfekt, hungry und angry.
Der Tag war lang, aber es machte Spaß, weil wir sehr gut vorankamen. Wenn wir einige Zeit bei mittlerer Anstrengung gelaufen sind, habe ich total vergessen, dass ich gehe und bin total abgedriftet in meine Gedankenwelt. Nur Gabriels rufe: „hey bear, hey bear“ rissen mich gelegentlich aus den Tagträumen. Meine Angst vor Schmerzen in der Achillessehne, wie bei früheren Touren, war bis zu diesem Zeitpunkt unbegründet. All das trug dazu bei, dass ich in einer leicht euphorischen Stimmung war und alles locker und entspannt sah.
Ach, das hätt ich fast vergessen, wenn nicht so eine schöne Zeichnung in meinem Tagebuch wäre. Gabriel hat mir exzellenten Fotounterricht gegeben. Jeden Tag eine Lektion und beim Frühstück wurde wiederholt.
3. Tag 07.09.13
Aufwachen zu strahlendem Sonnenschein, blauen Himmel und einer warmen Brise, einfach traumhaft. Es war sogar so warm, dass ich im T-Shirt marschiert bin und Gabriel froh war, dass ich doch nicht so eine extreme Frostbeule bin, wie am ersten Tag.
Dann stand auch die erste Flussquerung an – da ich keine kurze Hose dabei hatte, ging es in Unterhose durch den Fluss. Saukalt war es, aber auch nicht besonders tief, perfekt für den Anfang. Das Aus- und Anziehen war nervig und hat immer gedauert, aber Gabriel war ein sehr geduldiger Lehrer und Reisepartner und hat mich nicht gestresst.
Es ging gut voran und wir trafen Jäger, die auf Pferden ein riesengroßes Caribou-Geweih transportierten. Ich war total fasziniert und hab sofort von einer Pferdejagdtour zu träumen begonnen. Sie hatten nützliche Informationen für unsere bevorstehende Strecke und erzählten uns von einem Trail, der den Pass hoch ging und einem Bus der im Talschluss stand. Hörte sich spannend an.
Anmerkung Libertist: Die Gegend zwischen Healy und dem Wood River ist bei Pferdeliebhabern recht bekannt, es gibt dort einige „Horse Trails“. Von einem befreundeten Guide aus Alaska wusste ich, dass auch ein Trail über Cody Pass (der Pass zwischen Healy River und Wood River) führte; erst ab dem Wood River ist es dann wirklich vorbei mit den Pfaden.
4. Tag 08.09.13
„Ahhh Gabriel mein Schlafsack ist nass“, waren meine ersten Worte, vor „guten Morgen Nebelsuppe“. Die Nässe hat mich beunruhigt, aber Gabriel meinte, mein Schlafsack hat noch viele Reserven. Ok, er muss es ja wissen.
Sichtweite waren ca. 3 Meter und so gingen wir, fast im Stechschritt, in die Richtung, wo wir den Pass vermuteten. Gabriels Navigation auf seiner selbst gemachten Karte war immer goldrichtig. So haben wir auch den alten Schulbus gefunden, der sehr mystisch im Nebel lag, jedoch nicht zum Verweilen einlud, da er innen sehr dreckig war.
Also rauf auf den Pass. Puh, da hab ich ordentlich geschnauft. Dieser fette Rucksack da hinten hängt sich ordentlich an und ich war ganz stolz wie zügig wir bei diesem Wetter da hinauf sind. Oben pfiff der Wind und ich wollte nur noch ins Tal und etwas essen. Es war schon zu spüren, dass der Appetit immer größer und Blaubeerfelder immer unwiderstehlicher wurden.
Vom Pass aus dachten wir an Camp um 16:30, daraus wurde dann 18:30, da dichte Vegetation und zwei größere Flüsse das Fortkommen zum Wood River erschwerten. Dafür lief uns eine Herde Karibus über den Weg, deren Bast sich gerade von den Hörnern schälte.
Cody Pass.
5. Tag 09.09.13
Ziemlich ereignisreicher Morgen, Gott sei Dank, wieder bei strahlendem Sonnenschein. Wir waren erst kurze Zeit unterwegs als Gabriel, beim Versuch einen kleinen Strom zu überqueren, am Rand im Sand versankt. Es ging nicht vor, nicht zurück und er war schon fast bis zum Knie im Sand. Die Stöcke kamen zum Einsatz, doch ein lautes „KNACK“ kündigte das Ende eines Karbonstocks an. Nach einer Zwangsreparaturpause, die einem chirurgischen Eingriff glich, war der Stock wieder einsatzfähig. Wenige Schritte später, nahm ich ein Bad im Fluss. Einmal aus dem Gleichgewicht und dann zieht einen der Rucksack zu Boden. Nasse Hose, Schuhe voll Wasser und ein paar blaue Flecken waren das Ergebnis.
Nach so viel Pech am Morgen, hatten wir Glück am Rest des Tages. Wir haben für den größten Teil der Strecke einen dieser Horse Trails gefunden, der leicht über dem Wood River entlang führte. Gabriel machte sich Sorgen über die Flussquerung, da der Fluss doch mehr Wasser führte als gedacht. Ich musste mich schon konzentrieren und war mir bei einem Strom nicht sicher ob ich da so einfach rüberkommen würde. Ich fragte Gabriel, der schon auf der anderen Seite war: „Ist das dein Ernst?“ und er lachte und nickte mit dem Kopf. Ich schaffte es dann auch. Wieder ein Moment in dem ich mich selbst überraschte. Das laute Rauschen und das eisige Wasser haben mir immer wieder Respekt eingejagt, aber ich habe jeden Tag dazu gelernt, das alles auszublenden und die Angst, was passieren könnte, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Langsam, Schritt für Schritt und geht schon.
Das frühe Camp an der Mündung zum Kansas Creek war eine absolute Belohnung, doch das hieß auch WASCHEN. Oh nein, ausziehen, zwei Grad kaltes Wasser, nasse Haare… nicht sehr motivierend, doch Gabriel war zuerst dran und hat dann in der Zeit, als ich am „Duschen“ war, ein richtig großes Lagerfeuer gemacht. Wieder in trockenen, warmen Klamotten hab ich mich wie neu geboren gefühlt. Wenn ich vor Müdigkeit nicht fast im Sitzen eingeschlafen wäre, hätte ich die ganze Nacht am Feuer verbracht, um auf Nordlichter zu warten, aber ich musste ins Zelt.
6. Tag 10.09.13
Von der Sonne geweckt, startete der Tag schon wunderbar. Doch plötzliche Schmerzen in der Achillessehne trübten meine Stimmung. Es ging bergauf, durch einen dichten Dschungel, entlang des Flusslaufs. Ausrutschen wäre sehr ungünstig gewesen, aber ich konnte nicht richtig aufsteigen, wegen meiner Sehne. Eine 600 mg Ibuprofen später und meine Schmerzen waren weg. Puh, Glück gehabt, aber ich hab schon das Schlimmste kommen sehen.
Nach dem kräfteraubenden Dschungel, der uns viel Zeit gekostet hat, ging es am Nachmittag viel besser voran. Die Vegetation war wunderbar zum Gehen und im warmen Licht der Nachmittagssonne sah das Tal atemberaubend aus. Um 17 Uhr entschieden wir uns noch den Pass hochzugehen. Ich dachte, noch eine Stunde und dann essen. Doch es wurde ein seeehr langer Tag. Der Pass war nämlich gar noch nicht sichtbar. Wir waren mittlerweile in hochalpinem Gelände, weit über der Baumgrenze, unterwegs und kräftemäßig war ich schon in der Reserve. Zudem fiel die Temperatur stark ab, als die Sonne im Dunst verschwand und der Wind am Kamm auffrischte. Mir war kalt, ich hatte Hunger und ich war müde… eine schlechte Kombination für meine Stimmung und ich musste wirklich kämpfen mit mir. Gabriel hat dann angefangen mit einem neuen Kapitel im Fotounterricht. Wie spielen Blende, Verschlusszeit und ISO zusammen. Damit konnte ich mich etwas ablenken. Direkt am Pass oben konnten wir nicht campen, daher mussten wir ins nächste Tal absteigen. Ich konnte die wunderbaren rosa Wolken am Himmel gar nicht mehr genießen, da ich schon den Tränen nahe war. Meine Füße und Finger waren taub und ich konnte meine Tränen dann auch nicht mehr zurückhalten. Ich konnte nicht einmal auf Gabriel sauer sein, denn er kannte den Weg ja auch nicht. Ein paar Meter bin ich ziemlich lustlos dahin gestapft, ohne etwas zu sehen und dann hab ich mich noch einmal zusammengerissen. Gabriel hat das Zelt alleine aufgebaut und Wasser geholt, ich hatte ein schlechtes Gewissen aber mir war so kalt, dass ich nicht zu gebrauchen war. Rein in die Daunenjacke und sofort einen Bissen Notschokolade, dann ging es auch schon wieder. Gabriel hat mich noch mal fest umarmt, weil er sich Sorgen um mich gemacht hat und schnell Wasser fürs Essen gekocht, denn es war schon 21:30 Uhr. Ja das war der anstrengendste, aber auch einer der schönsten Tage bis jetzt. Nach 11 Stunde Gehen und all den Höhenmetern auch nicht so verwunderlich.
Anmerkung Libertist: Ich war schon mit vielen Leuten auf Tour, hab aber selten so eine tapfere Frau erlebt. Hut ab!
7. Tag 11.09.13
Nach der eisigen und kurzen Nacht, ging es gleich ziemlich anstrengend weiter. Aus dem Plan, die Höhe zu halten, wurde nichts. Wir mussten absteigen und wieder neu aufsteigen. Im Tal hing der Nebel und am nächsten Pass schreckten wir eine Gruppe Karibus auf, die sehr aufgeregt den Berg auf und ab liefen, bis wir außer Sicht waren. Es war schön anzusehen, wie elegant und stark diese Tiere mit ihrem Geweih rennen können. Der Abstieg zum West Fork Little Delta war sehr steil, sumpfig und je weiter wir abstiegen desto höher und dichter wurde die Vegetation. Wir hatten beide keine besonders gute Stimmung, es regnete und Gabriel machte sich über die Strecke, die noch vor uns lag, Sorgen. Wir wollten nur noch ins Zelt und so war um 18 Uhr Feierabend.
Es ist spannend im Nachhinein zu lesen, wie sehr man sich über ein paar gemütliche Stunden im Zelt, etwas zu essen und Musikhören, freuen kann. Wir waren leicht überdreht im Zelt und haben „Ich sehe was, was du nicht siehst“ gespielt und ich hatte Bauchweh vor lauter Lachen. Also Stimmung war wieder gerettet.
8. Tag 12.09.13
Guten Morgen Sonne, Regenbogen und Nebelschleier, traumhaft. Ich musste immer wieder anhalten um zu schauen, weil keine Wolke am Himmel war, wir den verschneiten Bergen immer näher kamen und der Fluss an dem wir entlang liefen wunderschöne Blautöne hatte. Fast zu schön, um wahr zu sein. Es wurde ziemlich kalt, obwohl die Sonne schien und ich hatte großes Glück, denn die Steine im Bachbett waren mit einer dünnen Eisschicht überzogen, was dazu führte, dass ich fast auf die Nase fiel. Wir waren schnell am Pass oben und von dort hatten wir eine traumhafte Aussicht. Es war einfach perfekt und vielleicht können die Fotos das noch besser rüber bringen.
Der weitere Weg führte über Schotterhänge und Geröllfelder mit großen wackligen Steinen. Meine Feinde, denn ich dachte immer, dass mein Fuß dazwischen stecken bleiben könnte und ich ihn, wie in diesem Film, abschneiden müsste. Das sind genau die Gedanken, die man nicht braucht, wenn man über so ein Feld geht.
Auch wenn wir unser gewünschtes Tagesziel schon mittags gesehen haben, dauerte es für mich ewig bis wir dort waren. Mir war wieder einmal kalt, meine Füße waren nass und ich hatte extremen Hunger. Es fühlte sich an als würde mein Magen sich selbst verdauen. Gabriel hatte fest vor, wegen der besonders tollen Aussicht auf die Gletscher, zu diesem Punkt zu kommen. Ich hoffte, dass es sich wirklich lohnt und das hat es sich auch. Türkisblaue Gletscherzungen, verschneite Berge und rosa Wolken begrüßten uns am Ziel. Stimmung war wieder top.
9. Tag 13.09.13
Windig war die Nacht, nicht sehr erholsam, aber das (heilige) Zelt hat gehalten. Wie man ein Zelt richtig öffnet und schließt, hat mir Gabriel genau erklärt. Beim Schließen des Reisverschlusses wegen der hohen Spannung immer beide Hände benutzen, ganz wichtig.
Anmerkung Libertist: Der zynische Unterton gefällt mir gar nicht.
Der Rest des Tages war sehr gemütlich und sonnig. Wir haben viele Fotopausen eingelegt und um 18 Uhr das Camp aufgeschlagen. Jetzt stand wieder einmal Waschen an. Doch dieses Mal wusste ich, wie das Gefühl danach ist und ich hab es nicht als ganz so schlimm empfunden.
Die Angel haben wir auch noch ausgeworfen, doch bei großem Hunger und Dämmerung war die Ausdauer und Motivation, auf einen Fisch zu warten, nicht mehr so groß. Daher war schon nach 30 Minuten die Angel verstaut und es duftete nach Spagetti with Meatsauce.
10. Tag 14.09.13
Ahhh es hat geschneit... Nein, doch nicht, musste mich Gabriel ernüchtern. Es war „nur“ Raureif, der in der Morgensonne glitzerte. Doch das wunderschöne Wetter hielt nicht lange und kurz nach dem ersten beschwerlichen Anstieg im dichten, nassen Moos, in das man ziemlich tief einsank, verschluckten uns die Wolken. Genau jetzt war das äußerst ungünstig, da wir uns nicht genau auf der GPS Route befanden, da dort zu dichte Vegetation wuchs. So stapften wir weiter im Moos, welches lustige Schlürfgeräusche von sich gab. Das Wetter blieb unverändert und ich war bis auf die Haut nass. Meine Schuhe haben sich in Fußbäder verwandelt und so sank die Motivation. Es machte keinen Sinn weiter zu gehen, da wir nicht wussten wo genau wir waren, daher machten wir Camp.
Kommentar