[NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

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  • liebro
    Anfänger im Forum
    • 13.08.2009
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    [NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Der folgende Bericht ist die Geschichte eines Tages unserer Norwegen-Tour per Anhalter im August/ September 2010. Über konstruktive Kritik an Schreibstil und Unterhaltungsfaktor des Textes würde ich mich sehr freuen.



    An dieser Stelle mussten wir nicht lange warten.
    Obwohl wir uns auf einer kleinen Seitenstraße im nördlichen Norwegen befanden, deren Verkehrsaufkommen sich in etwa mit dem eines durchschnittlichen deutschen Feldweges messen konnte brachten schon wenige Minuten des Daumenhochhaltens den erhofften Erfolg: In einem schwarzen Golf saß ein strohblonder Mann mittleren Alters mit Sonnenbrille, der uns seine Beifahrertür aufstieß während er eilig versuchte die Sitze seines Autos von CD-Hüllen, Fastfood-Überbleibseln und anderem Unrat zu befreien. Freundlich grinsend bedeutete er uns dann einzusteigen: „Hey guys, take a seat!“

    Seit fast drei Wochen war ich bereits mit meinem besten Kumpel unterwegs. Per Anhalter hatten wir uns treiben lassen: von der südnorwegischen Hafenstadt Kristiansand durch die atemberaubend schönen Fjorde



    und Gletscher des norwegischen Südwestens,



    die stillen und einsamen Fjells der Mitte des Landes



    Bis nach Trondheim und darüber hinaus - in den „hohen Norden“. Diesem wilden Land unserer Jugendträume, das in unseren Köpfen untrennbar mit Freiheit und ungezähmter Natur verbunden war. Jack London – the European way.

    Unser Fahrer, der sich uns als Roni vorstellte hatte eine ähnlich weite Strecke hinter sich wie wir, war diese aber an einem einzigen Tag gefahren. Am Tag zuvor, so erzählte er uns in ruhiger und gleichzeitig offener Art, habe er den Wagen in dem wir saßen in Oslo gekauft und sei an diesem Morgen ganz früh damit losgefahren - immer in Richtung seines kleinen Heimatdorfes nördlich des Polarkreises. Roni hatte an diesem Tag also bereits um die 1000 Kilometer hinter sich gebracht und nun – da der sonnige Spätsommer-Nachmittag bereits in vollem Gange war - nur noch gut 100 Kilometer vor sich. Die gute Nachricht für uns: Ronis Ziel lag ganz in der Nähe einer Zunge des mächtigen Gletschermassivs Svartissen – unseres nächsten Reiseziels.

    Die Küstenstraße über die uns Roni in oft hyperlegaler Geschwindigkeit in Richtung Polarkreis fuhr, war uns von einem anderen Norweger zuvor ganz unbescheiden als die schönste Straße der Welt angepriesen worden. Und jeder, der schon einmal in Skandinavien war, weiß dass seine Bewohner keinen Grund haben, zur Beschreibung der Schönheit ihres Landes bei der Benutzung von Superlativen Vorsicht walten zu lassen. Die kurvige Landstraße führte uns vorbei an von den Kräften der Natur abgerundeten, felsigen Bergkuppen auf der einen Seite und sonnendurchflutetem Meer mit vorgelagerten Inseln auf der anderen Seite.





    Während diese atemberaubende Naturkulisse an uns vorbeirauschte wurden wir im Auto bestens unterhalten. Roni passte nämlich nicht zu dem Klischee des schweigsamen Norwegers und hatte es außerdem faustdick hinter den Ohren: Er kenne die Strecke von Oslo nach hier oben sehr gut, erzählte er in ausgezeichnetem Englisch. Einmal, so sagte er, sei er die Strecke nachts gefahren. Er habe damals einen Kofferraum voller Wodka, den ein Schiff aus Spanien bei Nacht und Nebel in den Hafen von Oslo gebracht hatte, bis hinauf in sein Heimatdorf gefahren – immer in Angst vor einer Polizeikontrolle. In einem Land, das wir seit über einem halben Monat angesichts der hiesigen Alkoholpreise in völliger Nüchternheit durchreisten, waren wir schnell bereit, solche Geschichten zu glauben.

    So kamen wir bestens unterhalten in Kilboghavn an. Da die nächste Fähre, die uns von dort über einen Fjord und den Polarkreis nach Jektvik bringen sollte, noch eine Stunde auf sich warten ließ, nutzten wir die Zeit um mit einem Sprung in das so-gut-wie-polare Gewässer zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: unseren seit mehreren Tagen nicht gewaschenen Körpern einen Duschersatz zukommen zu lassen und gleichzeitig unsere hartgesottene Männlichkeit unter Beweis zu stellen. Letztendlich fiel das „Bad“ in dem eiskalten Wasser aber so kurz aus, dass unsere Männlichkeit bei dieser Sache wohl besser aus dem Spiel bleibt….

    Als wir dann später mit der Fähre ablegten, näherte sich die Sonne bereits dem Horizont. Obwohl wir unsere Jacken in Ronis Auto, das im Bauch des Schiffes parkte, vergessen hatten, zog es uns hinaus in den kalten Fahrtwind am Bug der Fähre. Von dort aus hatten wir freie Sicht auf das Schauspiel der Farben des Fjordes im warmen Abendlicht.



    Während Roni im geheizten Bordrestaurant einen Kaffee genoss fühlten wir uns hier draußen der spektakulären Natur dieser felsigen Küste nahe, an der wir in gemächlichem Tempo vorbeiglitten. Hinter uns reflektierten die kleiner werdenden Häuser Kilboghavns vor einer Kulisse aus sanft leuchtenden Bergen das Abendlicht. Bald glitt am nahen Ufer neben einsamen Fischerhäuschen eine Weltkugel auf einem Metallgestell an uns vorbei: für uns beide war es die erste Überquerung des Polarkreises; wir waren nun ganz offiziell im hohen Norden angekommen und wir hätten kaum spektakulärer empfangen werden können als durch dieses Schauspiel aus Licht, Wasser und Felsen. Nur der kalte Wind und gelegentlich herüberziehende Dieselschwaden aus dem Schiffsmotor erinnerten daran, dass dies echt war, und nicht geradewegs aus einem jener ZDF-Abendfilme stammte, die sich meine Großmutter manchmal ansieht.





    Als wir völlig durchfroren in Jektvik einliefen, leuchteten dort die steil aus dem Meer aufragenden Felsen rot im Licht der untergehenden Sonne. Roni hatte es eilig vom Schiff herunterzukommen. Wir waren nun nicht mehr fern seines Heimatortes und er wusste, dass die nächste Fähre in dem knapp 30 km entfernten Ort Agskardet bereits in 20 Minuten ablegen würde. Mit rasender Geschwindigkeit fuhren wir über kurvige Straßen durch die langsam in der Dunkelheit verschwindende Felslandschaft. Zwei Schilder – auf jeder Straßenseite eines – geboten 60 km/h als Tempolimit. „60 plus 60 is 120“, erklärte Roni die Tachometeranzeige seines Autos trocken.

    Die mathematische Eigenkreation unseres Fahrers verfehlte ihre Wirkung nicht: überpünktlich erreichten wir den Anleger der nächsten Fähre. – Und mussten warten. Es gab Probleme mit der Auffahr-Rampe. Roni wunderte das nicht. Sein Heimatdorf lag auf der anderen Seite des Fjordes und Roni kannte hier Alles und Jeden. „The guys working on this ferry are a bunch of jerks”, erklärte er zwinkernd und fing an uns mit Geschichten über die Fährenarbeiter zum Lachen zu bringen: Einmal hätten sie sogar vergessen, vor dem Ablegen das Bootsseil von der Uferbefestigung loszubinden, woraufhin die Fähre bei der Abfahrt einen Teil des Kais mit sich gerissen hätte.





    Nichtsdestotrotz gelangten wir wohlbehalten an die andere Uferseite. Eine sternenklare Nacht war hereingebrochen und der Mond als leuchtend weiße Scheibe über dem noch leicht roten Nachthimmel über den Bergen aufgegangen. Trotz der langen Strecke, die er heute bereits hinter sich hatte, bestand Roni darauf, uns noch ein Stück über sein Heimatdorf hinaus zu bringen. Ganz in der Nähe unseres Zieles gäbe es eine kleine Hütte. Dort könnten wir umsonst auf einer saftig-grünen Wiese zelten - mit Blick über einen Fjord auf die Gletscherzunge. Wir hatten keinen Grund an seinen Worten zu zweifeln.


  • dooley242

    Fuchs
    • 08.02.2008
    • 2096
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    #2
    AW: [NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

    Gefällt mir bis jetzt schon mal gut, sowohl vom Text als auch von den Bildern.
    Gruß

    Thomas

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    • teuchter
      Gerne im Forum
      • 06.01.2012
      • 55
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      #3
      AW: [NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

      Liest sich vielversprechend. Der Schreibstil gefällt mir gut und ich freue mich auf die Fortsetzung.
      Danke!

      Kommentar


      • fcelch
        Dauerbesucher
        • 02.06.2009
        • 521
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        #4
        AW: [NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

        Schöner Bericht, tolle Fotos.

        Es ist immer ein Erlebnis nette Norweger kennen zu lernen.
        Es ist echt ein liebenswertes, absolut herzliches und durchaus offenes Völckchen......manchmal muss das Eis ein wenig tauen, aber dann sprudelt es in der Regel aus ihnen heraus.

        Gruß,
        FCElch

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        • liebro
          Anfänger im Forum
          • 13.08.2009
          • 15
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          • Meine Reisen

          #5
          AW: [NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

          Schonmal danke für die Kommentare
          Ich hatte eigentlich nicht vor, diesen Bericht im Sinne eines klassischen ODS-Reiseberichts fortzusetzen, sprich die gesamte Reise mehr oder weniger genau wiederzugeben. Die Idee war, diesen einen Tag im Kontext der Gesamtreise möglichst lesenswert darzustellen. Ich werde aber nochmal mein Reisetagebuch durchgehen und sehen, ob ich eine sinnvolle Fortsetzung hinbekomme.

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          • Fjaellraev
            Freak
            Liebt das Forum
            • 21.12.2003
            • 13981
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            #6
            AW: [NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

            Zitat von liebro Beitrag anzeigen
            Ich hatte eigentlich nicht vor, diesen Bericht im Sinne eines klassischen ODS-Reiseberichts fortzusetzen, sprich die gesamte Reise mehr oder weniger genau wiederzugeben. Die Idee war, diesen einen Tag im Kontext der Gesamtreise möglichst lesenswert darzustellen.
            So hatte ich es eigentlich auch verstanden. Wenn sich noch andere einzelne Tage finden, die ähnlich erzählenswert sind, können die ja eventuell auch noch dazu kommen, wenn nicht: Auch der Tag ist schon einen Bericht wert.

            Gruss
            Henning
            Es gibt kein schlechtes Wetter,
            nur unpassende Kleidung.

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            • efbomber
              Erfahren
              • 23.08.2010
              • 228
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              #7
              AW: [NO] Nordnorwegen per Anhalter - Ein Roadtrip

              Zitat von liebro Beitrag anzeigen
              Ich werde aber nochmal mein Reisetagebuch durchgehen und sehen, ob ich eine sinnvolle Fortsetzung hinbekomme.
              Wäre prima, wenn sich da noch etwas finden würde! Deine Erzählweise ist wirklich gut und macht Lust auf mehr
              Die ausgewählten Bilder um deine Worte zu untermalen sind ebenfalls richtig schön!

              Danke für diesen kurzweiligen und unterhaltsamen Auszug!

              Gruß
              David

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