[SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tännäs)

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Cattlechaser
    Dauerbesucher
    • 04.08.2010
    • 848
    • Privat

    • Meine Reisen

    [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tännäs)

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    28. August

    Es beginnt. Und zwar mit einer Frage, die wir so nicht erwartet hätten. Klein-Cattlechaser wird die kommenden zwei Wochen bei Oma und Opa bleiben. Unruhig kommt er eine Stunde vor unserer geplanten Abfahrt zum Flughafen zu uns und fragt quengelnd: „Mama, Papa, wann fahrt ihr denn endlich?“ „Wieso?“ „Weil ich dann mit Oma Ice Age schauen darf!“ Aha, so einfach ist die Welt. Da wir anscheinend bei Oma und Klein-Cattlechaser nicht mehr gebraucht werden, machen wir uns auf dem Weg. Fahrt nach Frankfurt, Parken, Einchecken, Gepäckaufgabe, alles läuft problemfrei.

    Bei Warten auf den Flug stelle ich im neu gekauften Reklam-Titel (ETA Hoffmann „Die Elexiere des Teufels“) fest, dass die ultrakleine Schrift für mich als „Best-Ager“ mittlerweile aussieht wie Ameisenkrieg und mir beim Lesen Kopfschmerzen verursacht. Also tausche ich es in einem Flughafenladen noch eben aus gegen ein Taschenbuch („Tschick“ von W. Herrndorf), welches sich während der Reise als echter Volltreffer erweisen wird.

    Ankunft in Arlanda, Pasta am Flughafen, dann Zug nach Uppsala. Dort erfahren wir, dass der Schlafexpress nach Storlien eine ganze Stunde Verspätung hat und erst um 1 Uhr nachts in Uppsala ankommen wird. Wir genehmigen uns mit vier schwedischen Leidensgenossinnen noch einen Kurzschlaf in der Bahnhofshalle und besteigen dann gegen 0:55 Uhr endlich unseren Schlafwagen. Jetzt geht es richtig los!

    Vor der Abreise: Unser Packvolumen, ohne Wasser und weitere Lebensmittel:




    29. August

    Wir sind gegen 6:30 Uhr wach. Für meine erste Nacht im Schlafwagen seit 10 Jahren habe ich ziemlich gut geschlafen. Der Zug hält in Are, viele Leute steigen aus. Wir gehen in das Bistro und genehmigen uns einen Kaffee und ein Sandwich. Der Genuss soll diesen Urlaub nicht zu kurz kommen (und wird es auch nicht). Eine Station vor Storlien steigt das Gros der verbliebenen Passagiere aus. Kurz später rollen wir gegen 8 Uhr 20 pünktlich in der Endstation Storlien ein. Mit uns steigen geschlagene fünf (!!) andere Leute aus, davon zwei Einheimische. Es ist faktisch bereits vom Bahnhof an eine sehr einsame Tour. Wir gehen zur Minitankstelle, die noch geschlossen hat. Eine Gaskartusche werden wir nicht bis zur Blahammaren bekommen. 1 km an der Straße weiter finden wir den Supermarkt, auf dessen Öffnung wir kurz warten und uns dann mit Käse und zwei Knoblauchsteaks für den heutigen Abend versorgen. Wie gesagt, wir haben für diese Tour der dehydrierten Trekkingnahrung abgeschworen und wollen uns soweit möglich genussvoll-frisch ernähren.

    Vor uns verlässt eine mit dickem Rucksack behängte Gestalt den Supermarkt; ein anderer Kungsledenwanderer, wie wir richtig vermuten. Vom Supermarkt geht es 3 km weiter an der Hauptstraße Richtung Storvallen, die aber alles andere als stark befahren ist, zumindest für deutsche Verhältnisse. Der von Wolken verhangene Himmel klar zusehends auf. Die Sonne kommt heraus. Heute wird ein glänzend schöner Sommertag. Es soll, wie sich später heraus stellt, der letzte Sommertag im Jämtlandsfjäll werden. Der Anfang des Kungsleden ist nicht ausgeschildert. Dank engagierter Beratung der Einheimischen, welche mit uns aus dem Zug ausgestiegen sind, finden wir den Einstieg aber problemlos.

    Die Sonne drückt bereits jetzt um 10 Uhr beträchtlich. Wind gibt es kaum. Es ist Sommer. Sommer!!! Der Kungsleden führt durch Planken über Sumpfgebiet langsam aufwärts. Die ersten Kilometer sind nicht sonderlich aufregend, erlauben aber schon mal schöne Ausblicke auf die Berge. Wir machen unsere Mittagspause in einem kleinen Waldstück bei einer Flussbrücke. Angesichts der brennenden Sonne kramen wir die nur vorsorglich mitgenommenen Sonnenbrillen und die Sonnecreme aus. Ich mache in der Wärme ein paar Minuten die Augen zu und so unversehens ein kurzes Nickerchen. Dann geht es weiter. Wir kommen schnell an die Baumgrenze. Der Pfad steigt an, erst langsam, dann immer steiler. Wir keuchen uns die Steigung zur Blahammaren-Fjällstation nach oben. Schließlich haben wir es geschafft. Bei einen nun kühlen Südwind aber dem ansonsten guten Wetter haben wir dick in die Jacken eingepackt einen traumhaften Panoramablick, von unserem Start in Storlien im Norden bis zu unserem morgigen Etappenziel im Süden, der Sylarna.

    Blick zurück bei bestem Wetter:




    Ein Nickerchen am Fluss:




    Steiler Aufstieg zur Blahammaren:




    Von der Blahammaren nach Norden…




    …und der Blick nach Süden zur Sylarna




    Wir stellen unser Zelt ca. 500 m südlich der Fjällstation an einem kleinen See auf. Die Rentiere laufen in geringer Entfernung vorbei. Bei uns gibt es heute Kartoffelpürree mit dem frisch gebratenen Entrecote in Knoblauchmarinade aus dem Supermarkt in Storlien. Im Fjäll schmeckt so was noch mal so gut. Himmlisch. In absoluter Windstille sitzen wir vor dem Zelt, beobachten die Rentiere, nehmen einen Schluck Wodka aus unserem Flachmann und genießen die Abendstimmung. Der erste Tag geht traumhaft und windstill zu Ende. Das soll sich aber schnell ändern…


    Zeltplatz:



    Steaks!!!

    Zuletzt geändert von Cattlechaser; 02.11.2012, 14:00.
    Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

  • Martn
    Gerne im Forum
    • 24.10.2011
    • 75
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien – Rogen - Tänn

    sehr schön, das macht Lust auf mehr!

    Kommentar


    • dooley242

      Fuchs
      • 08.02.2008
      • 2096
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien – Rogen - Tänn

      Zitat von Martn Beitrag anzeigen
      sehr schön, das macht Lust auf mehr!
      Besonders, wenn ich an den anderen Bericht denke. Auch wenn Klein-Cattlechaser lieber Ice-Age guckt und es deswegen kein "Scheiss-Gras" gibt.
      Gruß

      Thomas

      Kommentar


      • Cattlechaser
        Dauerbesucher
        • 04.08.2010
        • 848
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

        30. August

        Das erste Mal wache ich mitten in der Nacht auf, als starker Wind am Zelt rüttelt und Regen auf das Außenzelt klopft. Nicht so schlimm, denke ich, und schlafe wieder ein.

        Das zweite Mal wache ich auf, als mir Claudia mehrmals von links gegen den Schlafsack drückt. Drückt sie halt, denke ich, und will wieder einschlafen. .. Von links? … Ich liege doch mit dem Schlafsack links, da müsste sie eigentlich wenn dann von rechts…? Ich schlage die Augen auf und merke wie ein ausgewachsener Sturm am Zelt rüttelt. Ich habe schon in einigen Stürmen im Zelt gelegen, aber das ist dann doch stärker als Vieles, was ich erlebt habe. Der Wind bläst von Süden ins Zelt herein und beult meine Zeltseite so ein, dass mir das Zelt beständig vor den Schlafsack drückt. Claudia ist mittlerweile auch wach. Das hört und sieht nicht gut aus. Sie fragt, ob ich denn meine, dass „man“ mal draußen nachschauen sollte. „Man“ zieht sich also die Klamotten an und geht nach draußen. Der Wind hat die Abspannungsleine auf der Südseite heraus gerissen. Es bläst eine mehr als steife Brise über das Kahlfjäll, die Oberfläche des Sees neben dem Zelt schlägt Wellenkronen! Nachdem ich die eine Abspannung befestigt und die restlichen Abspannung überprüft habe, schaue ich mir an, wie sich das Zelt unter dem Sturmböen biegt. Im oberen Bereich biegt sich das Gestänge wirklich Besorgnis erregend. Das sieht gefährlich aus. Aber was machen, jetzt um 5 Uhr morgens im Sturm? Im Zelt fragt mich Claudia, ob das denn nun gefährlich sei. Sie habe Angst. Das sei alles kein Problem, sage ich wohlweislich gegen meine eigene Überzeugung, weil sie sonst nicht mehr schlafen kann. Wir schaffen es tatsächlich, nach einer Stunde Wachliegen wieder bis 7 Uhr 30 Uhr einzuschlafen.

        Der Wind hat etwas, aber nur etwas, abgeflaut. Wir frühstücken im Zelt und bauen bei fortgesetztem Starkwind das Zelt ab. Es hat gehalten. Das Gestänge sieht im oberen Teil zwar leicht verbogen aus, was sich an den folgenden Tagen bestätigt, aber das Zelt ist intakt geblieben und hat keine Schäden erlitten. Der Wind begleitet uns von jetzt ab den ganzen Tag. Von Süden aus kommend bläst er uns so beständig und kalt wie penetrant entgegen.

        Der Starkwind bläst dicke Regenwolken über das Kahlfjäll:











        Jeder Schritt ist doppelt so schwer. Wir kämpfen uns beschwerlich über das Auf und Ab in Richtung Sylarna. Zwischendurch setzt auch noch Regen ein. Unter der Kapuze der Regenjacke hindurch peitscht uns Vertikalwind ins Gesicht. Den sind wir ja von Schottland schon gewohnt, aber so kalt und so hart war der dort nie. Das ist heute die Konkurrenzveranstaltung zum gestrigen Schö(o)ntag: Trekking zum Abgewöhnen!

        Am Ende folgt noch der Aufstieg zur Sylarna-Fjällstation. Uns ist kalt und wird haben dicke Beine. Claudia bekommt in solchen Momenten immer ihren schlechte-Laune-Anfall und brüllt dann mehr oder wenig alles an, was sie gerade für die Anstrengung verantwortlich machen kann, so z.B. mich als Kartenleser, große Steine, den Berghang, hinterlistiges „Scheissgras“ oder wie hier den beständigen, eiskalten Gegenwind. Glücklicherweise ist es nicht mehr weit und ihre Laune ist schnell wieder im positiven Bereich. Oben angekommen pfeift der Wind noch stärker um die Sylarna-Station. Es stehen einige Hilleberg- und Helsport-Zelte herum. Andere Modelle sehen wir nicht. Wohl zu Recht. Ich werde ein bisschen wehmütig, dass ich unser Familien-Hilleberg nicht dabei habe, welches prima neben die anderen gepasst hätte, aber es hat halt nicht sein sollen. Wir beschließen angesichts der Erinnerung an die letzte Nacht, das Schicksal nicht heraus zu fordern, und buchen uns in der Sylarna-Fjällstation ein. Das verschafft uns den Vorteil einer heißen Dusche und einer Möglichkeit, die feuchte Kleidung im Zimmer zu trocknen. Da sieht die Welt wieder anders aus. Zum gekauften Stark-Öl (=Bier mit 5,2% Alkohol) kochen wir Nudeln mit selbstgemachter Tomaten-Speck-Soße, die unter anderem von Thymianblättern vom heimischen Balkon aromatisiert wird. Während des Essens lernen wir einen jungen Münchner kennen, der ebenfalls den Kungsleden läuft, allerdings nur bis Fjällnas. Er ist derjenige, welcher gestern in Storlien mit uns aus dem Zug gestiegen ist und vor uns aus dem Supermarkt kam. Während wir uns einige Nüsse zum Dessert teilen, peitschen draußen Sturmböen Regenmassen gegen das Fenster der Fjällstation. Hier lässt sich das schon besser aushalten.


        31. August

        Das Wetter hat sich beruhigt. Zwar hängen noch dicke Wolkenfelder über der Sylarna, aber der Wind und der Regen haben sich gelegt. In aller Ruhe gibt es heute Morgen frisch gemachte Pfannkuchen mit Marmelade. Wir starten spät, sind aber den ganzen Tag unterwegs, ohne bis zur Helags auch nur einen anderen Wanderer zu begegnen. Zunächst geht es bergauf über den Pass. Wir sehen bei etwas gelichteten Wolken trübe den Sylarna-Gletscher durchschimmern. Ab und an kommen wir an Schneefeldern vorbei. Der Wind pfeift uns an jedem ungeschützten Punkt entgegen, jedoch längst nicht so schlimm wie gestern. Die ganze Weite des Kahlfjälls öffnet vor uns ein Labyrinth aus kleinen Seen, hügeligem Moränenland und Heidesträuchern, Mooren und Bächen. Zahlreiche Rentiere kreuzen unseren Weg und beäugen uns neugierig.














        Mittagspause machen wir auf halbem Weg in einer Schutzhütte, die bereits mit vier finnischen Jägern und deren zwei Hunden besetzt ist. Sie empfangen uns mit einem herzlichen Hallo und rücken zusammen. Ich bedanke mich dafür, in dem ich unabsichtlich erstmal eine der gefüllten Kaffeetassen abräume. Das wird aber nur mit einem lässigen Lächeln quittiert. Die vier sind hier zum Heli-Hunting (!) und werden in zwei Stunden wieder vom Heli aus dem Fjäll ausgeflogen. Die Sache ist verdammt dekadent, aber sie sind echt nett. „We have shot three grouses (=Rebhühner)“, sagt der eine. „And this is also what we drink“, sagt der andere und zeigt mir einen Flachmann Whisky, Marke „Famous Grouse“, den er anschließend ohne abzusetzen herunter kippt. Ich merk an, sie hätten hoffentlich nicht „the famous grouse“ geschossen, weil es ja dann nichts mehr zu trinken gebe, was sie mit einem keckernden Lachen beantworten.

        Nach unserer lustigen Mittagspause geht es wieder in absoluter Einsamkeit der Fjällwanderer weiter durch Moor- und Heideflächen. Der Weg steigt leicht an; die südliche Helgas rückt immer näher. Das Bergmassiv ist trotz der schlechten Sicht sehr imposant anzusehen: Steile, von Gletschern ausgekerbte Wände fallen ab, in großen Höhen haben sich Schneefelder gehalten. Wir gehen über mehrere Kilometer 150 Höhenmeter nach oben; irgendwann stehen wir vor der Helags-Fjällstation. Wir schlagen unser Zelt neben zwei anderen in einer ziemlich windgeschützten Ecke auf. Es ist schon recht spät, als wir in die Haupthütte der Helags-Station hinein gehen. In der Helgashütte ist gerade Abendessen. Wir werden von einem der Hütten warte, welche auch alle gerade am Abendessen sitzen, auf Schwedisch angesprochen. Claudia zuckt mit den Schultern, wird sodann gefragt, welche Sprache sie denn stattdessen sprechen könne. „English or German“, ist die Antwort. „Na gut, dann sprechen wir Deutsch“, kommt in vollkommen akzentfreiem Hochdeutsch zurück. Es stellt sich heraus, dass der Hüttenwart – etwa Ende Zwanzig – die Liebe zu Schweden und dem Fjäll dazu verleitet haben, eine Saison als Hüttenwart in der Helags zu verbringen. Charmant und freundlich schlägt unser Gastgeber vor, dass wir uns ja auch noch spontan für das gerade aufgetischte Abendessen anmelden könnten. Obwohl wir eigentlich selbst kochen wollten, sind wir mit einem Seitenblick auf das Abendbuffet schnell überzeugt. Das Essen ist –angesichts der schwierigen Versorgungslage durchaus verständlich- alles andere als billig, aber die Mitarbeiter in der Helags haben durchaus ein kulinarisches Händchen. Es gibt ein richtiges Salatbuffet mit zwei hausgemachten Dressings, Oliven, als Hauptspeise Vegetarische- und Hackfleisch-Lasagne, die mit etwas ungewöhnlichen Gewürzen aromatisiert ist, aber wirklich toll schmeckt; daran schließt sich dann Selbstbedienung von zwei leckeren Schwedischen Schnittkäsesorten sowie ein (unglaublich gutes!) hausgemachtes Apfel-Sauerrahm-Eis mit Zimtkaramell an. Wir kriechen mehr als zufrieden in die Schlafsäcke, die wir wegen des angesagten Nachtfrostes aber direkt bis zur Kapuze zuziehen.
        Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

        Kommentar


        • grissini
          Erfahren
          • 31.10.2011
          • 108
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

          Na, das liest sich doch schon mal sehr schön! Besonders der erste Tag macht mich direkt ein wenig neidisch... Ich wusste gar nicht, dass man von der Blåhammaren Fjällstation das Sylarna-Massiv so direkt vor der Nase hat! Dabei habe ich ein paar Tage später auf der selben "Veranda" gestanden und nach Süden geschaut...

          Mehr!

          Kommentar


          • Cattlechaser
            Dauerbesucher
            • 04.08.2010
            • 848
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

            @grissini: Wie du siehst haben uns nur wenige Tage von einander getrennt, und auch bei uns hat das Wetter hja schon seine raue Seite gezeigt. Aber vom Grundton deines Reiseberichtes bin ich mir sicher, dass der Kungsleden dich in den nächsten Jahren wieder sieht.

            01. September

            Morgens erwachen wir mit Raureif auf dem Zelt und den Blick auf den von der Sonne beschienenen Gletscher der Helags. Die Nacht hatte Minusgrade, aber die Schlafsäcke haben gezeigt, was sie können. Wir gehen zum Frühstückmachen in eine der Gebäude der Helags-Fjällstation. Das Kratzen im Hals, welches ich gestern schon deutlich gespürt habe, hat sich während der Nacht zu einer ordentlichen Erkältung ausgewachsen. Schniefend sitze ich vor meinem Tee. Durch das Fenster sehen wir den Wanderer aus München starten. Wir brechen etwa eine Stunde nach ihm auf.

            Mir dröhnt der Kopf, als wir uns langsam über die Ostflanke des Helags hinauf arbeiten zum höchsten Punkt des Kungsleden auf etwa 1.120 HM. Claudia ist zwar nicht erkältet, hat aber ebenfalls einen schweren Schritt. Mit dem klarem Himmel ist die Sicht heute schlicht atemberaubend. Beim Abstieg führt der Weg weiter durch eine optisch nicht begrenzte Seen-, Moor- und Heidelandschaft, dominiert von dem Helags-Ostgipfel und dem südlich hiervon liegenden Predikstolen. Wir sehen bis zum Horizont bzw. den uns umgebenden Bergen keinen einzigen anderen Menschen.

            Morgens beim Aufstehen:




            Helagsgletscher:




            Predikstolen:




            Blick ins Endlose:




            Beim Abstieg pfeift aber der kräftige Wind, welcher heute wieder von Süden kommt, uns kalt entgegen. Obwohl ich vom beständigen Auf- und Abstieg sehr geschwitzt bin, ziehe ich mir angesichts der Erkältung die Windjacke über. Kalt ist mir im Gegenwind trotzdem. Meine Nase läuft unaufhörlich. Am Nachmittag kommen wir in an der Fältjägar-Hütte vorbei und machen hier unsere längere Pause. Der Hüttenwirt grüßt uns und freut sich über einen kurze Unterhaltung. Gestern Morgen sind die letzten Gäste weiter gelaufen. Heute hat er noch keinen Menschen gesehen, mit Ausnahme eines dürren, jungen Burschen (der Münchner), der wort- und weitgehend grußlos an ihm vorbei gehetzt ist. Nach der Pause wollen wir noch weitere ca. 8 km bis zur Svaatejanke, einer reinen Schutzhütte, hinter uns bringen .Durch das ewige Auf und Ab des Weges durch sumpfiges Gelände benötigen wir etwa 3 Stunden. Unser Schritt wird immer langsamer. Mir scheint der gesamte Kopfraum zuzuschwellen und Claudia hat Blei an den Beinen. Zusätzlich pfeift uns der kalte Wind um die Ohren. Es gibt bessere Lauftage als heute.

            Endlich haben wir es geschafft. Die Schutzhütte ist leer, das heißt wir haben sie heute zum Kochen und zum Aufenthalt für uns allein. Der Wind hat sich gelegt und wir können einen traumhaften Abend mit einem magischen Sonnenuntergang beobachten. Zwischendurch gibt es noch Essen: Rührei (aus Eipulver, aber mit mitgebrachten Gewürzen), Kartoffelpüree und dazu gerösteter Speck und Rauchwurst. Schmeckt himmlisch – sagt Claudia. Ich schmecke angesichts meiner Erkältung fast gar nichts. Wir lassen den Abend in der Schutzhütte ausklingen und gehen ins Zelt.












            02. September

            Wir haben gut geschlafen. Ich habe zwar die gesamte Nacht geschnieft, aber die Erkältung scheint den Höhepunkt überschritten zu haben. Nach dem Aufwachen – es ist noch nicht einmal 8 Uhr – hören wir draußen einen Wanderer. Nach Öffnen des Zeltes können wir draußen einen schwedischen Solowanderer entdecken, der gerade seine erste Rast des Tages neben der Schutzhütte macht. Abgesehen von dem Hüttenwirt gestern Nachmittag ist das der erste Mensch seit fast 24 Stunden. Er befindet sich gerade in der Freistellung zwischen dem alten und dem neuen Job und hat dies genutzt, um ein paar Tage im Fjäll wandern zu gehen. Er ist heute gegen 6 Uhr bei der Fältjägar-Hütte losgelaufen (die also damit gestern doch noch einen Gast hatte), und wird heute Mittag in Ramundberget von seinem Vater abgeholt. Nachdem er sich verabschiedet hat, gehen wir erst einmal Frühstücken.

            Mein Schädel dröhnt aber immer noch. Es passt insofern ganz gut, dass wir für heute nach Ramundberget absteigen und so nur einen halben Lauftag eingeplant haben; heute Nachmittag und morgen werden sich dann 1,5 Erholungstage anschließen. Der Wind pfeift mal wieder über das Kahlfjäll. Wir gehen die ca. 8 km bis Ramundberget gelassen an. Beim Abstieg ins Tal passieren wir wieder die Baumgrenze. Es wird mit jedem Höhenmeter nach unten wärmer, die Vegetation wird schnell üppiger. Natürlich ist es noch nicht einmal Mittag, als wir ankommen.

            Ramundberget ist ein kleiner Skiort, der 1938 gegründet wurde. Er besteht vorrangig aus drei Hotels, von denen aktuell aber zwei geschlossen haben, einen Campingplatz, natürlich den Einrichtungen für den Skibetrieb und ein paar Dutzend Ferienhäusern. Heute findet das Ramundberget-Rennen statt, eine Art Trailrunning-Wettbewerb über die umliegenden Berge. Wir können uns jetzt die paar Läufer erklären, die uns auf dem Weg durch den Wald abgehetzt überholt haben.

            Eine Nachfrage im Hotel ergibt, dass der Bus Richtung Funäsdalen erst um 16 Uhr 15 abgeht. Allerdings ist an Sonntagen wie heute immer eine Vorbestellung notwendig. Zwar weiß die Hotelportierin, dass Leute den Bus gebucht haben, wenn allerdings das Taxiunternehmen nur mit einem Kleintaxi erscheint, ist für uns kein Platz mehr. Nach einer kurzen Diskussion beschließen wir, dass wir es nicht darauf ankommen lassen und die nächsten Stunden warten werden. Vielmehr buchen wir uns in das Hotel ein und genehmigen uns erstens ein Mittagessen und zweitens Dusche und Sauna. Den Rest des Tages verbringen wir mit Entspannen und (nur für meinen Teil) damit, möglichst viele Kalorien in mich hinein zu schaufeln.





            Zuletzt geändert von Cattlechaser; 02.11.2012, 13:58.
            Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

            Kommentar


            • Pfad-Finder
              Freak

              Liebt das Forum
              • 18.04.2008
              • 12033
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

              Die Wetterkapriolen kommen mir bekannt vor - - Bericht folgt "demnächst". Unser Kikeriki-"Hühnerstall" hat aber alles schadlos überstanden. "Man" musste nur gelegentlich raus, um nachzuspannen, während sich Frau November dem Schlaf der Gerechten widmete.
              Alles unter Nutriscore "D" ist rausgeschmissenes Geld.

              Kommentar


              • Cattlechaser
                Dauerbesucher
                • 04.08.2010
                • 848
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

                Zitat von Pfad-Finder Beitrag anzeigen
                Die Wetterkapriolen kommen mir bekannt vor - - Bericht folgt "demnächst". Unser Kikeriki-"Hühnerstall" hat aber alles schadlos überstanden. "Man" musste nur gelegentlich raus, um nachzuspannen, während sich Frau November dem Schlaf der Gerechten widmete.
                Oh ja, die Aussage: "Man müsste mal" heisst ja ins Normalsprech übersetzt: "Scher dich endlich raus und schau nach, damit ich beruhigt weiter schlafen kann!

                Hat dich Frau November diesmal das erste Mal nach Skandinavien entführt oder hast du mein (unser) Schottland mal wieder "Höhe mal Breite mal Tiefe" (wie es in "Ritter der Kokusnuss" heißt) durchquert?
                Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

                Kommentar


                • Pfad-Finder
                  Freak

                  Liebt das Forum
                  • 18.04.2008
                  • 12033
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

                  Zitat von Cattlechaser Beitrag anzeigen
                  Hat dich Frau November diesmal das erste Mal nach Skandinavien entführt ...
                  Es war nicht das erste Mal in Skandinavien (konkret Schwedisch-Lappland), sondern je nach Zählweise - gilt ein reiner Tagestour-Kurzurlaub auch? - das 2. bzw. 3. Mal. Aber es war das erste Mal in Form von Entführung. Oder nennen wir es besser: mit fachkundiger Reiseleitung.

                  Oh ja, die Aussage: "Man müsste mal" heisst ja ins Normalsprech übersetzt: "Scher dich endlich raus und schau nach, damit ich beruhigt weiter schlafen kann!
                  So war es nicht ganz. Ich war ganz alleine besorgt, Frau November hat es meistens nicht einmal mitbekommen, wenn ich zum Nachspannen rausgekrochen bin.
                  Zuletzt geändert von Pfad-Finder; 19.09.2012, 23:10.
                  Alles unter Nutriscore "D" ist rausgeschmissenes Geld.

                  Kommentar


                  • Goettergatte
                    Freak

                    Liebt das Forum
                    • 13.01.2009
                    • 27642
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

                    Das "man" muß raus,
                    ist bei uns gendermäßig geklärt.
                    Frau geht raus, dann ist sie sicher, daß nicht geschludert wird,
                    oder keine Abspannungen aus dem Zelt gerissen werden.



                    So sieht Blahammeren bei klarer sicht aus? Auch mal interessant.

                    Wißt ihr ob der Tragödie um das Sylen und Blahammerfjäll?
                    Den 6000 erfrorenen schwedischen Soldaten des Throndheimfeldzugs General Armfeldts?
                    "Wärme wünscht/ der vom Wege kommt----------------------
                    Mit erkaltetem Knie;------------------------------
                    Mit Kost und Kleidern/ erquicke den Wandrer,-----------------
                    Der über Felsen fuhr."________havamal
                    --------

                    Kommentar


                    • Cattlechaser
                      Dauerbesucher
                      • 04.08.2010
                      • 848
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

                      @GöGa - nein, die Geschichte war mir bislang unbekannt. Aber um so schöner finde ich es, von dir die Hinweise zu bekommen. Ich werde gleich mal ein bisschen nachschauen.

                      EDIT - Du meinst den Untergang der Armee im großen Nordischen Krieg? Wikipedia schreibt über General Carl Gustaf Armfelt: The ensuing disaster that struck his army is known as the Carolean Death March. On New Year's Eve 1718 he arrived at Norwegian Tydal, with 80 kilometers to the closest Swedish village in Jämtland. When the troops had marched 10 kilometers from Tydalen, a severe blizzard struck from the northwest. The bitter cold killed the guide on the very first day, and the army scatted blindly in the mountains (Sylan mountain range). On the following nights hundreds more perished. Of the over 5,000 men who left Tydalen, only 2,100 were found alive on arrival at Duved, mostly hardened Finnish veterans

                      Jetzt geht's aber mit dem Bericht weiter.


                      03. September

                      Nach einem langen Frühstück, nach ausgiebigem Herumbummeln, einer Busfahrt nach Funäsdalen am Nachmittag und der Aufstockung unserer Vorräte im örtlichen Supermarkt geht es in Tänndalen am späten Nachmittag nur noch ca. 4 km weiter. Hinter der Siedlung von Tänndalvallen geht es nach rechts eine steile Trasse der Liftanlage hinauf. Oben arbeiten wir uns noch ca. 1 km durch den Wald, bis wir am Rande der Baumgrenze ankommen. An einer Brücke ist ein wunderschöner Lagerplatz, den wir in der Abendsonne bei bestem Wetter genießen. Der Mond steigt im letzten Licht der Dämmerung auf. Wir genießen dazu Kartoffelpüree und frische Bratwürste, welche die ansonsten schwedische Verpackung auch offiziell in Deutsch als „Bratwürste“ ausweist.


                      Sonnenuntergangsstimmung




                      Mondaufgang





                      04. September


                      Nachts hat es stark geregnet. Es war sehr kalt im Zelt, aber die Schlafsäcke haben uns bei zugezogenen Kapuzen warm gehalten. Morgens jagen herbstlich aussehende Wolkenmassen über den Himmel. Schauern sind vorhergesagt. Wir frühstücken aber noch im Trockenen.

                      Dann geht es gegen den kalten Wind, unserem dauernden Begleiter, beständig den Berg hinauf. Nach einigen Kilometern treffen wir auf de von rechts einmündenden ursprünglichen Kungsleden. Hier weist ein Informationsschild auf das Rogengebiet hin, welches wir jetzt betreten, und das hinter dem Bergrücken sichtbar wird. Schon der erste Blick durch diese Weite ist fast unbeschreiblich und der Grund, warum ich mich in den kommenden Tagen in die Gegend verliebe. Helle Felsmassen, die als Moränen von den Gletschern fein säuberlich zu Mauern und Hügel zusammen geschoben wurden. Dazwischen finden sich Unmengen von Wasser - als große Seen, feine Mäander, Bäche, Flüsse, Tümpel. Das alles wird überzogen von einer kargen Baum- und Strauchvegetation, die abseits der Wege oft undurchdringlich erscheint. Die beiden letzten kalten Nächte haben urplötzlich den Herbst in der Vegetation eingeleitet. Praktisch über Nacht ist das Grün, welches noch letzte Woche Kahlfjäll dominierte, einem sich immer mehr verstärkenden Rot-Braun gewichen. Rotes Moos, gelb-braune Heidesträucher, hell-gelbe Birkenblätter tauchen die Landschaft in Farbe.


                      Dunkle Wolken über einem Labyrinth aus Steinen und Wasserläufen




                      Nach dem Regen




                      Es geht weiter und weiter…




                      Der Pfad führt lange durch das bereits beschriebene Labyrinth aus Fels und Wasser. Lediglich an der ersten und einzigen Schutzhütte treffen wir einen anderen Menschen. Ein junger Schwede ist mit dem Mountainbike unterwegs, das er gerade bei der Schutzhütte im Gebüsch versteckt (warum?). Er erklärt uns, dass er sich zum Ziel gesetzt hat, als erster Mensch überhaupt alle schwedischen Berggipfel zu besteigen. Auf meine Nachfrage definiert er Berggipfel als „mindestens 1000 Meter hoch und auf mindestens drei Seiten mindestens 400 Meter abfallend“. Er will am Ende dieses Jahres so ca. 400 Gipfel vollbekommen haben. Insgesamt seien es aber 1.250. Der Rest werde wahrscheinlich noch Jahrzehnte benötigen, weil manche Gipfel im äußersten Norden erst eine tagelange Anreise benötigten. Das mache ihm aber nichts, weil dieses Problem ja auch die anderen Gipfelsammler hätten. Sodann macht er sich laufend mit seinen Trailrunnern auf, den nächsten Gipfel zu erklimmen.

                      Wir ziehen weiter. Am Himmel ziehen dunkle, fast schon schwarze Wolken auf. Wir bekommen gerade noch die Regensachen an, da fangen die Schauer schon an. Ohne Regensachen würden wir bis auf die Haut nass werden, aber auch so ist die nasse Kälte schon sehr unangenehm. Dazu peitschen die starken Windböen immer wieder den Regen unter der Kapuze hindurch in unsere Gesichter. Eine Viertelstunde später hört der Regen auf, die dunklen Wolken verziehen sich und die Sonne strahlt, als wäre nichts gewesen. Es ist wie Aprilwetter, nur kälter. Die Regensachen trocknen und wir arbeiten uns weiter über die Steine. Der Weg erfordert viel Konzentration und ist teilweise sehr beschwerlich.

                      Spät, in etwa gegen 18 Uhr, kommen wir an der Skebrodstugan an. Eine Gruppe schwedischer Jugendlicher zeltet mit ihren Betreuern im Wald, auf der Veranda sitzen zwei Deutsche. Der Hüttenwirt kommt nach draußen und begrüßt uns mit einem Glas verdünntem Himbeersirup. Ich stehe normalerweise überhaupt nicht darauf, aber hier in der Wildnis schmeckt es herrlich. Da die besten Zeltplätze bereits belegt sind, suchen wir uns etwas abseits einen leicht abschüssigen Platz, der allerdings den Vorteil hat, dass er windgeschützt ist. Für die Nacht, so der Hüttenwirt, sei starker Wind vorhergesagt. So kommen wir mit dem deutschen Paar ins Gespräch. Sie sind Studenten aus Frankfurt und ohne viel Vorbereitung sowie ohne genaue Planung der Ausrüstung mal eben auf den Kungsleden gegangen. Die Sache ist so zustande gekommen, dass sie bei Google „Schweden“ und „Wandern“ eingegeben haben und so über die Bilder auf den Kungsleden gestoßen sind. Den haben sie sich dann eben mal spontan vorgenommen. Sie sind einen Tag vor uns in Storlien gestartet. Die beiden haben an der Sylarna im Sturm gelegen, während wir an der Blahamaren waren. In der Sturmnacht ist ihnen zuerst die eine und dann noch eine zweite Zeltstange gebrochen. Die Stangen sind nur notdürftig mit Tape repariert. Das Zelt ist allerdings, wie wir später erfahren, von der Marke „Free Moments“, was einiges erklärt; es sieht im Übrigen auch so aus. Die beiden sind allerdings trotz ihrer schlechten Ausrüstung mit viel Humor und Gelassenheit unterwegs. Sie nehmen die Dinge, wie sie kommen. Das macht sie sehr sympathisch.

                      Heute Abend brate ich das in Funäsdalen gekaufte Entrecote mit frischem Knoblauch sowie Thymian und Rosmarin vom heimischen Balkon. Unsere Nachbarn essen ihre Trockennahrung und staunen darüber, dass man auch mit anderen Sachen unterwegs sein kann. Die Wolken, die am Nachmittag noch so dunkel und bedrohlich aussahen, haben sich mittlerweile verzogen. Wir genießen die Abendstimmung über dem Skebrodjön.

                      Moltebaer




                      Abendstimmung am Skebrodjön

                      Zuletzt geändert von Cattlechaser; 01.10.2012, 21:30.
                      Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

                      Kommentar


                      • Cattlechaser
                        Dauerbesucher
                        • 04.08.2010
                        • 848
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

                        05. September

                        In der Nacht hat es geregnet und auch etwas gestürmt. An unserem Platz war der Sturm aber nicht übermäßig. Wir brechen recht spät auf. In der Hütte mache ich heute frische Heidelbeerpfannkuchen mit Beeren direkt vom Strauch. Das Frankfurter Paar ist etwas vor uns aufgebrochen und hat die etwas kürzere Nordvariante zur Rogenstugan gewählt. Wir nehmen die Südvariante auf dem Kungsleden entlang des Rogens. Die kalte, stürmische Nacht hat die herbstlichen Zeichen in der Vegetation noch verstärkt. Überall blinken uns rote und gelb-braune Farben entgegen. Der Pfad windet sich auf und ab über die großen Steine, Moos und durch das Gestrüpp und erlaubt immer wieder schöne Ausblicke auf den Rogen. Wie gewohnt bläst uns ein feucht-kalter Wind ins Gesicht. Dieser lässt sich im Schutz der Bäume noch gut aushalten, sobald wir aber einen ungeschützten Platz erreichen nimmt die Windstärke beträchtlich zu.

                        Mittagspause machen wir in einer Schutzhütte. Es ist nicht viel mehr als ein halboffener Windschutz. An der Holzwand hat eine Gruppe ihre offensichtlich deutschen Vornamen als Schnitzereien verewigt. Zugleich hat die Gruppe aber mit Pinnadeln eine sehr interessante Dekoration an der Wand der Schutzhütte angebracht: Ein Hirsch-im-Wald-vor-großen-Bergen-Motiv, wie es perfekt zur Einrichtung im Gelsenkirchener Barock passen würde. Es ist ein Bild gewordener Heimatfilm der 50er Jahre, was ich hier in der schwedischen Einsamkeit trotz aller klischeehaften Scheußlichkeit mit einem Stück Sentimentalität betrachte.

                        Nach der Mittagspause laufen wir noch ein paar Kilometer und treffen seit der Sturga die ersten Menschen. Zwei junge Schweden tragen ein Kanu (!) über den Kungsleden. Jedes großflächige Wasser ist mehrere Hundert Meter entfernt. Die beiden erzählen, dass sie wegen des starken Südwestwindes nicht wie geplant zum Westufer des Rogens und ihrer dort gerade lagernden Gruppe kommen könnten, sondern bei jedem Versuch, sich mit dem Kanu nach Westen zu bewegen im Wasser weiter abgetrieben wurden. Die beiden schleppen das Kanu gerade über Stock und Stein und wollen gleich irgendwo ihr Zelt aufschlagen. Sie hoffen für morgen auf weniger Wind. Wir gehen weiter Richtung Rogenstugan. In der herbstlichen Landschaft gelingen uns noch ein paar Fotos, in denen wir die Stimmung gut auffangen.

                        Über Holzbohlen…




                        …und vorbei an Seen




                        Herbstimpressionen 1




                        Herbsimpressionen 2




                        Als wir zur Rogenstugan kommen, sitzen die Studenten aus Frankfurt bereits auf der Treppe. Wir freuen uns, sie wieder zu sehen. Heute, so erzählt uns der Hüttenwart, sind wir vier und ein Däne die einzigen Gäste. Das Schönste aber ist: Der Hüttenwart fragt, ob wir heute in die Sauna wollten. Es gibt tatsächlich hier, mitten in der Wildnis eine Sauna! Und wir wollen bei diesem Wetter natürlich in die Sauna. Während er sich um die Sauna kümmert, bauen wir unser Zelt auf. Der Wind pfeift stark über den Rogen und bäumt Wellen mit Schaumkronen auf. Für heute Nacht ist wieder ein starker Wind vorhergesagt. Wir suchen uns daher einen Platz, der perfekt windgeschützt hinter einer großen Moräne liegt. Die Nacht über stehen wir dank des kontinuierlich aus Südwesten kommenden Windes ohne jegliches Rütteln am Zelt durch.

                        Wir bereiten parallel zu den Frankfurtern unser Essen zu. Heute gibt es Nudeln mit selbst gemachter Speck-Tomatensauße. Die Frankfurter schauen leicht bewundernd auf unsere Mahlzeit, kochen Wasser auf und kombinieren wild ihre Tütenmahlzeiten. Sie haben sich bei der Kalkulation der Nahrung etwas verschätzt, also relativ wenig dabei. So gibt es heute Reis, aromatisiert mit einer Tomaten-Tütensuppe. Aber auch das kann ihre gute Laune nicht trüben. Wir bieten Ihnen eine unserer Tüten mit Outdoornahrung an, die sie am nächsten Morgen dankend annehmen. (Wenn ihr dies lest: Grüße nach FFM. Es war toll, euch kennen gelernt zu haben.)

                        Der Däne erzählt uns die Geschichte, über die uns schon der Hüttenwart der Skobrodsturna heute Morgen kurz unterrichtet hatte. Gestern Abend kamen drei junge Wanderer aus Österreich an die Rogenstugan, zwei Frauen und ein Mann, alle etwa um die 20. Die drei waren extrem schlecht ausgerüstet. Ein oder zwei von ihnen kamen wohl nur mit kurzen Hosen an, alle ohne Mützen, ohne ein sturmfestes Zelt und mit völlig unzulänglichen Schlafsäcken. Dagegen waren wohl unsere Frankfurter noch exzellent ausgerüstet. Die drei hatten sich in zwei Tagen von Grövelsjön über den Kungsleden zur Rogenstugan gearbeitet, konnten wohl aufgrund der Witterung und ihrer Ausrüstung nicht im Zelt schlafen, aber hatten gleichzeitig auch keinerlei Geld, um die Hüttenübernachtung zu zahlen. Der Hüttenwart hat sie aus Mitleid dann im Vorzimmer der Sauna übernachten lassen und schon morgens den Hüttenwart der Skebrodstugan angerufen, um diesem mitzuteilen, was da auf ihn zukäme. Der Däne meint, er hätte die drei gemeinsam mit dem Hüttenwirt davon überzeugen können, dass eine Tour mit dieser Ausrüstung sinnlos und auch gefährlich sei. Die drei seien daher an diesem Morgen wieder zurück gegangen. (Ich hatte mich kurz gefragt, ob Fliehender nicht in diesem Jahr einen zweiten Anlauf gemacht hat, im Fjäll zu wandern, kam aber dann darauf, dass er wohl gerade mit seiner Freundin in Frankreich und nicht etwa in Schweden unterwegs sein wollte.)


                        Sauna an der Rogenstugan




                        Um 20 Uhr dürfen wir in die vorgeheizte Sauna. Aus dieser hat man einen Blick direkt auf den Rogen, über den gerade der Wind hinweg fegt und Schaumkronen bildet. Gleichzeitig sitzen wir im Warmen und genießen den Blick sowie die aufziehende Dämmerung. Die Pumpduschen mit warmem Wasser tun ihr Übriges. Die Körper sind schön aufgewärmt, als wir in die Schlafsäcke kriechen.



                        06. September

                        Die Nacht war sehr erholsam. Wir treffen die Frankfurter zum Frühstück in der Stugan. Der Däne ist schon aufgebrochen. Wir tratschten beim Frühstück noch mit den Frankfurtern und verabschieden uns dann endgültig von ihnen. Ein letztes Bild vom Rogen, der sich im starken Wind mit seiner rauen Seite von uns verabschiedet.


                        Rogen im Sturm:




                        Wir haben gestern Abend und heute Morgen schon lange darüber diskutiert, welche Richtung wir gehen. Das Problem ist, dass wir angesichts des gebuchten Rückfluges und der Rückreise nach Arlanda nur noch zwei Lauftage bis Grövelsjön haben. Die beiden letzten Etappen sollen recht stramm sein. Dies wäre an sich kein Problem, wenn nicht Claudias Meniskus schmerzen würde. Dieses Problem hat sie bei längeren Touren öfters einmal. Es ist bis jetzt nicht übermäßig schlimm, aber sie hat Angst, dass es stärker wird, während wir es uns nicht mehr erlauben können, die beiden letzten Lauftage in drei einzuteilen. Unter normalen Bedingungen sollte es auch mit dem derzeitigen Zustand kein Problem sein, aber was wäre wenn… Schließlich entscheiden wir uns aus Sicherheitsgründen, die Tour um einen Tag zu verkürzen und von der Rogenstugan nach Tännäs zu laufen. Das sind immerhin noch ca. 26 km und damit im Rogengebiet mehr als ein ganzer Tagesmarsch. Wir werden dafür aber auch an diesem Tag mit wunderschöner Landschaft und Einsamkeit entschädigt.

                        Wir laufen ca. 10 km durch die Rogenlandschaft, bis wir an der Piste heraus kommen. Die Straße, oder besser: der Wirtschaftsweg, führt zu den Hütten, welche in Käringsjövallen, das heißt nördlich des Rogens liegen. Am Rand machen wir Mittagspause. Nur alle 15-20 Minuten fährt ein Geländewagen vorbei. Dann gehen wir weiter, zunächst ein Stück auf der Piste, dann zweigen wir nach Rechts ab und suchen zwischen drei sich undeutlich im Sumpf abzeichnenden Pfaden den richtigen. Zuvor habe ich noch einen herrenlosen Holzspalt aufgeladen und außen an dem Rucksack festgezurrt. Ein kleines Feuer wird uns hoffentlich abends in der Schutzhütte etwas wärmen. Wir laufen zunächst den rechten Weg, kehren dann aber um und versuchen uns auf dem linken Pfad. Es ist nicht genau ersichtlich, welcher der richtige Weg ist und wohin die anderen führen. Manchmal verschwindet unser Pfad einfach im Moor, um kurze Zeit später wieder aufzutauchen. Zwischenzeitlich regnet es. Der Himmel ist trüb. Wir stapfen ratlos durch das sehr sumpfige Terrain. Es macht uns ziemlich nervös, dass wir theoretisch den komplett falschen Pfad laufen könnten. Hier würde ein Irrtum unter Umständen erst nach 5 oder 10 Kilometern auffallen. Eine Kreuzpeilung fällt angesichts der Wälder, die den Blick auf jeden Fixpunkt verstellen, aus. Aber ich peile mit dem Kompass unsere Laufrichtung und gleiche sie beständig mit dem Wegverlauf auf der Karte ab. Es scheint der richtige Pfad zu sein. Und tatsächlich steht nach einigen Kilometern plötzlich ein Wegweiser, welcher unseren Pfad als den Weg nach „Tännäs“ ausweist.


                        Herbstliches Fjäll am Nachmittag




                        Herbstliches Fjäll am frühen Abend




                        Nun geht jeder Schritt wieder viel leichter. Etwas sechs Kilometer vor Tännäs gehen wir zu einer Schutzhütte und schlagen daneben unser Zelt auf. In der Hütte findet sich neben einigen Holzscheiten, welche für den Notfall gedacht sind, auch eine Axt. Mit dieser teile ich den von mir mitgebrachten großen Holzspalt zunächst quer in zwei Stücke und dann in insgesamt fünf einzelne Scheite. Das Feuer an der Feuerstelle geht auch an. Sobald es allerdings richtig zu brennen begonnen hat, setzt starker Regen ein. Wir flüchten unter das Vordach der Schutzhütte. Der Regen ist nicht nur ein Intermezzo, also schaufele ich die Glut in den Ofen der Hütte und lege noch zwei von meinen Holzscheiten nach. Schnell verbreitet sich eine wohlige Wärme. Den Gaskocher baue ich auf dem Tisch auf und es gibt in diesem Urlaub unsere erste richtige Outdoornahrung aus der Tüte. Anschließend gibt es den letzten Schluck aus dem Flachmann. Morgen geht es zurück in die „Zivilisation“.


                        07. September

                        Heute ist der letzte Tag. In der Nacht hat es viel geregnet. Zwar bauen wir das Zelt im Trockenen ab, aber der Boden ist richtig durchgeweicht. Der sumpfige Untergrund schmatzt bei jedem Schritt. Noch einmal genießen wir die herbstliche Stimmung und machen herbstliche Bilder.

                        Nach einem kurzen Stück geraden Weges gehen wir langsam den Berg herunter. Der Weg wird breiter, von einem schmalen Trampelpfad zu einem deutlichen Waldpfad und schließlich zu einem Waldwirtschaftsweg. Wir schaffen es tatsächlich, nachdem wir über neun Tage in trauter Eintracht und bester Stimmung ohne eine einzige Missstimmung miteinander gewandert sind, uns am letzten Tag noch einmal richtig zu streiten. Warum, das weiß ich jetzt schon nicht mehr. Auf alle Fälle hält es nur einige Kilometer, die wir schweigend vor- und hintereinander her laufen. Als die ersten Gebäude von Tännäs in Sichtweite auftauchen sind wir schon längst wieder gut miteinander und machen gemeinsam ein zweites Frühstück. Das Essen ist fast vollständig alle geworden, wir hätten für vielleicht noch einen Tag Reserven gehabt. Das war gut geplant. Durch Ferienhäuser gehen wir zum „Zentrum“ vom Tännäs, das sich durch das Tal weiträumig verstreut. Im örtlichen Wanderheim essen wir eine Kleinigkeit und vertrödeln noch ein bisschen Zeit, bis wir schließlich am Nachmittag neben der vielleicht kleinsten Tankstelle Schwedens in den Bus nach Östersund einsteigen.


                        Die vielleicht kleinste Tankstelle Schwedens




                        Fazit

                        Unser erster Trekkingurlaub in Schweden war eine herrliche Tour. Meine ohnehin recht hohen Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Das Wetter hatten wir recht rau erwartet, aber auch hier wurden unsere Erwartungen übertroffen. Es waren weniger die Temperaturen – hier waren wir sogar auf noch mehr Nachtfrost eingestellt. Viel mehr hat uns der beständig wehende kalte (Gegen-)Wind zu schaffen gemacht. Das hat die Tour in einigen Momenten doch recht beschwerlich gemacht, aber nie so, dass wir es bereut hätten.

                        Die Planung war gut. Schade war nur, das wir zum Schluss nicht mehr noch einen Reservetag hatten, um trotz Claudias schmerzenden Meniskus die letzten beiden Tage nach Grövelsjön anzugehen; der Reservetag war in der Planung durchaus vorgehen, ist aber dem eng gestrickten Terminkalender in Deutschland zum Opfer gefallen.

                        Claudia hat das Kahlfjäll besser gefallen als der Rogen. Ihre persönliche Königsetappe war der Weg von der Sylarna zur Helags. Obwohl ich dies auch als sehr schön empfunden habe, war mein persönliches Highlight das in satte Herbstfarben getauchte Rogengebiet. Die Königsetappe war für mich daher der Weg von der Skebrodstugan zur Rogenstugan.

                        Nordschweden wird uns bestimmt einmal wieder sehen. Beim nächsten Mal kommt aber Klein-Cattlechaser mit. Dieser hat sich übrigens in der Zwischenzeit bestens bei den Omas und Opas amüsiert – unter anderem damit, dass er jeden Tag (!) einmal Ice Age schauen durfte.
                        Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

                        Kommentar


                        • dooley242

                          Fuchs
                          • 08.02.2008
                          • 2096
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [SE] Mit Sturm, Regen und viel Genuss über den Kungsleden (Stolien-Rogen-Tän

                          Wieder ein interessanter Bericht schön geschrieben von Dir mit schönen Bildern untermalt.
                          Gruß

                          Thomas

                          Kommentar

                          Lädt...
                          X