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Reisezeit: Juli/August 2013
Ich hatte schon mehrere Wanderungen in Deutschland gemacht und mein Wunsch nach Einsamkeit war in den deutschen Mittelgebirgen doch stets mehr oder minder stark enttäuscht worden - wenn ich nur an meine letzte Wanderung auf dem Westweg im Schwarzwald denke: angepriesen als "weitab von der Zivilisation", traf ich dort so viele Ausflügler, dass sich jeder Eis- oder Pommesbudenbesitzer gefreut hätte.
Daher war klar, dass meine nächste Wanderung mich dorthin führen sollte, wo ich möglichst wenig Menschen zu erwarten hatte. Ein paar Kompromisse war ich bereit einzugehen: So sollte es eine schöne, abwechslungsreiche Landschaft sein, mit zumindest rudimentärer Infrastruktur als Backup (Wanderwege, wenige Hütten). Dass dies nicht ganz völlig ohne Menschen vorzufinden ist, war klar. Anfangs hatte ich mit Jotunheimen geliebäugelt, doch schien mir dies doch zu nah an der Zivilisation zu sein - ob´s stimmt kann ich nicht beurteilen. Meine Wahl fiel letztendlich durch die Berichte im Forum auf die Berge und Fjälle rund um den Kebnekaise - auch wenn mir bewusst war, dass der Kebnekaise und der Kungsleden sowie die Zeit des FRC wegen der Menschenmassen dort zu meiden sind. Geplant waren von mir 14 Trekkingtage plus zwei Reservetage weglos oder über seltener begangene Routen - gegangen bin ich letztendlich wegen einer Routenanpassung rund 200 km in 13 Tagen.
1. Tag: Deutschland - vor Tältlägret
Morgens um 3.30 ging es los zum Flughafen Düsseldorf. Nach mehreren Umstiegen kam ich um 15.50 mit SAS in Kiruna an. Ganz gespannt versuchte ich einige Blicke aus dem Fenster zu erhaschen. Berge, Wald, mehr war nicht zu sehen. Das erste Mal im hohen Norden, ich war aufgeregt und angespannt. Vor dem Flughafen warteten wir dann zu siebt auf den Bus nach Narvik, der pünktlich um 16.15 kam und mich für 185 SKR nach Abisko-Östra brachte. Einige Schauer kamen auf der Busfahrt runter, doch in Abisko schien die Sonne. Mit einem Pärchen stieg ich dort aus. Im Lapporten Supermarkt kaufte ich mir noch ein Eis, T-Röd und Polarbrödknäcke. Dann packte ich meinen Rucksack um, der jetzt mit den zusätzlichen Einkäufen ca. 27 Kilo wog. Noch ein paar Fotos und dann ging es für mich los ins Unbekannte.

Das GPS lotste mich gegen halb sieben aus Östra raus und ich machte mich, dem Skooterweg folgend, auf Richtung Tältlägret. Die Sonne schien und ich war ganz glücklich, dass es jetzt losging. Der Skooterweg war wie ein nasser deutscher Feldweg und endete für mich am Nissonjohka, den ich nicht furten wollte, da ja rund 300 Meter flussabwärts eine Brücke ist. So lief ich dann am Flussufer entlang und machte an der Brücke meine erste Kungsleden-Erfahrung. Während ich auf dem Skooterpfad nur zwei Leute gesehen hatte, habe ich hier nicht gezählt. Zumindest war mir schlagartig klar, dass ich die leider später für mich eingeplanten rund 10 km Kungsleden zwischen Sälka und Singi so schnell wie möglich hinter mich zu bringen hatte, wenn ich dort war.

Beim Abzweig zum Tältlägret war ich wieder für den Rest des Tages allein. An der Nationalparkgrenze war ich dann aber geschafft, immerhin war ich seit halb vier auf. Ich suchte mir einen Zeltplatz mit Aussicht auf den Njulla und den Torneträsk. Dort verbrachte ich einen meiner beiden Abende mit Mückenhaube. Einfach dasitzen und in der Landschaft ankommen. Es fühlte sich irreal an, wenn man morgens zuhause aufsteht und dann abends mit seinem Zelt im Fjäll ist.
2. Tag: durchs Ballinväggi bis ins Siellaväggi

Wie fast jeden weiteren Tag wurde ich beim Aufstehen durch die Sonne begrüsst. Mein erster ganzer Tag im Fjäll! Müslifrühstück, Wasserholen aus dem Fluss. Auf dem Weg hoch zum Tältlägret, die ungewöhnlichste Begegnung meiner Wanderung: eine Frau mit Baby - vorn das Kleine im Tragesack und hinten großer Rucksack. Ich habe nur gegrüßt und sie nicht darauf angesprochen, warum sie vom Tältlägret runter kam. Auf jeden Fall war die vorher durch die Unwissenheit geprägte Illusion, dass mein ganzes Unterfangen irgendwie risikobehaftet sein könnte, dahin. Wenn selbst Frauen mit Kleinkindern allein durchs Fjäll streifen können, ist doch höchstens noch eine Antarktisdurchquerung oder eine Everestbesteigung eine Herausforderung und der Rest Kinderkram! Somit war mir auf jeden Fall dieser Zahn gezogen und das aus meiner Sicht zurecht.


Am Tältlägret begrüßte mich ein Fahnenmast auf einer Kuppe und ein Klohäuschen. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es weiter bergan. Bald verlor sich der Pfad oberhalb der Baumgrenze. Kurze Zeit darauf meine erste Moltebeere: Juchhu! Bis ich sie dann probierte, halt nicht mein Geschmack - ich mag alte Stachelbeeren nicht so. Es ging weiter bergan bis auf ca. 980 hm. Dort querte ich den Ballinjohka und machte mich wieder hinunter in die sumpfige Talebene, die an mehreren Stellen quadbefahren zu sein schien. Auch war die Illusion hier allein zu sein durch frische Fußspuren auf Steinen vor mir gestört, auch wenn ich im Tal niemanden gesehen habe.



Durch ein kleines Seitental ging es ins Siellaväggi.


An der Renvaktarstuga gab es schöne Ausblicke Richtung Abiskojaurestugorna. Den genoss auch anderer Trekker in seinem Hilleberg. Der erste Wandertag hatte mich dann auch langsam geschafft und einige hundert Meter weiter suchte ich mir an einem Bächlein mein nächstes Lager. Abends gab es ein Gewitter, das sich vor allem im Ballinväggi austobte. Eine spätere Reisebekanntschaft erzählte mir, dass sie dort an diesem Abend richtig Angst hatte. Auch an meinem Lager war das Grollen des Gewitters äußerst eindrucksvoll. Kaum endenwollendes Grollen, durch die Echos von den Berghängen noch zigfach hin- und hergeworfen.


3. Tag: Siellaväggi bis Mündung des Vierrojohka in den Aliseatnu
Morgens begrüßte mich wieder ein strahlend blauer Himmel. Beim Einpacken kamen die ersten beiden Wanderer unterhalb meines Zeltes vorbei. Bis zum Scheitelpunkt des Tals wechselten sich Blockfelder und Wiesen ab. Der stetige Anstieg und das Rucksackgewicht machten mir noch zu schaffen, so dass ich wie am Tag zuvor genausoviel Pausen wie Strecke machte. Der Scheitel des Tals musste noch über ein größeres Blockfeld erklommen werden, dann war der Blick nach beiden Seiten frei.




Runter ging es allmählich ins Tal des Aliseatnu über moorige Wiesen. An der Abbruchkante erstreckte sich das Tal atemberaubend vor mir: der mäandrierende Fluss, gletscherbedeckte Gipfel, das breite Tal, Schäfchenwolken vor tiefblauem Himmel.




Über die Kante musste man sich den Weg entgegen meiner geplanten Richtung suchen, doch an einer passenden Abstiegsstelle wies mir ein ausgetretener Pfad den Weg hinab.

Über mehrere weitere Kanten ging es runter bis zum eingezeichneten Pfad, an dem ich meine Füße verarztete. Kaum auf dem Pfad kamen mir auch schon zwei Jungs mit Angeln entgegen. Bei einem See gab es dann einen kräftigen Schauer, so dass ich mein Cape ausprobieren konnte. Der Pfad suchte sich mittlerweile seinen Weg durchs Unterholz und war kaum noch auszumachen. Matsche, Löcher, Steine, der Bach als Fußweg, da war mir die Vegetation über 900 hm lieber. Der Pfad war im Wald kaum noch zu sehen und ich bekam schon Angst, den Abzweig ins Tal verpasst zu haben, denn wenn man von Westen kommt, glaubt man schon bald nach Überqueren des ersten größeren Baches im Wald beim Abzweig zu sein, da auf der Karte ja auch nur ein Fluss eingezeichnet ist. Doch erst einige Hundert Meter weiter ist es soweit: Ich musste einen größeren Bach furten und dahinter ging zum Aliseatnu. Beim größeren Bach traf ich auf einen Japaner, der gerade seine Wasserflasche auffüllte. Nack kurzem Gruß machte er sich jedoch von dannen. Später erfuhr ich mehr über den Mann. Es war ein japanischer Taxifahrer, der schon seit rund 30 Jahren jeden Sommer dort im Fjäll verbringt, nachdem er einen romantischen Liebesfilm über ein Paar auf dem Kungsleden gesehen hat.

Zum Fluss ging es weiter durch Dickicht und Birkenwald. Nach der Brücke wurde es lichter und bald schaute ich mich nach Zeltplätzen um. An der Mündung des Vierrojohka schlug ich mein Zelt in Sichtweite eines großen Wigwamzeltes auf. Der Vierrojohka war eiskalt und führt hellgraues Wasser - beim Kopfwaschen schmerzte der Schädel. Bei einem leichten Schauer kochte ich im Zelt und ließ mir mein Kapü mit Röstzwiebeln schmecken.

4. Tag: Über den Marmapass bis zum oberen See

Wieder von strahlendem Sonnenschein geweckt und gegen acht Uhr los. Über "Nacht" war hundert Meter von meinem Zelt noch ein zweites hinzugekommen. Kurz vor der Brücke über den Vierrojohka war auch ein schwedisches Pärchen am Packen, dass ich kurz grüßte - mit diesen sollte ich später über den Pass gehen. Von rund 640 hm arbeitete ich mich langsam aber stetig bis auf 1600 hm hoch und durchquerte alle Vegetationszonen des Fjälls - Dickicht, Wiesen, Beerenmoose, Moose, Flechten, Steine und Blockfelder.






Etwa auf der Hälfte des Weges zur Marmastugan überholte mich das Pärchen und wir kamen ins Gespräch. Da ich an diesem Tag Konditionsprobleme hatte und daran zweifelte den Pass noch an diesem Tag im Alleingang hinter mich bringen zu können, kam es mir (ausnahmsweise) sehr gelegen, dass wir drei den gleichen Gedanken hatten und uns darauf einigten gemeinsam den Pass anzugehen. Bis zur Marmastugan gingen wir dann jeder im eigenen Tempo und machten eine Brotzeit in der Hütte. Dort hatte ich die Gelegenheit schwedische Brotpaste mit Rentiergeschmack kennenzulernen und die beiden deutschen Tütenfertigpudding (Schlemmerpause). An der Hütte trafen wir noch zwei Wanderer, die vom Pass kamen.
Nach der Pause hatten wir schnell den Pass erreicht. Dort war es aber nicht einfach einen passenden Einstieg zu finden. Während wir Männer eher einen S-förmigen steilen Einstieg favorisierten, fand die Frau den passenden mit Steinmännschen markierten Einstieg
. Wolken waren schon hinter dem Pass aufgezogen, doch war es den ganzen Tag bisher schön gewesen, so dass wir den Aufstieg über die rund 250 hm begannen. Nach zwei Dritteln startete der Regen und wurde immer stärker, die Steinbrocken zwangsläufig immer glitschiger. Wir hielten an einer passenden Stelle an und beratschlagten, was zu tun wäre. Wir entschlossen uns zu warten und weder abzubrechen noch weiter zu gehen. Nach einer guten halben Stunde ließ der Regen nach und wir stiegen bis zum Pass auf. Dort konnten wir noch kurz im Nebel einen Blick auf einen kleinen See erhaschen, der uns zusammen mit einem Steinmännchen als Zielmarkierung diente. So navigierten die beiden Schweden dann mit Kompass durch den dichten Nebel auf den kleinen See zu. Ich hatte ebenfalls den See als Ziel in mein GPS eingetragen - ein dritter Kompass meinerseits wäre ja wohl zuviel des Guten gewesen. So trotteten wir gefühlte zwei Stunden entlang der Endmoräne eines kleinen Gletschers Richtung See mit dem Ziel möglichst wenig Höhe zu verlieren. Die ganze Zeit balancierten wir im Nebel über nasse Felsen ohne das Ziel sehen zu können. Hätten wir die Gegend sehen können, wären wir nicht auf die Idee gekommen, da lang zu gehen, wo wir langgegangen sind. Woanders wäre weniger Blockfeld gewesen. So passierte halt das, was halt wahrscheinlicherweise passiert, wenn drei Leute mit schweren Rucksäcken stundenlang über nasse Felsen bergabwärts im Gebirge balancieren, einer stürzt. Das war halt ich. Glücklicherweise waren meine Füße nicht betroffen, sondern nur ein Fingerglied, das nach hinten überdehnt wurde. Nach einer kurzen Verschnaufpause, um wieder runter zu kommen, ging es dann weiter. Endlich endete das Blockfeld und wir waren am kleinen See, dessen Ausfluss wir überquerten. Nach dem Sturz und der nun schon zwölf Stunden dauernden Wanderung war ich mit der Meinung nicht allein nun am anderen Ufer im Moos das Zelt aufzuschlagen, nur der Schwede wollte noch weiter runter zum großen See. Doch seine Freundin hatte auch genug. Sie war zum Glück Ärztin und schaute sich nun meinen Finger an, der war aber nicht derart lädiert, dass irgendwas gebrochen oder gerissen war. Ich habe ihn dann bis zum Ende der Wanderung getapt.

5. Tag: bis vor den Nallu im Stuor Reaiddaväggi
Morgens war ich schon einiges früher aktiv als das schwedische Pärchen. Der Nebel hatte sich aufgelöst und schön war zu sehen, dass wir am Tag zuvor blind durch das Blockfeld gelaufen waren und wir gerade bergab einiges besser dran gewesen wären.

Ich verabschiedete mich von den beiden und zog wieder alleine los Richtung Vistasstugan. Hier oben war es nun so, wie ich es mir gewünscht hatte: ein klarer Gletschersee mit Hochnebel, trotzdem schien die Sonne und die Berge spiegelten sich darin, Ruhe, Wolkenfetzen zogen unter mir vom Tal herauf, weite Blicke, Rentiere im Schnee.



Nur über das Blockfeld am flachen Rücken des Vassanjunji gab es Steinmännchen, das Gefälle runter und seitlich am Vassaloamijauri vorbei war weglos zu bestreiten.





Auf dem Weg durchs Dickicht zur Stuga kam mir noch ein Pärchen auf dem Weg zum Pass entgegen. An der Vistasstugan erholte ich mich ein paar Stunden vom gestrigen Tag: kochte, gönnte mir eine Cola, trocknete meine Sachen. Auch ließen mich die Folgen des Sturzes nachdenken: Ein Finger war lädiert und es zeichnete sich ab, dass auch Sehnen an meinem rechten Fuß etwas abbekommen hatten. Geplant hatte ich von Vistas aus weiter ins Unna Reaiddaväggi über den Pyramidenpass durchs Kaskasaväggi und über den dortigen Pass übers Guobirväggi nach Tarfala und weiter zu gehen. Dies schien mir nun zu ambitioniert, so entschied ich mich größere Steigungen/Abstiege wegzulassen und eine Alternativroute zu gehen. (Dies war insofern die richtige Entscheidung, als mein rechter Fuß den Rest der Tour nur noch zu 70 Prozent belastbar war und ich nach jeder Pause einige Meter humpeln musste.)

So ging es nun also ins Stuor Reaiddaväggi, nachdem ich noch einmal kurz das nette schwedische Pärchen getroffen hatte, das Vorräte in der Stuga auffüllen wollte. Obwohl der Weg nach Nallo auf der Karte als schlecht oder wenig markiert eingezeichnet war, muteten die ersten Kilometer wie der Kungsleden an: breiter, ausgelatschter, mehrspuriger Weg, auf den ersten Kilometern fünf Zelte, in die ich mich dann später auch einreihte. Dafür entschädigte mich mein Zeltplatz mit grandiosem Blick auf den Nallu und die umgebenden Zinnen.


Ich hatte schon mehrere Wanderungen in Deutschland gemacht und mein Wunsch nach Einsamkeit war in den deutschen Mittelgebirgen doch stets mehr oder minder stark enttäuscht worden - wenn ich nur an meine letzte Wanderung auf dem Westweg im Schwarzwald denke: angepriesen als "weitab von der Zivilisation", traf ich dort so viele Ausflügler, dass sich jeder Eis- oder Pommesbudenbesitzer gefreut hätte.
Daher war klar, dass meine nächste Wanderung mich dorthin führen sollte, wo ich möglichst wenig Menschen zu erwarten hatte. Ein paar Kompromisse war ich bereit einzugehen: So sollte es eine schöne, abwechslungsreiche Landschaft sein, mit zumindest rudimentärer Infrastruktur als Backup (Wanderwege, wenige Hütten). Dass dies nicht ganz völlig ohne Menschen vorzufinden ist, war klar. Anfangs hatte ich mit Jotunheimen geliebäugelt, doch schien mir dies doch zu nah an der Zivilisation zu sein - ob´s stimmt kann ich nicht beurteilen. Meine Wahl fiel letztendlich durch die Berichte im Forum auf die Berge und Fjälle rund um den Kebnekaise - auch wenn mir bewusst war, dass der Kebnekaise und der Kungsleden sowie die Zeit des FRC wegen der Menschenmassen dort zu meiden sind. Geplant waren von mir 14 Trekkingtage plus zwei Reservetage weglos oder über seltener begangene Routen - gegangen bin ich letztendlich wegen einer Routenanpassung rund 200 km in 13 Tagen.
1. Tag: Deutschland - vor Tältlägret
Morgens um 3.30 ging es los zum Flughafen Düsseldorf. Nach mehreren Umstiegen kam ich um 15.50 mit SAS in Kiruna an. Ganz gespannt versuchte ich einige Blicke aus dem Fenster zu erhaschen. Berge, Wald, mehr war nicht zu sehen. Das erste Mal im hohen Norden, ich war aufgeregt und angespannt. Vor dem Flughafen warteten wir dann zu siebt auf den Bus nach Narvik, der pünktlich um 16.15 kam und mich für 185 SKR nach Abisko-Östra brachte. Einige Schauer kamen auf der Busfahrt runter, doch in Abisko schien die Sonne. Mit einem Pärchen stieg ich dort aus. Im Lapporten Supermarkt kaufte ich mir noch ein Eis, T-Röd und Polarbrödknäcke. Dann packte ich meinen Rucksack um, der jetzt mit den zusätzlichen Einkäufen ca. 27 Kilo wog. Noch ein paar Fotos und dann ging es für mich los ins Unbekannte.
Das GPS lotste mich gegen halb sieben aus Östra raus und ich machte mich, dem Skooterweg folgend, auf Richtung Tältlägret. Die Sonne schien und ich war ganz glücklich, dass es jetzt losging. Der Skooterweg war wie ein nasser deutscher Feldweg und endete für mich am Nissonjohka, den ich nicht furten wollte, da ja rund 300 Meter flussabwärts eine Brücke ist. So lief ich dann am Flussufer entlang und machte an der Brücke meine erste Kungsleden-Erfahrung. Während ich auf dem Skooterpfad nur zwei Leute gesehen hatte, habe ich hier nicht gezählt. Zumindest war mir schlagartig klar, dass ich die leider später für mich eingeplanten rund 10 km Kungsleden zwischen Sälka und Singi so schnell wie möglich hinter mich zu bringen hatte, wenn ich dort war.
Beim Abzweig zum Tältlägret war ich wieder für den Rest des Tages allein. An der Nationalparkgrenze war ich dann aber geschafft, immerhin war ich seit halb vier auf. Ich suchte mir einen Zeltplatz mit Aussicht auf den Njulla und den Torneträsk. Dort verbrachte ich einen meiner beiden Abende mit Mückenhaube. Einfach dasitzen und in der Landschaft ankommen. Es fühlte sich irreal an, wenn man morgens zuhause aufsteht und dann abends mit seinem Zelt im Fjäll ist.
2. Tag: durchs Ballinväggi bis ins Siellaväggi
Wie fast jeden weiteren Tag wurde ich beim Aufstehen durch die Sonne begrüsst. Mein erster ganzer Tag im Fjäll! Müslifrühstück, Wasserholen aus dem Fluss. Auf dem Weg hoch zum Tältlägret, die ungewöhnlichste Begegnung meiner Wanderung: eine Frau mit Baby - vorn das Kleine im Tragesack und hinten großer Rucksack. Ich habe nur gegrüßt und sie nicht darauf angesprochen, warum sie vom Tältlägret runter kam. Auf jeden Fall war die vorher durch die Unwissenheit geprägte Illusion, dass mein ganzes Unterfangen irgendwie risikobehaftet sein könnte, dahin. Wenn selbst Frauen mit Kleinkindern allein durchs Fjäll streifen können, ist doch höchstens noch eine Antarktisdurchquerung oder eine Everestbesteigung eine Herausforderung und der Rest Kinderkram! Somit war mir auf jeden Fall dieser Zahn gezogen und das aus meiner Sicht zurecht.
Am Tältlägret begrüßte mich ein Fahnenmast auf einer Kuppe und ein Klohäuschen. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es weiter bergan. Bald verlor sich der Pfad oberhalb der Baumgrenze. Kurze Zeit darauf meine erste Moltebeere: Juchhu! Bis ich sie dann probierte, halt nicht mein Geschmack - ich mag alte Stachelbeeren nicht so. Es ging weiter bergan bis auf ca. 980 hm. Dort querte ich den Ballinjohka und machte mich wieder hinunter in die sumpfige Talebene, die an mehreren Stellen quadbefahren zu sein schien. Auch war die Illusion hier allein zu sein durch frische Fußspuren auf Steinen vor mir gestört, auch wenn ich im Tal niemanden gesehen habe.
Durch ein kleines Seitental ging es ins Siellaväggi.
An der Renvaktarstuga gab es schöne Ausblicke Richtung Abiskojaurestugorna. Den genoss auch anderer Trekker in seinem Hilleberg. Der erste Wandertag hatte mich dann auch langsam geschafft und einige hundert Meter weiter suchte ich mir an einem Bächlein mein nächstes Lager. Abends gab es ein Gewitter, das sich vor allem im Ballinväggi austobte. Eine spätere Reisebekanntschaft erzählte mir, dass sie dort an diesem Abend richtig Angst hatte. Auch an meinem Lager war das Grollen des Gewitters äußerst eindrucksvoll. Kaum endenwollendes Grollen, durch die Echos von den Berghängen noch zigfach hin- und hergeworfen.
3. Tag: Siellaväggi bis Mündung des Vierrojohka in den Aliseatnu
Morgens begrüßte mich wieder ein strahlend blauer Himmel. Beim Einpacken kamen die ersten beiden Wanderer unterhalb meines Zeltes vorbei. Bis zum Scheitelpunkt des Tals wechselten sich Blockfelder und Wiesen ab. Der stetige Anstieg und das Rucksackgewicht machten mir noch zu schaffen, so dass ich wie am Tag zuvor genausoviel Pausen wie Strecke machte. Der Scheitel des Tals musste noch über ein größeres Blockfeld erklommen werden, dann war der Blick nach beiden Seiten frei.
Runter ging es allmählich ins Tal des Aliseatnu über moorige Wiesen. An der Abbruchkante erstreckte sich das Tal atemberaubend vor mir: der mäandrierende Fluss, gletscherbedeckte Gipfel, das breite Tal, Schäfchenwolken vor tiefblauem Himmel.
Über die Kante musste man sich den Weg entgegen meiner geplanten Richtung suchen, doch an einer passenden Abstiegsstelle wies mir ein ausgetretener Pfad den Weg hinab.
Über mehrere weitere Kanten ging es runter bis zum eingezeichneten Pfad, an dem ich meine Füße verarztete. Kaum auf dem Pfad kamen mir auch schon zwei Jungs mit Angeln entgegen. Bei einem See gab es dann einen kräftigen Schauer, so dass ich mein Cape ausprobieren konnte. Der Pfad suchte sich mittlerweile seinen Weg durchs Unterholz und war kaum noch auszumachen. Matsche, Löcher, Steine, der Bach als Fußweg, da war mir die Vegetation über 900 hm lieber. Der Pfad war im Wald kaum noch zu sehen und ich bekam schon Angst, den Abzweig ins Tal verpasst zu haben, denn wenn man von Westen kommt, glaubt man schon bald nach Überqueren des ersten größeren Baches im Wald beim Abzweig zu sein, da auf der Karte ja auch nur ein Fluss eingezeichnet ist. Doch erst einige Hundert Meter weiter ist es soweit: Ich musste einen größeren Bach furten und dahinter ging zum Aliseatnu. Beim größeren Bach traf ich auf einen Japaner, der gerade seine Wasserflasche auffüllte. Nack kurzem Gruß machte er sich jedoch von dannen. Später erfuhr ich mehr über den Mann. Es war ein japanischer Taxifahrer, der schon seit rund 30 Jahren jeden Sommer dort im Fjäll verbringt, nachdem er einen romantischen Liebesfilm über ein Paar auf dem Kungsleden gesehen hat.
Zum Fluss ging es weiter durch Dickicht und Birkenwald. Nach der Brücke wurde es lichter und bald schaute ich mich nach Zeltplätzen um. An der Mündung des Vierrojohka schlug ich mein Zelt in Sichtweite eines großen Wigwamzeltes auf. Der Vierrojohka war eiskalt und führt hellgraues Wasser - beim Kopfwaschen schmerzte der Schädel. Bei einem leichten Schauer kochte ich im Zelt und ließ mir mein Kapü mit Röstzwiebeln schmecken.
4. Tag: Über den Marmapass bis zum oberen See
Wieder von strahlendem Sonnenschein geweckt und gegen acht Uhr los. Über "Nacht" war hundert Meter von meinem Zelt noch ein zweites hinzugekommen. Kurz vor der Brücke über den Vierrojohka war auch ein schwedisches Pärchen am Packen, dass ich kurz grüßte - mit diesen sollte ich später über den Pass gehen. Von rund 640 hm arbeitete ich mich langsam aber stetig bis auf 1600 hm hoch und durchquerte alle Vegetationszonen des Fjälls - Dickicht, Wiesen, Beerenmoose, Moose, Flechten, Steine und Blockfelder.
Etwa auf der Hälfte des Weges zur Marmastugan überholte mich das Pärchen und wir kamen ins Gespräch. Da ich an diesem Tag Konditionsprobleme hatte und daran zweifelte den Pass noch an diesem Tag im Alleingang hinter mich bringen zu können, kam es mir (ausnahmsweise) sehr gelegen, dass wir drei den gleichen Gedanken hatten und uns darauf einigten gemeinsam den Pass anzugehen. Bis zur Marmastugan gingen wir dann jeder im eigenen Tempo und machten eine Brotzeit in der Hütte. Dort hatte ich die Gelegenheit schwedische Brotpaste mit Rentiergeschmack kennenzulernen und die beiden deutschen Tütenfertigpudding (Schlemmerpause). An der Hütte trafen wir noch zwei Wanderer, die vom Pass kamen.
Nach der Pause hatten wir schnell den Pass erreicht. Dort war es aber nicht einfach einen passenden Einstieg zu finden. Während wir Männer eher einen S-förmigen steilen Einstieg favorisierten, fand die Frau den passenden mit Steinmännschen markierten Einstieg

5. Tag: bis vor den Nallu im Stuor Reaiddaväggi
Morgens war ich schon einiges früher aktiv als das schwedische Pärchen. Der Nebel hatte sich aufgelöst und schön war zu sehen, dass wir am Tag zuvor blind durch das Blockfeld gelaufen waren und wir gerade bergab einiges besser dran gewesen wären.
Ich verabschiedete mich von den beiden und zog wieder alleine los Richtung Vistasstugan. Hier oben war es nun so, wie ich es mir gewünscht hatte: ein klarer Gletschersee mit Hochnebel, trotzdem schien die Sonne und die Berge spiegelten sich darin, Ruhe, Wolkenfetzen zogen unter mir vom Tal herauf, weite Blicke, Rentiere im Schnee.
Nur über das Blockfeld am flachen Rücken des Vassanjunji gab es Steinmännchen, das Gefälle runter und seitlich am Vassaloamijauri vorbei war weglos zu bestreiten.
Auf dem Weg durchs Dickicht zur Stuga kam mir noch ein Pärchen auf dem Weg zum Pass entgegen. An der Vistasstugan erholte ich mich ein paar Stunden vom gestrigen Tag: kochte, gönnte mir eine Cola, trocknete meine Sachen. Auch ließen mich die Folgen des Sturzes nachdenken: Ein Finger war lädiert und es zeichnete sich ab, dass auch Sehnen an meinem rechten Fuß etwas abbekommen hatten. Geplant hatte ich von Vistas aus weiter ins Unna Reaiddaväggi über den Pyramidenpass durchs Kaskasaväggi und über den dortigen Pass übers Guobirväggi nach Tarfala und weiter zu gehen. Dies schien mir nun zu ambitioniert, so entschied ich mich größere Steigungen/Abstiege wegzulassen und eine Alternativroute zu gehen. (Dies war insofern die richtige Entscheidung, als mein rechter Fuß den Rest der Tour nur noch zu 70 Prozent belastbar war und ich nach jeder Pause einige Meter humpeln musste.)
So ging es nun also ins Stuor Reaiddaväggi, nachdem ich noch einmal kurz das nette schwedische Pärchen getroffen hatte, das Vorräte in der Stuga auffüllen wollte. Obwohl der Weg nach Nallo auf der Karte als schlecht oder wenig markiert eingezeichnet war, muteten die ersten Kilometer wie der Kungsleden an: breiter, ausgelatschter, mehrspuriger Weg, auf den ersten Kilometern fünf Zelte, in die ich mich dann später auch einreihte. Dafür entschädigte mich mein Zeltplatz mit grandiosem Blick auf den Nallu und die umgebenden Zinnen.
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