Immer noch 20. August 2021: Jetzt aber wirklich rüber nach Bogo
In Stubbeköbing reißt der Himmel auf. Und endlich scheint uns die Sonne. Und wie so oft auf dieser Reise begrüßt man uns mit Musik. Hier im Hafengelände, in einer kleinen, die besten Jahre schon hinter sich habenden, Imbissbude mit verglaster Veranda, sitzt eine fröhliche Alte mit einer schrummeligen Gitarre und singt voller Inbrunst mit rauchiger Stimme Killing me Softly auf Dänisch. Ihr Publikum, drei weitere ziemlich angeschickerte Gestalten, klatscht und grölt lautstark dazu. Die Stimmung ist regelrecht ausgelassen, ich glaube, die feiern Geburtstag hier. Was für ein schräger Moment! Nass wie ein Pudel stehe ich auf der Mole, häng meine Jacke zum Trocknen auf’s Rad und komme aus dem Grinsen nicht mehr raus. Mir kommt das immer vor wie ein Wunder. Diese Musik und die Sonne dazu! Eine Belohnung, die wir nicht verlangten. Und die genau deshalb umso mehr überrascht und erfreut. Stef kauft die Tickets und nen Hotdog für uns. Den essen wir wippend im Stehen, dann machen wir uns rüber zum Fähranleger.

Der Fährkapitän kommt uns lachend entgegen. Habt Ihr die Tickets oder wollt Ihr betrügen ?, fragt er mich grinsend. Hah! Inzwischen kenne ich den dänischen Humor. Eigentlich sind wir so eher die Cheater, gebe ich ihm zu verstehen, aber dann habe ich Sie gesehen und ziemliche Angst gekriegt. Hier sind unsere Fahrscheine, dürfen wir mit? Der Typ lacht sich schlapp und winkt uns mit großer Geste auf sein riesiges Schiff. Die Fähre nach Bogo ist ein technisches Denkmal. Heute fährt sie für uns ganz alleine.

Mit prächtigem Gepolter rattert sie über den tiefblauen Sund. Wir stehen fröhlich am Bug und lassen den Wind unsere Sachen trocknen.

Im Osten sehen wir Mon schon. Dorthin, über den riesigen Damm, den werden wir heute noch fahren. Aber erstmal sind wir auf Bogo. Die Insel ist winzig, sieben Kilometer lang, 1200 Einwohner. Wir fahren zunächst nicht sofort ostwärts Richtung Damm sondern erst mal nach Norden in den einzigen Ort der Insel, Bogoby, um hier im einzigen Laden weit und breit etwas zu essen zu kaufen. Dafür müssen wir zunächst zwei Kilometer straff bergan fahren, aber die hübschen reetgedeckten Häuser entlohnen uns für die Strapazen.
Auch die Gärten mit ihren vielfachen Sommergärtchen und Winter-Eckchen, den Hecken und Beeten, den beachtlichen Schatten-, Grill- und Chillplätzen sind immer wieder eine Augenweide. Sie rangieren von klassisch aufgeräumt, über kitschig verbaut bis hin zu völlig verrumpelt. Na und die Häuser erst! Hier muss ich leider einen kurzen Ausflug zur dänischen Wohnkultur machen. Wer das nicht spannend findet, sollte diesen Absatz einfach überlesen. Neben den Reetdächern gibt’s natürlich auch ziegelgedeckte. Fast alle Häuser sind aus gelbem oder rotem Klinker – dann meist kombiniert mit grünen oder generell dunklen Fensterrahmen. Der Klinker selbst ist aber oft noch übertüncht, allermeistens mit weiß (besonders schön dazu die Kombination mit hellgrauen oder -blauen Türen und Fensterrahmen), aber wir sehen auch rot, gelb, grün und blau als Übertünchungsfarbe. Der rotweiße Dannebrog flattert munter in jedem 2. Garten, alles hier ist lieblich und von freundlichem Charme. So manches Mal denk ich im Vorbeirauschen an diesen Köstlichkeiten der Wohnkultur, dass ich hier gern auch länger bliebe. Außerhalb der Ortschaften dominiert der Dreiseitenhof, fast immer umgeben von dichten, schweren, üppigen Getreidefeldern in sattestem Weizengelb. Die Landwirtschaft hier ist hochtechnisiert. Alle Halme haben die gleiche Länge, trotzen in großer Stabilität offenbar fast jedem Wetter und tragen schwer an ihren Körnern. Und fast jedes Feld ist umkränzt von einem breiten Streifen üppigster Bienenweiden, die ihre fröhliche Pracht weit in die Welt hinausblühen.
Aber zurück zum Geschehen: Wir sind inzwischen am Laden angekommen und diskutieren kurz das Abendessen. Ich würde gerne mal Nudeln essen, aber Stef ist für Fleisch mit Salat. Nach kurzem Gefecht kaufen wir das und zwitschern schwer bepackt bergab aus dem Ort heraus und auf die große Straße, die uns über den Sund Richtung Mon führt. Der Damm ist, aus unserer Richtung kommend, der einzige Zufahrtsweg auf die Insel und er stellt sich als vielbefahrene und ätzende Schnellstraße heraus. Die Autos schießen in großer Geschwindigkeit sehr dicht an uns vorüber. Der Streifen für’s Rad ist maximal 70 cm breit und zum Sund hin durch eine hohe Planke abgetrennt. Er geht über mehrere Kilometer so und es gibt nirgendwo Buchten, wo man kurz verschnaufen könnte, zum Schieben ist er zu schmal. Ich bin so konzentriert die Spur zu halten, dass ich nach ner Weile total verkrampfe und mein Rad mit den bollerigen Packtaschen mitunter mächtig ins Taumeln gerät. Die dänischen Autofahrer, die ich bisher nur freundlich und rücksichtsvoll kenne, scheinen auf dieser Straße zu Rowdies zu werden. Ich fluche und stöhne. Der Erholungseffekt der letzten Tage wird auf dem Damm in Stress aufgelöst. Stef fährt hinter mir und versucht mich zu beruhigen: Du hast keine Wahl, ruft er mir zu, Du musst da jetzt durch, es nützt nichts, wenn Du jetzt verzweifelst. Der Spruch hilft. Ich beiße die Zähne zusammen, versuche mich nur auf den schmalen Streifen vor mir zu konzentrieren und alles andere auszublenden. Als es vorbei ist, heule ich fast vor Erleichterung. Das war die schlimmste Strecke auf der ganzen Tour – und sie war von Bikeline empfohlen, wir fassen es nicht.
Wir nehmen die erstmögliche Abfahrt aus dieser Höllenröhre und verschnaufen kurz bei einem Dreiseitenhof im Schatten von riesigen Bäumen. Der restliche Weg ist friedlich und schön.

Und auch das Wetter ist friedlich und schön. Immerhin. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich diesen Damm bei Regen hätte bewältigen sollen. Wir zuckeln verträumt Richtung Harbolle Havn. Einmal versuchen wir abzukürzen, indem wir einen sandigen Feldweg fahren. Das geht anfangs noch gut, aber dann verkrautet der Weg zusehends, sodass wir am Ende direkt auf dem Feld über sparrige Weizenstoppel fahren. Selbst das geht mit den fetten Reifen, aber es ist mühsam. Wir machen hernach keine weiteren Abkürzungsversuche mehr und folgen brav der Straße.

Der Mon-Zeltplatz liegt direkt am Meer und er ist herzallerliebst. Die schmale Zufahrtsstraße windet sich mitten auf dem Platz zu einer weitläufigen Wendeschlaufe. Die wird von allerlei johlendem Kindervolk auf allen nur denkbaren Gefährten als Rennstrecke benutzt. Vorn an der Rezeption gibt’s den passenden Fuhrpark dazu; Räder und Roller in allen Größen und Farben liegen dort wild durcheinander; wer sich einreihen möchte in den fahrenden Kinderstrom, sucht sich einfach das passende Fahrwerk aus. Rings um die peesenden Kinder träumen Zelte und Handtücher im Sommerwind, Töpfe klappern, Eltern schnattern, kochen, lachen und trinken. Was für ein friedvoller, fröhlicher Ort! Wer hier ankommt, hat jegliches Unbill vergessen.
Wir fahren staunend durch diese Szene und haben den Eindruck, wir träumen das. Mitten in all diesem Treiben, auf einer Wiese zwischen zwei Wohnwagen, steht Micha mit seinem Rad wie versteinert. Ein bisschen wirkt es, als stünde er wirklich seit Stunden schon hier, um wie besprochen, den Platz zu besetzen. Wir begrüßen uns lautstark und freun uns wie wild, dass wir uns wieder gefunden haben. Dann rammeln wir einmal über den ganzen Platz, entscheiden uns nach einigem Hin und Her für ein Stückchen Wiese, das allen genehm ist und endlich endlich lassen wir uns nieder.

Stef baut das Zelt auf und ich fange an, den Salat zu schnippeln. Micha fährt noch mal los, um was zu essen zu finden. Als er wiederkommt, sind wir bereits fertig mit unserem Mahl und die blaue Stunde naht. Wir sitzen noch bisschen und schwatzen im schwindenden Licht, aber ich verzieh mich dann ziemlich bald ins Zelt. Ich bin ganz schön erschossen heute und nur der Schlaf kann mich retten.
In Stubbeköbing reißt der Himmel auf. Und endlich scheint uns die Sonne. Und wie so oft auf dieser Reise begrüßt man uns mit Musik. Hier im Hafengelände, in einer kleinen, die besten Jahre schon hinter sich habenden, Imbissbude mit verglaster Veranda, sitzt eine fröhliche Alte mit einer schrummeligen Gitarre und singt voller Inbrunst mit rauchiger Stimme Killing me Softly auf Dänisch. Ihr Publikum, drei weitere ziemlich angeschickerte Gestalten, klatscht und grölt lautstark dazu. Die Stimmung ist regelrecht ausgelassen, ich glaube, die feiern Geburtstag hier. Was für ein schräger Moment! Nass wie ein Pudel stehe ich auf der Mole, häng meine Jacke zum Trocknen auf’s Rad und komme aus dem Grinsen nicht mehr raus. Mir kommt das immer vor wie ein Wunder. Diese Musik und die Sonne dazu! Eine Belohnung, die wir nicht verlangten. Und die genau deshalb umso mehr überrascht und erfreut. Stef kauft die Tickets und nen Hotdog für uns. Den essen wir wippend im Stehen, dann machen wir uns rüber zum Fähranleger.
Der Fährkapitän kommt uns lachend entgegen. Habt Ihr die Tickets oder wollt Ihr betrügen ?, fragt er mich grinsend. Hah! Inzwischen kenne ich den dänischen Humor. Eigentlich sind wir so eher die Cheater, gebe ich ihm zu verstehen, aber dann habe ich Sie gesehen und ziemliche Angst gekriegt. Hier sind unsere Fahrscheine, dürfen wir mit? Der Typ lacht sich schlapp und winkt uns mit großer Geste auf sein riesiges Schiff. Die Fähre nach Bogo ist ein technisches Denkmal. Heute fährt sie für uns ganz alleine.
Mit prächtigem Gepolter rattert sie über den tiefblauen Sund. Wir stehen fröhlich am Bug und lassen den Wind unsere Sachen trocknen.
Im Osten sehen wir Mon schon. Dorthin, über den riesigen Damm, den werden wir heute noch fahren. Aber erstmal sind wir auf Bogo. Die Insel ist winzig, sieben Kilometer lang, 1200 Einwohner. Wir fahren zunächst nicht sofort ostwärts Richtung Damm sondern erst mal nach Norden in den einzigen Ort der Insel, Bogoby, um hier im einzigen Laden weit und breit etwas zu essen zu kaufen. Dafür müssen wir zunächst zwei Kilometer straff bergan fahren, aber die hübschen reetgedeckten Häuser entlohnen uns für die Strapazen.
Auch die Gärten mit ihren vielfachen Sommergärtchen und Winter-Eckchen, den Hecken und Beeten, den beachtlichen Schatten-, Grill- und Chillplätzen sind immer wieder eine Augenweide. Sie rangieren von klassisch aufgeräumt, über kitschig verbaut bis hin zu völlig verrumpelt. Na und die Häuser erst! Hier muss ich leider einen kurzen Ausflug zur dänischen Wohnkultur machen. Wer das nicht spannend findet, sollte diesen Absatz einfach überlesen. Neben den Reetdächern gibt’s natürlich auch ziegelgedeckte. Fast alle Häuser sind aus gelbem oder rotem Klinker – dann meist kombiniert mit grünen oder generell dunklen Fensterrahmen. Der Klinker selbst ist aber oft noch übertüncht, allermeistens mit weiß (besonders schön dazu die Kombination mit hellgrauen oder -blauen Türen und Fensterrahmen), aber wir sehen auch rot, gelb, grün und blau als Übertünchungsfarbe. Der rotweiße Dannebrog flattert munter in jedem 2. Garten, alles hier ist lieblich und von freundlichem Charme. So manches Mal denk ich im Vorbeirauschen an diesen Köstlichkeiten der Wohnkultur, dass ich hier gern auch länger bliebe. Außerhalb der Ortschaften dominiert der Dreiseitenhof, fast immer umgeben von dichten, schweren, üppigen Getreidefeldern in sattestem Weizengelb. Die Landwirtschaft hier ist hochtechnisiert. Alle Halme haben die gleiche Länge, trotzen in großer Stabilität offenbar fast jedem Wetter und tragen schwer an ihren Körnern. Und fast jedes Feld ist umkränzt von einem breiten Streifen üppigster Bienenweiden, die ihre fröhliche Pracht weit in die Welt hinausblühen.
Aber zurück zum Geschehen: Wir sind inzwischen am Laden angekommen und diskutieren kurz das Abendessen. Ich würde gerne mal Nudeln essen, aber Stef ist für Fleisch mit Salat. Nach kurzem Gefecht kaufen wir das und zwitschern schwer bepackt bergab aus dem Ort heraus und auf die große Straße, die uns über den Sund Richtung Mon führt. Der Damm ist, aus unserer Richtung kommend, der einzige Zufahrtsweg auf die Insel und er stellt sich als vielbefahrene und ätzende Schnellstraße heraus. Die Autos schießen in großer Geschwindigkeit sehr dicht an uns vorüber. Der Streifen für’s Rad ist maximal 70 cm breit und zum Sund hin durch eine hohe Planke abgetrennt. Er geht über mehrere Kilometer so und es gibt nirgendwo Buchten, wo man kurz verschnaufen könnte, zum Schieben ist er zu schmal. Ich bin so konzentriert die Spur zu halten, dass ich nach ner Weile total verkrampfe und mein Rad mit den bollerigen Packtaschen mitunter mächtig ins Taumeln gerät. Die dänischen Autofahrer, die ich bisher nur freundlich und rücksichtsvoll kenne, scheinen auf dieser Straße zu Rowdies zu werden. Ich fluche und stöhne. Der Erholungseffekt der letzten Tage wird auf dem Damm in Stress aufgelöst. Stef fährt hinter mir und versucht mich zu beruhigen: Du hast keine Wahl, ruft er mir zu, Du musst da jetzt durch, es nützt nichts, wenn Du jetzt verzweifelst. Der Spruch hilft. Ich beiße die Zähne zusammen, versuche mich nur auf den schmalen Streifen vor mir zu konzentrieren und alles andere auszublenden. Als es vorbei ist, heule ich fast vor Erleichterung. Das war die schlimmste Strecke auf der ganzen Tour – und sie war von Bikeline empfohlen, wir fassen es nicht.
Wir nehmen die erstmögliche Abfahrt aus dieser Höllenröhre und verschnaufen kurz bei einem Dreiseitenhof im Schatten von riesigen Bäumen. Der restliche Weg ist friedlich und schön.
Und auch das Wetter ist friedlich und schön. Immerhin. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich diesen Damm bei Regen hätte bewältigen sollen. Wir zuckeln verträumt Richtung Harbolle Havn. Einmal versuchen wir abzukürzen, indem wir einen sandigen Feldweg fahren. Das geht anfangs noch gut, aber dann verkrautet der Weg zusehends, sodass wir am Ende direkt auf dem Feld über sparrige Weizenstoppel fahren. Selbst das geht mit den fetten Reifen, aber es ist mühsam. Wir machen hernach keine weiteren Abkürzungsversuche mehr und folgen brav der Straße.
Der Mon-Zeltplatz liegt direkt am Meer und er ist herzallerliebst. Die schmale Zufahrtsstraße windet sich mitten auf dem Platz zu einer weitläufigen Wendeschlaufe. Die wird von allerlei johlendem Kindervolk auf allen nur denkbaren Gefährten als Rennstrecke benutzt. Vorn an der Rezeption gibt’s den passenden Fuhrpark dazu; Räder und Roller in allen Größen und Farben liegen dort wild durcheinander; wer sich einreihen möchte in den fahrenden Kinderstrom, sucht sich einfach das passende Fahrwerk aus. Rings um die peesenden Kinder träumen Zelte und Handtücher im Sommerwind, Töpfe klappern, Eltern schnattern, kochen, lachen und trinken. Was für ein friedvoller, fröhlicher Ort! Wer hier ankommt, hat jegliches Unbill vergessen.
Wir fahren staunend durch diese Szene und haben den Eindruck, wir träumen das. Mitten in all diesem Treiben, auf einer Wiese zwischen zwei Wohnwagen, steht Micha mit seinem Rad wie versteinert. Ein bisschen wirkt es, als stünde er wirklich seit Stunden schon hier, um wie besprochen, den Platz zu besetzen. Wir begrüßen uns lautstark und freun uns wie wild, dass wir uns wieder gefunden haben. Dann rammeln wir einmal über den ganzen Platz, entscheiden uns nach einigem Hin und Her für ein Stückchen Wiese, das allen genehm ist und endlich endlich lassen wir uns nieder.
Stef baut das Zelt auf und ich fange an, den Salat zu schnippeln. Micha fährt noch mal los, um was zu essen zu finden. Als er wiederkommt, sind wir bereits fertig mit unserem Mahl und die blaue Stunde naht. Wir sitzen noch bisschen und schwatzen im schwindenden Licht, aber ich verzieh mich dann ziemlich bald ins Zelt. Ich bin ganz schön erschossen heute und nur der Schlaf kann mich retten.
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