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Schottland im September 2009
Cairngorm National Park und westwärts
Bereits gegen Ende meiner Tour im Mai beschließe ich, im Herbst erneut mit Zelt, Rucksack und Wanderstiefeln nach Schottland aufzubrechen. Diesmal nicht nach monatelanger Vorbereitung, sondern recht kurzfristig, irgendwann zwischen Mitte September und Mitte Oktober für 10 Tage oder so. Die grobe Planung sieht die in Anjas Buch beschriebene Tour von Blair Atholl nach Aviemore vor. In dieser Gegend Schottlands war ich - außer auf der Durchreise - noch nicht.
Ende August lege ich mich auf einen Zeitraum fest: 16.09. bis 28.09.2009. Anfang September beobachte ich dann den Optimisten - Wetterbericht von metcheck.com im Internet. Die 14-Tage-Vorhersage (eigentlich ein Witz für Schottland
) ändert sich mindestens zweimal täglich. Das einzig Beständige daran ist, dass das Wetter unbeständig ist.
Dann - ein Hochdruckgebiet macht sich breit. Die Vorhersagen für Optimisten (metcheck), für Pessimisten (accuweather), für Offizielle (metgov) und für Realisten (mwis) sind sich einig: Ein stabiles Hoch über Schottland ist im Anmarsch und soll für mindestens eine Woche gutes Wetter sorgen. Ja, darauf habe ich gewartet!!!
Am Montag, dem 07.09. beobachte ich nachmittags fasziniert die Vorhersagen, mache im Geiste schon mal die Packliste und die Routenplanung, und bringe meinem GG abends schonend bei, dass ich am Mittwoch losziehen werden. Kein Problem. Dienstag früh geht mein erster Weg zum Chef, den Urlaubsantrag ändern. Wider Erwarten, kein Problem von dieser Seite. Mittags buche ich dann bei der viel gescholtenen irischen Billigfluglinie die Flüge, packe den Rucksack, und quartiere die Hunde bei meinen Eltern ein.
Am Mittwoch früh um 5.00 Uhr schalte ich noch mal schnell den PC ein und erwarte einen Rückzieher bei der Wettervorhersage, so was wie „rain, rain, rain“ oder „strong winds“
. Aber nein, das Hoch ist wohl Fakt.
Schnell noch die E-Mails abrufen.
Nic fragt, ob ich den Wetterbericht gesehen habe und schon ans Packen denke. Ich antworte, dass ich nicht ans Packen denke, sondern schon gepackt habe und gleich losfahren werde. Dann werfe ich Rucksack und Wanderstiefel ins Auto, und schon fängt der Urlaub an.
Mittwoch, 09.09.2009 - Reisetag -
Die Fahrt nach Hahn verläuft problemlos. Ich fahre zeitig los, um sowohl dem Berufsverkehr durch Darmstadt als auch rund um Mainz zu entgehen. Lieber Zeit an diesem großen und aufregenden Flughafen verbringen als im Stau zu stehen, sage ich mir.
Den Online-Check-In habe ich schon daheim erledigt. Viel schneller als sonst geht die Abfertigung aber auch nicht. Ganz stolz gebe ich den nur 13,5kg leichten Rucksack ab. Da ich mich diesmal auf die (für mich) nötigsten Gegenstände beschränkt habe, sind in diesen 13,5kg nicht nur die Campingausrüstung (Zelt, Matte, Schlaftüte, Kocher usw.), sondern auch Futter für acht Tage enthalten. Von einem 60+15l-Rucksack runter auf den kleinen 40+10l-Rucksack - geht doch!
Der Flug startet pünktlich und landet früher als geplant in Edinburgh. Ich sammle meinen Rucksack ein und fahre mit dem Bus in die Innenstadt. Auf dem Weg von der Waverley Bridge zum Nevisport wird mir die Menschenmenge schon wieder zuviel. Ich kaufe schnell die Gaskartusche und gehe dann direkt zum Busbahnhof. Der Bus nach Aviemore fährt zwar erst in zwei Stunden, aber ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, diese Zeit in der hektischen Menge zu verbringen. Lieber suche ich mir einen ruhigen Platz im Busbahnhof.
Ich suche gerade den Platz, von dem der Bus später abfahren wird, da ruft jemand von hinten „Marion?“ - da ist doch tatsächlich Nic, auf dem Weg zu einem Termin in der City. Viel Zeit zum Schwätzen haben wir leider nicht, also tauschen wir nur schnell unsere Reisepläne für die nächsten Tage aus, beglückwünschen uns zum guten Wetter, und dann heißt es auch schon wieder „tschüß“.
Der Bus hat Verspätung, steckt im Stau fest. Nur gut, dass ich ein Bett im Hostel gebucht habe! Nach einer endlos langen Fahrt steige ich in Aviemore aus, laufe die paar Meter zum SYHA-Hostel, und checke ein.
Donnerstag, 10.09.2009 - Lairig Ghru -
Gleich am ersten Tag steht der Lairig Ghru auf dem Programm. Aufgrund des guten Wetters habe ich beschlossen, auf die ursprünglich geplante, sachte beginnende Tour zu verzichten und mich lieber gleich in medias res zu begeben.
Erst laufe ich entlang der Straße nach Coylumbridge, dann biege ich bei der Campsite in den Wald ein. Breite, bequeme und gut ausgeschilderte Waldwege laden zum Tagträumen ein. Keine gute Idee, wie ich bald feststellen sollte.

Der nette Weg endet an einer breiten forest road. Wo kommt die denn plötzlich her? Auf meiner Route hat sie jedenfalls nichts verloren. Hmm, da ist ein großes Schild; „Lairig Ghru / Picadilly“ steht darauf, und der Pfeil zeigt in die Richtung, aus der ich komme. Ein Blick auf die Karte zeigt mir dann auch, wo ich mich gerade befinde. Bin ich doch an dieser Kreuzung namens Picadilly geradeaus gelaufen, obwohl mein Weg nach rechts geht. Waahh, wie dämlich kann man denn sein??? Also zurück, und siehe da, da steht ein riesiges Schild „Lairig Ghru“. Wenn der Rucksack nicht wäre, würde ich mir jetzt gerne selbst in den Hintern treten!
Langsam wird der Weg interessanter. Schluss mit den gepflegten, kinderwagengeeigneten Wegen. Der Pfad steigt an und bald habe ich den Wald hinter mir gelassen.

Die Landschaft ist beeindruckend. Aber dann: das erste boulderfield. Große Steine, in loser Schüttung, liegen da mitten in der Gegend rum. Nicht etwa fest und sicher, nein, es ist eine ziemlich wacklige Angelegenheit. Ein falscher Schritt, ein Stein der kippt, und der Urlaub ist rum. Bei den beiden ersten boulderfields zeigen cairns den ungefähren Verlauf des Weges an. Trotzdem will jeder Schritt gut überlegt sein. Zeitraubend! Und nervend. Kann da nicht mal jemand Ordnung machen? Das geht doch nicht, dass all diese Steine so in der Gegend rumliegen! Tststsss…

Das Wetter hält sich an die Vorhersage. Es ist trocken, bewölkt, und ab und an lässt sich die Sonne blicken. Gerade als ich glaube, dass das übelste Stück des Weges geschafft ist, kommt ein neues boulderfield. Dann die Pools of Dee, und der letzte dieser Knöchelbrecher.

Was ist schlimmer als ein boulderfield? Richtig, ein boulderfield mit midges. Da ich nicht recht vorankomme, sondern mich von Stein zu Stein vortasten muss, haben die Biester „free refill“ auf meinen Händen und im Gesicht. Aber dann - geschafft. Ein richtiger Weg, ich kann wieder laufen, die midges sind weg, und ich genieße die Aussicht auf die Berge.

Es dauert nicht lange, und ich sehe die Corrour Bothy. Ich beschließe, nicht in der bothy zu übernachten, sondern mein Zelt am Fluss aufzubauen, vorzugsweise außer Sichtweite der bothy-Bewohner. Und da ist er auch schon, der perfekte Platz für heute Nacht: eine ebene Grasfläche am Ufer, die aussieht, als würden dort häufig Zelte stehen.
Ich stolpere die Böschung runter, werfe den Rucksack ins Gras, schnalle das Zeltpaket ab - und da ist auch schon das Begrüßungskomitee. So etwa eine Million midges sind erfreut über mein Erscheinen. Ob sie „Hallo Marion, schön dich zu sehen“ oder „Dinnertime, Freunde“ rufen, weiß ich nicht.
Innerhalb von Sekunden sind Shirt und Hose schwarz. Schnell werfe ich das Zelt hin und hole das Mückennetz aus dem Deckelfach des Rucksacks. Dann noch mit SkitoStop einsprühen - nicht dass das diese Winzlinge irgendwie beeindruckt. So schnell habe ich noch nie das Zelt aufgebaut (so schlecht aber auch noch nicht). Sobald es steht, schiebe ich den Rucksack rein, wische so viele midges wie möglich von mir ab, und krieche hinterher. Außenzelt zu, Innenzelt zu, durchatmen!
An Auspacken und häuslich einrichten ist vorerst nicht zu denken. Ich krame Sitzkissen, Kocher und Tütenfutter aus dem Rucksack und koche so gut es unter den beengten Verhältnissen geht eine Tasse Wasser. Kocher in der Apsis, ich im Innenzelt. Reißverschluss ein Stück aufmachen, Gas anzünden, Reißverschluss wieder zu. Der Jetboil bringt das bisschen Wasser ratzfatz zum Kochen. Reißverschluss auf, Gas abdrehen, Wasser in die Tüte, und alles wieder rein ins Innenzelt. Trotz der Attacke schmeckt die Tütenmahlzeit.
Als ich mich etwas beruhigt habe, stelle ich fest, dass die Situation nicht einer gewissen Komik entbehrt. Ein Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit.
Später, als sich die midges verzogen haben, spanne ich erst mal das Zelt ordentlich ab. Trotzdem sieht es irgendwie dilettantisch aus. Schäm! Matte aufpusten (das hätte ich unter midge-attack nicht machen wollen!), Schlafsack auspacken, alles für morgen früh richten.
Dann: Bestandsaufnahme aller Blessuren. So etwa 20 midgebites. Eine wunde Stelle am Hintern (waahh…. bitte nicht lachen, das tut weh!!
), eine riesige Blase an der Fußsohle unter der Ferse (da muss wohl die Socke Falten geschlagen haben, Mist), und der Zeh, an dem sich vor ein paar Wochen der Zehennagel verabschiedet hat, autscht ganz ordentlich und ist richtig gut gerötet. Soviel zum Thema „Morgen besteige ich den Devil’s Point“. Blase an der Ferse ist genial beim Aufstieg; kaputter Zeh ist noch besser beim Abstieg; und ein wunder Hintern ist sowieso ideal beim Laufen. Umpf. Nee, meine Idee von einem erholsamen Urlaub sieht dann doch anders aus.
Was tun? Auf eine Wunderheilung hoffen? Ich beschließe, gemütlich nur die paar Kilometer bis zur Derry Lodge zu laufen, mein Zelt aufzubauen, und den ganzen Nachmittag zu „chillen“. Da haben die Wehwehchen Zeit, sich zu erholen. Und falls die midges gar zu schlimm sein sollten, gibt es dort auch eine bothy.
Freitag, 11.09.2009 - Spaziergang im Sonnenschein -
Ich schlafe durch bis um 7.00 Uhr. Draußen ist es lausig kalt; das Zelt ist in Bodenhöhe leicht angefrostet, der Rest ist klatschnass vom Tau. Klarer Himmel, Sonnenaufgang, keine midges, ein heißer Kaffee - was will man mehr?
Wenn die Sonne rauskommt, wird das Zelt schnell trocken, denke ich mir. Wenn die Sonne rauskommt und es so windstill bleibt, werden die midges bald kommen, denke ich anschließend. Damit wäre das geklärt: Aufbruch so bald wie möglich! Aber erst mal eine Katzenwäsche mit kaltem Wasser aus dem Fluss, dann lecker Porridge und noch eine Tasse Kaffee. Anschließend Behandlung der Blessuren mit Bepanthen-Salbe, Compeed-Pflaster, und einem dieser genialen toe-cap-cushions von boots. Gut dass ich die mitgebracht habe; dämlich, dass ich nicht schon gestern dran gedacht habe. Der Rucksack ist schnell gepackt, aber das Einpacken des eiskalten, nassen Zeltes dauert etwas länger. Ist hier Winter, oder was?? Das ist so kalt!!
So, fertig. Rucksack aufsetzen, Stöcke einstellen, und dann bin ich wieder unterwegs. Hände und Füße sind eiskalt, und obwohl ich zwei Shirts und die Primaloft-Jacke anhabe, friere ich. Was hilft gegen Frieren? Richtig, Bewegung. Auf dem gut ausgebauten Pfad komme ich schnell voran und bald wird mir warm. Als die Sonne höher steigt, ziehe ich erst die Jacke und wenig später das langärmlige Shirt aus. Was für ein schöner Morgen!!


Der Weg führt mich direkt zur Furt über den Luibeg. Aber der Wasserstand ist zu hoch, um über die stepping stones zu gehen. Ich gehe ein Stück zurück und finde den Pfad, der zur Brücke führt. Hier wartet ein weiterer guter Bekannter auf mich: Matsch. Auch auf der andren Seite des Flusses übe ich mich im boghole-jumping, bis ich wieder auf dem befestigten Weg bin. Der wird immer besser, je näher ich der Derry Lodge komme.

An der Lodge stehen etwa 20 Zelte. Wochenende, gutes Wetter - da bin ich nicht die Einzige, die hier herumläuft. Allerdings habe ich keine Lust auf Gesellschaft.
Ich gehe wieder zum Fluss zurück, ziehe Stiefel und Socken aus, gehe bei der Landrover-Furt durch das Wasser rüber zum Luibeg Cottage, und mache es mir am Flussufer gemütlich. Ein leichter Wind hält die midges ab, die Sonne scheint - das Leben ist schön!
Später gehe ich zum Cottage; vielleicht sind ja die Bewohner da. Fehlanzeige, keiner daheim. Ich nutze die günstigen Bedingungen um mein Zelt am Flussufer aufzubauen. In kurzer Zeit ist es trocken, und dann packe ich den Schlafsack zum Lüften drauf.

In T-Shirt, hochgekrempelter Hose, und barfuss sitze ich am Flussufer in der Sonne, trinke Tee, lese oder döse vor mich hin. Plötzlich, so gegen 16.00 Uhr, ziehen Wolken auf. Der Wind hört auf. Sie kommen!!! Schnell packe ich meine Sachen zusammen und gehe ins Zelt. Und da sind sie auch schon. Eine dichte Wolke aus midges belagert mein Zuhause. Es sind sogar noch mehr als gestern. Das Außenzelt ist schwarz. Gut, dass ich drinnen bin!
Aber dann verlangt der Tee sein Recht. Irgendwann kann ich es mir nicht mehr durch die Rippen schwitzen; ich muss mal für kleine Wanderer. Das gehört eindeutig zu den Erlebnissen, die ich kein zweites Mal brauche, ehrlich!
Gegen Abend sind die Biester dann weg, und ich kann mich um mein Abendessen kümmern ohne dabei selbst zum Abendessen zu werden.
----Fortsetzung folgt----
Cairngorm National Park und westwärts
Bereits gegen Ende meiner Tour im Mai beschließe ich, im Herbst erneut mit Zelt, Rucksack und Wanderstiefeln nach Schottland aufzubrechen. Diesmal nicht nach monatelanger Vorbereitung, sondern recht kurzfristig, irgendwann zwischen Mitte September und Mitte Oktober für 10 Tage oder so. Die grobe Planung sieht die in Anjas Buch beschriebene Tour von Blair Atholl nach Aviemore vor. In dieser Gegend Schottlands war ich - außer auf der Durchreise - noch nicht.
Ende August lege ich mich auf einen Zeitraum fest: 16.09. bis 28.09.2009. Anfang September beobachte ich dann den Optimisten - Wetterbericht von metcheck.com im Internet. Die 14-Tage-Vorhersage (eigentlich ein Witz für Schottland

Dann - ein Hochdruckgebiet macht sich breit. Die Vorhersagen für Optimisten (metcheck), für Pessimisten (accuweather), für Offizielle (metgov) und für Realisten (mwis) sind sich einig: Ein stabiles Hoch über Schottland ist im Anmarsch und soll für mindestens eine Woche gutes Wetter sorgen. Ja, darauf habe ich gewartet!!!

Am Montag, dem 07.09. beobachte ich nachmittags fasziniert die Vorhersagen, mache im Geiste schon mal die Packliste und die Routenplanung, und bringe meinem GG abends schonend bei, dass ich am Mittwoch losziehen werden. Kein Problem. Dienstag früh geht mein erster Weg zum Chef, den Urlaubsantrag ändern. Wider Erwarten, kein Problem von dieser Seite. Mittags buche ich dann bei der viel gescholtenen irischen Billigfluglinie die Flüge, packe den Rucksack, und quartiere die Hunde bei meinen Eltern ein.
Am Mittwoch früh um 5.00 Uhr schalte ich noch mal schnell den PC ein und erwarte einen Rückzieher bei der Wettervorhersage, so was wie „rain, rain, rain“ oder „strong winds“

Schnell noch die E-Mails abrufen.

Mittwoch, 09.09.2009 - Reisetag -
Die Fahrt nach Hahn verläuft problemlos. Ich fahre zeitig los, um sowohl dem Berufsverkehr durch Darmstadt als auch rund um Mainz zu entgehen. Lieber Zeit an diesem großen und aufregenden Flughafen verbringen als im Stau zu stehen, sage ich mir.
Den Online-Check-In habe ich schon daheim erledigt. Viel schneller als sonst geht die Abfertigung aber auch nicht. Ganz stolz gebe ich den nur 13,5kg leichten Rucksack ab. Da ich mich diesmal auf die (für mich) nötigsten Gegenstände beschränkt habe, sind in diesen 13,5kg nicht nur die Campingausrüstung (Zelt, Matte, Schlaftüte, Kocher usw.), sondern auch Futter für acht Tage enthalten. Von einem 60+15l-Rucksack runter auf den kleinen 40+10l-Rucksack - geht doch!

Der Flug startet pünktlich und landet früher als geplant in Edinburgh. Ich sammle meinen Rucksack ein und fahre mit dem Bus in die Innenstadt. Auf dem Weg von der Waverley Bridge zum Nevisport wird mir die Menschenmenge schon wieder zuviel. Ich kaufe schnell die Gaskartusche und gehe dann direkt zum Busbahnhof. Der Bus nach Aviemore fährt zwar erst in zwei Stunden, aber ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, diese Zeit in der hektischen Menge zu verbringen. Lieber suche ich mir einen ruhigen Platz im Busbahnhof.
Ich suche gerade den Platz, von dem der Bus später abfahren wird, da ruft jemand von hinten „Marion?“ - da ist doch tatsächlich Nic, auf dem Weg zu einem Termin in der City. Viel Zeit zum Schwätzen haben wir leider nicht, also tauschen wir nur schnell unsere Reisepläne für die nächsten Tage aus, beglückwünschen uns zum guten Wetter, und dann heißt es auch schon wieder „tschüß“.
Der Bus hat Verspätung, steckt im Stau fest. Nur gut, dass ich ein Bett im Hostel gebucht habe! Nach einer endlos langen Fahrt steige ich in Aviemore aus, laufe die paar Meter zum SYHA-Hostel, und checke ein.
Donnerstag, 10.09.2009 - Lairig Ghru -
Gleich am ersten Tag steht der Lairig Ghru auf dem Programm. Aufgrund des guten Wetters habe ich beschlossen, auf die ursprünglich geplante, sachte beginnende Tour zu verzichten und mich lieber gleich in medias res zu begeben.
Erst laufe ich entlang der Straße nach Coylumbridge, dann biege ich bei der Campsite in den Wald ein. Breite, bequeme und gut ausgeschilderte Waldwege laden zum Tagträumen ein. Keine gute Idee, wie ich bald feststellen sollte.

Der nette Weg endet an einer breiten forest road. Wo kommt die denn plötzlich her? Auf meiner Route hat sie jedenfalls nichts verloren. Hmm, da ist ein großes Schild; „Lairig Ghru / Picadilly“ steht darauf, und der Pfeil zeigt in die Richtung, aus der ich komme. Ein Blick auf die Karte zeigt mir dann auch, wo ich mich gerade befinde. Bin ich doch an dieser Kreuzung namens Picadilly geradeaus gelaufen, obwohl mein Weg nach rechts geht. Waahh, wie dämlich kann man denn sein??? Also zurück, und siehe da, da steht ein riesiges Schild „Lairig Ghru“. Wenn der Rucksack nicht wäre, würde ich mir jetzt gerne selbst in den Hintern treten!
Langsam wird der Weg interessanter. Schluss mit den gepflegten, kinderwagengeeigneten Wegen. Der Pfad steigt an und bald habe ich den Wald hinter mir gelassen.

Die Landschaft ist beeindruckend. Aber dann: das erste boulderfield. Große Steine, in loser Schüttung, liegen da mitten in der Gegend rum. Nicht etwa fest und sicher, nein, es ist eine ziemlich wacklige Angelegenheit. Ein falscher Schritt, ein Stein der kippt, und der Urlaub ist rum. Bei den beiden ersten boulderfields zeigen cairns den ungefähren Verlauf des Weges an. Trotzdem will jeder Schritt gut überlegt sein. Zeitraubend! Und nervend. Kann da nicht mal jemand Ordnung machen? Das geht doch nicht, dass all diese Steine so in der Gegend rumliegen! Tststsss…

Das Wetter hält sich an die Vorhersage. Es ist trocken, bewölkt, und ab und an lässt sich die Sonne blicken. Gerade als ich glaube, dass das übelste Stück des Weges geschafft ist, kommt ein neues boulderfield. Dann die Pools of Dee, und der letzte dieser Knöchelbrecher.

Was ist schlimmer als ein boulderfield? Richtig, ein boulderfield mit midges. Da ich nicht recht vorankomme, sondern mich von Stein zu Stein vortasten muss, haben die Biester „free refill“ auf meinen Händen und im Gesicht. Aber dann - geschafft. Ein richtiger Weg, ich kann wieder laufen, die midges sind weg, und ich genieße die Aussicht auf die Berge.

Es dauert nicht lange, und ich sehe die Corrour Bothy. Ich beschließe, nicht in der bothy zu übernachten, sondern mein Zelt am Fluss aufzubauen, vorzugsweise außer Sichtweite der bothy-Bewohner. Und da ist er auch schon, der perfekte Platz für heute Nacht: eine ebene Grasfläche am Ufer, die aussieht, als würden dort häufig Zelte stehen.
Ich stolpere die Böschung runter, werfe den Rucksack ins Gras, schnalle das Zeltpaket ab - und da ist auch schon das Begrüßungskomitee. So etwa eine Million midges sind erfreut über mein Erscheinen. Ob sie „Hallo Marion, schön dich zu sehen“ oder „Dinnertime, Freunde“ rufen, weiß ich nicht.

An Auspacken und häuslich einrichten ist vorerst nicht zu denken. Ich krame Sitzkissen, Kocher und Tütenfutter aus dem Rucksack und koche so gut es unter den beengten Verhältnissen geht eine Tasse Wasser. Kocher in der Apsis, ich im Innenzelt. Reißverschluss ein Stück aufmachen, Gas anzünden, Reißverschluss wieder zu. Der Jetboil bringt das bisschen Wasser ratzfatz zum Kochen. Reißverschluss auf, Gas abdrehen, Wasser in die Tüte, und alles wieder rein ins Innenzelt. Trotz der Attacke schmeckt die Tütenmahlzeit.
Als ich mich etwas beruhigt habe, stelle ich fest, dass die Situation nicht einer gewissen Komik entbehrt. Ein Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit.

Später, als sich die midges verzogen haben, spanne ich erst mal das Zelt ordentlich ab. Trotzdem sieht es irgendwie dilettantisch aus. Schäm! Matte aufpusten (das hätte ich unter midge-attack nicht machen wollen!), Schlafsack auspacken, alles für morgen früh richten.
Dann: Bestandsaufnahme aller Blessuren. So etwa 20 midgebites. Eine wunde Stelle am Hintern (waahh…. bitte nicht lachen, das tut weh!!

Was tun? Auf eine Wunderheilung hoffen? Ich beschließe, gemütlich nur die paar Kilometer bis zur Derry Lodge zu laufen, mein Zelt aufzubauen, und den ganzen Nachmittag zu „chillen“. Da haben die Wehwehchen Zeit, sich zu erholen. Und falls die midges gar zu schlimm sein sollten, gibt es dort auch eine bothy.
Freitag, 11.09.2009 - Spaziergang im Sonnenschein -
Ich schlafe durch bis um 7.00 Uhr. Draußen ist es lausig kalt; das Zelt ist in Bodenhöhe leicht angefrostet, der Rest ist klatschnass vom Tau. Klarer Himmel, Sonnenaufgang, keine midges, ein heißer Kaffee - was will man mehr?
Wenn die Sonne rauskommt, wird das Zelt schnell trocken, denke ich mir. Wenn die Sonne rauskommt und es so windstill bleibt, werden die midges bald kommen, denke ich anschließend. Damit wäre das geklärt: Aufbruch so bald wie möglich! Aber erst mal eine Katzenwäsche mit kaltem Wasser aus dem Fluss, dann lecker Porridge und noch eine Tasse Kaffee. Anschließend Behandlung der Blessuren mit Bepanthen-Salbe, Compeed-Pflaster, und einem dieser genialen toe-cap-cushions von boots. Gut dass ich die mitgebracht habe; dämlich, dass ich nicht schon gestern dran gedacht habe. Der Rucksack ist schnell gepackt, aber das Einpacken des eiskalten, nassen Zeltes dauert etwas länger. Ist hier Winter, oder was?? Das ist so kalt!!
So, fertig. Rucksack aufsetzen, Stöcke einstellen, und dann bin ich wieder unterwegs. Hände und Füße sind eiskalt, und obwohl ich zwei Shirts und die Primaloft-Jacke anhabe, friere ich. Was hilft gegen Frieren? Richtig, Bewegung. Auf dem gut ausgebauten Pfad komme ich schnell voran und bald wird mir warm. Als die Sonne höher steigt, ziehe ich erst die Jacke und wenig später das langärmlige Shirt aus. Was für ein schöner Morgen!!


Der Weg führt mich direkt zur Furt über den Luibeg. Aber der Wasserstand ist zu hoch, um über die stepping stones zu gehen. Ich gehe ein Stück zurück und finde den Pfad, der zur Brücke führt. Hier wartet ein weiterer guter Bekannter auf mich: Matsch. Auch auf der andren Seite des Flusses übe ich mich im boghole-jumping, bis ich wieder auf dem befestigten Weg bin. Der wird immer besser, je näher ich der Derry Lodge komme.

An der Lodge stehen etwa 20 Zelte. Wochenende, gutes Wetter - da bin ich nicht die Einzige, die hier herumläuft. Allerdings habe ich keine Lust auf Gesellschaft.
Ich gehe wieder zum Fluss zurück, ziehe Stiefel und Socken aus, gehe bei der Landrover-Furt durch das Wasser rüber zum Luibeg Cottage, und mache es mir am Flussufer gemütlich. Ein leichter Wind hält die midges ab, die Sonne scheint - das Leben ist schön!
Später gehe ich zum Cottage; vielleicht sind ja die Bewohner da. Fehlanzeige, keiner daheim. Ich nutze die günstigen Bedingungen um mein Zelt am Flussufer aufzubauen. In kurzer Zeit ist es trocken, und dann packe ich den Schlafsack zum Lüften drauf.

In T-Shirt, hochgekrempelter Hose, und barfuss sitze ich am Flussufer in der Sonne, trinke Tee, lese oder döse vor mich hin. Plötzlich, so gegen 16.00 Uhr, ziehen Wolken auf. Der Wind hört auf. Sie kommen!!! Schnell packe ich meine Sachen zusammen und gehe ins Zelt. Und da sind sie auch schon. Eine dichte Wolke aus midges belagert mein Zuhause. Es sind sogar noch mehr als gestern. Das Außenzelt ist schwarz. Gut, dass ich drinnen bin!
Aber dann verlangt der Tee sein Recht. Irgendwann kann ich es mir nicht mehr durch die Rippen schwitzen; ich muss mal für kleine Wanderer. Das gehört eindeutig zu den Erlebnissen, die ich kein zweites Mal brauche, ehrlich!

Gegen Abend sind die Biester dann weg, und ich kann mich um mein Abendessen kümmern ohne dabei selbst zum Abendessen zu werden.
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