[SE] Das zweite Mal - Kungsleden Nordteil - Das erste Mal ohne Begleitung

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  • Breitfuessling

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    #21
    Erster Tag der Anreise: Mit dem Zug von Peine nach Stockholm:

    Im Zuchhhh. Endlich runterkommen.

    Es wird sich als gut herausstellen, dass ich eineinhalb Stunden Umsteigezeit in Hamburg eingeplant hatte, so habe ich nach Abzug der Verspätung des ICE von Hannover nach Hamburg immer noch vierzig Minuten Zeit.
    Zuletzt geändert von Breitfuessling; 09.08.2023, 09:35.
    Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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    • Breitfuessling

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      #22
      Im Bett im Euronight nach Stockholm. Es wird höchste Zeit, noch (in diesem Leben) Schwedisch zu lernen. Was ich ihn den letzten Sommern jeweils gelernt hatte, war zu Weihnachten wieder weg und ich bekomme jetzt nur mit, wo meine schwedischen Mitreisenden in Frankreich und auf dem Balkan gewesen sind. Aber sie sind sehr lieb und nehmen mich immer wieder auf Englisch mit.

      Wie schön, jetzt mit dem SJ Team zu reisen, freundlich und korrekt. Der Zug fährt zwar langsamer, aber dafür pünktlich los.
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      • Breitfuessling

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        #23
        Stockholm, 20 Grad, windig, die Frisur hält.
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        • Breitfuessling

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          #24
          Zweiter Tag der Anreise - per Flugzeug - Stockholm - Kiruna

          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_6768.jpg Ansichten: 0 Größe: 323,8 KB ID: 3206391

          Das mit der selbst gewickelten Folie hat zunächst funktioniert. Die gute Frau bei der Gepäck Abgabe meinte aber, sie schickt mich lieber zu „Special Luggage“, weil meine Folie zu stumpf sei und sie Angst hätte, dass es in den folgenden zwanzig Kurven der Förderanlage hängen bliebe. OK. Sonderservice.

          Die Übernachtung im Blue Raddison Arlandia war angenehm, komfortabel und ich habe reichlich gefrühstückt. Für €105,- hatte ich dann nur eine Viertelstunde mit dem kostenfreien Shuttlebus zum Flughafen. Das war mir wichtig, kein Stress am Morgen.

          Dafür Männerprobleme: Freitag noch bei meiner Damenfriseurin gewesen zum Spitzen schneiden, damit ich es mit den langen Zotteln im Wind auf der Wanderung leichter habe. Jedenfalls heute dann die TrockenSeife und TrockenShampoo probiert und irgendwas ist schief gelaufen😫. Welche war für den Körper und welche für die Haare? Und ist die für die Haare jetzt Shampoo mit Conditioner oder ist die Seife für Körper und Haar und das andere nur Spülung für die Haare? „MANN, ich nehme gleich das Messer“, dachte ich.
          Dann nochmal in die Dusche, anderes Produkt auf die Haare, nur unmerklich anders, nicht wirklich besser.
          OK, ich habe sie durchgebürstet bekommen.
          Anschließend habe ich die vom Hotel gestellte kleine Bodylotionflasche ausgespült und mit dem hoteleigenen Conditioner aufgefüllt. Probleme gibt’s!!!😂🤣

          Gestern war ich etwa um elf in Stockholm angekommen, habe das Gepäck direkt am Hauptbahnhof ins Schließfach (knapp vier Stunden/€23,-) gepackt und bin zum Vasa Museet gelaufen.
          Wow, das war toll. Ich hatte nur noch dunkle Erinnerungen von vor 39 Jahren. In der Tat konnte ich mich nur noch an das dazugehörige Langboot erinnern, das seinerzeit noch mit Konservierungsmittel eingesprüht wurde. Aber jetzt…
          dieses riesige Schiff!!!
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_6734.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,43 MB ID: 3206390
          Was alles daran hängt, wieviele Menschen daran gearbeitet haben damals und heute und es ist jetzt auch schon wieder sechzig Jahre über Wasser. Zum einen ist es eine lange Zeit, seitdem es gebaut wurde, fast vierhundert Jahre, andererseits wenn ich auf mein Leben zurück blicke, auch schon gut ein halbes Jahrhundert, es wirkt alles anders, vorstellbar, nicht unendlich. Ich finde, das Museum ist für Familien und Erwachsene gut aufgezogen. Die Kindern würde ich auf jeden Fall gut darauf vorbereiten und ihnen einen Bezug zu den betrachteten Zeiten und Zeiträumen geben. Das wird im Museum auch wieder aufgegriffen, indem auch intensive Einblicke in das Leben auf der Werft, an Bord und an Land gegeben werden.

          Nach dem Museum habe ich mir ein Fastfoodmenue gegönnt und bin an den Körsbärsträden mit dem Springbrunnen gegangen und habe dem Treiben zugesehen. Das war angenehm kühl, wenn die Gischt vom Wind herüber getragen wurde.

          Dann mit dem Arlanda Express zum Flughafen und zwanzig Minuten zu Fuß zum Hotel gelaufen und früh eingeschlafen.


          Jetzt warten. Wie sieht es hinter der Sicherheitskontrolle aus? Das letzte Mal bin ich 2016 nach München geflogen. Habe noch zweieinhalb Stunden bis zum Abflug. Werde erst in anderthalb Stunden durchgehen. War ganz schön aufgeregt bis gerade, nun wird es besser 🫣.

          Zuletzt geändert von Breitfuessling; 09.08.2023, 11:06.
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          • Breitfuessling

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            #25


            Guten Morgen sagt sie Sonne seit vier Uhr und je nachdem wie ich liege trifft mich ein Strahl direkt ins Auge.
            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_6826.jpg Ansichten: 330 Größe: 3,25 MB ID: 3206457
            Meine Urplanung war, heute am Montag mit dem Zug in Kiruna morgens anzukommen und direkt mit dem Bus weiter nach Nikkaluokta und auf die Piste.
            Weil ich keine Geduld und Ruhe mit der Verfügbarkeit der Züge hatte, zog ich zunächst die Fahrt von Hamburg nach Stockholm mit dem Euronight von Samstag auf Freitag vor und entschloss mich dann auch noch, von Stockholm nach Kiruna zu fliegen. OK das kostet jetzt natürlich mehr, aber ist auch sehr entspannt. Dadurch habe ich jetzt die zweite Extra-Nacht mit viel Zeit zur mentalen Vorbereitung.

            Das STF-Hostel in Kiruna ist herrlich einfach. Ich habe mir sogar ein Einzelzimmer gegönnt, nutze Toilette und Waschbecken auf dem Zimmer und Dusche, Sauna und Küche im Keller.

            Bett selber beziehen, lag alles da. überlegt kurz, meinen Hüttenschlafsack zu nehmen, aber nachher denken sie, ich habe ohne Bettbezug und Laken geschlafen, was nicht schön für die folgenden Gäste wäre.

            Gestern am Flughafen war ich überrascht, an wie vielen Rucksäcken nicht einmal die Gurte und Riemen zusammen gebunden waren beim Aufgeben, da waren sogar Flaschen locker seitlich eingesteckt, Stöcke außen angebunden, oder eine IsoMatte. Die war aber auch auf einer Seite abgerissen und bei einem Rucksack hing der Deckel auf Halbsieben.
            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_6781.jpg Ansichten: 358 Größe: 399,0 KB ID: 3206455

            Was auch funktioniert hat, war das Aufsetzen des Regencovers. Insgesamt hatte ich aber ein sicheres Gefühl mit meiner Folie, es war einfach jede Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass etwas abreißt oder sich in den Förderanlagen verfängt.

            Ich war erstaunt, dass ich allein fünf Leute gesehen habe, deren Gepäck nicht angekommen war. Das sind nach meinem Gefühl echt viele.

            Dann stand draußen der Flyggbus und ich suchte erstmal raus, wo ich eigentlich hin musste und fragte den Fahrer, ob er zum STF Hostel führe. „Ja, es sei nur fünf Minuten zu laufen“, antwortete er. Jo, dachte ich: „Dann laufe ich doch!“ Zum Glück sprach mich der zweite, der die Koffer in den Laderaum packte, auch noch an: „Es sind fünf Minuten von wo der Bus hält, zu Fuß sind es insgesamt acht Kilometer!“
            Oh, zum Glück hat er mich angesprochen. Aber was sind schon acht Kilometer. Trotzdem gut, so kam ich wieder mit Vater und Sohn neben mir ins Gespräch, die schon im Flugzeug neben mir saßen und dieses Jahr ihr zehnjähriges WanderJubiläum hier haben und diesmal über Kebnekaise zur Nallo Hütte wollen. Da sie mit Zelt unterwegs sind, haben sie die Nacht auf dem CampingPlatz hier nebenan verbracht.

            Ich hatte somit gestern Abend Zeit durch Kiruna zu gehen. Es fällt total auf, dass die Stadt wegen des Bergbaus verlegt wird. Ring für Ring breiten sich die Bauzäune aus und die Häuser werden zurück gebaut.
            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_6812.jpg Ansichten: 335 Größe: 3,76 MB ID: 3206458
            Im alten Zentrum sieht es trostlos aus. Ich kaufte ein Sandwich und zwei Äpfel im ICA, ging zum Bahnhof und setze mich in die geheizte Wartehalle und hatte mein Abendbrot mit Blick auf den See und die schneebedeckten Berge im Hintergrund.
            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_6809.jpg Ansichten: 332 Größe: 2,06 MB ID: 3206456
            Auf dem Rückweg durchs Zentrum hin zur Holzkirche und zurück ins Hostel. Es war niemand in der Gemeinschaftsküche, so ging ich aufs Zimmer und genoss die Ruhe der an die Scheibe klopfenden Regentropfen.
            Alle Akkus nochmal geladen, ich erinnere mich nicht mehr, ob wir in der Koje auf der Kebnekaise Fjällstation direkt eine Steckdose hatten. Ich vermute es, aber bin unsicher.

            Im kleinen ICA gab es keine GasKartuschen und auch kein Benzin, Spiritus vielleicht, habe nur geguckt und nicht gefragt. Im COOP bin ich nicht gewesen, wenn der Campingplatz einen Shop haben sollte, wäre das noch eine Option für die hier häufig gefragte Möglichkeit zur Versorgung mit Brennstoff nach dem Flug oder in Nikkaluokta beim Start der Wanderung. Da schaue ich auf jeden Fall nach.
            Mein Notfall-Esbit ist durch die Kontrolle gekommen und im Rucksack mitgeflogen. Das ist aber auch nur ein einzelner Glücksfall und nicht als zuverlässiger Beweis heranziehbar. Die Regeln der IATA sind hier ja schon ausreichend analysiert worden.

            In zwanzig Minuten beginnt die Frühstückszeit und dann noch ein wenig Rucksack umpacken und schauen, ob der Campingplatz einen Shop hat und dann gehe ich zu 10:10 Uhr zum Bus.
            Zuletzt geändert von Breitfuessling; 09.08.2023, 11:08.
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            • Namie
              Gerne im Forum
              • 23.03.2023
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              • Meine Reisen

              #26
              Na dann geht es jetzt ja richtig los!
              Alles gute für die kommenden Tage.

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              • Breitfuessling

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                #27
                Ich danke dir!

                btw: COOP hat Primus Gas und ein weiteres Produkt von Schraubkartuschen, haben gerade die drei Letten erzählt, die heute in den Büschen bei der Kirche übernachtet haben. Sie fahren weiter nach Abisko und gehen dann Richtung Süden nach Kvikkjokk.
                “Maybe we will meet halfway“, haben wir uns gerade verabschiedet.

                https://m.youtube.com/watch?v=I7HahV...BtZSBoYWxmd2F5
                Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                • Breitfuessling

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                  • Meine Reisen

                  #28
                  Erste Etappe: Mit dem Nikkaluoktaexpress-Bus von Kiruna, zu Fuß von Nikkaluokta zur Kebnekaise-Fjällstation


                  Apropos laufen, das war doch heute etwas.

                  Bin also gut gefrühstückt bei leichtem Regen zum Bahnhof gelaufen und war der einzige, der dort in den Nikkaluoktaexpressen eingestiegen ist. Dreißig andere saßen schon drin!

                  Dort angekommen kurz umgeguckt, ja sieht noch so aus wie damals. Drinnen nochmal nach diesen Patches der einzelnen Stationen und Hütten gefragt, hatten die wieder keins da von Nikkaluokta… boten mir aber total freundlich an, ich sollte eine email schreiben, sie würden mit eines schicken, wenn wieder welche da sind.

                  OK, ich hatte alles, was ich brauchte, 18 kg zeigte die Waage. Na gut, wird schon, ist halt Training.

                  Ui, es gibt schon Mücken. Die hatte ich vor vier Jahren nicht zehn Tage früher. Dann lief mir ein hellbraunes sah so aus wie ein Hühnchen und ich habe es gefilmt mit ihren Küken über den Weg. Erst stehen geblieben, dann hat die Glucke aus dem Kleinbuschwerk ihre Küken links heraus gerufen auf die andere Seite geholt.

                  Ich war eher gemächlich unterwegs und das war auch gut so. Keine Blasen und das Laufen macht immer noch Spaß.

                  Drei Betten weiter liegt ein Bergführer aus Stuttgart, in meinem Alter. Wollte von Kvikkjokk in den Sarek, da sei jedoch gerade noch viel zu viel Schnee und wo der taut alles überschwemmt. Er hatte dann keine Lust mehr, z. B. anderthalb Kilometer nur durch Wasser zu gehen und geht jetzt den Kungsleden nach Norden mit Abstecher hier nach Kebnekaise Fjällstation und war heute oben. Zu früh, alles voller Nebel, später erst ist alles aufgeklart. Er schlug mir vor, ich sollte doch nicht die lange Route im Westen über Kaffedahlen mit dem ganzen Geröll gehen sondern auf halber Strecke zum Gletscher hoch, dann müsste ich zum Schluss nur einige Meter so etwa 35-40 Grad steil auf Schnee gehen, es sei nicht verreist, nachher gäbe es ein gespanntes Seil, dass einem dort hinleitet, wo man in den Fels steigen müsste…

                  Ich habe gesagt, ich bleibe lieber bei der geplanten Westroute, da weiß ich was ich hab. Es sei denn, er käme mit und würde mich anleiten. Da ich so etwas null Erfahrung habe, gehe ich auf Nummer sicher.

                  Wir haben noch zusammen gegessen, er kommt aus Siebenbürgen und konnte mir eine Menge zur Geschichte erzählen, dass die deutschstämmigen Menschen dort vor achthundert Jahren hingegangen sein und einiges mehr.

                  Nach dem Essen Sauna und waschen nur im Bächlein hinter dem Service Haus, weil die Wasserversorgung seit einer Woche eingeschränkt ist. Schwedische Dixis draußen und drinnen alle Waschbecken und Toiletten gesperrt. Küche geht.. Die Füchse unter uns hatten aber schnell raus, das in der Sauna Dusche ein Schlauchanschluss mit Kalt- und Warmwasser war, unter dem man sich auch angenehm warm abspülen konnte. Im Hocken! Trotzdem… ins Bächlein… nach vier Saunagängen war ich reichlich aufgewärmt.

                  Morgen gut gestärkt hinauf, ganz ruhig, nur warme Kleidung und etwas Essen sowie Wasser in den Rucksack. Das wird schon! und wenn Wolken da sind, setze ich mich zwei Stunden in die Hütte und mache Hampelmann, um mich aufzuwärmen, bis es aufklart. Ich will einmal runter gucken und die anderen Berge sehen.
                  Ansonsten werde ich stolz sein, wie weit ich gekommen bin und dass ich das Ende meiner Leistungsfähigkeit mit Vernunft wahrgenommen habe und noch gesund umgedreht bin.

                  Auf dann!
                  Zuletzt geändert von Breitfuessling; 09.08.2023, 17:35.
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                    #29
                    Das Wetter lädt ein. Gut gefrühstückt, Rucksack gepackt, die Schuhe passen noch.
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                      #30
                      Zweite Etappe: Richtung Kebnekaise und zurück

                      Maaann, war das ein schöner Tag. So rein vom Wetter her.
                      Aber der Rest war für mich auch super toll!

                      Um 08:00 Uhr bin ich dann mit gefühlt acht Kilo Gepäck los und sah schon so einige vor mir tapern, die ersten waren ja schon beim ersten rausgehen um viertel vor sechs am Schuhe binden.
                      Ich ging den Weg vollkommen normal. Gestern hatte ich die Stöcke noch auf dem Rucksack, aber heute brauchte ich sie, wollte ich sie und so habe ich mich dann auch schnell wieder eingestochert. Ich muss gestehen, ich hatte mir die Gummipröppel drauf geklebt, weil mir das auf den Geist geht, wenn die Stäbchen so auf dem Stein klackern. Auf festem Kiesboden konnte ich so nicht einstechen. Auf dem großen Steinhaufen, zu dem ich heute gelaufen bin, war solcher Boden eh kaum vorhanden.

                      Wie macht ihr das? Lauft ihr auf den Metallspitzen? Wie lange halten die? Gibt’s da ‘nen Thread drüber? Link nehme ich gern.

                      Ich kannte den Weg schon bis man vom Kittelbäcken über die Brücke und die Stufen hoch auf den kleinen Sattel kommt, bevor der Anstieg zum Vierranvárri beginnt. Dort hatten wir in 2019 angehalten und waren umgedreht.
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 2019 nach 5h30.jpg Ansichten: 0 Größe: 390,5 KB ID: 3212280
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: P1000323.jpg
Ansichten: 420
Größe: 2,36 MB
ID: 3212284 2019
                      Heute ist mir erst bewusst geworden, was für anstrengendes Wetter wir damals hatten. Wir stapften damals mit Regenklamotten und Gamaschen durch den Schnee hinauf, es waren zehn Tage früher im Jahr. Bis zu der Stelle brauchen wir 5h30.

                      Heute war ich nach 3h30 dort bei km 5 2/3. Ich war super glücklich und hatte das Gefühl, heute mache ich das und war gerührt, was ich bei strahlendem Sonnenschein von oben alles sehen würde.

                      Upps dachte ich nach einigen Metern. Das wird jetzt aber eine andere Kategorie.
                      Jedenfalls habe ich für die folgenden gut 800 m und 300 Höhenmeter fast eineinhalb Stunden gebraucht. Ui, ich bin das erste Mal in meinem Leben auf so einen Steinhaufen gestiegen.
                      Da oben auf dem Vierranvárri war es für mich sehr schön. Diese 300 Höhenmeter machten den Unterschied. Auf einmal waren die ganzen Berge rundherum gar nicht mehr groß und ich konnte über viele hinwegsehen und die schneebedeckten Berge weiter im Norden sehen und die vielen vielen Schneefelder dazwischen. Nur über den einen konnte ich nicht gucken, der da gegenüber stand, der mein Ziel war.

                      Nach einer Viertelstunde Wechsel von T-Shirt auf leichte Jacke ging ich an die Kante der Kuppe, sodass ich ins Kaffedalen runter schauen konnte und suchte den Weg, auf dem es weiter ging. Ich konnte die Leute am Berg sprechen hören, das hörte sich richtig nah an, ich blinzelte eine Weile rum, bis ich die kleinen Leute sich langsam bewegen sah.
                      Wow, dachte ich, das geht jetzt nochmal so weiter und nochmal dreihundertfünfzig Meter höher plus vorher hundert runter und hoch durch das Tal hindurch.
                      Ich war bei 5h15 und traf meine Entscheidung: Nicht durchs Kaffedalen, sondern eine Stunde hier sitzen bleiben, Kaffee kochen und genießen, an den Nordrand gehen und einige Panoramen aufnehmen und jedem, der zurückkommt, ein paar Worte der Anerkennung zu geben.
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Gute Entscheidung.jpg Ansichten: 0 Größe: 475,4 KB ID: 3212282


                      Gedacht - getan.

                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Freier Blick auf Keb.jpg Ansichten: 0 Größe: 445,6 KB ID: 3212279
                      Das war ein schöner Tag soweit, ich habe mehr gesehen als je zuvor. Allerdings musste ich beim letzten Anstieg erkennen, dass mir doch ein wenig Bange war in Gedanken an den Abstieg. Für mich Flachländler war das eine große und gefühlt grenzwertige Aktion. Ich habe großen Respekt vor allen, die auf Berge steigen und klettern. Das war mir schon aus Dokumentationen klar, aber am eigenen Leibe diese neue Herausforderung zu fühlen, hat es mir gegenwärtig gemacht.

                      Zurück ging es dann ganz gemächlich, ich habe ebenso 5h15 gebraucht. Die Sprüche der Eltern:“ Bergab ist es noch viel schwerer…“ kann ich jetzt auch nachvollziehen und kann meinen Kindern jetzt von meinen eigenen Erfahrungen berichten. Einige erfahrene Menschen und auch einige junge sind gefühlt an mir vorbei geflogen. Als Anfänger hatte ich die ganze Zeit Angst auszurutschen. Die weichen Knie wie vorletztes Jahr beim Spaziergang um die drei Zinnen hatte ich aber nur noch kurz… Man gewöhnt sich… in kleinen Schritten.

                      Die Plattfüße sind belastet, aber ich kann gerade gehen, würde jetzt nicht rennen wollen, aber bin nicht am rumeiern. Schuhe passen prima, keine Blasen.

                      Ab morgen ist dann erstmal Funkstille, wenn ich ins große Funkloch gehe, was hoffentlich noch viele Jahre erhalten bleibt.
                      Zuletzt geändert von Breitfuessling; 09.08.2023, 18:52.
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                      • fhvdrais
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                        #31
                        Ich benutze zuhause auch nie Stöcke, finde sie im Fjäll mit Rucksack aber praktisch, und bei schwierigen Furten unverzichtbar. Die Gummipfropfen bleiben zuhause bzw. im Rucksack - ich denke, die sind nur für Asphalt. Und die Spitzen halten lange.

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                        • Breitfuessling

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                          • 804
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                          • Meine Reisen

                          #32
                          Ok danke.

                          PS: Bin seit gestern gut wieder zurück. Morgen Abend geht es dann mit der ganzen Familie mit Wohnwagen nach Südtirol.​ Vielleicht finde ich ja abends die Ruhe, mal ein paar Zeilen zu berichten.

                          Grüße an mile, den ich zwischen Singihütten und Kebnekaise traf und die Unbekannte Userin (Name vergessen 🤦‍♂️), die mich mit ihrer Tochter hart nördlich des Tjäktapasset traf und mich anhand der ersten drei Sätze erkannte: „Du musst der Breitfuessling sein von den Outdoorseiten!“
                          Hehe, das war witzig.
                          Bitte melde dich noch einmal wie ich es mir schon gewünscht hatte, damit wir uns einmal über das Wandern mit Heranwachsenden austauschen können.

                          Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                          • Breitfuessling

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                            • 06.04.2023
                            • 804
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #33
                            Südtirol, Pustertal, 31 Grad, Sonne, Pool 25 Grad. Die Frisur sitzt. Dass Vorzelt gegen Gewittersturm verankert.

                            Neben uns: Drei Schweden!
                            Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                            • boehm22

                              Lebt im Forum
                              • 24.03.2002
                              • 8248
                              • Privat

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                              #34
                              Zitat von Breitfuessling Beitrag anzeigen
                              Ok danke.

                              Die Unbekannte Userin (Name vergessen 🤦‍♂️), die mich mit ihrer Tochter hart nördlich des Tjäktapasset traf und mich anhand der ersten drei Sätze erkannte: „Du musst der Breitfuessling sein von den Outdoorseiten!“
                              Hehe, das war witzig.
                              Bitte melde dich noch einmal wie ich es mir schon gewünscht hatte, damit wir uns einmal über das Wandern mit Heranwachsenden austauschen können.
                              Hallo,

                              ich bin die Unbekannte :-) - und auch seit ein paar Tagen wieder zuhause.
                              Die Tour hat noch richtig viel Spaß gemacht.

                              Wandern mit Heranwachsenden:
                              Mein Kind war meist einen halben Kilometer vor mir unterwegs und hat nur bei schwierigen Gelände den Abstand reduziert und auch regelmäßig auf mich geguckt :-)

                              Bin schon wieder in der Arbeit. Am Donnerstag war Betriebsausflug zur Kartbahn und ich habe jetzt eine heftige Rippenprellung mit Schmerzen. Der Kungsleden war angenehmer für meinen Körper :-)


                              Viele Grüße
                              Rosi

                              ---
                              Follow your dreams.

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                              • Breitfuessling

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                                • 06.04.2023
                                • 804
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                                #35
                                Zitat von boehm22 Beitrag anzeigen

                                Hallo,

                                ich bin die Unbekannte :-) -
                                Quool! Ich melde mich demnächst 😃
                                Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                                • Breitfuessling

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                                  • 06.04.2023
                                  • 804
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                                  #36
                                  Dritte Etappe: Von Kebnekaise Fjällstation zu den Singi-Hütten

                                  17,7 km vom Garmin aufgezeichnet
                                  mit einer Stunde Pause mit Mile insgesamt 8 h unterwegs gewesen


                                  Aufgewacht im neuen Bett, denn als ich am Abend zuvor zurück kam, lagen da drei extrem wortkarge Menschen in Ihren Betten und hatten sich außergewöhnlich ausgebreitet. Dahingegen war das Bett des zwei Tage zuvor kennengelernten Bergführers leer... er war weiter gezogen. Nun gut, ich veranlasste den Tausch und hatte wieder Luft zum Atmen und die drei hatten ein Bett mehr, um sich auszubreiten. Win - Win irgendwie.

                                  Den Morgen habe ich mir seeehr viel Zeit genommen. Das Frühstück musste richtig ausgekostet werden. Im Gegensatz zu dem selbst getragenen Frühstück bekommt man hier für die € 15,- eine Menge geboten... aber, es fällt mir schwer, sooo viel zu essen. Manchmal wird es als zu teuer beschrieben, doch überlege ich... wenn ich in einer kleinen Stadt vom großen Frühstücksbuffet essen gehe, zahle ich nicht weniger... und dort habe ich nicht diese besonders schöne Stimmung.

                                  Also wieder drei Gänge: Zuerst vom Ei, das gerührte mit trocken Brot dazu, Ketchup und irgendetwas Scharfes aufs Ei, angebotenes Gemüse dazu. Kaffee, Saft und Wasser. Danach Brötchen, eines mit Aufschnitt und eines süß. Zum Schluss Müsli mit Joghurt und Obst. Ich passte die Gelegenheit ab und sprach die polnische Frau mir schräg gegenüber an, die diesen Tag eine geführte Tour auf dem Östra Leden gehen wollte. Wenn ich mit solchen Wander- und Berg-erfahrenen Menschen spreche, frage ich mich, was ich in meinem Leben bisher gemacht habe und bin zunächst erstaunt und fühle mich klein. Schnell merke ich aber, dass das an dieser Stelle vollkommen uninteressant ist. Was wir hier an gemeinsamen Interessen verfolgen ist das, was uns zusammenführt.
                                  OK, und am Ende der Tour sehe ich ja auch schon fast so schlank und trainiert aus wie sie ;-D

                                  Der tags zuvor erleichterte Rucksack will wieder gut gepackt sein, der erste schwere Luxus - Pumpernickel und Corned Beef - sind vertilgt und es passt alles hinein. Die wegen des Ausfalls der Wasserpumpstation alternativ aufgestellten (etwa 10) schwedischen Dixis sind komfortabel und nicht so ranzig, wie ich es von hiesigen Festivals her kenne. Anstehen muss man nach dem Frühstück aber auch. Eine urlaubsgebräunte junge Frau steht im weißen Badeanzug mit achtzigermäßig hohem Beinausschnitt am Freiluftwaschbecken... ich smile sie an und frage: "Where is the beach?" Ihr fehlen die Worte, doch sie zeigt ihr verschmitztes Lachen. So nehmen wir alle die kleine Einschränkung in der Wasserversorgung mit Leichtigkeit... und sind unbewusst erleichtert darüber, dass erst vier Wochen später wegen einer um sich greifenden Magen-Darm-Erkrankung nichts mehr gehen wird.

                                  Es wird ruhiger draußen vor der Station, ich gehe noch einmal durch den Shop und gönne mir einen kleinen Karabinerhaken mit Kebnekaise-Gravur und breche dann um 10:28 Uhr auf.

                                  Vorwegnehmend komme ich zur Ansicht, dass diese Etappe für mich als die vielfältigste erscheint. Ich ging los, passierte den ein oder anderen Busch entlang des Weges, zuerst die typisch ausgelatschten Wegen mit den herausragenden Steinen unterschiedlichster Größe, vorbei an der Grenze des Stationsgebietes, woraufhin sich mehrere Zelte zeigten, deren Bewohner auch so langsam aufbruchreif wurden. Dann führten mich drei in wenigen Metern Entfernung nebeneinander liegenden Pfade an ein nicht zu vernachlässigendes Flussbett... ich blickte mich um auf der Suche nach den passenden Steinen... doch vielleicht zweihundert Meter oberhalb stand eine massive Brücke... hmm... die Brücke wird ja wohl kaum dort hochgespült worden sein... ok, hoch, rüber und weiter gings. Bis heute wundere ich mich jedes Mal beim Betrachten des Videos... warum die drei Pfade so direkt an diese Stelle führten, aber die (bei schweifendem Blick) deutlich sichtbare Brücke viel weiter oberhalb.

                                  Dann vorbei am Abzweig zum Västra Leden hinab ins Tal. Buschwerk rechts und links, dann bald die sich aus dem Bewuchs leicht gewölbt erhebende Felsstruktur, die durch ehemaligen Gletscherfluss rund und furchig geschliffen war. Dort hatte ich vier Jahre zuvor mit meiner großen Tochter die erste Pause gemacht, einfach weil uns dieser Platz gefallen und auch etwas fasziniert hatte. Ich suchte den Platz, an dem ich mich damals im Moos liegend fotografieren ließ.
                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte AnsichtName: P1000408.jpgAnsichten: 0Größe: 5,57 MBID: 3212296
                                  Ich glaube, ich habe ihn nicht wieder gefunden, hatte auch keine genaue Vorstellung mehr davon, so ließ ich mich von vorbeiwandernden Iren vor einem passenden Fels fotografieren.

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: GPTempDownload.jpg Ansichten: 4 Größe: 1,87 MB ID: 3212297
                                  Naja, es ist glaube ein ganz anderer Felsen. Aber die gute Absicht ist doch zu erkennen, oder

                                  Kurz nachdem ich wieder losgegangen war, vielleicht fünfzig Meter vor mir kam einer hinter einem Fels um die Ecke und begann sofort zu rufen und zu winken. Wir trafen schnell zusammen und es war klar! Das musste Mile sein! Und er war es. "Oh, Du hast mich ja sofort erkannt!" "Ja klar, Du hast doch vom grünen Filzhut geschrieben!" Das das so auffällt... super Alleinstellungsmerkmal, hihi. Hey, er sagte, er sei froh mich zu treffen, dann könnte er gleich seinen Rucksack etwas erleichtern, und sofort begann er eine Reihe von Geweihen auszupacken, das sei für ihn, sagte er, das für seinen Neffen und das für mich, weil ich ihn auf die Idee gebracht hatte, durchs Neasketvággi zu gehen und das sei zum einen sehr schön gewesen und zum anderen hätte er dort die Geweihe gefunden. "Hast du noch Zeit?" fragte er. "Ja klar! Hier ein Stück Richtung Osten ist eine windgeschützte Stelle" und wir setzten uns dort hin, wo ich mich gerade fotografieren ließ. Er ging los im rechten Winkel zum Weg und fand Wasser und setzte einen Tee auf. So lernten wir uns kennen und quatschten vielleicht eine Stunde, teilten etwas zu Essen und er freute sich kurz vor Ende seiner Tour über das Beef Jerky, von dem ich noch mehrere Beutel im Rucksack hatte. Und ich kam nach langer Zeit einmal wieder in den Genuss einer Tasse Earl Grey Tee, den ich über mehrere Jahrzehnte gerne genossen hatte. So im Freien zusammen zu kommen, ist einfach eine tolle Situation. Wenn ich versuche, mich zu erinnern, waren wir die ganze Stunde über vollkommen allein, aber bestimmt sind etliche Leute an uns vorbei gezogen, so zehn Meter nur neben dem Weg.

                                  Wir packten unsere Sachen wieder ein und verabschiedeten uns mit freundlichen Wünschen. Jeder ging in seine Richtung weiter. Ich glaube, ich habe das schon in seinem Einladungsthread für seine Tour beschrieben und bin gespannt, wie sich die beiden Geschichten voneinander unterscheiden. Bin aber auch davon überzeugt, die Summe beider Geschichten wird zutreffen, nur ich erinnere mich drei Wochen später einfach an andere Details. die Vorstellung entwickelt sich einfach.
                                  Mein Videotagebuch sagt an dieser Stelle: "Jetzt habe ich eben den Michael getroffen und wir haben nicht einmal ein Selfie gemacht." Die Fotomania entwickelt sich wieder zurück. Gut so. Wir werden die Gesamtheit unserer Eindrücke wieder mehr schätzen, unsere Sinne wieder weiter öffnen und uns in Achtsamkeit üben.

                                  Dann ein Haufen Bretter über eine flaches aber bestimmt sechs Meter breites Rinnsal. Kam mir irgendwie bekannt vor, aber war bestimmt nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit, wieder auf so einen Haufen erst kürzlich durch ebenfalls wandernde Wasserscheue oder wasserscheue Wanderer behelfsmäßig angeordneter Hölzer zu stoßen.

                                  Ich ging über eine ebenfalls bekannt anmutende Holzbrücke mit zwei runden Stämmen als Tragbalken... "Ok, Du kennst dich hier scheinbar ein wenig aus", dachte ich. Bald müsse der aus der Wand gebrochene Felsquader kommen, zu dem ich damals schon gehen wollte, aber mich unsere Eile davon abhielt. Ich erblickte ihn und schaute aufs Navi, wann der Weg günstig nahe dran wäre, um in einem guten Winkel vom Weg ab zum Quader hinzugehen. Das waren hier meine ersten Schritte querfeldein, komisch war das. Ich machte mir Gedanken über die Natur und ob das in Ordnung sei, während einige Leute brav dem Weg folgend vorbei ziehen würden. Hinten links liegt der Quader.
                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: GPTempDownload.jpg Ansichten: 4 Größe: 2,31 MB ID: 3212299
                                  Und prompt flog mich ein Fjällab an. Im Englischen heißt der Longtailed Jaeger und hebt sich durch seine beiden deutlich herausragenden langen Schwanzfedern hervor. Später habe ich noch mehrmals welche von denen getroffen. Ihren Ruf hört man praktisch auf dem ganzen Weg. Meist steigen sie schnell auf und locken dich scheinbar in eine andere Richtung, fliegen wieder weiter und pfeifen ihren Ruf. Einmal habe ich glaube erkannt, was das Spiel bedeutet, aber das kommt in einer viel späteren Etappe

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: GPTempDownload.jpg Ansichten: 4 Größe: 3,39 MB ID: 3212300
                                  Der Quader wurde immer größer. Ich hatte ihn damals auf 3x4x4m geschätzt, nun denke ich eher 5x5x5 m³, also gut 125 m³. Bei einer Dichte von Gestein, zum Beispiel Granit mit 2700 kg/m³ schätzte ich ihn auf knapp 340 t Gewicht. Und der ist dann irgendwann aus der Felswand gebrochen und bestimmt dreihundert Meter die Schräge über das Geröll herunter gepurzelt. Wann das wohl geschehen war? Wie lange der dort schon liegt? Ist das erst im letzten Jahrhundert passiert oder müssen wir hier schon an Jahrtausende denken? Ich finde den noch recht scharfkantig, sodass die Erosion weniger lange an ihm genagt hat als an vielen anderen zerbröselten Steinen. Und wie tief steckt er in der Erde, wie viel Gestein ist um ihn herum angelagert worden? Ein Kollege ist Geologe, den werde ich mal fragen und ihm das Video mit der Feinstruktur zeigen. Ich bin nicht draufgeklettert, aber ich habe ihn umschritten und berührt.
                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: GPTempDownload.jpg Ansichten: 4 Größe: 1,25 MB ID: 3212298

                                  Für heute ist erst einmal Schluss und ich denke doch über externe Vorbereitung des Berichts nach... Die Etappe hatte ja gerade erst begonnen.
                                  Zuletzt geändert von Breitfuessling; 10.08.2023, 00:49.
                                  Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                                    #37
                                    Vielfältige Etappe, warum?

                                    Ich glaube, als Neuling sieht man hier ziemlich viele verschiedene Untergründe, es geht auf und ab, durch breite und schmale Bäche, flache Brücken aus Holz und hohe aus Stahl mit dahinplätschernden Wassern und in Felsspalten tosende Gischt, vom eiszeitlichen Gletscher rundgelutschte Felsen und wild durcheinandergeschüttete oder monolitisch anmutende spitze Steinblöcke. Die Büsche entlang des Weges werden immer kleiner und schwinden langsam im Überschwemmungsbereich des Flusses, allenfalls Gräser nutzen hier die kurze Phase nach dem Abfließen des über die Ufer tretenden Schmelzwassers.
                                    Nach dem ersten Teilstück von Nikkaluokta zur Fjällstation war es noch reichlich zivilisiert und hier kommen jetzt die ersten sich verlierenden Trampelpfade, wohl dem, der keine Farbfehlsichtigkeit für rotes Licht hat, aber letztendlich kann man ja nicht vom Weg abkommen, ohne merklich in die Berge aufzusteigen. Der Neuling bekommt hier auch eine Reihe kleinerer Seen zu sehen, unbeplankte Geröllfelder, flachbekieselte Flussbetten, die rein optisch zum Baden einladen... wenn man sich die Zeit nähme. Über viele kleine Hügel geht es auf und ab und es zeigt sich fast nach jeder Kuppe ein verändertes Landschaftsbild. Abwechslungsreich, aber für den Unbedarften auch irgendwann frustrierend provoziert es die Frage: "Wann bin ich endlich angekommen?" Irgendwann werden die Abstände kürzer, in denen die Position auf der Karte (wie auch immer, manuell analog oder elektronisch) ermittelt wird und man sich beruhigt: "Hach, nur noch eine Stunde, na sagen wir anderthalb, dann kann ich mich freuen, wenn ich früher da bin.
                                    Beim Wetter habe ich hier zum zweiten Male die Erfahrung mit dem scharfen Westwind gemacht, der einem längs des Tale entgegenpfeift. Die Wolken drohen oft, aber tatsächlichen Regen hatte ich immer nur kurz, nicht länger als eine halbe Stunde. Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: Wetter.jpg
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Größe: 203,4 KB
ID: 3213010

                                    Die Strecke ist mit rund 18 km eine der längeren, doch sie liegt auch am Anfang jeder dort möglichen Routen. Also sollten noch ausreichend unerkannte Reserven im Kopf und bei den Fett- und Zuckervorräten vorhanden sein.

                                    Irgendwann kommt dann der Wegweiser geradeaus weiter zu den Singihütten, leicht südlich abzweigend zu den Kaitumjaurestugorna und nördlich der direkte Weg zu den Sälkahütten. Zum Glück musste ich einfach nur geradeaus, denn andere Wege sah ich hier nicht vom Wegweiser aus. Habe das aber auch einfach nur zur Kenntnis genommen und nicht gesucht. Vielleicht wäre das nach zwanzig oder fünfzig Metern in die entsprechende Richtung schon wieder eindeutig gewesen. Wenn ich die Karte der Swedish Mountain Map App (Apple) richtig auswerte, liegen zwischen dem Abzweig nach Süden und nach Norden aber auch 600 m, also ein Grund zur Panik, hier geht keiner verloren! Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: Wegweiser.jpg
Ansichten: 332
Größe: 295,8 KB
ID: 3213009

                                    Es kommen die ersten Schneefelder in schattigen Mulden, mehrere Seen und die ersten Zelter, die sich die reichlich flachen weichen Plätze am See zu Nutzen machen. Hinter der nächsten Kuppe kann man dann endlich ins Tjäktajokkatal blicken und auf den gegenüberliegenden Unna Avrrik links, den Madir rechts und den aus diesem Blickwinkel charakteristisch leicht von links nach rechts abfallenden Schneefeldern am Südhang des dazwischenliegenden Neasketvaggi, was das baldige Erreichen der Singihütten ankündigt.
                                    (Foto) Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: Angekommen Singi.jpg
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Größe: 355,5 KB
ID: 3213005
                                    Jetzt ist es nur noch eine gute halbe Stunde zu gehen. Kurz vorher gibt es noch rechts des Weges einige flache Plätze, auf denen es sich die Zelter bequem machen, die die Nähe zur Hütte schätzen.

                                    Für alle, die von Nikkaluokta aus ihre erste Hütte besuchen, haben die Hüttenwarte eine ausführliche Einweisung parat, nicht zu vergessen das nach 2019 immer noch gleiche Schild mit nachgemalter Schrift: Tvätt - Wäsche flussabwärts und Vatten bitte flussaufwärts holen . Zur Begrüßung ist Beerensaft aus dem Kanister möglich, war vielleicht gerade alle 🙃, als ich ankam. Hier habe ich zwei einzelne Hütten in Erinnerung. die eine hat eine große Doppelküche mit drei Zimmern und eine Hütte mit zwei kleinen Einzelküchen mit jeweils zwei Kojen à 5 Betten und ein Hundezimmer (Mit-Hund-Zimmer) mit zwei Betten. Separate Trockenräume, Shop und Sauna gibt es hier nicht, der oder die Stugvärd hat aber für Notfälle bestimmt den einen oder anderen Nagel, Draht, Feuerzeug oder Tapestreifen zur Verfügung. Zahlung geht ab hier nach Norden in jeder Hütte mit Karte, STF-Mitgliedskarten werden freundlich abgefragt und es gibt die Patches der Hütte für Sommer- und Wintersaison.

                                    Ich kam in die Hütte mit den zwei Einzelküchen, wo ich mich sogleich mit fünf von Norden her Wandernden aus England, Irland und Schweden bekannt machte. Sie gehörten alle zusammen. Der wanderungsveranlassende Engländer (30) hatte seine Schwester, Mutter und besten (irischen) Freund dabei sowie seine (werdende) Frau Astrid aus Stockholm. Sie hatten sich vor Corona in London kennengelernt, er hat sie in Stockholm besucht und mit Beginn von Corona dort ein Jahr lang hängen geblieben. Ich glaube aber, dass war mehr eine förderliche Randbedingungen als der Zwang, so herzlich die beiden miteinander umgingen. Die Wanderung zu fünft hatte er sich von seinen Lieben zum 30. Geburtstag gewünscht.
                                    Sie spielten ein (wie selbst ausgedacht anmutendes) Kartenspiel mit schrägen Regeln, dies aber mit Elan und Spaß. Ich wurde eingeladen, wollte mich aber erstmal auf das Beobachten des spiels beschränken. Nachher kochten wir gleichzeitig und aßen gemeinsam. Er zauberte eine Art Pasta aus Resten, die sie in den Leftover-Schränken gefunden hatten. Ich blieb eisern bei einer mit Couscous angereicherten Instant-Thai-Suppe. Seine Mutter bereitete für uns alle Schokopudding zu. Zum Abschluss verteilte Astrid Motivation-Stickers an alle. die hatte sie für jeden für die gesamte Tour mitgebracht. Ich zog den Spruch "You are stronger than you think!" was mir eine schöne bestätigende Botschaft für die weitere Tour war.
                                    Der irische Freund kam in meine Koje und fragte mich: "Do you mind, if I bunk here?" Ich lud ihn ein, ein Bett in meiner sonst freien Koje zu benutzen, dann musste er nicht in die dritte Etage zwei Meter nebenan klettern.

                                    Am nächsten Morgen standen sie zeitig auf und wir verabschiedeten uns, als ich kurz draußen war. Drinnen fand ich einen weiteren Motivation-Sticker: "It's a good day to be happy!"


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                                    Zuletzt geändert von Breitfuessling; 14.08.2023, 19:22.
                                    Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                                      • 06.04.2023
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                                      #38
                                      Ach, da war doch noch etwas offen...

                                      Vierter Tag: Von den Singi-Hütten auf den Mádir und zurück

                                      13 km in knapp sieben Stunden


                                      Zum Glück, der Wind hatte sich gelegt und auch schien es von vorn herein nicht regnen zu wollen an diesem Tag, das fühlte sich irgendwie so an.
                                      Meine britisch-irisch-schwedischen Hüttenmitbewohnenden verhielten sich leise, aber wenn ich den ersten Pieps bewusst wahrgenommen habe, hält mich auch nichts mehr in den Federn. Sie hatten ja schon alles am Vorabend vorbereitet, selbst das Müsli schon eingeweicht, und zogen dann auch bald mit freundlichen Grüßen für den weiteren Weg von dannen.

                                      Als ich zwischendurch draußen war und wieder in die leere Hütte kam, lag dort noch ein weiterer Motivation-Sticker: "It's a good day to be happy!"
                                      Ach wie Recht Astrid doch behalten sollte. Ich war sehr dankbar.

                                      Ruhe. Ich sortierte meine Sachen und stellte alles für ein gemütliches Frühstück bereit. Kaffee mit Zucker und Milch aus dem Tütchen, gleich zwei davon, Fertigporridge aus der großen Tüte und ein paar Löffel Milchpulver, alles mit heißem Wasser aufgegossen. Eine Handvoll Studentenfutter und zwei getrocknete Aprikosen fanden noch den Weg in den Teller.
                                      Beim Essen blätterte ich durch das Logbuch der Reisenden auf der Suche nach meinem Eintrag von 2019.
                                      Draußen zeigte sich der blaue Himmel großflächig, es schien warm zu werden, bestimmt waren es schon 15 Grad so gegen zehn Uhr, als ich mich wellnessmäßig ausgetrödelt hatte. Ich ging raus und machte das erste GoPro-Selfie, in dem ich das Tagesmotto für mich definierte: Ganz ruhig und entspannt hier am Ort - Äh - Gegend - Umgebung. Natürlich hatte ich seit Monaten den Mádir im Kopf, aber alles immer unter der Hoffnung, dass ich zwischen dem ostwärtigen Bergfuß und dem Tjäktjajokka hindurch zu seiner flach ansteigenden Nordflanke durchkäme.

                                      Dann ging ich in die Nachbarküche und schlug das Logbuch auf. Es war fast voll und die ersten Einträge von 2019... JA! Da war es! Unser ersten Mal hier vor Ort. Mann, war das eine Freude, alles ging sich weiterhin so gut an wie in den ersten Tagen und es mochte einfach alles klappen bzw. sich gut entwickeln.
                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 230,7 KB ID: 3216973
                                      ​Gegen 11:10 Uhr begann Garmin, meinen Weg aufzuzeichnen, puh, es waren gefühlt 20 Grad und ich ging im T-Shirt los. Die Praktikantin in der Hütte - ich nennen Sie einfach Siv - zu der Zeit waren viele Freiwillige vor Ort und halfen bei der Aktion, die Hütten zu renovieren - machte sich auch auf den Weg, wollte auch auf die westliche Seite des Flusses, so gingen wir eigentlich in die gleiche Richtung, verloren uns aber schnell aus den Augen. Vielleicht ist sie nicht bis zur Brücke nördlich des Sami-Dorfes direkt am Fuße des Mádir gegangen, sondern hat den Fluss an der Sami-eigenen Brücke schon überquert.

                                      Ich ging voran, Singi-Umgebung ist Mücken-Land, Djungelolia wirkte gut. Ich ging zur Brücke runter und staunte nicht schlecht. Siv hatte mich schon informiert, ich solle vorbereitet sein, das Geländer sei vom Eis beschädigt. Und so war es natürlich auch. Am Westende der Brücke war ein Geländerfeld beidseitig ganz offen, die Stangen hingen schräg runter, andere Felder behelfsmäßig mit Ketten und Draht gesichert. OK. Die Brücke hing aber ganz ruhig da und es war windstill. Ich trat an die offene Stelle, nicht ohne zumindest mit dem Unterarm irgendetwas vom Geländer zu berühren, um zu merken, wenn ich mich irgendwie ungünstig Richtung Kante bewegen sollte. Aber alles blieb ruhig.

                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 2,80 MB ID: 3216974
                                      Wow, was für ein Ausblick in die Tiefe. Nun gut, die Alpinisten unter Euch grinsen sich jetzt vielleicht Einen, für mich waren es vielleicht 10 bis 15 m Tiefe in Sprudelwasser, der Aufprall würde vielleicht deshalb sanft bleiben, aber dann weiter durch den kurzen Canyon gespült zu werden... ja, ich mache mir solche Gedanken, kann damit aber gut umgehen, also bin dann nicht panisch oder gelähmt, nur bewusst.

                                      Und dann ging der Blick auch höher nach Norden und es war unfassbar schön, wie der blaue Himmel und das Gras, Moss und Fels mit dem tosend frischen Wasser zu diesem Gesamtbild wurden. Ein sehr schöner Ort.

                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Singi Brücke Tjäktjajokka.jpg Ansichten: 0 Größe: 409,5 KB ID: 3216975
                                      Ich ging noch auf der Westseite etwas die Felsen hinunter bis zum Standort dieses Bildes.
                                      Auf der anderen Seite guckte eine Mutter mit zwei größeren Jungs von der Brücke, aber sie waren auch genauso schnell wieder verschwunden.
                                      Ich ging also wieder hoch und um die markanten Felsen am Westufer herum, um Richtung Norden zu kommen. Nach wenigen Metern wurde es absolut ruhig und es war nichts mehr vom Tosen des Wassers zu hören. Der Untergrund war großflächig bewachsen und erstreckte sich wie eine riesige Obstschale leicht konkav Richtung Norden. Das war der Platz für mein Zelt, wenn ich denn eines dabei gehabt hätte, den ich an anderer Stelle hier bereits empfohlen habe. Ein Stück weiter nördlich dann ein nicht mehr als einen Meter tiefer See von vielleicht vierzig Metern Durchmesser, glatte Oberfläche, klar, mit wenigen erkennbar organischen Sedimenten.
                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Singi See vor Madir.jpg Ansichten: 0 Größe: 524,7 KB ID: 3216976
                                      Ich umging ihn links und kam der Stelle näher, von der ich hoffte, dass sie mir den Weg zur flachen Nordflanke des Mádir eröffnete.
                                      Und da war der Durchlass. Vielleicht gesamt zwanzig Meter von der Felskannte aus und ich konnte gut durchgehen. Das Wasser war ein paralleler Zweig des Tjäktjajokka, der zu dieser Zeit jedoch bereits stand, weil weiter nördlich kein Wasser mehr hinein gedrückt wurde. Bei ausreichend viel Schmelzwasser sollte es aber eng sein.
                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 639,5 KB ID: 3216977
                                      Was dann folgte war gemütlich. Weicher Untergrund​ mit deutlich erkennbarem freien Geröll und einigen Restschneefeldern, sodass man auf einhundert Meter gut den Weg überschauen konnte. Ich wollte ja einfach nur nach oben und hatte Zeit, das Wetter war prima und ohnehin waren es ja nur gut 300 Höhenmeter zu überwinden. Obwohl, einen Haken hatte das gute Wetter beim Stand meiner Vorbereitungen: Ich hatte noch nicht realisiert, dass ich ab jetzt wohl Sonnencreme benutzen sollte.

                                      Dann kam die erste Kuppe und nach dem Standort auf dem Navi zu urteilen noch lang nicht die gewünschte. Ich ging weiter hoch, die zweite Kuppe und die dritte. Meine Perspektive auf die Berge und das Tal veränderte sich langsam. Ich konnte nach Osten über den Fluss schauen und erkennen, wie er sich in diesem Bereich auffächerte. Bei der nächsten Kuppe tat sich mir auch der Blick nach Süden auf über das Sami-Dorf und die Singi-Hütten und vor allem den Tjäktjajokka, der sich dort mit dem Wasser aus dem Neasketvággi vereinte und verspielt herummäandrierte und vor allem im Mündungsbereich so eine dreieckige Insel bildete, wo man sich gern fragen konnte, wo denn hier das Wasser entlang floss oder ob es je nach Zuflussmengen hier unterschiedliche Flussrichtungen gäbe. Aber ich wollte ja ganz hoch. Die nächste Kuppe müsste es sein. 1078 m stand auf der Karte. Ich kam an und blickte nach Westen. Mann, da ging es noch ein Stückchen höher, vielleicht noch einmal fünfzehn oder zwanzig Meter Höhe, aber bestimmt dreihundert Meter Entfernung. Ich blickte nach links Richtung Süden und war überwältigt.

                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Fraukopf.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,84 MB ID: 3216979

                                      Hier blieb ich, das war einfach schön und würde das Stückchen weiter auch nicht besser aussehen. So blieb ich meiner Gelassenheit wie schon beim Aufstieg Richtung Kebnekaise treu und machte Pause. Obwohl, zunächst ging ich erst einmal näher an die Kante heran und machte Fotos in mehreren Richtungen. Ein Vogel kreiste im Aufwind über dem Hang.
                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 72,1 KB ID: 3216980
                                      Ich ging zurück... doch wo war mein Gepäck? Bah, Anfängerfehler! Ich musste ein paar Minuten hin und her tapern, bis ich es wieder gefunden hatte. Grün schwarzer Rucksack neben dem als Sitzfläche ausgesuchten Felsen... für mich aus der Entfernung kaum zu sehen, wenn ich nicht mehr wusste, in welcher Richtung er lag und möglicherweise auch noch kleine Kuppen oder Felsen den Blick versperrten, doch dann hatte ich ihn wieder gefunden. Heute grinse ich immer noch darüber, dass mir das dort oben bereits bei der letzten Kuppe passiert war und hier auch gleich noch ein zweites Mal.
                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 2,49 MB ID: 3216981
                                      Seitdem habe ich den Rucksack immer oben drauf gelegt.

                                      Das vermeintliche unförmige Dreieck erschien dann in seiner vollen Pracht als ... ist es nicht ein eindeutiger Frauenkopf? Unten der Torso, zumindest die Schulterpartie, der schlanke Hals, kantiges Kinn und schlanke Nase, stolz oder achtzigermäßig ausdrucksschwanger in die Höhe gereckt, die kantige Stirn und das zum Irokesen hochtoupierte Haupthaar. Die Wolken trieben langsam ihre Schatten über Berge und Tal, sodass sich jede Minute ein neues kontrastreiches Arrangement ergab. Ich schaute eine Stunde lang zu, bereitete Kaffee und brach eine Tüte Beef Jerky an.


                                      Nach einer guten Stunde, vielleicht gegen 15:00 Uhr, machte ich mich auf den Rückweg. Das war einfach, weich, nur leichtes Gefälle und dann kam da dieses Schneefeld, vielleicht fünfhundert Meter lang, Mensch, war das bequem zu gehen. Anfangs dachte ich darüber nach, ob es vielleicht Hohlräume von Schmelzwasser hätte und ging vorsichtig, aber schnell vertraute ich der Situation und kam ruckzuck vorwärts.
                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 1,45 MB ID: 3216982
                                      Schon die ganze Zeit beobachtete ich den Fluss im Tal und eine Idee wuchs heran. Es war ja bestimmt 25 Grad warm und ich hatte nur leichtes Gepäck dabei. Ich schaute mich um, wo der Fluss sich am breitesten auffächerte, dort wollte ich hin.

                                      Ich stieg weiter ab, nach dem Schneefeld ging es wieder über weichen Untergrund, gesäumt von vielen kleinen Rinnsalen, die auch dorthin wollten, wo ich hin wollte. Dann etwas dünnes Helles auf dem Boden... mein erstes selbst gefundenes Geweihstück. Ich freute mich. Dann das Zweite! Wow! Und dann das Dritte, das mich sehr rührte, denn nun hatte ich mit dem Allerersten, das mir Michael geschenkt hatte, vier Stück für die ganze Familie.

                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 1,51 MB ID: 3216983

                                      Ich kam zum Flussufer und staunte nicht schlecht. Obwohl es sich hier als Summe der einzelnen Arme auf bestimmt gut dreißig Meter Breite aufgefächert hatte, war es doch anhand des Wellenbildes bis zu einem Meter tief.

                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 999,2 KB ID: 3216985
                                      Ich ging am Ufer entlang und bekam die Bestätigung, als ich den Grund des ansonsten klaren Wassers nur noch ganz verschwommen erkennen konnte. Das war mir als seit über dreißig Jahren nicht mehr Flussdurchwatenden zu heiß... und vermutlich auch zu kalt. :-D Ich hatte mir so vorgestellt, dass ich vielleicht schon hüfttief rein müsste und hätte ausprobiert, wie dicht das Raincover des Rucksacks wohl wäre, so im Sinne eines Zeltbahnpakets à la militaire. Die Strömung machte mir aber Sorge. Dafür dass es nicht notwendig war, war es mir zu heikel.

                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 1,19 MB ID: 3216984

                                      An der engsten Stelle zwischen stillen Flussarm und Fels lagen markante Quader und ich hatte noch reichlich Zeit, aber kein Wasser mehr. Mist, vergessen aufzufüllen, wo ich doch gerade so dicht dran war. Ein Beutel Kaffee war noch übrig und auch noch eine Thaisuppe und Couscous. Also Gepäck an den MARKANTEN Felsblock gelegt und zurück zum Wasser und mit selbigem aufgefüllt. Auf dem Rückweg entdeckte ich etwas, das mir sagte, ich wäre dort auf dem schmalen Weg nicht der alleinige Nutzer.

                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Fährte.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,97 MB ID: 3216986
                                      Da es am Vortag noch geregnet hatte, sollte das in dem weichen feuchten Sand vielleicht von heute sein.
                                      Als ich dann am sofort wiedergefundenen Gepäck angekommen war, wurde es von Süden her schneller als erwartet grau. Also doch keine Pause, sondern direkt zur Hütte zurück.

                                      Gesägt, tun, getan... angekommen war die Hütte wohl noch leer und blieb es scheinbar auch, denn hier habe ich ein Erinnerungsloch, ich kann mich nicht erinnern, wer in der zweiten Nacht in der Hütte war... strange!

                                      Ein toller Tag!

                                      Nachtrag: Eben beim Brötchen holen Wandern im Nachbarort wanderten meine Gedanken von den nicht fest geschnürten flachen Wanderschuhen über das Blasenkriegen hin zum Tapen… und da waren sie wieder präsent, die zwei Holländer, er 55 vielleicht und sie knapp um die 40. kamen von Süden eigentlich mit Zelt, hatten den Tag viele Kilometer gemacht und waren sichtlich fertig… Er hatte eine Weltkarte auf dem Rücken und trug dort jede Wanderung ein, was jedoch immer nur minimal kurze Striche waren. Sie wollte sich eine Wanderroute auf den Oberschenkel stechen lassen, war aber unsicher, da es ja nur ein Kritzelstrich würde. Beide waren bereits Tattoo erfahren. Das sah man.
                                      In der anderen Koje war eine Gruppe junger Schweden.
                                      Zuletzt geändert von Breitfuessling; 16.09.2023, 09:10.
                                      Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                                        • 06.04.2023
                                        • 804
                                        • Privat

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                                        #39
                                        Fünfter Tag: Von den Singi-Hütten zu den Sälka-Hütten

                                        knapp 13 km in fünf Stunden


                                        Heute sollte es frischer werden.

                                        Um zehn begann die Routenaufzeichnung. Ich schaute noch in die Nachbarhütten​, wer vielleicht noch da sei oder mitgehen würde. Da wuselten fünf Praktikanten und Hüttenwarte durch das Haus und machte groß rein.
                                        "Ob ich wüsste, wo die amerikanischen Ladies hingegangen wären, ob nach Norden oder Süden?" Nein, wusste ich nicht, aber erfuhr noch, dass sie wohl ihre Powerbank in Singi vergessen hätten. Also nichts wie auf, dachte ich, ich könnte Sie zumindest informieren, dass sie sie vergessen hätten. Die Powerbank mitzunehmen hätte eine 50%-Chance gehabt, sie in die richtige Richtung mitzunehmen... äh... Logbücher? Hatten sie sich etwa nicht eingetragen? Hmm... muss mir an die eigene Nase fassen. Nach Singi habe ich das auch immer wieder vergessen.

                                        Ich ging also schnellen Schrittes los, es war relativ flach, der Untergrund weniger felsig oder mit vielen Bohlenwegen, es lag einfach mehr Erde zwischen den aus dem Weg ragenden Steinen. Na gut, beim Betrachten des Videos sehe ich schon einige besonders reichhaltig besteinte Wegstücke. Unterwegs fragte ich die ersten Leute: "Have you met the American ladies?" "No, why?" "Blabla Powerbank lala!" Ok, weiter ging's. "Did you see the two American ladies?" fragte ich die nächsten Leute. "Nein, leider nicht." Man hat meinen Akzent wohl direkt erkannt. Dann ein Solowanderer: "Yes, sure, they might be right behind these rocks, you will see them!" und ich lief das letzte Stückchen und da sah ich sie. "Hej, are you the Americans?" "Yes we are..." Nach gut einer Stunde hatte ich die beiden erreicht. Hey, sie waren jeweils 70 Jahre alt! Sie wanderten erst seit zwei Jahren zusammen. Nancy und Catherine aus New Hampshire. Beiden wanderten schon ihr ganzes Leben, nun im Alter wurden die Wanderfreundschaften weniger und sie waren allein unterwegs. Die Tochter der einen sprach die andere auf einem Hügel in den USA an, warum sie allein wanderte... und seitdem gingen sie zusammen wandern. Auf den Nordteil des Kungsleden waren sie gekommen, weil sie anlässlich ihrer 70. Geburtstage eine Wanderung über 70 Meilen machen wollten. Die eine war Managerin eines Museums und hat viele verschiedene Ausstellungen kuratiert. Die andere war Rechtsanwältin. Sie hatten etwas leichteres Gepäck, gingen mit nur zehn Kilogramm und waren von ihrer Statur her auch viel gesünder aufgestellt als ich, hatten da bestimmt fast 20 Kg bessere Bedingungen. Insgesamt waren sie echt fit. So waren auch die Unterhaltungen in den folgenden Hütten, in denen wir uns immer wieder begegneten sehr interessant und wir halfen uns gegenseitig mit Übersetzungen und beim Kochen.

                                        Die Powerbank! Sie war defekt und sie ließen sie zurück. 500 g vielleicht, wenn es eine Große war? Im ersten Moment dachte ich, eine Nachricht, ein Zettel, eine Info an die Hüttenwarte wäre nicht schlecht gewesen, dass sie die mit Absicht zurückgelassen hätten, falls jemand so etwas reparieren könnte, sollte er sie gerne haben... oder war es eher nur noch schwerer Müll? Nun gut, das war vielleicht etwas zu kurz gedacht, aber ansonsten hatten wir eine tolle Zeit in den nächsten Tagen.

                                        Ich zog an der Schutzhütte vorbei. Es hatte sich zugezogen, nur noch vereinzelt konnte man das Blau des Himmels erblicken. Ich scherte rechts aus und ging bis zum nächsten Felsblock, der meine Sitzhöhe hatte und bereitete ein warmes Getränk zu. Der Esbitkocher hat dafür vollkommen ausgereicht. Zwei von den kleinen (4g?) Steinen, kein extra Windschutz waren ausreichend für 250 ml. Es war herrlich. Ich fühlte mich sehr wohl.

                                        Nachdem mich auf dem Weg nach Singi schon ein Fjällab angeflogen hatte, lief diesmal ein Lemming vor mir einige Meter über den Bohlenweg und manchmal hat man Glück, die Go Pro lief. Wie ein kleines Kind musste ich herzlich lachen, freute mich einfach.
                                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 470,9 KB ID: 3217153
                                        Die Natur nimmt mich an und zeigt sich auch von ihrer lebendigen Seite. In 2019 mussten wir damals die Rentiere vom Weg schieben, nein, nur im übertragenen Sinne, sie standen rechts und links des Weges. In diesem Jahr war es ihnen im Tal einfach zu warm und sie hatten keine Lust auf Mücken.

                                        Naja, einige kennen die Strecke, Blick zurück, Blick nach vorn durchs Tal, Wolken, Meditationsplatz, Flussüberquerung immer wieder, Rentierzaun, Wasser direkt aus dem Fluss trinken... es ging voran, bis es sich anderthalb Stunden vor dem Ziel richtig zuzog und ich von vorn die abregnenden Wolken immer näher kommen sah.

                                        Mehrmals sah ich diese dickstieligen Pflanzen und fragte mich allen Ernstes, ob sich hier etwa Riesenbärenklau ausbreitete, aber weit gefehlt. Hat zwar das ein oder andere grundsätzlich gleiche Merkmal, in vielen Details jedoch ganz anders. Auf dem Boot später über den Alesjaure-See fragte ich den Sami und zeigte mein Foto: "Nein, das sei eine heimische Pflanze, sie würden die jungen Pflanzen als Gemüse essen."
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                                        Es war warm, vielleicht zwanzig Grad und als mich der Regen erreicht hatte, entschloss ich mich, einfach den Regen wirken zu lassen: "Some people feel the rain, others just get wet." wird Bob Marley als Zitat angedichtet. Es war eine angenehme Erfrischung und da ich ja konsequent in Hütten schlief, Sälka eine Sauna hatte und ich eh waschen wollte... ließ ich mich einregnen, bei den Temperaturen eine angenehme Erfrischung. Nancy und Catherine kämpften dagegen mit ihren orangen Notponchos in den vereinzelten Windböen. Als wir kurz hintereinander in Sälka ankamen, mussten wir alle lachen, wie ihre orange-silbernen Plastikfolien an ihnen klebten und ich so gut durchnässt da stand. (PS: Eigentlich ist mein Bart eher weiß

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                                        Abschließend, wir hatten uns alle gesammelt, eine gute Runde mit zwei weiteren Amerikanerinnen und dem Leiter eines Städteplanungsamtes nahe Berlins und einem schwedischen jungen Pärchen, er war Lokomotivführer und sie studierte Jura, zeigte sich der Tag noch von seiner besten Seite:

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                                        Zuletzt geändert von Breitfuessling; 13.09.2023, 06:21.
                                        Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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                                          • 06.04.2023
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                                          #40
                                          Sechster Tag, 08.07.2023: Von den Sälka-Hütten zur Tjäktja-Hütte

                                          knapp 10 km in 5:30 Stunden


                                          Der Tag begann morgens um sechs im wolkengetrübten Dämmerlicht mit dem Quaken der bodenliebenden Fjällripa, die lustig vor der Hütte umher wackelten und sich mit froschähnlichen Geräuschen austauschten oder sich über mein langsames vorbeigehen mit vorgehaltener Kamera mokierten. Sie sind die Menschen an den Hütten wahrscheinlich gewöhnt, die Fluchtentfernung scheint mir hier mit vielleicht drei Metern ziemlich kurz gewesen zu sein.

                                          Ein Tier lief kurze Strecken hin und her, schlug mit den Flügeln und tippelte dann wieder aufgeplustert um die Steine herum, während ein anderes etwas schlankeres langsam und elegant vor ihm wegstolzierte. Insgesamt waren da vielleicht sechs oder sieben dieser Vögel.

                                          Zwei saßen auf dem Birkenholzstapel, an den ich mich geduckt anschlich, sodass sie mich selbst nicht sehen konnten, sondern nur die Kamera auf dem Selfie Stick. Das fanden Sie natürlich auch nicht in Ordnung, sodass das eine quakend einige Meter davon flog.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 159,0 KB ID: 3217305

                                          Die Routenaufzeichnung begann um 10:30 Uhr. Früher war auch gar nicht nötig und ich genoss die Gesellschaft der Anderen. Die Luft war frisch vom Regen und die Sonne hatte sich entschlossen, die Wolken zu verdunsten und alles in ein strahlendes Licht zu setzen. Da standen neun Zelte unten am Fluss, der Untergrund ist dort flach und bewachsen, sodass es vielleicht sehr bequem zu schlafen gewesen sein muss.

                                          Kurz vor mir ging Jenna aus Südafrika los, ich schloss schnell auf und wir kamen ins Gespräch. Sie war schon rund um den Globus hauptsächlich zu Fuß unterwegs, derzeit nun gerade in Nord-Europa, da sie in Amsterdam kurz vor dem Abschluss ihres Masterstudiums stand. Sie hatte zwei hölzerne Wanderstöcke mit dunkler Rinde und einen im Vergleich zu meinem sehr großen Rucksack​​ dabei. Ich glaube, sie kam schon von weiter im Süden den Weg herauf und war nicht erst in Nikkaluokta eingestiegen. Wir unterhielten uns eine gute Viertelstunde und dann ließ ich sie ziehen. Ich dachte, dass ich die nächste Gelegenheit nutzen sollte, schon am Vorabend mit jemandem mit Zelt Kontakt zu bekommen, vielleicht könnte man draußen zusammen kochen und ich etwas mehr über die Erlebnisse und Bedingungen beim Wandern mit Zelt erfahren. Insgesamt mag ich die wandernden Menschen dort sehr gern, die Gelassenheit, das Bewusstsein und die verschiedenen Lebenseinstellungen und Hintergründe interessieren mich, es macht mir Spaß davon zu hören und von Unterschieden und Parallelen zu erzählen.

                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 934,3 KB ID: 3217307
                                          Wo will der Rucksack auf vier Beinen hin?

                                          Die Strecke verlief auf dieser Etappe recht eben, nur sehr flach ansteigend zum Tjäktjapasset hin. Die Bohlenwege waren streckenweise fast schon von der Umwelt resorbiert, zumindest wo sie auf erdigem Untergrund lagen. Der Tjäktjajokka wurde Zusehens schmaler und ich überquerte ihn hin und her oder folgte dem Weg entlang seiner Biegungen. Die ersten Schneefelder erschienen rechts und links des Weges. Der Fluss bildete einen kleinen See, als der Pass schon zum Greifen nah erschien.

                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 1,63 MB ID: 3217308

                                          Nun strömte das Schmelzwasser flach aus allen Richtungen zur tiefsten Stelle im Tal und nährte den Fluss. Hier gab es ja noch etwas schmelzenden Schnee. Am Wegrand lag ein vielleicht knapp einen Kubikmeter großer Stein mit deutlich geschichteter Maserung aus mehr oder weniger porösem Material. Und wieder bemerkte ich meine Lust daran, mir vorzustellen, wie viele Jahre der wohl schon dort läge und woher er käme, wie viel Meter oder Kilometer er von dort entfernt aus dem zum Gebirge aufgefaltetem Gestein gebrochen war und warum er jetzt hier noch in so einem einzelnen großen Stück läge... Ob mein Kollege als Geologe zuhause ähnliche Gedanken hätte, wenn er durch Maschinenhallen ginge, dass er vielleicht genauso wie ich die erdgeschichtlichen Hintergründe vermisse, sich fragte, wie das mit dem Maschinenbau nun funktioniere? Bei unserem letzten großen Treffen hatte ich eine Wanderung für alle geplant, bei der wir durch ein eiszeitlich geformtes Trockental gingen und ich erklärte das mir angelesene Wissen über die Hintergründe volksnah. Es war schön, sich auf dem Rückweg mit ihm zu unterhalten und wie er mir noch weitere Zusammenhänge aufzeigte... genau wie ich ihn damals in unserem Job mit qualifiziert hatte... Ein Geben und Nehmen, jeder weiß und kann etwas wertvollen und gemeinsam kommen wir am weitesten (in die Breite aller Lebensbereiche).

                                          Der Stein des (Gedanken-)Anstoßes...
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 2,81 MB ID: 3217309

                                          Ui, jetzt wurde es steiler, glückliche Menschen kamen mir entgegen und wir hielten zufriedenen Smalltalk. Was mir nach kurzer Zeit auffiel... Sie guckten ja in die andere Richtung... nach Süden. Jetzt wurde es mir klar! Der Ausblick war wunderbar und sie hatten den Pass ja schon hinter sich gebracht.

                                          Ich (Bildmitte) hatte ihn noch vor mir.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 3,08 MB ID: 3217310
                                          2019 war es etwas frischer, aber genauso schön!
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: P1000681.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,02 MB ID: 3217311

                                          Nach oben ging es diesmal verhältnismäßig leicht, der Boden war griffig, nicht matschig rutschig sondern eher angenehm weich und gab den Sohlen guten Halt.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 2,75 MB ID: 3217313

                                          Vier Jahre zuvor sind wir hier sehr vorsichtig durch die Schneefelder gestapft, sind aber auch gut hoch gekommen.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 1,83 MB ID: 3217314

                                          Zwei letzte Blicke ins Tal möchte ich hier noch für meine nicht nordschwedenerfahrenen Freunde einfügen, 2023:
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 2,45 MB ID: 3217315

                                          2019:
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 0 Größe: 2,44 MB ID: 3217316

                                          Es war unbeschreiblich schön, wieder dort zu sein. Jetzt verstehe ich die vielen Menschen hier, die in besonderen Gegenden schon so oft waren und immer wieder kommen.

                                          Ich kam zur Schutzhütte auf dem Pass und trat ein. Drinnen saß ein Deutscher, der die Tour noch einmal Probe ging, wollte er doch im nächsten Jahr seinen jugendlichen Sohn mitnehmen. Da hatten wir das richtige Thema, genau das schwebt mir ja in zwei Jahren vielleicht mit meiner kleinen Tochter vor. Wir kochten auf seinem Riesenbrenner Wasser und bereiteten Kaffee und Tee zu und teilten Nüsse und Schokoriegel. Dann kamen zwei spanisch sprechende Wanderer hinein, sie muteten südamerikanisch an, sie sahen etwas ausgemergelt aus, waren aber sehr dynamisch drauf, packten ihr Essen aus und setzten sich zu uns. Im ersten Moment war ich etwas erschreckt, voll komisch, das ist mir ja bisher nur in Hannover am hinter dem Bahnhof passiert, irgendwie wollte ich raus aus der Hütte. :-D Dachte so, dass die jetzt auch ein Messer rausholen könnten... aber hey, wir waren ja nicht im Mexico des neunzehnten Jahrhunderts. Wir haben uns gut mit ihnen unterhalten, die waren echt gut drauf. Fragt nicht nach Details...

                                          Ich ging weiter nach Norden und hatte sehr freundliche Begegnungen und traf auch sehr strapaziert wirkende Menschen. Gut, jeder kommt mit der Belastung auf seine Art zurecht. Trotzdem schenkte ich jedem ein Lächeln und freute mich, auch wenn sie einmal stumm blieben.

                                          Danach folgte noch der - ich glaube Belgier - mit dem Sonnenschutzlappen hinten an der Kappe - jedenfalls gingen wir auf dem zweibohligen Steg aufeinander zu und in vielleicht 10 m Entfernung voneinander beide zugleich zur Seite, um den jeweils anderen durchzulassen. Wir mussten lachen und er erkannte gleich, dass ich aus Deutschland war, denn ich hatte mir beim Umwickeln des untersten Stücks der Stöcke den Spaß gemacht, unter das schwarze Klebeband noch einen Streifen Rot und einen in Gelb zu setzen. "So you came all the way from Germany?" Ein sehr freundlicher Kerl.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 33 Größe: 984,0 KB ID: 3217320

                                          Ein weiteres Pärchen blieb auch nicht ruhig, sondern wir kamen unmittelbar ins Gespräch. Sie waren sehr interessiert, wie es auf den Pass weiter ginge und wie die Schneelage auf der Südseite wäre. Nach etwa zwei, drei Minuten fragte die ältere nach: "Wann warst Du nochmal das erste Mal hier? 2019? Dann musst Du der Breitfüßling von den Outdoorseiten sein!" "YEAH," dachte ich, "ich bin jetzt wohl vernetzt!" Und wer war es? Wir haben es ja oben in Nr. 34 schon beschrieben, es war Rosi mit Ihrer jugendlichen Tochter! Das war echt toll!

                                          Es ging ziemlich leicht absteigend weiter über ein flaches, meist feines Geröllfeld, auf dem das Wasser sehr breit und flach über die Steine nach unten floss. Damals sind wir hier bestimmt zwei Kilometer fast nur durch entweder kniehohen Schnee feuchten gestapft oder auf den plattgetrampelten Pfaden... interessant wurde es dann immer auf den unter dem Schnee verborgenen Stegen, wenn unter ihnen das Schmelzwasser durchfloss. Das eine und andere tiefe oberschenkelbreite Loch rechts und links der Stege flößte uns Respekt ein. Das wollten wir nicht riskieren.

                                          Ziemlich bald kam dann die Tjäktja Hütte auf der linken Seite des nach Norden fließenden Flusses Ceavccanjira. Ich hätte vor Ort fragen sollen, wie man das ausspricht und was es bedeutet. Der Weg geht an sich rechtseitig nach Norden, zur Hütte geht es dann etwa im rechten Winkel links zur weit sichtbaren Stahlhängebrücke ab. Der Fluss lag um diese Zeit schon tief in seinem Bett und erst kurz vor der Brücke blickte ich über das Schneefeld am Ostufer in das im Gegenlicht der frühen Nachmittagssonne glitzernde Wasser, dass sich auf zwischen fünf bis fünfzehn Meter Breite über mehrere Stufen schlängelte. Der Schnee reflektierte das warme Sonnenlicht und zwischen seiner Abbruchkante und dem hell scheinenden Fluss kontrastierte ein schmaler steiniger Uferstreifen. Das gegenüberliegende Ufer war dagegen oberhalb der Felskante grün und dahinter erhob sich dann in drei- bis vierhundert Metern Entfernung die Ostwand des Lulip Muorahiscohkka auf vierhundert Meter über der Hütte.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 33 Größe: 2,27 MB ID: 3217321

                                          Ein paar Meter flussabwärts unter der Brücke fällt das Wasser über ein paar kleinere Stufen. Hier konnte man über verschiedene waagerechte oder schräge Plateaus sehr gut weiter ans Wasser heran gehen und das tat ich auch und verweilte einige Minuten, mir immer nähere Platze suchend. Aus diesem Blickwinkel ist die Zivilisation dann kurz ausgeblendet (ich habe die Brücke, deren gegenüberliegendes Ende ins Bild ragte gerade abgeschnitten) und das rosa Rauschen übertönt jeden Gedanken und ermöglicht das reine Fühlen mit allen Sinnen.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 32 Größe: 2,61 MB ID: 3217322

                                          Krrrrrcht... aufwachen! Da lagen noch die Reste der Schweißelektroden, zwei abgeflexte 12 oder 14 mm Bolzen und eine Geländer-Verbindungslasche mit zwei vielleicht 16 mm Bohrungen, die ich dann dem Stugvärd mitbrachte.

                                          Kurz vor der Hütte fiel das Wasser dann über eine Kante vielleicht 8 m tief und fächerte sich dabei sehr schön auf. Eine tolle Kulisse.

                                          Ich kam an der Hütte an, Stugvärd(et?) empfing mich und zeigte verkaufte mir den Patch der Hütte und sagte mir nur die Bettnummer. Draußen saß Amanda (1) irgendwo aus der Mitte Schwedens, mit der ich in den nächsten Stunden noch viel reden würde. Ich fand mein Bett und auch das von damals. Dann traf ich Yannick und Karlchen, wie sie aus dem Hundezimmer kamen. Yannick war auf dem Weg nach Portugal. Er hatte sich nach einiger Zeit Berufserfahrung nun ein Jahr frei genommen, um sich im Leben neu zu orientieren. Karlchen war sein Mischlingshund, der ihn von Narvik kommend begleitete. In einem Jahr wollte er in Portugal sein. Zum Herbst hin würde er seine Eltern beim Tausch von Sommer- auf Winterausrüstung treffen und im Frühjahr wieder genau so. Er hatte viel vor, ich bewunderte ihn respektvoll.
                                          Amanda war richtig redselig. Saß sie da mit ihrer Basecap über den pink und blondierten Haaren, knapp über zwanzig mit ausgeprägten Tattoos auf den Armen bis zu den Händen und am Hals reichten sie bis aus dem T-Shirt heraus. Sie mochte sehr den Punk der Achtziger, war sehr spontan in ihrer Freizeit und wusste, was sie leisten konnte. So hatte sie gerade drei Wochen Urlaub, ihr Freund konnte aber nur eine Woche und nachdem sie mit ihm eine Woche lang gemeinsam in London waren, hat sie kurz entschlossen den Rucksack mit Zelt gepackt, um auch mal von Abisko nach Nikkaluokta zu gehen, als ob nichts wäre. Wir kamen irgendwann auf den sich im Laufe der Jahrzehnte verändernden Humor und somit auch auf Monty Pythons und John Cleese und die Expedition zu den zwei Kilimanjaros oder die Horde wildgewordener Links-Abbiegen-Schilder und ich versuchte ihr die ihr noch unbekannte Geschichte von der kriegsentscheidenden Erfindung des tödlichen Witzes zu erzählen... Da kam ein sichtlich älterer dänischer Wanderer zu uns und sagte sehr eindringlich:

                                          "Don't tell the deadly joke!"

                                          Amanda fragte "Why not?" "Because it's deadly!" Haaach, wir haben uns herrlich mit immer weiteren herausgekramten Späßen aus dem Sinn des Lebens oder Leben des Brian, dem Flying Circus usw. amüsiert... und sie kannte die alle mit ihren gut zwanzig Jahren, das war echt strange oder sie hatte einfach coole Eltern :-DDD "Size eight!" Da saß dann noch die zehnjährige Enkelin des Dänen, die sehr aufmerksam zugehört hat, wohl jedes Wort Englisch verstand, aber nicht reden wollte, bis Ihre Mutter noch dazu kam. Nancy und Catherine aus USA kamen eine Stunde später an, dazu noch Cornelia (26) mit Ihrem Bruder (20), die ein Herz und eine Seele waren. Ich sprach sie an, dass sie so sehr wie Geschwister aussähen und so gut miteinander harmonierten und ich erzählte von meinen beiden Kleinen, die mit ähnlichem Altersunterschied ebenso herzlich miteinander seien. Den ganzen Abend gab es immer wieder neue Gruppen, die nebeneinander Kochten, aßen und sich unterhielten, Vögel identifizierten, die Strecke besprachen und aus dem Leben erzählten. Das war eine tolle Gemeinschaft.
                                          Zur Nacht gab ich den beiden, die mir gegenüber schliefen noch je ein Paar Gehörschutzstöpsel für den Fall, dass mein Schnarchen ihnen zu laut würde.
                                          In Tjäktja gibt es nur das eine Haus, dafür sind die Betten im Gemeinschaftsraum auch drei Etagen hoch.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image.png Ansichten: 33 Größe: 787,7 KB ID: 3217323
                                          Dort, weit entfernt von allen Startpunkten der Tour sind aber alle schon so eingespielt, dass alles einfach vollkommen normal, sehr harmonisch, interessiert, hilfsbereit und rücksichtsvoll abläuft. Hier könnte ich gut eine Woche bleiben und nach Tagesausflügen jeden Abend neue Leute kennen lernen.
                                          Angehängte Dateien
                                          Zuletzt geändert von Breitfuessling; 15.09.2023, 06:37.
                                          Ruhe, Licht oder nicht und Zeit. Was braucht man noch?

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