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Land: Norwegen, Nordland Fylke
Reisezeit: 26. August bis 11. September 2016
Schon wieder nach Norwegen?
Es gibt so viele faszinierende Länder auf der Welt, und in meiner Schublade stapeln sich die Pläne, sie zu bereisen. Aber dann schweifen meine Gedanken wie von einem Magneten angezogen geradewegs nach Norden, und plötzlich finde ich in der Schublade nur noch halb ausgearbeitete Pläne für Wanderungen in der Finnmark oder an der Nordlandküste. Als wäre dort meine ursprüngliche Heimat, in die es mich immer wieder zurückzieht. Das kennen bestimmt manche von Euch: der Sog ist unwiderstehlich und kann nur mit dem konkreten Projekt einer Reise in die vertraute und doch immer wieder überraschende Seelenlandschaft des Nordens besänftigt werden.
Eigentlich wollte ich dieses Jahr mal wieder im Saltfjell wandern, wo ich im August 1998 auf einer grandiosen Tour von Mo i Rana (durch das Vesterdal, über das Glomvassfjell zur Beiarstua und über Lønsdal und Balvatnet) nach Sulitjelma schon mal durchgekommen bin. Aber dann beschlich mich irgendwann im Winter hinterrücks die fixe Idee, dass ich doch eigentlich über die nächsten Jahre noch einige der 37 norwegischen Nationalparks besuchen könnte, die ich noch nicht kenne. Rein zufällig liegen manche davon in der Finnmark oder eben an der Nordlandküste.
Im Anschluss an meine Lomsdal-Visten-Durchquerung habe ich jetzt noch satte zwei Wochen Zeit um mich in Nordnorwegen herumzutreiben. Bodø soll das Ziel sein, weil von dort am 11. September mein Rückflug startet. Ansonsten habe ich zwar viele Ideen, aber noch keinen konkreten Plan. Dann fange ich doch mal im Láhko NP an.
Tag 1
Anreise
Bislang stehe ich noch in Mosjøen an der Haltestelle und warte auf den Bus nach Sandnessjøen, der dann auch pünktlich um 16:30 Uhr kommt. Am Bahnhof wird er ganz voll, bis auf den letzten Platz, es ist Freitag. Als wir eine Stunde später über die Helgelandsbru auf die Insel Alsta rollen, ist von den imposanten Bergen (Sju Søstre) nicht viel zu sehen. Die Wolken hängen tief, und es weht ein kalter Wind in Sandnessjøen. Von einem gemütlichen Nachmittag am Hafen, wie vor neun Tagen in Brønnøysund, kann keine Rede sein, deshalb halte ich mich auch nicht lange auf, sondern laufe zielstrebig etwa drei Kilometer nach Südwesten, um mir in dem Waldgebiet am Høgåsen einen Platz für die Nacht zu suchen. Als das Zelt an einem winzigen Bach steht, beginnt es sofort zu regnen. Mir ist das für den Moment egal, ich lasse mir das erste Bier seit einer guten Woche schmecken. Zusammen mit dem stetigen Trommeln der Regentropfen wirkt das ungeheuer einschläfernd.
Tag 2
Weiter Anreise
Um 04:30 klingelt der Wecker. Lass das, ich bin im Urlaub! Oder nein, warte mal, da war doch was. Langsam dämmert mir, dass das Schnellboot nach Bodø ja schon um 06:45 Uhr abfährt und das nächste erst morgen Mittag. Keine Panik, es reicht noch für einen Kaffee zum Aufwachen. Und ein Rosinenbrötchen mit Kardamom, die liebe ich. Es regnet schon weniger stark, als ich das nasse Zelt einpacke und nach Sandnessjøen zurücklaufe, wo die Straßen noch ausgestorben sind. Am Kai liegt das Boot schon startklar, außer mit trudeln noch vier oder fünf andere Fahrgäste ein. Nachdem ich ein paar Sachen zum Trocknen ausgebreitet habe, lasse ich mich in den gemütlichen Sitz fallen und freue mich auf die Fahrt.

Schnellboot nach Bodø
Dreieinhalb Stunden dauert die Fahrt bis Ørnes, dazwischen laufen wir etliche kleine Häfen an, wo überall zwei, drei Menschen zusteigen oder Pakete abgeliefert werden. Trotz Regen sieht man viel von der wunderschönen Nordlandküste. Ich male mir aus, wie es wohl wäre, auf einer der vielen Inseln zu leben. Die Abgeschiedenheit hat wohl auch ihren Reiz, aber an diesem rauen, windigen Tag bekomme ich schon fast eine Vorstellung davon, wie stürmisch und unwirtlich es hier im Winter sein mag.
In Ørnes angekommen habe ich jetzt viel Zeit, denn der Bus nach Glomfjord fährt erst am Nachmittag. Da es immer noch Regenschauer gibt, möchte ich irgendwo das Zelt aufstellen, Kaffee kochen und mir mal eine Wettervorhersage für die nächsten Tage verschaffen. Ersteres geht prima in dem Tal, das hinter dem Wohngebiet beginnt, und für das Wetter telefoniere ich mit meiner Frau. Sie kann mir nur für morgen und übermorgen Hoffnung machen, da soll es den ganzen Tag trocken sein. Danach wieder viel Regen.
Das kommt nicht ganz unerwartet in dieser niederschlagsreichen Gegend. Meine favorisierte Route durch den Láhko NP, am Arstadvatn vorbei, durch das Nordre Hábresdal und östlich des Hábresgletschers nach Trones zu laufen, werde ich wohl ändern müssen. Das geht nur bei gutem Wetter, und wie ungemütlich es hier werden kann habe ich schon 1998 erlebt, als ich für zwei Tage in dichten Regenwolken auf dem Glomfjell festsaß, weil ich den steilen, pfadlosen Abstieg bei praktisch Null Sicht nicht wagen wollte. Dann wird es wohl der Normalweg über Gråtådalstua, damit ich an den trockenen Tagen das Küstengebirge hinter mich bringe, wo sich erfahrungsgemäß das meiste abregnet.

Ørnes
Um 16:00 Uhr fährt dann endlich der Bus, den ich am Fykanvatn wieder verlasse. Ein Schauer folgt dem anderen, also erst mal das komplette Regenzeug anziehen, dann geht’s los. Auf die Treppe habe ich unter den Umständen keine Lust, ich folge lieber der Straße. Im Tunnel ist es wenigstens trocken.

Fykanvatnet

Der erste Tunnel
Und der ist zwar ca. 1,5 km lang, aber unerwartet angenehm zu durchlaufen, es gibt sogar einen Gehweg. Im Schein der Stirnlampe erkenne ich auf diesem allerdings recht viele aus den Felswänden gebrochene Steine, es wird wohl nur die Fahrbahn geräumt. Zwei Autos kommen mir entgegen, bergauf ist niemand unterwegs. Nach dem Tunnel gehe ich noch bis zum Abzweig ins Holmvassdal und ein Stück weiter bis zum Fluss, wo ich das Zelt für die Nacht aufstelle. Den ganzen Weg hoch zum Namnlausvatn schaffe ich nicht mehr, und für eine Pause ist es zu nass.
Tag 3
Store Sandvatnet – Skavldalen
Gestern Abend hat es mich in den Schlaf begleitet und beim Aufwachen höre ich es wieder: das stichelnde, vollkommen gleichmäßige Klopfen mittelgroßer Regentropfen, die auf das Außenzelt treffen. Ein Geräusch, so selbstverständlich und unaufdringlich, dass ich es mühelos ausblenden könnte, wäre heute ein Ruhetag. Ist aber nicht, im Gegenteil – heute ist laut yr.no einer von zwei sicher trockenen Tagen, was soll also dieser verdammte Regen? Der Regen antwortet in seiner ruhig-überlegenen Arroganz, dass ihn der norwegische Wetterdienst mal kreuzweise kann und er selber entscheidet, wer hier wann nass wird und wer nicht.
O.K., der Regen macht einen auf unbeeindruckt, das kann ich auch. Bei kühlen 2°C streife ich mir das noch schweißfeuchte T-Shirt von gestern und die nassen Regensachen über und packe zusammen. Die nach dem Zeltabbau gefühllos gefrorenen Hände stecke ich noch in die wasserdichten Überhandschuhe und laufe etwas missmutig weiter auf der Straße bis zum Storglomvassdam, wo der markierte Pfad beginnt. Der zweite Tunnel ist harmlos, man sieht am Eingang schon den Lichtschein vom Ausgang.

Storglomvassdammen, hier gab es mal ein schönes Tal - vor dem Kraftwerkbau
Im Vergleich zur meist weglosen Wildnis in der vergangenen Woche geht es auf dem deutlich ausgetretenen Pfad mühelos voran, man kann einfach loslaufen. Meine Laune bessert sich rapide. Schon auf den ersten Kilometern gibt es schöne Karstmerkmale wie die Reliefbänder und ausgewaschene Felsen. Die kommen in der Nässe sogar gut zur Geltung.


Ich komme jetzt in den Láhko Nationalpark, der 2012 eingerichtet wurde um die besondere Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen in diesem größten alpinen Karstgebiet Norwegens zu schützen. Wie gerne würde ich jetzt das spannende Gebiet um Saravatnet und Corbels Canyon erkunden. Aber ich befürchte, dass es hier, nahe der Küste, besonders heftig regnen wird und möchte lieber auf dem kürzesten Weg nach Osten laufen.
Während der Frühstückspause am Ostende des Store Sandvatn zieht noch ein letzter Nieselschauer vorüber, dann bessert sich das Wetter.

Store Sandvatn
Durch sanft hügeliges Wiesengelände geht es anschließend zum Litle Storglomvatn, einem Teil des riesigen Stausees, wo sich der Blick in Richtung Svartisen öffnet. Aber bald ist es mit der Ruhe vorbei. Von Süden nähert sich plötzlich ein Hubschrauber. Also, ich muss jetzt ausnahmsweise mal nicht gerettet werden. Im Gegenteil - ich hatte eigentlich sogar gerade angefangen mich richtig wohl zu fühlen, bevor diese lärmende Maschine in niedriger Höhe durch das Tal geschrotet kam. Er fliegt auf diese Weise durch alle Täler und sucht offensichtlich was. Dann sehe ich eine Rentierherde das Kvitsteindal entlangrennen, verfolgt vom Helikopter. O.K., das ist offensichtlich ein Rentierhalter, der wissen will wo sich seine Tiere aufhalten oder sie in ein anderes Tal treibt. Zeit ist Geld, auch in Norwegen. Was früher mehrere Tage gekostet hat, ist heute in zwei Stunden abgehakt.

Kvitsteindalsgammen, links oberhalb der gelbe Hubschrauber
Die Gamme selbst sieht sehr sauber und gemütlich aus, es stehen sogar Hausschlappen bereit. Da ich die Strecke durch das Glomdal von früher schon kenne, zweige ich jetzt auf den relativ neuen Pfad ins Skavldal ab. Zwar gibt es noch keinen richtigen Trampelpfad, aber die Route ist brauchbar markiert.

Endlich Sonne! Die Mittagspause nutze ich, um alles zum Trocknen auszubreiten, auch das tropfnasse Zelt und den klammen Schlafsack. Dabei ist es immer noch sehr frisch, nur 4°C, das habe ich beim Laufen gar nicht gemerkt. Mit dem herrlichen Gefühl von 100% trockenen Sachen geht es jetzt weiter das Skavldal hoch. Da „Skavlen“ das Firnfeld bedeutet, erwarte ich oben auf dem Pass etwas mehr Schnee. Ich lasse mir Zeit mit dem Aufstieg und genieße den wunderschönen Nachmittag.

Unteres Skavldalen

Nordre Glomvassfjellet

Mittleres Skavldalen


Anstieg zum Pass
Auf dem langgezogenen Pass gibt es dann tatsächlich nicht so viel Schnee wie erwartet, aber die Vegetation ist sehr spärlich. Hier treffe ich einen Belgier, der heute schon aus dem Beiardal über den Gipfel Kamtinden und Gråtådalstua gelaufen ist und in der Kvitsteindalsgamme übernachten will. Er wirkt noch bewundernswert fit und unangestrengt nach der langen Strecke, hat aber auch nur Minimalgepäck für drei Tage Rundtour dabei. Vielleicht sogar etwas zu minimal, denn als wir über das Wetter und den drohenden Regen sprechen, stellt er fest, dass er kein Regenzeug dabei hat. Finde ich in dieser Gegend einen kleinen Tick zu sorglos.
Weil mir der karge Pass und die Aussicht auf die Berge im Südosten außerordentlich gut gefällt, suche ich hier einen Platz für die Nacht. Der Bach zum Waschen ist allerdings eisig, danach bin ich völlig durchgefroren.




Fortsetzung folgt...
Reisezeit: 26. August bis 11. September 2016
Schon wieder nach Norwegen?
Es gibt so viele faszinierende Länder auf der Welt, und in meiner Schublade stapeln sich die Pläne, sie zu bereisen. Aber dann schweifen meine Gedanken wie von einem Magneten angezogen geradewegs nach Norden, und plötzlich finde ich in der Schublade nur noch halb ausgearbeitete Pläne für Wanderungen in der Finnmark oder an der Nordlandküste. Als wäre dort meine ursprüngliche Heimat, in die es mich immer wieder zurückzieht. Das kennen bestimmt manche von Euch: der Sog ist unwiderstehlich und kann nur mit dem konkreten Projekt einer Reise in die vertraute und doch immer wieder überraschende Seelenlandschaft des Nordens besänftigt werden.
Eigentlich wollte ich dieses Jahr mal wieder im Saltfjell wandern, wo ich im August 1998 auf einer grandiosen Tour von Mo i Rana (durch das Vesterdal, über das Glomvassfjell zur Beiarstua und über Lønsdal und Balvatnet) nach Sulitjelma schon mal durchgekommen bin. Aber dann beschlich mich irgendwann im Winter hinterrücks die fixe Idee, dass ich doch eigentlich über die nächsten Jahre noch einige der 37 norwegischen Nationalparks besuchen könnte, die ich noch nicht kenne. Rein zufällig liegen manche davon in der Finnmark oder eben an der Nordlandküste.
Im Anschluss an meine Lomsdal-Visten-Durchquerung habe ich jetzt noch satte zwei Wochen Zeit um mich in Nordnorwegen herumzutreiben. Bodø soll das Ziel sein, weil von dort am 11. September mein Rückflug startet. Ansonsten habe ich zwar viele Ideen, aber noch keinen konkreten Plan. Dann fange ich doch mal im Láhko NP an.
Tag 1
Anreise
Bislang stehe ich noch in Mosjøen an der Haltestelle und warte auf den Bus nach Sandnessjøen, der dann auch pünktlich um 16:30 Uhr kommt. Am Bahnhof wird er ganz voll, bis auf den letzten Platz, es ist Freitag. Als wir eine Stunde später über die Helgelandsbru auf die Insel Alsta rollen, ist von den imposanten Bergen (Sju Søstre) nicht viel zu sehen. Die Wolken hängen tief, und es weht ein kalter Wind in Sandnessjøen. Von einem gemütlichen Nachmittag am Hafen, wie vor neun Tagen in Brønnøysund, kann keine Rede sein, deshalb halte ich mich auch nicht lange auf, sondern laufe zielstrebig etwa drei Kilometer nach Südwesten, um mir in dem Waldgebiet am Høgåsen einen Platz für die Nacht zu suchen. Als das Zelt an einem winzigen Bach steht, beginnt es sofort zu regnen. Mir ist das für den Moment egal, ich lasse mir das erste Bier seit einer guten Woche schmecken. Zusammen mit dem stetigen Trommeln der Regentropfen wirkt das ungeheuer einschläfernd.
Tag 2
Weiter Anreise
Um 04:30 klingelt der Wecker. Lass das, ich bin im Urlaub! Oder nein, warte mal, da war doch was. Langsam dämmert mir, dass das Schnellboot nach Bodø ja schon um 06:45 Uhr abfährt und das nächste erst morgen Mittag. Keine Panik, es reicht noch für einen Kaffee zum Aufwachen. Und ein Rosinenbrötchen mit Kardamom, die liebe ich. Es regnet schon weniger stark, als ich das nasse Zelt einpacke und nach Sandnessjøen zurücklaufe, wo die Straßen noch ausgestorben sind. Am Kai liegt das Boot schon startklar, außer mit trudeln noch vier oder fünf andere Fahrgäste ein. Nachdem ich ein paar Sachen zum Trocknen ausgebreitet habe, lasse ich mich in den gemütlichen Sitz fallen und freue mich auf die Fahrt.
Schnellboot nach Bodø
Dreieinhalb Stunden dauert die Fahrt bis Ørnes, dazwischen laufen wir etliche kleine Häfen an, wo überall zwei, drei Menschen zusteigen oder Pakete abgeliefert werden. Trotz Regen sieht man viel von der wunderschönen Nordlandküste. Ich male mir aus, wie es wohl wäre, auf einer der vielen Inseln zu leben. Die Abgeschiedenheit hat wohl auch ihren Reiz, aber an diesem rauen, windigen Tag bekomme ich schon fast eine Vorstellung davon, wie stürmisch und unwirtlich es hier im Winter sein mag.
In Ørnes angekommen habe ich jetzt viel Zeit, denn der Bus nach Glomfjord fährt erst am Nachmittag. Da es immer noch Regenschauer gibt, möchte ich irgendwo das Zelt aufstellen, Kaffee kochen und mir mal eine Wettervorhersage für die nächsten Tage verschaffen. Ersteres geht prima in dem Tal, das hinter dem Wohngebiet beginnt, und für das Wetter telefoniere ich mit meiner Frau. Sie kann mir nur für morgen und übermorgen Hoffnung machen, da soll es den ganzen Tag trocken sein. Danach wieder viel Regen.
Das kommt nicht ganz unerwartet in dieser niederschlagsreichen Gegend. Meine favorisierte Route durch den Láhko NP, am Arstadvatn vorbei, durch das Nordre Hábresdal und östlich des Hábresgletschers nach Trones zu laufen, werde ich wohl ändern müssen. Das geht nur bei gutem Wetter, und wie ungemütlich es hier werden kann habe ich schon 1998 erlebt, als ich für zwei Tage in dichten Regenwolken auf dem Glomfjell festsaß, weil ich den steilen, pfadlosen Abstieg bei praktisch Null Sicht nicht wagen wollte. Dann wird es wohl der Normalweg über Gråtådalstua, damit ich an den trockenen Tagen das Küstengebirge hinter mich bringe, wo sich erfahrungsgemäß das meiste abregnet.
Ørnes
Um 16:00 Uhr fährt dann endlich der Bus, den ich am Fykanvatn wieder verlasse. Ein Schauer folgt dem anderen, also erst mal das komplette Regenzeug anziehen, dann geht’s los. Auf die Treppe habe ich unter den Umständen keine Lust, ich folge lieber der Straße. Im Tunnel ist es wenigstens trocken.
Fykanvatnet
Der erste Tunnel
Und der ist zwar ca. 1,5 km lang, aber unerwartet angenehm zu durchlaufen, es gibt sogar einen Gehweg. Im Schein der Stirnlampe erkenne ich auf diesem allerdings recht viele aus den Felswänden gebrochene Steine, es wird wohl nur die Fahrbahn geräumt. Zwei Autos kommen mir entgegen, bergauf ist niemand unterwegs. Nach dem Tunnel gehe ich noch bis zum Abzweig ins Holmvassdal und ein Stück weiter bis zum Fluss, wo ich das Zelt für die Nacht aufstelle. Den ganzen Weg hoch zum Namnlausvatn schaffe ich nicht mehr, und für eine Pause ist es zu nass.
Tag 3
Store Sandvatnet – Skavldalen
Gestern Abend hat es mich in den Schlaf begleitet und beim Aufwachen höre ich es wieder: das stichelnde, vollkommen gleichmäßige Klopfen mittelgroßer Regentropfen, die auf das Außenzelt treffen. Ein Geräusch, so selbstverständlich und unaufdringlich, dass ich es mühelos ausblenden könnte, wäre heute ein Ruhetag. Ist aber nicht, im Gegenteil – heute ist laut yr.no einer von zwei sicher trockenen Tagen, was soll also dieser verdammte Regen? Der Regen antwortet in seiner ruhig-überlegenen Arroganz, dass ihn der norwegische Wetterdienst mal kreuzweise kann und er selber entscheidet, wer hier wann nass wird und wer nicht.
O.K., der Regen macht einen auf unbeeindruckt, das kann ich auch. Bei kühlen 2°C streife ich mir das noch schweißfeuchte T-Shirt von gestern und die nassen Regensachen über und packe zusammen. Die nach dem Zeltabbau gefühllos gefrorenen Hände stecke ich noch in die wasserdichten Überhandschuhe und laufe etwas missmutig weiter auf der Straße bis zum Storglomvassdam, wo der markierte Pfad beginnt. Der zweite Tunnel ist harmlos, man sieht am Eingang schon den Lichtschein vom Ausgang.
Storglomvassdammen, hier gab es mal ein schönes Tal - vor dem Kraftwerkbau
Im Vergleich zur meist weglosen Wildnis in der vergangenen Woche geht es auf dem deutlich ausgetretenen Pfad mühelos voran, man kann einfach loslaufen. Meine Laune bessert sich rapide. Schon auf den ersten Kilometern gibt es schöne Karstmerkmale wie die Reliefbänder und ausgewaschene Felsen. Die kommen in der Nässe sogar gut zur Geltung.
Ich komme jetzt in den Láhko Nationalpark, der 2012 eingerichtet wurde um die besondere Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen in diesem größten alpinen Karstgebiet Norwegens zu schützen. Wie gerne würde ich jetzt das spannende Gebiet um Saravatnet und Corbels Canyon erkunden. Aber ich befürchte, dass es hier, nahe der Küste, besonders heftig regnen wird und möchte lieber auf dem kürzesten Weg nach Osten laufen.
Während der Frühstückspause am Ostende des Store Sandvatn zieht noch ein letzter Nieselschauer vorüber, dann bessert sich das Wetter.
Store Sandvatn
Durch sanft hügeliges Wiesengelände geht es anschließend zum Litle Storglomvatn, einem Teil des riesigen Stausees, wo sich der Blick in Richtung Svartisen öffnet. Aber bald ist es mit der Ruhe vorbei. Von Süden nähert sich plötzlich ein Hubschrauber. Also, ich muss jetzt ausnahmsweise mal nicht gerettet werden. Im Gegenteil - ich hatte eigentlich sogar gerade angefangen mich richtig wohl zu fühlen, bevor diese lärmende Maschine in niedriger Höhe durch das Tal geschrotet kam. Er fliegt auf diese Weise durch alle Täler und sucht offensichtlich was. Dann sehe ich eine Rentierherde das Kvitsteindal entlangrennen, verfolgt vom Helikopter. O.K., das ist offensichtlich ein Rentierhalter, der wissen will wo sich seine Tiere aufhalten oder sie in ein anderes Tal treibt. Zeit ist Geld, auch in Norwegen. Was früher mehrere Tage gekostet hat, ist heute in zwei Stunden abgehakt.
Kvitsteindalsgammen, links oberhalb der gelbe Hubschrauber
Die Gamme selbst sieht sehr sauber und gemütlich aus, es stehen sogar Hausschlappen bereit. Da ich die Strecke durch das Glomdal von früher schon kenne, zweige ich jetzt auf den relativ neuen Pfad ins Skavldal ab. Zwar gibt es noch keinen richtigen Trampelpfad, aber die Route ist brauchbar markiert.
Endlich Sonne! Die Mittagspause nutze ich, um alles zum Trocknen auszubreiten, auch das tropfnasse Zelt und den klammen Schlafsack. Dabei ist es immer noch sehr frisch, nur 4°C, das habe ich beim Laufen gar nicht gemerkt. Mit dem herrlichen Gefühl von 100% trockenen Sachen geht es jetzt weiter das Skavldal hoch. Da „Skavlen“ das Firnfeld bedeutet, erwarte ich oben auf dem Pass etwas mehr Schnee. Ich lasse mir Zeit mit dem Aufstieg und genieße den wunderschönen Nachmittag.
Unteres Skavldalen
Nordre Glomvassfjellet
Mittleres Skavldalen
Anstieg zum Pass
Auf dem langgezogenen Pass gibt es dann tatsächlich nicht so viel Schnee wie erwartet, aber die Vegetation ist sehr spärlich. Hier treffe ich einen Belgier, der heute schon aus dem Beiardal über den Gipfel Kamtinden und Gråtådalstua gelaufen ist und in der Kvitsteindalsgamme übernachten will. Er wirkt noch bewundernswert fit und unangestrengt nach der langen Strecke, hat aber auch nur Minimalgepäck für drei Tage Rundtour dabei. Vielleicht sogar etwas zu minimal, denn als wir über das Wetter und den drohenden Regen sprechen, stellt er fest, dass er kein Regenzeug dabei hat. Finde ich in dieser Gegend einen kleinen Tick zu sorglos.
Weil mir der karge Pass und die Aussicht auf die Berge im Südosten außerordentlich gut gefällt, suche ich hier einen Platz für die Nacht. Der Bach zum Waschen ist allerdings eisig, danach bin ich völlig durchgefroren.
Fortsetzung folgt...
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